OGH 8Ob336/97p

OGH8Ob336/97p12.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG, ***** vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer, Dr.Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei Dr.Erich Druckenthaner, Rechtsanwalt, 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 19/15, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der E***** GesmbH & Co KG, wegen Feststellung einer Konkursforderung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 26.August 1997, GZ 1 R 184/97b-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 15.Mai 1997, GZ 1 Cg 57/97w-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 22.725,-- (darin S 3.787,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Gemeinschuldnerin ist eine GesmbH & Co KG, der die Klägerin Kredite gewährt hatte. Diese Kredite hafteten im Zeitpunkt der Konkurseröffnung mit einem Betrag von zumindest S 15,302.884,-- unberichtigt aus. Ein Teil der Kreditforderungen ist durch Bürgschaften sowie auf im Eigentum von Gesellschaftern stehender Liegenschaften verbücherte Pfandrechte besichert. Die Forderungsanmeldung der Klägerin im Konkurs bestritt der Masseverwalter insoweit, als diese unbedingt erfolgte und anerkannte die Forderungen lediglich als bedingte in dem Umfang, in welchem die Klägerin bei Inanspruchnahme der Sicherheiten einen Ausfall erleide.

Mit ihrer am 6.3.1997 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, daß ihr die im Konkurs angemeldete Forderung als unbedingte Forderung zustehe. Ein kreditgebender Nichtgesellschafter unterliege nicht den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätzen über das Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen. Nur Kredite "aus Gesellschafterhand" fielen unter das Kapitalersatzrecht. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung könne der Masseverwalter im Gesellschaftskonkurs den Drittkreditgeber nicht dazu zwingen, vorrangig die ihm vom Dritten eingeräumten Sicherheiten in Anspruch zu nehmen. Die Gesellschaft sei vielmehr darauf beschränkt, ihrerseits gegebenenfalls vom Gesellschafter Erstattung zu verlangen.

Der Beklagte wendete dagegen ein, daß die Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Kreditgewährung bzw der Kreditverlängerung bereits kreditunwürdig gewesen sei. Dies sei der Klägerin aufgrund ihrer Kenntnisse über die wirtschaftliche Situation der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen. Die im deutschen Recht entwickelten Grundsätze über Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen seien auch für den österreichischen Rechtsbereich anzuwenden. Wie in § 32a Abs 2 dGmbHG normiert, unterliege auch der kreditgebende Nicht-Gesellschafter den Grundsätzen über das Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen und müsse vorrangig die Befriedigung beim Sicherheitsgeber suchen, während er im Konkurs lediglich den Ausfall verlangen könne. Dies gelte auch für das "Stehenlassen" von Krediten, weil dadurch die Insolvenz verschleppt und weitere erhebliche Verbindlichkeiten begründet würden.

Das Gericht erster Instanz gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß mangels entsprechender gesetzlicher Bestimmung bzw mangels einer tragfähigen Analogiebasis eine dem § 32a Abs 2 dGmbHG vergleichbare Anspruchsgrundlage dem österreichischen Rechtsbestand fremd sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Regelung des § 32a dGmbHG gehöre nicht dem österreichischen Rechtsbestand an. Vielmehr erlaube § 18 Abs 1 KO dem Gläubiger seine Kredit- bzw Darlehensforderung mit dem vollen Forderungsbetrag unabhängig von der Verwertung allfälliger Sicherheiten im Konkurs des Schuldners geltend zu machen. Der Oberste Gerichtshof habe bisher als Grundlage seiner Judikatur zum Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen die vor der deutschen GmbHG-Novelle 1980 entwickelte deutsche Rechtsprechung herangezogen, welche neben den sogenannten Novellenregeln weiterhin Gültigkeit habe. Danach könne aber der Dritte, solange er nicht einem Gesellschafter gleichgehalten werden müsse, das der Gesellschaft gewährte und vom Gesellschafter besicherte Darlehen von der Gesellschaft zurückverlangen. Der Gesellschaft stehe dann in den Grenzen des § 31 Abs 1 dGmbHG ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Gesellschafter hinsichtlich der von ihr an den Dritten erbrachten Zahlungen zu. Damit stimme auch grundsätzlich die Zielrichtung des § 32a Abs 2 dGmbHG überein, weil sich die Norm nicht gegen den Kreditgeber, sondern gegen den Gesellschafter als Sicherungsgeber richte und der Kreditgeber nur reflexiv betroffen werde.

Der dagegen erhobenen Revision des Beklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ 64/53 ist es auch in Österreich allgemein anerkannt (SZ 64/160; SZ 66/8; ecolex 1994, 818; RdW 1994, 143; GesRZ 1996, 108; 8 Ob 107/97m), daß die im deutschen Recht zu § 32a dGmbHG entwickelten Grundsätze über Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen - in Analogie zu § 74 Abs 1 GmbHG - auch im österreichischen Recht anwendbar sind. Dem Gesellschafter, der der kreditunwürdigen Gesellschaft mbH anstelle der erforderlichen Zuführung von Eigenkapital lediglich ein Darlehen gewährt, soll es nicht ermöglicht werden, dadurch das Finanzierungsrisiko auf die Gläubiger abzuwälzen. Erhielte die Gesellschaft zu marktüblichen Bedingungen keinen Kredit mehr und müßte sie ohne Zuführung von Eigenkapital oder Gesellschafterdarlehen liquidiert werden, dient die Doppelrolle als Gesellschafter und Darlehensgeber nur mehr dazu, das Risiko der Mittelzuführung höchstmöglich zu minimieren und ist daher als "anstößig" anzusehen. Diese Überlegungen gelten auch für die Beteiligung an der GesmbH & Co KG (RdW 1996, 526) und führen insgesamt zu dem Ergebnis, daß die Rückforderung eines Eigenkapital ersetzenden Darlehens vom Gesellschafter im Konkurs der Gesellschaft nicht gefordert werden kann (SZ 69/208 mit eingehender Darstellung der Rechtsprechung).

Durch die Novelle 1980 wurden dem deutschen GmbHG die §§ 32a und 32b eingefügt. § 32a Abs 2 dGmbHG lautet:

"Hat ein Dritter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten, statt dessen ein Darlehen gewährt und hat ihm ein Gesellschafter für die Rückgewähr des Darlehens eine Sicherung bestellt oder hat er sich dafür verbürgt, so kann der Dritte im Konkursverfahren oder im Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft nur für den Betrag verhältnismäßige Befriedigung verlangen, mit dem er bei der Inanspruchnahme der Sicherung oder des Bürgen ausgefallen ist."

Eine vergleichbare Bestimmung sah der Ministerialentwurf für das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1993 (IRÄG 1993) vor, wonach dem österreichischen GmbHG die §§ 74a und 74b eingefügt werden sollten. § 74a Abs 2 hatte den im wesentlichen gleichen Wortlaut wie die oben dargestellte Bestimmung des deutschen Gesetzes. Nach heftiger Kritik an diesem Entwurf (Ostheim, Zur geplanten Neuregelung Eigenkapital ersetzender Gesellschafterdarlehen im Entwurf zum Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1993, WBl 1993, 386; Karsten Schmidt, Fortschritt im Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen, RdW 1994, 135) enthielt bereits der Regierungsentwurf diese Erweiterung des GmbHG nicht mehr, sodaß derzeit eine der deutschen Regelung vergleichbare gesetzliche Bestimmung im österreichischen Rechtsbestand fehlt.

In der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes waren stets Fälle zu entscheiden, in welchen das Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zu beurteilen war und es als sachgerecht empfunden wurde, den Gesellschafter aufgrund der ihn treffenden Finanzierungsverantwortung die Lasten der Insolvenz tragen zu lassen. Nur in diesem Sinne wurden die im deutschen Recht zu § 32a dGmbHG entwickelten Grundsätze über Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen auch im österreichischen Recht als anwendbar gesehen (SZ 64/8; SZ 69/208; 8 Ob 254/97d). Es ging daher in den bisher vorliegenden Entscheidungen stets nur um die sich aus § 32a Abs 1 und 3 dGmbHG ergebenden Grundsätze; der Abs 2 dieser Gesetzesstelle war bisher nicht Gegenstand der Überlegungen der Judikatur.

Während die Belastung des Gesellschafters im Insolvenzfalle ohneweiteres aus allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen abgeleitet werden kann, es somit - auch für den deutschen Rechtsbereich - der Berufung auf die Bestimmung des § 32a Abs 1 und Abs 3 dGmbHG nicht bedürfte (vgl zur Rechtsprechung vor der Novelle 1980: NJW 1977, 104; BGHZ 81/26; Hueck in Baumbach/Hueck, dGmbH-Gesetz16, 345), ist der Eingriff in die Rechte des Drittkreditgebers nicht ohneweiteres aus der österreichischen Rechtslage erklärbar. Wie schon das Gericht zweiter Instanz unter Hinweis auf § 18 KO hervorgehoben hat, hindern nach allgemeinen insolvenzrechtlichen Grundsätzen Sicherheiten aus dem Vermögen Dritter den Gläubiger nicht an der vollen Geltendmachung der Forderung gegen den Gemeinschuldner (Karollus, Drittkredit, Gesellschaftersicherheit und Kapitalersatzrecht, RdW 1996, 4). Auch Karsten Schmidt meldet in seinem Aufsatz "Eigenkapitalersatz und seine Behandlung in Österreich (II)", GesRZ 1993, 86, hier: 89, erhebliche Zweifel daran an, ob man § 32a Abs 2 dGmbHG, soweit er den kreditgebenden Dritten mittelbar benachteiligt, als Ausdruck eines auch in Österreich geltenden überpositiven Rechtsgrundsatzes betrachten dürfe. Die von ihm unter Hinweis auf §§ 103 Abs 3, 132 KO gestellte Frage, ob die Übernahme der mehrfach zitierten deutschen Regelung für den österreichischen Rechtsbereich nur die Konsequenz des schon geltenden Konkursrechtes darstelle, ist nach Ansicht des erkennenden Senats zu verneinen. Die beiden von ihm zitierten Bestimmungen der Konkursordnung befassen sich mit der Stellung der Absonderungsgläubiger im Konkurs und ihrer grundsätzlichen Beschränkung auf den Ausfall. Diese Normen können auf den hier zu beurteilenden Fall auch bei abstrahierender Betrachtungsweise nicht angewendet werden, weil der Absonderungsgläubiger Rechte an Sachen des Gemeinschuldners hat und durch die ungeschmälerte Befriedigung aus der Sondermasse gegenüber den übrigen Konkursgläubigern privilegiert wird (§ 48 KO). Demgegenüber benachteiligt die Regelung des § 32a Abs 2 dGmbHG den dritten Kreditgeber, wenngleich dies nur reflexiv geschieht, weil sich die Vorschrift nicht gegen ihn, sondern gegen den Gesellschafter als Sicherungsgeber richtet (Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht3, 1161; ders in Scholz, KommzGmbH-Gesetz8, 1155).

Läßt sich die Beschränkung der Rechte des Drittkreditgebers aber nicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ableiten, bedürfte es zu ihrer Verwirklichung einer gesetzlichen Grundlage, welche - wie dargestellt - für den österreichischen Rechtsbereich fehlt. In diesem Sinne argumentieren Karollus aaO, Nowotny, "Probleme des Eigenkapital ersetzenden Darlehens", ÖBA 1994, 669, hier: 680, der auf die besondere Bedeutung der bisher als allein maßgeblich angesehenen Doppelrolle von Gesellschafter und Kreditgeber verweist (aaO 676), sowie Ostheim "Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen in der Unternehmenskrise (I)", GesRZ 1989, 122, hier: 132. Auch Reich-Rohrwig in GmbH-Recht I2 Rz 2/362 sieht in der Umqualifizierung der vom Gesellschafter besicherten Forderung gegen die GmbH in eine Ausfallshaftung einen gesetzlich nicht gedeckten Eingriff in die Rechte der dritten Kreditgeber.

Diesen gewichtigen Argumenten kann durch Zweckmäßigkeitsüberlegungen nicht begegnet werden, zumal unstrittig ist, daß lediglich die vom Gesellschafter gegebene Sicherheit als kapitalersetzend erfaßt werden soll. Auch steht nicht zu befürchten, die bisher vom Obersten Gerichtshof zum Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen entwickelten Grundsätze könnten durch das Unterbleiben einer Weiterentwicklung in Richtung des Drittkreditgebers ausgehöhlt und umgangen werden, weil die vom Gläubiger in Anspruch genommene GmbH im Umfang des Freiwerdens der Eigenkapital ersetzenden Sicherheit einen Erstattungsanspruch gegen den Gesellschafter hat, wie dies - wenngleich zeitlich begrenzt - § 32b dGmbHG vorsieht und als konsequente Fortbildung des Kapitalerhaltungsgrundsatzes auch in Österreich begründbar ist (Ostheim aaO 132; Reich-Rohrwig aaO).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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