Inhalt
1.Allgemeines zum Meldezeitpunkt
2.Anwendungsbereich (§ 2 EU-MPfG)
3.Begriffsdefinitionen (§ 3 EU-MPfG)
4.Meldepflichtige Gestaltung (§ 4 EU-MPfG)
5.Unbedingt meldepflichtige Gestaltungen (§ 5 EU-MPfG)
6.Bedingt meldepflichtige Gestaltungen (§ 6 EU-MPfG)
7.Meldung einer meldepflichtigen Gestaltung (§ 7 EU-MPfG)
8.Frist für die Meldung (§§ 8 und 13 EU-MPfG)
9.Befreiung von der Meldepflicht (§ 11 EU-MPfG)
10.Inhalt der Meldung (§§ 16 und 17 EU-MPfG)
1. Allgemeines zum Meldezeitpunkt
Die in der Richtlinie (EU) 2020/876 vorgesehene Option zur Verschiebung von Meldefristen wird von Seiten Österreichs nicht ausgeübt. Die im EU-Meldepflichtgesetz (EU-MPfG) normierten Meldefristen bleiben somit unverändert bestehen.
Aufgrund technischer Verzögerungen auf Unionsebene bei der Erstellung des Zentralverzeichnisses wird die Übermittlung der Meldung von grenzüberschreitenden Gestaltungen iSd EU-MPfG auf elektronischem Wege über FinanzOnline (iSd § 18 EU-MPfG) jedoch erst zum 1. Oktober 2020 möglich sein. Aus diesem Grund wird die Frist für die elektronische Übermittlung der Erstmeldung einer meldepflichtigen Gestaltung bis 31. Oktober 2020 verlängert. Die Übermittlung einer erstmaligen Meldung in elektronischer Form nach dem 1. August 2020 bis zum 31. Oktober 2020 stellt daher keine schuldhafte Pflichtverletzung nach § 49c Abs. 1 Z 2 FinStrG dar. Dies gilt sowohl für Gestaltungen, deren erster Schritt zwischen 25. Juni 2018 und 30. Juni 2020 umgesetzt worden ist (§ 4 Z 1 EU-MPfG; sog Altfälle) als auch für Gestaltungen, deren erster Schritt ab 1. Juli 2020 umgesetzt wird (§ 4 Z 2 EU-MPfG) und für Gestaltungen, die ab 1. Juli 2020 konzipiert, vermarktet, organisiert, zur Umsetzung bereitgestellt oder verwaltet werden (§ 4 Z 3 EU-MPfG).
2. Anwendungsbereich (§ 2 EU-MPfG)
Der Anwendungsbereich des EU-MPfG erstreckt sich gemäß § 2 Abs. 2 EU-MPfG iVm § 1 Abs. 3 EU-AHG (BGBl. I Nr. 112/2012 idaF) nicht auf folgende Abgaben:
- Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 3 Z 1 EU-AHG);
- Zölle (§ 1 Abs. 3 Z 2 EU-AHG);
- Verbrauchsteuern, die in anderen Rechtsvorschriften der Union über die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten erfasst sind (§ 1 Abs. 3 Z 3 EU-AHG);
- Pflichtbeiträge zu Sozialversicherungen, die an den Mitgliedstaat, eine Gliederungseinheit des Mitgliedstaats oder an öffentlich-rechtliche Sozialversicherungseinrichtungen zu leisten sind (§ 1 Abs. 3 Z 4 EU-AHG);
- Gebühren, die für von Behörden ausgestellte Bescheinigungen und ähnliche Dokumente erhoben werden (§ 1 Abs. 3 Z 5 EU-AHG) und
- vertragliche Gebühren wie Zahlungen an öffentliche Versorgungsbetriebe (§ 1 Abs. 3 Z 6 EU-AHG).
Gebühren nach dem Gebührengesetz 1957 (BGBl. I 267/1957 idaF) fallen als echte Steuern weder unter § 1 Abs. 3 Z 5 EU-AHG noch § 1 Abs. 3 Z 6 EU-AHG und sind deshalb vom Anwendungsbereich des EU-MPfG erfasst. Des Weiteren fallen auch, aber nicht nur, die Versicherungssteuer nach dem VersStG (BGBl. 133/1953 ), die Grunderwerbsteuer nach dem GrEStG 1987 (BGBl. 309/1987 idaF) als auch die Normverbrauchsabgabe nach dem NoVAG 1991 (BGBl. 695/1991 idaF) in den Anwendungsbereich des EU-MPfG.
3. Begriffsdefinitionen (§ 3 EU-MPfG)
a) § 3 Z 2 EU-MPfG - "grenzüberschreitende Gestaltung"
Unter dem Begriff "Gestaltung" iSd EU-MPfG kann nach allgemeinem Verständnis ein Schaffensprozess verstanden werden, bei dem eine bestimmte Struktur, ein bestimmter Prozess oder eine bestimmte Situation bewusst und aktiv herbeigeführt oder verändert wird.
Eine Gestaltung kann einen oder mehrere Schritte sowie einen oder mehrere Teile oder eine Reihe von Transaktionen umfassen. Grenzüberschreitend ist eine Gestaltung gemäß § 3 Z 2 EU-MPfG dann, wenn sie Österreich und einen oder mehrere Mitgliedstaaten oder Österreich und einen oder mehrere Drittstaaten betrifft, wobei zumindest eine der in lit. a - e genannten Voraussetzungen erfüllt sein muss.
Da es sich bei "grenzüberschreitende Gestaltung" iSv § 3 Z 2 EU-MPfG um eine Tatbestandsvoraussetzung der Meldepflicht gemäß § 4 EU-MPfG handelt, ist das Wort "betrifft" in einem ersten Schritt weit auszulegen, wodurch ein Mitgliedstaat bei Erfüllung einer der Voraussetzungen von § 3 Z 2 lit. a - e EU-MPfG von einer Gestaltung "betroffen" ist. Die Meldepflicht einer grenzüberschreitenden Gestaltung wird jedoch erst bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen von § 4 EU-MPfG (siehe Kapitel 4) ausgelöst.
Die in § 3 Z 2 lit. a - d EU-MPfG genannte "beteiligte Person" ist eine Person im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 12 EU-AHG (vgl § 3 Z 8 EU-MPfG), die an einer (un)bedingt meldepflichtigen Gestaltung nach §§ 5 und 6 EU-MPfG beteiligt ist. Eine Person ist dann an einer meldepflichtigen Gestaltung beteiligt, wenn die Gestaltung ohne Zutun oder Duldung der Person nicht zustande gekommen wäre. Der Intermediär gemäß § 3 Z 3 EU-MPfG ist keine "beteiligte Person", sofern er nur Tätigkeiten ausübt, die seiner Intermediärseigenschaft inhärent sind (vgl § 3 Z 3 lit. a und b EU-MPfG).
Die weite Auslegung des Begriffs "beteiligt" führt in einem ersten Prüfschritt zu einem sehr großen Kreis an grenzüberschreitenden Gestaltungen:
Bsp.: Unternehmen A (ansässig in Staat X) ist jeweils zu 90% an Unternehmen B und C (beide ansässig in Staat Y) beteiligt und beschließt die Verschmelzung der beiden Schwesterngesellschaften. Die im Ausland ansässige Muttergesellschaft kann als "beteiligt" iSd § 3 Z 2 EU-MPfG angesehen werden, wenn die Verschmelzung auf der Beschlussfassung der Muttergesellschaft als Mehrheitseigentümerin basiert.
Der sich aus dem Telos der Richtlinie ergebende weite Anwendungsbereich wird jedoch in einem weiteren Prüfschritt durch Prüfung des Vorliegens der Erfüllung des § 4 EU-MPfG iVm den meldepflichtigen Kennzeichen der §§ 5 und 6 EU-MPfG eingeschränkt:
Fortsetzung Bsp.: Da der zuvor im Bsp beschriebene Sachverhalt einer grenzüberschreitenden Gestaltung jedoch kein meldepflichtiges Kennzeichen nach §§ 5 oder 6 EU-MPfG erfüllt, ist keine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung gegeben.
b) § 3 Z 3 EU-MPfG - "Intermediär"
Die persönliche Meldepflicht umfasst primär den in § 3 Z 3 EU-MPfG definierten "Intermediär". Der Intermediärsbegriff kann in Haupt- und Hilfsintermediär unterteilt werden. Gemäß § 3 Z 3 EU-MPfG ist ein Intermediär eine Person,
- die eine meldepflichtige Gestaltung konzipiert, vermarktet, organisiert, zur Umsetzung bereitstellt oder die Umsetzung einer solchen Gestaltung verwaltet ("Hauptintermediär")oder
- die - unter Berücksichtigung der relevanten Fakten und Umstände, der verfügbaren Informationen und des einschlägigen Fachwissens und Verständnisses, die für die Erbringung solcher Dienstleistungen erforderlich sind - weiß oder vernünftigerweise wissen müsste, dass sie unmittelbar oder mittelbar Hilfe, Unterstützung oder Beratung im Hinblick auf die Konzeption, Vermarktung, Organisation, Bereitstellung zur Umsetzung oder Verwaltung der Umsetzung einer meldepflichtigen Gestaltung geleistet hat ("Hilfsintermediär"),und
zusätzlich ein territorialer Anknüpfungspunkt zu Österreich nach § 3 Z 3 lit. b TS 1-4 EU-MPfG vorliegt.
Der Intermediärsbegriff ist unabhängig vom Vorliegen einer meldepflichtigen Gestaltung zu beurteilen und nicht auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt. Er wird jedoch primär von Personen erfüllt, die steuerliche, juristische, unternehmensberatende oder vermögensverwaltende Dienstleistungen anbieten.Unter den Intermediärsbegriff fallen beispielsweise Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Bilanzbuchhalter, Rechtsanwälte, Notare, Finanzberater sowie auch Banken, Family-Offices und Steuerabteilungen in Konzernen, die etwa als eigener Rechtsträger innerhalb eines Konzerns errichtet sind. Keine Intermediärseigenschaft wird durch das alleinige Verfassen von Fachpublikationen begründet (selbst dann nicht, wenn sich die Fachpublikation auf ein einschlägiges Steuerplanungsmodell bezieht).
In Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften angestellte Steuerberater, die im Rahmen eines Dienstvertrags im Auftrag ihres Dienstgebers unselbständig tätig werden und an der Konzeption, Vermarktung, Organisation oder Umsetzung einer meldepflichtigen Gestaltung mitwirken, erfüllen die Intermediärseigenschaft nicht. In diesen Fällen ist der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft das Handeln der Dienstnehmer zuzurechnen und somit ihr die Intermediärseigenschaft zuzuerkennen. Ob ein Steuerberater, der im Rahmen eines Werkvertrags an der Konzeption, Vermarktung, Organisation oder Umsetzung einer meldepflichtigen Gestaltung mitwirkt, die Intermediärseigenschaft begründet, ist einzelfallbezogen zu beurteilen. Bei der Einzelfallprüfung ist darauf abzustellen, ob der Steuerberater im eigenen Namen und auf eigene Rechnung oder im Namen der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig wird.
Die Konzeption einer meldepflichtigen Gestaltung umfasst insbesondere die Schaffung, Entwicklung oder Ausformung einer meldepflichtigen Gestaltung und kann einen oder mehrere Schritte umfassen.
Ob eine Erstinformation eines Beraters an potenzielle Klienten eine Bereitstellung zur Umsetzung einer meldepflichtigen Gestaltung darstellt und somit zur Intermediärseigenschaft führt, hängt vom Konkretisierungsrad der Erstinformation ab. Werden bloß allgemeine Informationen im Rahmen von Abstrakt gehaltenen Präsentationen bereitgestellt oder Abstrakte Fragen im Rahmen eines "unverbindlichen Erstgesprächs" beantwortet, so kann aufgrund mangelnden Konkretisierungsgrads grundsätzlich nicht von einer Bereitstellung zur Umsetzung einer meldepflichtigen Gestaltung ausgegangen werden. Die Einschätzung hat einzelfallbezogen zu erfolgen und dabei ist ua zu berücksichtigen, ob dem Berater durch den Kunden ausreichend Informationen zur Verfügung gestellt werden, um eine meldepflichtige Gestaltung zur Umsetzung bereitstellen zu können.
Unter die Intermediärseigenschaft fallen idR weder Jahresabschlussprüfer, Sonderprüfer im Rahmen von Umgründungen noch gewillkürte Vertreter eines Steuerpflichtigen im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens, da die genannten Personen in ihrer jeweiligen beruflichen Eigenschaft erst nach bereits erfolgter Umsetzung einer meldepflichtigen Gestaltung tätig werden. Des Weiteren kann die bloße Erstellung von Steuererklärungen keine Hilfsintermediärseigenschaft begründen.
Die Hilfsintermediärseigenschaft gemäß § 3 Z 3 lit. b EU-MPfG setzt idR das Bestehen eines Hauptintermediärs gemäß § 3 Z 3 lit. a EU-MPfG voraus, dessen Tätigkeiten durch den Hilfsintermediär gefördert werden sollen. Im Gegensatz zu Hauptintermediären können unter Hilfsintermediäre gemäß § 3 Z 3 lit. b EU-MPfG auch Personen aus Berufsgruppen qualifiziert werden, die zwar Beratungsdienstleistungen zu Themenbereichen außerhalb des Anwendungsbereichs des EU-MPfG erbringen (etwa Unternehmensberatung), ihnen aber genügend relevante Fakten, Umstände und verfügbare Informationen vorlagen, um vernünftigerweise wissen zu müssen, dass sie unmittelbar oder mittelbar Hilfe, Unterstützung oder Beratung im Hinblick auf die Konzeption, Vermarktung, Organisation, Bereitstellung zur Umsetzung oder Verwaltung der Umsetzung einer meldepflichtigen Gestaltung geleistet haben. Zur Beurteilung der Eigenschaft als Hilfsintermediär ist eine isolierte Betrachtungsweise bei der jeweiligen Person vorzunehmen.
Bsp.: Eine österreichische Steuerberatungsgesellschaft wirkt an der Konzeption einer meldepflichtigen Gestaltung durch die in Deutschland ansässige Muttergesellschaft mit und stellt ihrer Muttergesellschaft ihre Expertise als Teilkonzept zur Verfügung, ohne dass dieses Teilkonzept eigenständig verwertbar ist. Liegen der österreichischen Steuerberatungsgesellschaft die relevanten Fakten, Umstände und verfügbaren Informationen vor, um vernünftigerweise wissen zu müssen, dass sie unmittelbar oder mittelbar Hilfe, Unterstützung oder Beratung im Hinblick auf die Konzeption einer meldepflichtigen Gestaltung geleistet hat, erfüllt die österreichische Steuerberatungsgesellschaft die Hilfsintermediärseigenschaft nach § 3 Z 3 lit. b EU-MPfG.
Insbesondere für Banken stellt sich die Frage, ob sie bei bestimmten Sachverhalten die Hilfsintermediärseigenschaft nach § 3 Z 3 lit. b EU-MPfG erfüllen. Ob eine Bank die Hilfsintermediärseigenschaft erfüllt, hängt ua davon ab, ob die durch den Kunden vorgelegten Unterlagen ausreichen, um eine meldepflichtige Gestaltung erkennen zu können. Die Bank ist im Rahmen ihrer Auseinandersetzung mit den Unterlagen jedoch nicht zu weiteren Nachforschungen verpflichtet. Der Tatbestand des (Hilfs-)Intermediärs setzt des Weiteren ein aktives Handeln der beteiligten Person voraus. Routinedienstleistungen einer Bank, wie etwa schlichte Zahlungsüberweisungen, stellen idZ keine "aktive" Handlung dar.
c) § 3 Z 4 EU-MPfG - "marktfähige Gestaltung"
Eine "marktfähige Gestaltung" iSd § 3 Z 4 EU-MPfG liegt bei grenzüberschreitenden Gestaltungen vor, die ohne an einen relevanten Steuerpflichtigen angepasst werden zu müssen, konzipiert, vermarktet, oder zur Umsetzung bereitgestellt werden, oder bereits umsetzungsbereit sind. Eine grenzüberschreitende Gestaltung ist dann nicht marktfähig, wenn sie individuell an die Bedürfnisse eines konkreten Steuerpflichtigen angepasst wird. Bei der marktfähigen Gestaltung handelt es sich somit um ein Massenmodell, welches nicht individualisiert werden muss und einem unbestimmten Adressatenkreis zur Verfügung gestellt wird.
d) § 3 Z 5 EU-MPfG - "maßgeschneiderte Gestaltung"
§ 3 Z 5 EU-MPfG definiert den Begriff "maßgeschneiderte Gestaltung" im Rahmen einer Negativabgrenzung. Eine "maßgeschneiderte Gestaltung" ist eine grenzüberschreitende Gestaltung, die keine marktfähige Gestaltung ist. Eine "maßgeschneiderte Gestaltung" liegt somit dann vor, wenn eine Gestaltung individuell an die Bedürfnisse eines bestimmten Steuerpflichtigen angepasst wird und somit die Voraussetzungen für eine "marktfähige Gestaltung" nicht vorliegen. Individuelle Gestaltungsmaßnahmen, die sich auf einen bestimmten Steuerpflichtigen beziehen, sind somit - unabhängig davon, ob die Gestaltung aus einem oder mehreren Schritten besteht - als "maßgeschneiderte Gestaltung" zu sehen und dementsprechend von der Meldepflicht umfasst.
e) § 3 Z 10 EU-MPfG - "Steuervorteil"
Ein Steuervorteil iSd § 3 Z 10 EU-MPfG liegt vor, wenn aufgrund einer meldepflichtigen Gestaltung im Sinne des § 4 EU-MPfG die Entstehung des Abgabenanspruches verhindert wird oder ganz oder teilweise in einen anderen Besteuerungszeitraum verschoben wird (lit. a), sich die Bemessungsgrundlage oder der Abgabenanspruch ganz oder teilweise verringert (lit. b) oder eine Abgabe ganz oder teilweise erstattet oder vergütet wird (lit. c).
Ein Steuervorteil liegt bereits dann vor, wenn ein solcher iSv § 3 Z 10 lit. a - c EU-MPfG nur in einem betroffenen Mitgliedstaat oder Drittstaat entsteht und demnach nur eine Rechtsordnung betroffen ist (vgl Initiativantrag 983/A, XXVI GP (S 31)).
§ 3 Z 10 lit. a - c EU-MPfG enthalten die gesetzlich nicht definierte Tatbestandsvoraussetzung "ganz oder teilweise". Da die Erfüllung der Tatbestände von § 3 Z 10 lit. a - c EU-MPfG sachverhaltsbezogen zu ermitteln ist, kann keine Quantifizierung der Tatbestandsvoraussetzung "ganz oder teilweise" vorgenommen werden.
4. Meldepflichtige Gestaltung (§ 4 EU-MPfG)
a) Risiko der Steuervermeidung:
Zur Bestimmung des Risikos der Steuervermeidung gemäß § 4 EU-MPfG ist auf eine Gesamtbetrachtung abzustellen. Das Risiko der Steuervermeidung basiert auf den Erwägungsgründen 2 und 19 der Richtlinie (EU) 822/2018 und dient als zusätzlicher Prüfschritt zur Vermeidung der Meldung unschädlicher bzw vom Gesetzgeber intendierter Gestaltungen. Das Risiko der Steuervermeidung ist jedenfalls gegeben, wenn die Gefahr der Aushöhlung nationaler Steuerbemessungsgrundlagen bereits in einem der von der Gestaltung betroffenen Staaten vorliegt. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn Gestaltungen entwickelt wurden, um potenziell Marktineffizienzen auszunutzen, die auf die Interaktion unterschiedlicher nationaler Steuervorschriften zurückgehen oder die Gestaltung für mehrere Hoheitsgebiete gemeinsam entwickelt wurde, um Steuersubstrat in Hoheitsgebiete mit vorteilhafteren Steuersystemen zu verlagern bzw die Gestaltung einer Verringerung der Gesamtsteuerbelastung des Steuerpflichtigen dient. Bei der Beurteilung des Risikos der Steuervermeidung ist sicherzustellen, dass andere EU-Mitgliedstaaten die ihnen im Sinne der Richtlinie zustehenden Meldungen auch erhalten. Unter Berücksichtigung des primären Zweckes von DAC 6, sollte deshalb in einem ersten Prüfungsschritt davon ausgegangen werden, dass bei Vorliegen eines Kennzeichens nach §§ 5 und 6 EU-MPfG das Risiko der Steuervermeidung gegeben ist, solange keine abmildernden Faktoren dagegensprechen. Vom österreichischen Abgabenrecht ausdrücklich intendierte Steuervorteile werden idR kein Risiko der Steuervermeidung aufweisen, sofern diese Gestaltungen keine künstlichen Schritte aufweisen. Der Begriff des Risikos der Steuervermeidung grenzt sich insofern vom Missbrauch iSv § 22 BAO ab, als nicht nur unangemessene Gestaltungen umfasst sind.
Das BMF geht bis auf Weiteres davon aus, dass insbesondere in folgenden Konstellationen kein Risiko der Steuervermeidung vorliegt, insoweit eine Gestaltung keine künstlichen Schritte umfasst, da es sich bei den genannten Fällen nicht um Gestaltungen handelt, die entwickelt wurden, um potenzielle Marktineffizienzen auszunutzen:
- Erreichen von Mindestgrenzen iZm der Schachtelbeteiligung (§ 10 KStG 1988);
- Bezug von steuerfreien Beteiligungserträgen gemäß § 10 KStG 1988;
- Abwarten von gesetzlichen Fristen;
- Errichtung von Auslandsurkunden ohne Inlandsbezug im Sinne des § 16 Abs. 2 Gebührengesetzes 1957.
Beim Zuzug bzw Wegzug einer natürlichen Person liegt bei Erfüllung des Kennzeichens in § 5 Z 4 EU-MPfG eine grenzüberschreitende Gestaltung nach § 3 Z 2 lit. d EU-MPfG vor. Faktische Handlungen, wie etwa der Wegzug einer natürlichen Person aus Österreich oder der Zuzug nach Österreich, stellen jedoch kein Risiko der Steuervermeidung dar, sofern keine Bewertungsunterschiede vorliegen. Im Falle von Gestaltungen iSv § 5 Z 1 lit. b EU-MPfG (Zahlungen an Listenstaaten), deren erster Schritt zwischen 25. Juni 2018 und 30. Juni 2020 getätigt wurde, kann die Meldung unterbleiben, wenn der betreffende Staat bereits von der "Blacklist" der EU und / oder der OECD genommen wurde.
Eine fremdfinanzierte Gewinnausschüttung per se führt mangels Risiko der Steuervermeidung nicht zu einer Meldepflicht.
b) Zeitliche Umsetzung bei nachträglicher Änderung der Gestaltung:
Gestaltungen deren erster Schritt vor dem 25.Juni 2018 umgesetzt wurden, sind außerhalb des Anwendungsbereiches des EU-MPfG. Sollten solche Gestaltungen verändert oder prolongiert werden, wird dies idR zu einer neuen (meldepflichtigen) Gestaltung führen, es sei denn es handelt sich um völlig unwesentliche Änderungen. Laufzeitänderungen bzw Zinssatzänderungen bei Altfällen stellen keine unwesentliche Änderung dar. Sollte bereits bei der erstmaligen Umsetzung der Gestaltung eine automatische Verlängerung vereinbart worden sein, stellt diese Verlängerung keine nachträgliche Änderung der Gestaltung dar.
Die Novation iSd § 1376 f ABGB kann als erster Orientierungspunkt dienen. Bei Zinsänderungen stellen die erforderlichen periodischen Anpassungen der Höhe des Basis- bzw Referenzzinssatzes eine unwesentliche Änderung dar, während eine Anpassung der Zinsmarge immer als wesentliche Änderung anzusehen ist. Die spätere Einlage eines Patentes in eine vor dem 25. Juni 2018 bestehende Patentbox stellt ebenfalls eine wesentliche Änderung dar.
c) Nachträgliche Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen:
Die Prüfung einer Meldepflicht ist immer ex ante unter Einbeziehung aller Schritte vorzunehmen. Werden Tatbestandsvoraussetzungen nachträglich (nicht intendiert) erfüllt und lag zuvor keine Meldepflicht vor, ist eine solche auch danach nicht gegeben. Eine künstliche Aufsplitterung von einzelnen Schritten der Gestaltung kann die bestehende Meldepflicht jedenfalls nicht umgehen.
5. Unbedingt meldepflichtige Gestaltungen (§ 5 EU-MPfG)
a) Allgemeines
Gestaltungen, die abzugsfähige grenzüberschreitende Zahlungen iSd § 5 Z 1 und § 6 Z 7 EU-MPfG umfassen, liegen nicht vor, wenn die Abzugsfähigkeit der Zahlung bereits aufgrund materiell-rechtlicher Vorschriften (insbesondere nach Maßgabe von § 12 Abs. 1 Z 10 und 14 KStG 1988) ausgeschlossen wird; hybride Gestaltungen sind daher nur dann meldepflichtig, wenn diese nicht bereits durch ein materiell-rechtliches Abzugsverbot im Inland neutralisiert werden.
Empfänger iSd § 5 Z 1 und § 6 Z 7 EU-MPfG ist grundsätzlich derjenige, dem nach den österreichischen Grundsätzen der Einkünftezurechnung die korrespondierenden Einkünfte aus den im Inland abzugsfähigen Zahlungen zuzurechnen sind. Allerdings sind ausländische Personengesellschaften oder andere Gebilde (zB Investmentfonds) für Zwecke dieser Meldepflichten als Empfänger zu behandeln, sofern diese nach ausländischem Steuerrecht als Steuersubjekt behandelt werden.
Für die Beurteilung der Frage, in welchem Hoheitsgebiet der Empfänger der Zahlung ansässig ist, wird die Einholung einer Ansässigkeitsbescheinigung zweckmäßig sein. Liegt dem Vergütungsschuldner eine Ansässigkeitsbescheinigung des Zahlungsempfängers vor, kann er davon ausgehen, dass keine Staatenlosigkeit iSd § 5 Z 1 lit. a EU-MPfG des Zahlungsempfängers vorliegt. Der Begriff der Zahlung im Sinne des § 5 Z 1 und § 6 Z 7 EU-MPfG setzt vor dem Hintergrund des Telos der Richtlinie keinen tatsächlichen Geldfluss, sondern lediglich einen abzugsfähigen Aufwand voraus.
Meldepflichtig ist die grenzüberschreitende Steuergestaltung als Ganzes, nicht jede einzelne als Betriebsausgabe abzugsfähige Zahlung.
§ 5 Z 7, 8 und 9 EU-MPfG regeln die Meldepflicht bei bestimmten Verrechnungspreisgestaltungen. Für den Begriff Verrechnungspreisgestaltungen sind grundsätzlich die Bestimmungen der Art 7 und Art 9 OECD-MA und der dort normierte Fremdvergleichsgrundsatz relevant.
Für verbundene Unternehmen liefert das EU-MPfG mit § 3 Z 11 die anzuwendende Definition und umfasst durch das Abzielen auf Personen nicht die Beziehung Stammhaus - Betriebsstätte.
b) § 5 Z 1 EU-MPfG - Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen
lit. a) Empfänger der Zahlung ist in keinem Hoheitsgebiet ansässig
Dieses Kriterium ist erfüllt, wenn die betroffenen Staaten die steuerliche Ansässigkeit des Empfängers nach unterschiedlichen Regelungen bestimmen und dies dazu führt, dass weder im Staat, in dem sich der Ort der Gründung (Sitz) noch im Staat, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung befindet, eine steuerliche Ansässigkeit begründet wird (sog "ghost company").
Dieses Kriterium ist auch erfüllt, wenn die steuerliche Ansässigkeit nach den Bestimmungen eines DBA von beiden Vertragsstaaten nicht in korrespondierender Weise bestimmt wird; etwa, weil jeder Vertragsstaat davon ausgeht, dass sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung im jeweils anderen Staat befindet.
lit. b) Empfänger der Zahlung ist in einem nichtkooperativen Hoheitsgebiet ansässig
Sobald ein Staat nicht länger auf der jeweiligen Liste der nicht kooperierenden Drittstaaten der EU oder der OECD geführt ist, ist der Tatbestand dieses Kennzeichens nicht mehr erfüllt. Gegenwärtig wird von der OECD keine Liste der nicht kooperierenden Drittstaaten geführt. Etwaige Berichte der OECD an die G20 Finanzminister stellen kein Substitut für eine offizielle Liste dar.
c) § 5 Z 2 EU-MPfG - Mehrfachabschreibung
Meldepflichtig nach § 5 Z 2 EU-MPfG ist die steuerwirksame Abschreibung eines Vermögenswertes in mehr als einem Hoheitsgebiet, die Mehrfachabschreibung kann dabei sowohl bei ein und demselben Steuerpflichtigen als auch bei unterschiedlichen Steuerpflichtigen eintreten (insbesondere bei einem sogenannten "cross-border-Leasing", bei dem sowohl dem Leasingnehmer als auch dem Leasinggeber in ihrem jeweiligen Ansässigkeitsstaat das Leasinggut wirtschaftlich zugerechnet wird).
Meldepflicht besteht nicht, wenn die Mehrfachabschreibung bereits durch materiell-rechtliche Abzugsverbote ausgeschlossen wird (zB gemäß § 14 KStG 1988).
Keine Meldepflicht besteht auch dann, wenn eine doppelte Abschreibung in mehreren Staaten aufgrund der DBA-Anrechnungsmethode oder der Hinzurechnungsbesteuerung systembedingt eintritt, weil es diesfalls zu einer Verrechnung mit doppelt berücksichtigten Einnahmen kommt. Unschädlich ist auch die Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Betriebsstätten gemäß § 2 Abs. 8 Z 3 EStG 1988 und ausländischer Gruppenmitglieder gemäß § 9 Abs. 6 Z 6 KStG 1988, weil hier die doppelte Verlustverwertung durch die Nachversteuerung ausgeschlossen ist.
Wird bei einem sog "cross-border-Leasing" ein Vermögenswert bei unterschiedlichen Steuerpflichtigen in mehr als einem Hoheitsgebiet für steuerliche Zwecke aktiviert und steuerwirksam abgeschrieben (dh. der hybrid-mismatch wird steuerlich in keinem der beiden Staaten neutralisiert), besteht eine Meldepflicht, sofern die Gestaltung ein Risiko der Steuervermeidung aufweist. Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn die doppelte Inanspruchnahme von steuerlichen Investitionsbegünstigungen erfolgen kann oder aufgrund der doppelten Abschreibung nicht unwesentliche Zinsvorteile erzielt werden können.
d) § 5 Z 3 EU-MPfG - Befreiung von der Doppelbesteuerung in mehr als einem Hoheitsgebiet
Fälle, in denen beide Staaten aufgrund von Qualifikationskonflikten Einkünfte freistellen, sind vom Anwendungsbereich dieses Kennzeichens umfasst, denn hier besteht die Gefahr einer doppelten Nicht- oder Niedrigbesteuerung und somit ein Risiko der Steuervermeidung. Keine Meldepflicht besteht insbesondere, wenn eine bestimmte Rechtsfolge von beiden Vertragspartnern intendiert war und sich diese aus dem jeweiligen DBA ergibt.
Eine Dividendenausschüttung, die im Ansässigkeitsstaat der Tochter keiner Quellensteuer unterliegt und im Ansässigkeitsstaat der Mutter aufgrund einer Beteiligungsertragsbefreiung ebenfalls steuerfrei ist, stellt keine meldepflichtige Gestaltung dar und erfüllt auch nicht den Tatbestand des § 5 Z 3 EU-MPfG.
e) § 5 Z 4 EU-MPfG - Übertragung von Vermögenswerten mit Bewertungsunterschieden
Für die Beurteilung des für den Vermögenswert anzusetzenden Wertes sind die für die ertragsteuerliche Gewinnermittlung relevanten Werte ausschlaggebend.
Unter den Tatbestand des § 5 Z 4 EU-MPfG fällt nicht nur die tatsächliche (zivilrechtliche) Übertragung von Vermögenswerten, sondern vor dem Hintergrund des Telos der Richtlinie auch die Änderung der wirtschaftlichen Zurechnung des Vermögenswertes.
Ein Zuzug nach bzw ein Wegzug von Österreich kann eine Gestaltung iSd § 5 Z 4 EU-MPfG sein, sofern ein Risiko der Steuervermeidung vorliegt. Ein Risiko der Steuervermeidung ist bei bestehenden Bewertungsunterschieden idR gegeben. Im Outbound-Fall wird kein Risiko der Steuervermeidung gegeben sein, wenn die Wegzugsbesteuerung nach § 6 Z 6 oder § 27 Abs. 6 EStG 1988 zur Anwendung kommt und es zu einem korrespondierenden Wertansatz in den beteiligten Staaten (EU/EWR) kommt. Im Inbound-Fall wird kein Risiko der Steuervermeidung vorliegen, sofern keine Bewertungsunterschiede bestehen.
Ein Mietkauf erfüllt grundsätzlich weder den Tatbestand des § 5 Z 4 EU-MPfG noch jenen des § 5 Z 2 EU-MPfG (Gestaltungen, die dazu dienen, die Abschreibung eines Vermögenswertes in mehr als einem Hoheitsgebiet herbeizuführen), sofern kein Risiko der Steuervermeidung gegeben ist. Ob ein solches Risiko vorliegt, kommt auf die Ausgestaltung und die steuerliche Behandlung der Leasingraten im konkreten Einzelfall an.
f) § 5 Z 5 EU-MPfG - Umgehung GMSG-Meldepflicht
Eine Geldwäscheverdachtsmeldung und eine Meldung nach EU-MPfG sind voneinander unabhängige Meldepflichten. Die Geldwäscheverdachtsmeldung knüpft grundsätzlich an andere Voraussetzungen als eine Meldung nach EU-MPfG. Sind die Voraussetzungen zur Abgabe beider Meldungen erfüllt, schließt die Geldwäscheverdachtsmeldung eine DAC 6-bzw EU-MPfG-Meldung nicht aus.
g) § 5 Z 6 EU-MPfG - Gestaltungen mit einer intransparenten Kette an rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentümern
Die in § 5 Z 6 lit. a bis c EU-MPfG normierten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, damit das Kennzeichen erfüllt ist. Anhaltspunkte zur Abschätzung, ob die verfügbaren Ressourcen angemessen sind, finden sich in der Verordnung zu § 10a KStG 1988 (BGBl. II Nr. 21/2019). So kann unter anderem eine falsche WiEReG-Meldung § 5 Z 6 lit. c EU-MPfG erfüllen. Bei zusätzlichem Erfüllen der Voraussetzungen von lit. a und lit. b ist von einer meldepflichtigen Gestaltung auszugehen. Die Beurteilung einer eventuellen Meldepflichtverletzung hat gesondert zu erfolgen. Die Prüfung des Nichtwissens eines Intermediärs vom Erfordernis einer WiEReG-Meldung wäre unter diesen Aspekten vorzunehmen.
h) § 5 Z 7 EU-MPfG - Verrechnungspreisgestaltungen, die unilaterale Safe-Harbor-Regeln nutzen
In einem Verrechnungspreissystem ist eine Safe-Harbour-Regelung eine Regelung, die für eine festgelegte Kategorie von Steuerpflichtigen oder Geschäftsvorfällen gilt und dafür in Betracht kommende Steuerpflichtige von bestimmten Verpflichtungen befreit, die aufgrund der allgemeinen Verrechnungspreisvorschriften eines Staats sonst zu erfüllen wären. Eine Safe-Harbour-Regelung ersetzt die Verpflichtungen des allgemeinen Verrechnungspreissystems durch einfachere Verpflichtungen (vgl OECD-VPL Rz 4.102). Nicht als Safe-Harbour-Regelungen gelten daher "Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung, bei denen es nicht direkt um die Bestimmung fremdüblicher Preise geht, wie beispielsweise vereinfachte Dokumentationsanforderungen oder die Freistellung von solchen Anforderungen […] sowie Verfahren, in deren Rahmen eine Steuerverwaltung und ein Steuerpflichtiger die Verrechnungspreise vor Tätigung der betreffenden konzerninternen Geschäftsvorfälle vereinbaren (Vorabverständigungen über die Verrechnungspreise)" (vgl OECD-VPL Rz 4.103).
Unilaterale Safe-Harbor-Regelungen sind unbedingt meldepflichtig, da grundsätzlich ein Risiko der Steuervermeidung in zumindest einem der betroffenen Staaten vorliegt. Multilaterale Safe Harbor Regelungen, wie etwa von der OECD bzw EU erarbeitete Regelungen (zB OECD Simplified Approach konzerninterner Dienstleistungen), sind von dieser Bestimmung nicht erfasst. Unilaterale Advanced Pricing Agreements (APA) gelten nicht als Safe Harbor Regelungen (vgl OECD-VPR Rz 4.103), da diese nur für vorab definierte Abgabepflichtige Anwendung finden. Gleiches gilt für inländische Auskunftsbescheide nach § 118 BAO. Österreich hat gegenwärtig keine unilateralen Safe Harbor Regelungen im Rechtsbestand.
i) § 5 Z 8 EU-MPfG - Übertragung schwer bewertbarer immaterieller Vermögenswerte
Die Frage, wann ein schwer bewertbarer immaterieller Vermögenswert vorliegt, ist nach den anerkannten OECD Grundsätzen zu beurteilen (vgl OECD-VPL Rz 6.186; Initiativantrag 983/A, XXVI GP , S 34). "Der Ausdruck "schwer zu bewertende immaterielle Werte" bezieht sich auf immaterielle Werte oder Rechte an immateriellen Werten, für die im Zeitpunkt ihrer Übertragung zwischen verbundenen Unternehmen i) keine zuverlässigen Vergleichswerte existieren und ii) die Prognoserechnungen der künftig durch den übertragenen immateriellen Wert zu erzielenden Cashflows oder Einnahmen oder die zur Bewertung des immateriellen Werts herangezogenen Annahmen im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses höchst unsicher sind, so dass es schwierig ist, im Zeitpunkt der Übertragung vorherzusehen, wie erfolgreich der immaterielle Wert letztlich sein wird." (vgl OECD-VPL Rz 6.189). Meldepflichtig sind Verrechnungspreisgestaltungen zwischen "verbundenen Unternehmen" iSd § 3 Z 11 EU-MPfG, weshalb eine Übertragung von schwer zu bewertenden immateriellen Vermögenswerten zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht erfasst ist. Diese Beurteilung muss ex ante vor der Übertragung erfolgen. Eine nachträgliche Feststellung löst keine Meldepflicht bzw Meldepflichtverletzung aus, sofern mit der angemessenen Sorgfalt bei der ex ante Bewertung vorgegangen wurde. Sollte die Übertragung indirekt durch einen Share Deal erfolgen, wäre die Erfüllung anderer Kennzeichen (zB § 5 Z 9 EU-MPfG) denkbar.
j) § 5 Z 9 EU-MPfG - Verrechnungspreisgestaltungen mit Absinken des EBIT
Das Absinken des EBITs zielt auf die Veränderung des unternehmensrechtlichen EBITs ab. Die Prüfung, ob dieses Kennzeichen erfüllt ist, hat ex ante unter nachvollziehbaren Kriterien zu erfolgen und muss entsprechend dokumentiert werden. Im dreijährigen Betrachtungszeitraum ist auf das durchschnittliche Absinken des EBITs abzuzielen. Mit dem Begriff "konzernintern" ist der Konzern im Umfang des Konsolidierungskreises gemeint. Der Begriff "konzernintern" ist nicht ident mit den Begriffen "verbundene Unternehmen" oder "Unternehmensgruppe" (vgl § 9 KStG 1988) und umfasst somit auch die Beziehung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Die Prognose der Veränderung des EBITs hat unter Annahme gleichbleibender Rahmenbedingungen zu erfolgen. Es erfolgt deshalb im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge kein Abstellen auf das EBIT des Rechtsnachfolgers.
6. Bedingt meldepflichtige Gestaltungen (§ 6 EU-MPfG)
a) Main Benefit-Test
Hinsichtlich der Definition eines oder mehrerer Hauptvorteile ist auf den wesentlichen Zweck iSd Art 6 ATAD bzw § 22 BAO abzustellen. Eine Quantifizierung des Begriffs ist nicht möglich. Das Risiko der Steuervermeidung und der Main Benefit-Test sind zwei unterschiedliche Voraussetzungen, die gesondert zu prüfen sind.
b) § 6 Z 1 EU-MPfG - Vertraulichkeitsklauseln
Verschwiegenheitspflichten iSv § 38 Abs. 1 BWG, § 37 Abs. 1 NO, § 9 Abs. 2 RAO und § 80 Abs. 1 WTBG erfüllen nicht den Tatbestand des § 6 Z 1 EU-MPfG.
Klauseln in Auftragsverträgen, wonach die Arbeitsergebnisse zur Vermeidung einer Dritthaftung ohne Zustimmung des Intermediärs weitergegeben werden dürfen, sind ebenso wie Hold-Harmless-Letter nicht als Vertraulichkeitsklauseln iSv § 6 Z 1 EU-MPfG anzusehen.
c) § 6 Z 2 EU-MPfG - Erfolgsabhängige Vergütung
Indirekte Erfolgshonorare können das Kennzeichen erfüllen. Es ist in solchen Fällen eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Vergütungsmodelle in denen die erfolgsunabhängige Komponente völlig untergeordnet und nur als pro forma anzusehen sind, werden bei Vorliegen des Risikos der Steuervermeidung eine meldepflichtige Gestaltung darstellen.
d) § 6 Z 3 EU-MPfG - Standardisierte Dokumentation
Es kann keine pauschale Aussage hinsichtlich prospektmäßiger Dokumentation getroffen werden. Das Kennzeichen wird dann erfüllt sein, wenn keine wesentliche Individualisierung zur Erfüllung des Kennzeichens erforderlich ist. Eine unwesentliche Individualisierung wäre zB das Einsetzen des Namens in ein Formular. Bei Umgründungen ist der für die Subsumption unter dieses Kennzeichen erforderliche Standardisierungsgrad idR schwer erfüllbar, aber kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Eine Betrachtung des Einzelfalls ist jedenfalls notwendig.
Informationen im Rahmen von Vorträgen, in Kanzlei-Newslettern oder in Fachzeitschriften ohne konkreten Bezug zu einem bestimmten Steuerpflichtigen erfüllen dieses Kennzeichen nicht.
Auch iZm diesem Kennzeichen wird eine Meldepflicht nur dann begründet, wenn die Voraussetzungen des § 4 (zB Risiko der Steuervermeidung) sowie des § 6 (Erlangung eines Steuervorteils als Hauptvorteil oder als einer der Hauptvorteile) erfüllt sind. Standard-Leasing-Geschäfte, bei denen auf standardisierte Vertragsbedingungen zurückgegriffen wird, erfüllen diese Voraussetzungen häufig nicht. Ungeachtet dessen kann bei einem Leasingvertrag aber ein anderes Kennzeichen erfüllt sein (zB § 5 Z 2 EU-MPfG).
e) § 6 Z 4 EU-MPfG - Erwerb eines verlustbringenden Unternehmens
Hinzuweisen ist darauf, dass sich der Mantelkauftatbestand gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 lit. c KStG 1988 nicht mit dem Tatbestand des § 6 Z 4 EU-MPfG deckt, zumal nach letzterem keine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur und keine Entgeltlichkeit des Vorganges erforderlich ist. Der Tatbestand des § 6 Z 3 EU-MPfG ist also weiter gefasst.
Sofern die Gestaltung den Mantelkauftatbestand gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 lit. c KStG 1988 erfüllt, wird idR keine Meldepflicht gegeben sein, weil eine Verlustverwertung in Österreich nicht möglich ist und daher kein Risiko der Steuervermeidung vorliegen wird, es sei denn, der Erwerber könnte die Verluste in einem anderen Hoheitsgebiet nutzen (wenn zB im Ausland eine grenzüberschreitende Verlustverwertung möglich ist).
Sofern die Haupttätigkeit nicht zur Gänze eingestellt wird oder sofern die Haupttätigkeit nur geringfügig weitergeführt wird, ist § 6 Z 4 EU-MPfG nicht erfüllt, sodass keine Meldepflicht besteht. Die Beurteilung der Geringfügigkeit hat im Einzelfall zu erfolgen.
Es ist auf Verlustvorträge im Zeitpunkt des Erwerbs oder Verluste im zeitlichen Naheverhältnis zum Erwerb abzustellen (dh. laufende Verluste des Erwerbsjahres). Die Verlustverwertung ist ex ante zu beurteilen. Sofern das erworbene Unternehmen im Zeitpunkt der Gestaltung gewinnbringend ist, sind Verluste dieses Unternehmens aus der Vergangenheit nicht relevant, sodass das Kennzeichen nicht erfüllt ist.
Eine meldepflichtige Gestaltung iSd § 6 Z 4 EU-MPfG kann unabhängig von der Reihenfolge, in der die einzelnen Schritte der Gestaltung verwirklicht werden - ähnlich wie beim Mantelkauf gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 lit. c KStG 1988 - vorliegen; dabei ist im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung auf den Gesamtzusammenhang abzustellen.
Es muss wie bei allen anderen Kennzeichen eine grenzüberschreitende Gestaltung iSd § 3 Z 2 EU-MPfG vorliegen. Eine solche stellt gemäß § 3 Z 2 lit. a bis d EU-MPfG auf die beteiligten Personen ab (Ausnahme lit. e). Eine grenzüberschreitende Verlustverwertung ist daher nicht erforderlich, um den Tatbestand zu erfüllen, sondern es genügt, wenn die an der Gestaltung beteiligten Personen das grenzüberschreitende Element erfüllen. Beteiligte an der Gestaltung iSd § 6 Z 4 EU-MPfG sind nur der Verkäufer und Käufer, nicht hingegen die erworbene Gesellschaft (Target).
Eine bloße Beteiligungsabschreibung (Teilwertabschreibung) gilt nicht als schädliche Verlustverwertung.
f) § 6 Z 5 EU-MPfG - Umwandlung von Einkünften
Als eine Umwandlung von Einkünften iSd § 6 Z 7 EU-MPfG sind jene Gestaltungen anzusehen, die zu einer steuerlichen Umqualifizierung der Art der Einkünfte führen (zB die Umwandlung von steuerpflichtigen Zinseinkünften in steuerbefreite Dividendeneinkünfte).
Eine meldepflichtige Umwandlung kann insbesondere dann vorliegen, wenn eine inländische Muttergesellschaft einer ausländischen Tochtergesellschaft eine Forderung im Wege einer Einlage überträgt und aufgrund der übertragenen Forderung in der Zukunft höhere steuerfreie Dividenden anstelle von steuerpflichtigen Zinsen erzielt.
Auch durch den Verzicht auf eine Forderung gegenüber der ausländischen Tochtergesellschaft kann dem Grunde nach eine solche Umwandlung von Einkünften erzielt werden.
Es ist dabei jedoch stets im Sinne einer Einzelfallbetrachtung vorab zu beurteilen, ob die konkrete Gestaltung ein Risiko der Steuervermeidung iSd § 4 EU-MPfG aufweist und von der Gestaltung die Erlangung eines Steuervorteils erwartet werden kann. Erfolgt ein Forderungsverzicht etwa zur Sanierung der Tochtergesellschaft (inkl. Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenkapitalsituation), wird daher in der Regel keine Meldepflicht bestehen.
Arbeitnehmerentsendungen ins Ausland, die wirtschaftlich begründet sind, erfüllen idR keines der Kennzeichen iSd §§ 5, 6 EU-MPfG. Erfolgt eine Entsendung jedoch vor dem Hintergrund, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile die Erlangung eines Steuervorteils ist, ist eine solche Entsendung meldepflichtig.
g) § 6 Z 6 EU-MPfG - Round-Tripping
Meldepflichtige zirkuläre Vermögensverschiebungen iSd § 6 Z 6 EU-MPfG können dem Grunde nach in Bezug auf sämtliche Vermögenswerte eintreten.
Für Zwecke der Auslegung des Ausdrucks "primäre wirtschaftliche Funktion" ist der Begriff der "wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit" iSd § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung der Hinzurechnungsbesteuerung und des Methodenwechsels bei Passiveinkünften niedrigbesteuerter Körperschaften - VO-Passiveinkünfte niedrigbesteuerter Körperschaften, BGBl. II Nr. 21/2019 - sinngemäß anzuwenden.
Insbesondere sind unter diesem Kennzeichen folgende Gestaltungen unter dem Vorbehalt meldepflichtig, dass diese ein Risiko der Steuervermeidung iSd § 4 EU-MPfG aufweisen und ihr Hauptvorteil oder einer ihrer Hauptvorteile in der Erlangung eines Steuervorteils liegt:
- Die Einlage von Kapital einer inländischen Muttergesellschaft in eine ausländische Tochtergesellschaft unter zeitnaher Rückführung dieser Beträge in Form eines up-stream Darlehens,
- Sale and Lease Back-Transaktion
Durch die bloße Teilnahme einer inländischen Gesellschaft an einem konzerninternen Cash-Pooling wird dieses Kennzeichen in der Regel nicht erfüllt sein, wenn diese wirtschaftlich begründet zunächst überschüssige Mittel in den Cash-Pool einlegt und später benötigte Liquidität vom Cash-Pool zu fremdüblichen Konditionen ausborgt.
h) § 6 Z 7 EU-MPfG - Abzugsfähige grenzüberschreitende Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen
Relevant für das Vorliegen einer Meldepflicht nach § 6 Z 7 EU-MPfG ist ausschließlich die fehlende oder die präferenzielle Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Empfängers der Zahlung; liegt diese vor, steht daher auch die Erhebung einer inländischen Abzugsteuer auf die Zahlung der Meldepflicht nicht entgegen.
Eine Nullsteuerjurisdiktion iSd § 6 Z 7 lit. a EU-MPfG liegt vor, wenn ein Hoheitsgebiet
- keine Körperschaftsteuer oder der Körperschaftsteuer vergleichbare Steuer erhebt oder
- einen nominellen Körperschaftsteuersatz von null oder nahe null hat, wobei unter einem Körperschaftsteuersatz von nahe null ein Körperschaftsteuersatz von maximal 1% zu verstehen ist.
Eine Steuerbefreiung im Sinne des § 6 Z 7 lit. b EU-MPfG liegt dann vor, wenn die Zahlung im Ansässigkeitsstaat des Empfängers aufgrund einer persönlichen oder sachlichen Steuerbefreiung nicht in der Steuerbemessungsgrundlage enthalten ist. Keine Steuerbefreiung liegt hingegen vor, wenn es etwa aufgrund einer Verlustverwertung zu keiner effektiven Besteuerung im Ausland kommt; auch temporäre Differenzen, die im Vergleich zu einer nach österreichischem Steuerrecht ermittelten Bemessungsgrundlage auftreten, erfüllen dieses Kennzeichen nicht.
Ein präferenzielles Steuerregime iSd § 6 Z 7 lit. c EU-MPfG liegt typischerweise dann vor, wenn bestimmte Branchen, Sektoren oder Einnahmen im Vergleich zur übrigen Wirtschaft oder zu anderen Einnahmekategorien steuerlich begünstigt werden; zB aufgrund von Zins-, Lizenz- oder Patentbox-Regimen. Das Konzept des präferenziellen Steuerregimes orientiert sich an internationalen Kriterien (vgl OECD 2015 Final Report zu Action 5, Countering Harmful Tax Practices More Effectively, Taking into Account Transparency and Substance, Rz 13). Ein Steuerregime ist insbesondere präferentiell, wenn es - verglichen mit den generellen steuerlichen Grundsätzen des Ansässigkeitsstaates des Empfängers dieser Zahlung - einen Steuervorteil (§ 3 Z 10 EU-MPfG) gewährt. Unschädlich ist jedoch, wenn ein immaterieller Wert unter Nutzung einer steuerlichen Förderung für Forschung und Entwicklung (zB aufgrund einer § 108c EStG 1988 vergleichbaren ausländischen Forschungsprämie) geschaffen wurde.
Auf die Höhe des gewährten Steuervorteils kommt es bei der Beurteilung des Vorliegens eines präferentiellen Steuerregimes nicht an; die Meldepflicht kann daher auch dann bestehen, wenn das Besteuerungsniveau aufgrund des präferenziellen Steuerregimes die Niedrigbesteuerungsschwelle iSd § 12 Abs. 1 Z 10 KStG 1988 überschreitet.
7. Meldung einer meldepflichtigen Gestaltung (§ 7 EU-MPfG)
Entwirft der Steuerpflichtige ohne unmittelbare/mittelbare Unterstützung/Hilfe/Beratung eines Beraters eine meldepflichtige Gestaltung, ist der Steuerpflichtige meldepflichtig ("In-house Gestaltung").
Ein Sub-Beauftragter kann Hilfsintermediär sein, weswegen die Meldefrist gemäß § 8 Abs. 2 EU-MPfG mit dem Tag beginnt, der dem Tag seiner Leistung iZm einer meldepflichtigen Gestaltung folgt (siehe weiter unter Punkt 8). Als Tag der Leistung gilt jener Tag, an dem seine Unterstützung/Hilfe/Beratung im Wesentlichen abgeschlossen ist und nur noch untergeordnete Leistungen des Hilfsintermediärs zu erwarten sind.
8. Frist für die Meldung (§§ 8 und 13 EU-MPfG)
Die Frist für die Meldung des Intermediärs beträgt 30 Tage und beginnt gemäß § 8 EU-MPfG
- mit dem der Bereitstellung der meldepflichtigen Gestaltung zur Umsetzung folgenden Tag (Z 1),
- mit dem Tag, der dem Tag folgt, an dem der relevante Steuerpflichtige bereit ist, die meldepflichtige Gestaltung umzusetzen (Z 2),
- mit dem Tag, an dem der relevante Steuerpflichtige den ersten Schritt zur Umsetzung der meldepflichtigen Gestaltung gesetzt hat (Z 3) oder
- mit dem der Entbindung des Intermediärs von seiner gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht durch den relevanten Steuerpflichtigen folgenden Tag (Z 4).
Bei maßgeschneiderten Gestaltungen beginnt die Meldefrist mit dem Tag der Bereitstellung an den relevanten Steuerpflichtigen durch den Intermediär. Die Bereitstellung zur Umsetzung ist gegeben, wenn die finale Konzeption abgeschlossen ist. Ein noch nicht verwertbarer Entwurf wird idR noch keinen Beginn der Meldefrist auslösen. Wird die Gestaltung vom relevanten Steuerpflichtigen nicht erworben, kann bei Vorliegen einer maßgeschneiderten Gestaltung keine Meldepflicht gegeben sein, da es an dem relevanten Steuerpflichtigen mangelt und daher die Definition des § 4 iVm § 3 Z 5 EU-MPfG nicht erfüllt sein wird. Der Erwerb einer maßgeschneiderten Gestaltung durch den relevanten Steuerpflichtigen muss nicht mit dem Tag der Bezahlung der Leistung des Intermediärs im Zusammenhang mit der meldepflichtigen Gestaltung übereinstimmen.
Eine Gestaltung ist durch den relevanten Steuerpflichtigen umsetzungsbereit, wenn im Innenverhältnis die Umsetzung von den zuständigen Organen genehmigt wurde. Eine im Außenverhältnis notwendige Zustimmung (zB von Behörden) hat keinen Einfluss auf den Beginn der Meldefrist.
Bei marktfähigen Gestaltungen beginnt die Meldefrist mit dem Tag des Abschlusses der Konzeption.
Im Falle eines Hilfsintermediärs beginnt die Meldefrist gemäß § 8 Abs. 2 EU-MPfG mit dem Tag, der dem Tag der Leistungserbringung iZm einer meldepflichtigen Gestaltung folgt. Die Frist der Meldepflicht des Hilfsintermediärs kann idR aber nicht vor Beginn der Frist des Hauptintermediärs beginnen, da gemäß § 3 Z 6 EU-MPfG eine meldepflichtige Gestaltung frühestens ab dem Zeitpunkt einer abgeschlossenen Konzeption vorliegt.
Die Verschiebung der Meldefristen in anderen EU-Mitgliedstaaten hat weder Einfluss auf die Erfüllung der Informationspflichten nach § 11 Abs. 2 und 3 EU-MPfG noch auf die Meldefristen nach § 13 EU-MPfG:
Bsp: Der EU Staat X verschiebt die Fristen um 6 Monate.
Variante a: Eine meldepflichtige Gestaltung wird von einem in X ansässigen Intermediär für einen österreichischen Steuerpflichtigen konzipiert und diesem am 1.11.2020 bereitgestellt. Die primäre Meldepflicht obliegt dem Intermediär an die zuständige Behörde des Staates X. Die Frist zur Meldung der Gestaltung beginnt nach dem nationalen Recht von X mit 2.1.2021 zu laufen. Daher ist die Gestaltung ab dem 2.1.2021 binnen 30 Tagen an die für den Staat X zuständige Behörde zu melden. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Meldefrist nach österreichischem Recht mit 2.11.2020 zu laufen beginnen würde. Läge die Meldepflicht beim österreichischen Steuerpflichtigen, wäre die Gestaltung binnen 30 Tagen ab dem 2.11.2020 an das öBMF zu melden.
Variante b: Die meldepflichtige Gestaltung wurde von einem österreichischen Intermediär und einem Intermediär aus X für einen österreichischen Steuerpflichtigen konzipiert und diesem am 1.11.2020 bereitgestellt. Die primäre Meldepflicht obliegt beiden Intermediären. Der österreichische Intermediär hat innerhalb der in Österreich geltenden Meldefrist (dh. ab 2.11.2020) die Meldung an das öBMF durchzuführen. Der in X ansässige Intermediär kann zum Nachweis der erfolgten Meldung die Referenznummer vom österreichischen Intermediär einholen.
Variante c: Die meldepflichtige In-house Gestaltung wurde von einem Steuerpflichtigen konzipiert, der seinen Ort der Geschäftsleitung im EU-Staat X hat. Die Gestaltung betrifft eine österreichische Betriebsstätte des Steuerpflichtigen und ist am 1.11.2020 umsetzungsbereit. Die Meldepflicht obliegt gemäß § 14 Abs. 1 Z 1 EU-MPfG primär dem Steuerpflichtigen im EU-Staat X. Trotz der unterschiedlichen Meldefristen kommt es zu keinem Übergang des Ortes der Meldung iSd § 14 EU-MPfG auf die österreichische Betriebsstätte.
9. Befreiung von der Meldepflicht (§ 11 EU-MPfG)
Voraussetzung für die Befreiung eines (Hilfs-)Intermediärs von der Meldepflicht ist, dass er einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegt und er von seiner Verschwiegenheitspflicht nicht entbunden worden ist. Das gilt nicht, wenn der Intermediär nicht im Rahmen der für seinen Beruf geltenden gesetzlichen Bestimmungen tätig wird.
Unterliegt ein Intermediär (idR eine Bank) der strengen gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht des Bankgeheimnisses gemäß § 38 BWG, kann von der Information eines anderen Intermediärs aber abgesehen werden, sofern der relevante Steuerpflichtige über die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht der Bank informiert wurde.
Information anderer Intermediäre:
- Für die Befreiung eines Intermediärs von der Meldepflicht ist in einem ersten Schritt ein anderer beteiligter Intermediär im Inland bzw innerhalb der EU unverzüglich von der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht zu informieren. Unterliegt der so informierte Intermediär ebenfalls einer Verschwiegenheitspflicht, hat dieser wiederum einen anderen beteiligten Intermediär im Inland bzw innerhalb der EU von seiner gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht zu informieren. Es können auch sämtliche beteiligten Intermediäre informiert werden.
- Unverzüglich bedeutet ohne unnötigen Aufschub (innerhalb der 30-tägigen Frist).
Information des Steuerpflichtigen:
- Im zweiten Schritt hat jeder befreite Intermediär (§ 11 Abs. 1 EU-MPfG) unverzüglich alle relevanten Steuerpflichtigen gemäß § 11 Abs. 3 EU-MPfG von seiner Befreiung und vom Übergang der Meldepflicht iSd § 12 EU-MPfG zu informieren.
- Unverzüglich bedeutet ohne unnötigen Aufschub (innerhalb der 30-tägigen Frist).
- Informationen, die dem relevanten Steuerpflichtigen bereits selbst bekannt sind, müssen vom Intermediär nicht nochmals wiedergegeben werden.
- Der relevante Steuerpflichtige ist so umfassend über den Übergang der Meldepflicht zu informieren, dass er eine ordnungsgemäße Meldung iSd EU-MPfG vornehmen kann.
In Fällen, in denen ein Hilfsintermediär von einem in der EU ansässigen Hauptintermediär mit der Erbringung von Unterstützungs-, Hilfs-, oder Beratungsleistungen beauftragt wurde (Subvergabe) und zwischen dem Hilfsintermediär und dem relevanten Steuerpflichtigen kein direktes Auftragsverhältnis besteht, reicht es für die Befreiung des Hilfsintermediärs von der Meldepflicht aus, wenn der Hilfsintermediär nur den beauftragenden Hauptintermediär von seiner gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht informiert. Die gilt nur, sofern der Hilfsintermediär nachweisen kann, dass der Hauptintermediär den relevanten Steuerpflichtigen vom Übergang der Meldeverpflichtung informiert hat.
In jenen Fällen, in welchen die meldepflichtige Gestaltung von einem inländischen (Hilfs-)Intermediär in Zusammenarbeit mit Beratern aus Drittstaaten (ohne Anknüpfungspunkt in Österreich oder einem EU Mitgliedstaat) konzipiert, vermarktet, organisiert, zur Umsetzung bereitgestellt oder deren Umsetzung verwaltet wird, steht es der Befreiung iSd § 11 EU-MPfG des inländischen (Hilfs-)Intermediärs nicht entgegen, wenn er lediglich alle relevanten Steuerpflichtigen vom Vorliegen der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht informiert.
10. Inhalt der Meldung (§§ 16 und 17 EU-MPfG)
Der anzugebende Wert der Gestaltung ist insbesondere der Wert des Steuervorteils (vgl Initiativantrag 983/A, XXVI GP , S 41). Die Berechnung ist nach allgemein anerkannten Berechnungsmethoden vorzunehmen.
Es sind nur jene verbundenen Unternehmen zu melden, die von der meldepflichtigen Gestaltung betroffenen bzw potenziell betroffen sind (vgl Initiativantrag 983/A, XXVI GP , S 42). Betroffen bzw potenziell betroffen ist ein verbundenes Unternehmen dann, wenn es an der Gestaltung teilnimmt bzw teilnehmen könnte. Steht zum Zeitpunkt der Entstehung der Meldepflicht noch nicht fest, welche verbundenen Unternehmen tatsächlich an der Gestaltung teilnehmen werden, so sind alle verbundenen Unternehmen zu melden, deren Teilnahme an der Gestaltung denkbar wäre.
Als betroffene bzw potenziell betroffene Personen iSd § 16 Abs. 1 Z 12 EU-MPfG sind solche Personen zu verstehen, die für das Wesen der Gestaltung relevant sind (zB das Target im Rahmen eines Asset Deals) aber keine beteiligten Personen darstellen.
Bundesministerium für Finanzen, 21. Oktober 2020
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | EU-MPfG, EU-Meldepflichtgesetz, BGBl. I Nr. 91/2019 |
Schlagworte: | DAC 6, EU-MPfG, EU-Meldepflichtgesetz, aggressive Steuergestaltung, grenzüberschreitende Gestaltung |