1.2.3.1 Beginn der Steuerpflicht (§ 4 Abs. 1 KStG 1988)
1.2.3.1.1 Beginn der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit
Zusätzlich zu den in § 1 Abs. 2 KStG 1988 genannten Voraussetzungen des Vorliegens von Geschäftsleitung oder Sitz der Körperschaften im Inland (Rz 4 bis 6) bedarf es in erster Linie einer unter § 1 Abs. 2 KStG 1988 subsumierbaren zivilrechtlichen Rechtsform. Diese können sein:- Juristische Personen des privaten Rechts im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988,
- Betriebe gewerblicher Art im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 2 und § 2 KStG 1988 als Teil des Vermögens einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und
- (ersatzweise) nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 3 und § 3 KStG 1988.
Zivilrechtliche Rechtsfähigkeit erlangen Kapitalgesellschaften (§ 34 AktG, § 2 GmbHG), große Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (§ 35 ff VAG 2016), Genossenschaften (§ 8 GenG) und Privatstiftungen (§ 7 PSG) durch Eintragung in das Firmenbuch. Kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (§ 68 ff VAG 2016) entstehen mit Erteilung der Konzession (§ 69 Abs. 2 VAG 2016); sie können sich freiwillig ins Firmenbuch eintragen lassen. Zu welcher Kategorie der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit gehört, wird von der FMA entschieden. Ideelle Vereine werden nach Abwicklung des vereinsbehördlichen Verfahrens mit ihrer Konstituierung, Sparkassen mit Satzungsgenehmigung (§ 13 Abs. 4 SpG) rechtsfähig.
Zu Stiftungen, Fonds und Anstalten sowie andere zivilrechtsfähige Zweckvermögen siehe Rz 23 bis 29.
1.2.3.1.2 Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht
Vor dem gesellschaftsrechtlichen Entstehen einer Körperschaft beginnt die unbeschränkte Steuerpflicht, sobald die Rechtsgrundlage wie Satzung, Gesellschaftsvertrag oder Stiftungsbrief festgestellt ist und sie erstmalig nach außen in Erscheinung tritt. Der Beginn der Steuerpflicht der Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 2 und 3 KStG 1988 richtet sich nach den §§ 2 und 3 KStG 1988.1.2.3.1.2.1 Vorgründungskörperschaft
Einer Vorgründungskörperschaft bzw. -gesellschaft liegt die Verpflichtung von zwei (bei einer geplanten GmbH gegebenenfalls auch einer) oder mehreren Personen zu Grunde, eine Körperschaft bzw. Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit zu gründen. Auf sie finden die Vorschriften über den Vorvertrag im Sinne des § 936 ABGB Anwendung. Es gelten dieselben Formvorschriften wie für den nachfolgenden Hauptvertrag.Bei wirtschaftlichem Tätigwerden liegt je nach der Geschäftstätigkeit entweder eine GesBR oder eine OG, grundsätzlich also eine Mitunternehmerschaft vor.
Nehmen Personen eine wirtschaftliche Geschäftstätigkeit auf, bevor sie einen (formgültigen) Vorgründungsvertrag oder Gesellschaftsvertrag abgeschlossen haben, kann diese dennoch der künftigen GmbH zugerechnet werden, wenn sie innerhalb eines Zeitraumes von etwa drei Monaten vor dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages erfolgte.
1.2.3.1.2.2 Vorkörperschaft
Zwei oder mehrere Personen (bei einer geplanten GmbH gegebenenfalls auch eine Person) schließen einen Gründungsvertrag für eine Körperschaft bzw. Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, der sie und die bestellten Gesellschaftsorgane verpflichtet, alles zum Entstehen der Gesellschaft Erforderliche zu unternehmen. Für den Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht ist neben dem abgeschlossenen Gründungsvertrag notwendig, dass die Körperschaft bzw. Gesellschaft auch nach außen in Erscheinung tritt. Die Eröffnung eines Bankkontos (zB VwGH 4.3.1987, 84/13/0239) genügt dazu ebenso wie eine Geldtransaktion für die Körperschaft bzw. Gesellschaft (zB VwGH 8.6.1988, 84/13/0069) oder die Anmeldung der Registrierung im Firmenbuch. Körperschafts- bzw. gesellschaftsinterne Vorbereitungshandlungen sind hingegen nicht ausreichend.Liegen beide Voraussetzungen vor, wird die Vorkörperschaft bzw. -gesellschaft körperschaftsteuerrechtlich nicht als Rechtsgebilde sui generis angesehen. Voraussetzung ist, dass die Eintragung planmäßig betrieben wird und innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes auch tatsächlich erfolgt. Die Anzeige der Vorkörperschaft hat in jedem Fall beim Finanzamt Österreich zu erfolgen (§ 60 Abs. 2 Z 5 lit. a BAO), unabhängig davon, welches Finanzamt für die Erhebung der Abgaben von der entstandenen Körperschaft oder Gesellschaft zuständig sein wird.Das im Gründungsstadium anfallende Einkommen ist in diesem Fall der Körperschaft bzw. Kapitalgesellschaft zuzurechnen und im Wege der zutreffenden Einkünfte- bzw. Gewinnermittlung zu erfassen. Bei einer werdenden Kapitalgesellschaft ist daher bereits im Gründungsstadium der Gewinn gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 zu ermitteln und ein im Gesellschaftsvertrag festgelegtes, vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr maßgebend.
Eine allenfalls bestehende unternehmensrechtliche Rechnungslegungspflicht ist bereits vor der Eintragung zu beachten.
Ein Gesellschafterwechsel in der Vorgesellschaft ändert an der Identität mit der späteren Körperschaft nichts, wenn die ausgeschiedenen Gesellschafter an den den Gesellschafterwechsel betreffenden Änderungen des Vertrages mitwirkten.1.2.3.1.2.3 Unechte Vorkörperschaft
Eine unechte Vorkörperschaft bzw. -gesellschaft liegt vor, wenn- die Gründer von Beginn an keine Registrierung anstreben,
- der Eintragungsantrag nicht ernsthaft weiterbetrieben wird (Nichtbeseitigung von Eintragungshindernissen oder Nichtbeschaffung von Eintragungsunterlagen) oder
- nach Ablehnung des Eintragungsantrages eine Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern nicht erfolgt.
Die unechte Vorgesellschaft ist bei wirtschaftlicher Betätigung steuerlich als Mitunternehmerschaft anzusehen.
1.2.3.1.2.4 Weitere Fälle
- Für ein Gruppenmitglied und seinen Gruppenträger besteht jeweils eine eigenständige Steuerpflicht. Liegen die Voraussetzungen für die Aufnahme einer Körperschaft in die Unternehmensgruppe bereits vor der Protokollierung dieser Körperschaft vor, ist ihre steuerliche Einbeziehung in die Unternehmensgruppe bereits zu diesem Zeitpunkt (vor Protokollierung) möglich. Eine vertragliche Rückbeziehung der Errichtung einer Gesellschaft ist - von den Regelungen im UmgrStG abgesehen - steuerlich bedeutungslos.
- Für den Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht von Betrieben gewerblicher Art in ihren Erscheinungsformen Betrieb, Gewerbebetrieb und Versorgungsbetrieb ist das Vorliegen der in § 2 Abs. 1 KStG 1988 genannten Voraussetzungen erforderlich. Dies wird in der Regel dann der Fall sein, wenn der Gewerbebetrieb erkennbar seine werbende Tätigkeit durch ein konkretes Leistungsangebot und Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr ausübt. Vorbereitungshandlungen können bereits die Aufnahme der Tätigkeit bedeuten. Mit dem Zeitpunkt des Tätigwerdens im Außenverhältnis beginnt die Steuerpflicht. Für die zeitliche Zurechnung gelten grundsätzlich die allgemeinen steuerlichen Regeln für den Betriebserwerb und die Betriebsveräußerung (§ 24 EStG 1988).
- Bei Beteiligungserwerb (§ 2 Abs. 2 Z 1 KStG 1988) und der entgeltlichen Betriebsüberlassung eines vorher nicht aktiv geführten Betriebes (§ 2 Abs. 2 Z 2 KStG 1988) beginnt die unbeschränkte Steuerpflicht in dem Zeitpunkt, in dem das Rechtsgeschäft über den Erwerb einer Beteiligung oder die Überlassung eines Gewerbebetriebes rechtsverbindlich zustande gekommen ist.
- Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und anderen Zweckvermögen resultiert aus dem Umstand, dass steuerpflichtiges Einkommen weder nach dem KStG 1988 noch nach dem EStG 1988 unmittelbar einer anderen Person zuzurechnen ist. Die Steuerpflicht beginnt in dem Zeitpunkt, in dem ein ertragbringender Vermögensgegenstand nur wirtschaftlich, nicht jedoch rechtlich aus dem Vermögen einer Person ausscheidet und nicht in das wirtschaftliche Eigentum einer anderen Person übergeht.
- Ausländische Körperschaften können unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein, wenn sie im Inland über Sitz oder Geschäftsleitung verfügen. Voraussetzung für den Beginn der Steuerpflicht ist die Verlegung des Sitzes oder der Geschäftsleitung in das Inland. Voraussetzung für eine Verlegung ist ein entsprechender Beschluss der dafür zuständigen Organe der Körperschaft. Dieser Beschluss führt bei Einhaltung der Gründungsvorschriften für Kapitalgesellschaften zu einer Firmenbucheintragung oder einem behördlichen Anerkennungsverfahren (zB Konzession). Die Steuerpflicht beginnt mit dem Beschluss über die Sitzverlegung. Wird nur die Geschäftsleitung der Körperschaft in das Inland verlegt, entsteht die Steuerpflicht mit der (rechtzeitigen) Mitteilung an eine zuständige österreichische Behörde (zB Finanzamt, Gewerbebehörde, Kammern), jedenfalls aber mit den Handlungen, die die tatsächliche Verlegung erkennen lassen.