Spruch:
Die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung im Verfahren AZ 23 Hv 31/09b des Landesgerichts Ried im Innkreis am 18. Juni 2009 in einem mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzten Senat verletzen §§ 32 Abs 1 letzter Satz, 40 Abs 1 letzter SatzStPO.
Das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 18. Juni 2009, GZ 23 Hv 31/09b-55, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in sämtlichen Schuld- und Strafaussprüchen sowie im Adhäsionserkenntnis, demzufolge auch die die Bewährungshilfe anordnenden Beschlüsse sowie der den Angeklagten Martin G***** betreffende Widerrufsbeschluss aufgehoben und im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte Sabahudin S***** ebenso auf diese Entscheidung verwiesen wie die Angeklagten Edon K***** und Daniel I***** mit ihren Berufungen und Beschwerden.
Text
Gründe:
In der Strafsache gegen Edon K***** und andere Angeklagte, AZ 23 Hv 31/09b des Landesgerichts Ried im Innkreis, führte am 18. Juni 2009 ein Schöffensenat bestehend aus zwei Berufsrichtern und zwei Laienrichtern die Hauptverhandlung durch und fällte ein auch - von der Staatsanwaltschaft nicht bekämpfte - (Teil-)Freisprüche des Angeklagten Sabahudin S***** und Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche enthaltendes Urteil, mit dem die Angeklagten Edon K***** der Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (I./1./a./) und des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall (I./1./b./) sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (VI./), Sabahudin S***** der Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (I./1./a./), des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./1./b./), des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./2./) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2 und 15 StGB (II./, VI./ und VII./) sowie der Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2 StGB (III./ und V./) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (IV./), Daniel I***** und Martin G***** je der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./2./) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB (II./2./) und Nermin S***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./2./) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2, 15 StGB (II./1./ und 2./) sowie der Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2 StGB (III./) schuldig erkannt wurden.
Die Angeklagten wurden hiefür zu Freiheitsstrafen (in unterschiedlicher Höhe) verurteilt, deren Vollzug hinsichtlich der Angeklagten Edon K*****, Daniel I***** und Martin G***** zur Gänze und hinsichtlich des Angeklagten Nermin S***** gemäß § 43a Abs 3 StGB teilweise bedingt nachgesehen wurde. Hinsichtlich Martin G***** wurde unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die im Verfahren AZ 20 Hv 52/08t des Landesgerichts Ried im Innkreis gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Hinsichtlich der Angeklagten K*****, I*****, G***** und S***** wurde gemäß § 494 Abs 1 StPO iVm § 50 StGB - sanktionslos im Urteil statt mit gesondert auszufertigendem Beschluss (vgl Schroll in WK² § 50 Rz 16; RIS-Justiz RS0101841) - Bewährungshilfe angeordnet.
Das Urteil ist weitgehend - mit Ausnahme der Schuldsprüche des Zweitangeklagten Sabahudin S***** (infolge dessen fristgerecht angemeldeten und auch ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde [ON 69]) und der die Angeklagten Sabahudin S*****, Edon K***** und Daniel I***** betreffenden Strafaussprüche (vgl deren rechtzeitige Berufungen ON 69, 74 und 75) - ebenso in Rechtskraft erwachsen wie der Widerrufsbeschluss hinsichtlich Martin G*****. Die Angeklagten Edon K***** und Sabahudin S***** bekämpfen zudem die Aussprüche über die privatrechtlichen Ansprüche. Von den Angeklagten Edon K***** und Daniel I***** wird - implizit (§ 498 Abs 3 StPO) - die Anordnung der Bewährungshilfe bekämpft.
Rechtliche Beurteilung
Die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung im Verfahren AZ 23 Hv 31/09b des Landesgerichts Ried im Innkreis am 18. Juni 2009 in einem mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzten Senat steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Gemäß § 32 Abs 1 letzter Satz StPO (in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2009, BGBl I 2009/52; vgl auch § 514 Abs 5 erster Satz StPO) hat das Landesgericht als Schöffengericht aus einem (Berufs-)Richter und zwei Schöffen zu bestehen. Durch die Mitwirkung eines zweiten Berufsrichters an der Verhandlung und Urteilsfällung vom 18. Juni 2009 wurden daher §§ 32 Abs 1 letzter Satz, 40 Abs 1 letzter SatzStPO verletzt (vgl Jerabek, WK-StPO § 514 Rz 9).
Zur gegenteiligen, im Erlass des BMJ vom 17. Juni 2009 über die Änderungen des StGB, der StPO, des JGG, des StAG und des StVG durch das Budgetbegleitgesetz 2009, JMZ 894000L/4/II3/09, JABl 2009/15, geäußerten Rechtsansicht zur Gerichtsbesetzung und zu der nach § 281 Abs 1 Z 1 StPO statuierten Rügepflicht wird auf die Ausführungen in 13 Os 139/09d, 145/09m sowie 13 Os 115/09z, 125/09w verwiesen. Es bleibt anzumerken, dass es sich bei einem solcherart „überbesetzten" Schöffengericht nicht um einen „höherqualifizierten" Spruchkörper (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 115) handelt. Vielmehr entschied ein Richterkollegium in einer Zusammensetzung, welche das Gesetz im Verhandlungszeitpunkt nicht (mehr) vorsah. Demgemäß liegt auch eine Verletzung des im Art 6 Abs 1 MRK („… und zwar von einem … auf Gesetz beruhenden Gericht …") verankerten Grundrechts auf ein faires Verfahren vor (vgl Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention4 § 24 Rz 27 ff, insbesondere Rz 30). Der Angeklagte wurde daher auch in seinem verfassungsmäßig gewährleistetem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) beeinträchtigt.
Da durch die Mitwirkung eines weiteren Berufsrichters ein für die Angeklagten nachteiliger Einfluss auf die der Abstimmung über die Schuld- und Straffrage vorangegangene Willensbildung im Senat nicht auszuschließen ist (vgl RIS-Justiz RS0100599; 9 Os 11/87), sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, der Entscheidung gemäß § 292 letzter Satz StPO konkrete Wirkung zu verleihen.
Demnach war das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 18. Juni 2009, GZ 23 Hv 31/09b-55, das im Übrigen unberührt bleibt, in sämtlichen Schuld- und Strafaussprüchen sowie im Adhäsionserkenntnis, demzufolge auch die die Bewährungshilfe anordnenden Beschlüsse sowie der den Angeklagten Martin G***** betreffende Widerrufsbeschluss aufzuheben und im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung war der Angeklagte Sabahudin S***** ebenso auf diese Entscheidung zu verweisen wie die Angeklagten Edon K***** und Daniel I***** mit ihren Berufungen und Beschwerden.
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