OGH 1Ob617/91 (RS0060065)

OGH1Ob617/9120.11.1991

Rechtssatz

Ein Eigenkapital ersetzendes Gesellschafterdarlehen liegt dann vor, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung kreditunfähig war, wenn sie also von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen keinen Kredit mehr hätte erhalten können und ohne die Zuführung von Eigenkapital oder Gesellschafterdarlehen hätte liquidiert werden müssen.

Normen

GmbHG §74

1 Ob 617/91OGH20.11.1991

Veröff: SZ 64/160 = JBl 1992,444 (Ostheim) = RdW 1993,142

8 Ob 28/93OGH22.12.1993

Auch; Beisatz: Auch das Belassen (" Stehenlassen") von Fremdmitteln im Gesellschaftsvermögen kann eine eigenkapitalersetzende Finanzierungsentscheidung sein. Dazu ist es erforderlich, dass der Anspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft über den Zeitpunkt hinaus, von dem an ordentlich Kaufleute der Gesellschaft Eigenkapital zugeführt hätten, weil sie zu marktüblichen Bedingungen am Kapitalmarkt kein Fremdkapital mehr ohne Besicherung durch Gesellschaft oder Dritte bekommen hätte, bewusst nicht geltend gemacht wurde. Weiters, dass die Gesellschaft bereits zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Konkurseröffnung kreditunwürdig war und damals die der Gesellschaft gewährten Kredite "stehengelassen" bzw die gegen die bestehenden Forderungen gestundet wurden. (T1)

1 Ob 568/95OGH27.07.1995

Auch; Beis wie T1

7 Ob 633/95OGH20.12.1995

Auch

8 Ob 2148/96gOGH29.08.1996

Vgl; Beisatz: Hier: Ein zur Krisenfinanzierung bestimmter Finanzplankredit. (T2)

8 ObS 2107/96bOGH12.09.1996

Auch; Beisatz: Es ist darunter nicht nur die Gewährung eines Darlehens an die Gesellschaft durch den Gesellschafter zu verstehen, sondern auch eine andere Rechtshandlung des Gesellschafters, die der Darlehensgewährung wirtschaftlich entspricht. Weiters nur eine Darlehensgewährung, die unter einer Finanzsituation erfolgt, bei der ein Gesellschafter, der dem Unternehmen neues Kapital zuführen will, bei Anlegung des Maßstabes ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung hiefür Eigenkapital bzw eigenkapitalersetzendes Risikokapital einzusetzen gehabt hätte. Als maßgebliches Kriterium wird hiefür die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft im Zeitpunkt der Kreditgewährung angesehen (mit einer Zusammenfassung der bisherigen Judikatur). (T3) Beisatz: Hier: Stiller Gesellschafter stellt dem Firmenanwalt der Gesellschaft als Treuhänder einen Geldbetrag von S 1,000.000,- zur Begleichung der offenen Dienstnehmerforderungen gegen Zession der Ansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zur Verfügung. (T4) Veröff: SZ 69/208

1 Ob 2044/96mOGH28.01.1997

Auch; Veröff: SZ 70/7

8 Ob 254/97dOGH30.10.1997

Vgl aber; Beisatz: Es bedarf aber nicht der positiven Kenntnis der kritischen Lage der Gesellschaft voraussetzenden Finanzierungsabrede (so ein Teil der deutschen Lehre und 8 Ob 28/93, 1 Ob 568/95), vielmehr reicht Kennenmüssen (Kennenkönnen) aus. (T5); Beisatz: Zusammenfassung der bisherigen Judikatur unter Hinweis auf die maßgebliche österreichische und deutsche Literatur. (T6); Beis wie T3; Beisatz: Hier: Stehenlassen von Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis durch einen Arbeitnehmer einer GmbH, der zugleich auch deren Gesellschafter, nicht aber Geschäftsführer ist. (T7) Veröff: SZ 70/232

4 Ob 344/97kOGH25.11.1997

Beisatz: Einem im Zeitpunkt der Kreditunfähigkeit gewährten Gesellschafterdarlehen sind Finanzplankredite gleichzustellen; Finanzplankredite sind Gesellschafterdarlehen, die planvoll als Eigenkapitalersatz gegeben werden. (T8)

8 Ob 336/97pOGH12.03.1998
7 Ob 366/98vOGH23.11.1999

Beisatz: Bei der Beurteilung der Frage der Kreditfähigkeit kommt es auf die konkrete Finanzierungslage der Gesellschaft wie Bilanzansätze, Ertragskraft, noch verfügbare Sicherheiten, vor allem aber auch auf das konkrete Darlehen, seine Laufzeit, seinen Umfang und die Art der Besicherung sowie auf die Finanzpläne der Gesellschaft an. Anhand dieser Daten ist (ex ante) aus der Sicht des für die Qualifizierung des Darlehens maßgeblichen Zeitpunktes der Gewährung zu beurteilen, ob auch die Hausbank oder ein sonstiger, der Gesellschaft nicht als Mitglied verbundener Kreditgeber, das fragliche Darlehen gewährt hätte. Die Beweislast, dass es sich um ein Eigenkapital ersetzendes Gesellschafterdarlehen handelt, trifft denjenigen, der für sich daraus günstige rechtliche Schlüsse ableiten will. (T9) Beisatz: Auch die Stundung von Geldforderungen kann eine dem Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen gleichwertige Art der Zuführung von Liquidität an die Gesellschaft sein, wenn die sonst für die Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen geforderten Voraussetzungen vorliegen, insbesondere eine bestimmte Finanzierungsabsicht dahinter stand. (T10)

8 ObS 5/00vOGH13.07.2000

Vgl auch; Beis wie T7

8 ObS 4/00xOGH13.07.2000

Vgl auch; Beis wie T7

8 Ob 296/01iOGH18.04.2002

Ähnlich; Beisatz: Im Falle nachrangiger Darlehen iSd § 23 Abs 1 und 8 BWG wird der eigenkapitalersetzende Charakter des Darlehens ausdrücklich vereinbart. (T11); Veröff: SZ 2002/51

8 ObS 200/02yOGH07.11.2002

Vgl; Beis wie T8; Beis wie T10 nur: Auch die Stundung von Geldforderungen kann eine dem Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen gleichwertige Art der Zuführung von Liquidität an die Gesellschaft sein. (T12); Beisatz: Hier: Nur teilweiser Eigenkapitalersatz bezüglich stehen gelassener Überstundenansprüche; hingegen wurde das laufende Entgelt regelmäßig gezahlt. (T13)

6 Ob 18/03wOGH20.02.2003

Auch; Beis wie T5; Beis wie T12

8 Ob 259/02zOGH28.08.2003

Vgl auch; Beisatz: Den die Darlehensforderung bekämpfenden Masseverwalter trifft auch die Behauptungslast und Beweislast für die "Gesellschafterstellung" des Darlehengebers, wobei der Anscheinsbeweis zur Anwendung gelangt; der Nachweis des späteren Wegfalles dieser Stellung trifft dann den Darlehensgeber. (T14)

6 Ob 282/03vOGH19.02.2004

Vgl; Beisatz: Wenn die in der Krise des Unternehmens erbrachten eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen (Gesellschafterdarlehen) oder Haftungsübernahmen (Schuldbeitritte; Bürgschaften) ausreichten, um die Befriedigung aller Gläubiger mit Ausnahme der rückforderungsberechtigten Gesellschafter zu bewirken oder sicherzustellen, durfte vor dem Inkrafttreten des GIRÄG 2003 ein Gläubiger, dessen Forderungen vom späteren Gemeinschuldner befriedigt wurden, wegen der bis dahin fehlenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung und der divergierenden Meinungen im Schrifttum der vertretbaren Ansicht sein, dass keine rechnerische Überschuldung vorlag, sodass ihm im Anfechtungsprozess nach §31 KO keine fahrlässige Unkenntnis über einen Insolvenztatbestand angelastet werden kann. Dass bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung Verbindlichkeiten aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen nur dann nicht zu berücksichtigen sind (die Rückforderungsansprüche also auf der Passivseite der Überschuldungsbilanz nicht aufzuscheinen haben), wenn die Gesellschafter eine Rangrücktrittserklärung abgegeben haben, wurde vom Gesetzgeber erst durch den mit dem GIRÄG 2003 neu geschaffenen Abs 3 des §67 KO klargestellt. (T15)

9 ObA 124/03fOGH21.04.2004

Auch; Beis ähnlich T5; Beis wie T7

8 ObS 11/04OGH22.12.2004

Vgl auch; Beisatz: Der Gesellschafter, der eine notleidend gewordene GmbH durch Gewährung von Darlehen am Leben zu halten versucht, statt ihr Eigenkapital zuzuführen, schmälert den ohnehin schon unzureichenden Haftungsfond für die übrigen Gläubiger und ist zur Darlehensgewährung regelmäßig auch nur deshalb bereit, da er sich von dem Weiterbetrieb der GmbH Vorteile verspricht. Wenngleich die Verantwortung zur ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung den Gesellschafter nicht dazu verpflichtet, in der Krise fehlendes Kapital aus eigenem Vermögen nachzuschießen, kann er aber nicht zum Nachteil der übrigen Gläubiger statt dieser Finanzierungsform auf Darlehen ausweichen und damit das Finanzierungsrisiko auf diese anderen Gläubiger überwälzen. (T16)

7 Ob 288/04kOGH08.06.2005

Vgl auch

8 ObS 5/06bOGH19.06.2006
8 Ob 125/07aOGH28.02.2008

Vgl auch; Beis wie T3 nur: Es ist darunter nicht nur die Gewährung eines Darlehens an die Gesellschaft durch den Gesellschafter zu verstehen, sondern auch eine andere Rechtshandlung des Gesellschafters, die der Darlehensgewährung wirtschaftlich entspricht. (T17); Beisatz: (Hier fehlende) Grundvoraussetzung für die Annahme, dass ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen gewährt wurde, ist, dass der Gesellschafter der Gesellschaft Kapital aus seinem Vermögen zuschießt. (T18); Beisatz: Die Gewährung nichtrückzahlbarer Förderzuschüsse aus Mitteln des Landes, des Bundes und der EU bezweckten eine endgültige Kapitalzuführung an den Förderungsnehmer und sind mit einem gewährten Darlehen nicht vergleichbar. (T19)

8 Ob 137/09vOGH21.12.2009

Vgl; Beisatz: Hier: Kreditgewährung noch vor Inkrafttreten des EKEG. (T20)

10 Ob 91/11xOGH08.11.2011

Auch

17 Ob 14/20pOGH24.11.2020

Vgl aber; Beisatz: Die ältere Rechtsprechung, die die Regelungen zum Verbot der Einlagenrückgewähr analog anwandte, ist seit Erlassung des EKEG überholt. (T21)

Dokumentnummer

JJR_19911120_OGH0002_0010OB00617_9100000_009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)