Normen
AlVG 1977 §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §50;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §50;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 AlVG der Verlust seines Anspruchs auf Notstandshilfe für die Zeit vom 10. Juni bis 21. Juli 2011 ausgesprochen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sich am 22. Jänner 2011 (wieder) arbeitslos gemeldet und stehe seitdem im Bezug von Arbeitslosengeld. Er verfüge über eine abgeschlossene Ausbildung als Bürokaufmann, habe Praxis im Logistikbereich, verfüge zusätzlich über Sprachkenntnisse in Englisch, Bosnisch, Kroatisch und Serbisch und suche mit Unterstützung des Arbeitsmarktservice eine Stelle als Logistiker und technischer Sachbearbeiter.
Am 9. Juni 2011 sei er vom Unternehmen E. telefonisch kontaktiert und es sei ihm eine Stelle als Logistiker mit einer kollektivvertraglichen Entlohnung mit möglichem Arbeitsantritt 10. Juni 2011 angeboten worden. In diesem Telefongespräch sei das Tätigkeitsfeld besprochen worden, wie auch seine Ausbildung. Das Unternehmen habe dem Arbeitsmarktservice retour gemeldet, dass der Beschwerdeführer die Aufnahme der Beschäftigung mit der Bemerkung abgelehnt habe, dass "eine Bewerbung Ihnen beiden nix bringt, Sie ausgebildeter Sap-user sind und sich sicher nicht dreckig machen!".
Die belangte Behörde führte wörtlich weiters aus:
"Am 20.06.2011 wurden Sie zu den Angaben des Dienstgebers niederschriftlich befragt und erklärten, dass das nicht stimmt. Die Person, die Sie angerufen hat, war von Anfang an leicht unangenehm am Telefon. Sie stellte Ihnen die Frage, ob Sie sich mit dem PC auskennen, da dass für die Stelle sehr relevant sei. Sie teilten Ihr mit, dass Sie SAP Poweruser sind und haben ihr aufgezählt, welche Bereiche Ihre Ausbildung beinhaltet und was Sie bei der letzten Tätigkeit ausgeübt haben. Sie wurden gefragt, ob Sie zu einem Bewerbungsgespräch kommen, dies bejahten Sie und erklärten, wenn Ihr Profil passt, würden Sie ihr die Bewerbungsunterlagen zusenden. Sie boten sich zusätzlich für andere Stellen im Logistikbereich an, sie meinte jedoch nur mehr, dass Sie überqualifiziert sind und hat aufgelegt. Sie erklärten zusätzlich, dass Ihnen so etwas noch nicht passiert ist, Sie hatten schon mehrere Bewerbungsgespräche und haben noch nie eines abgelehnt."
In seiner Berufung gegen den in Folge ergangenen erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er von einer Frau, die sich als Mitarbeiterin des Unternehmens E. ausgegeben habe, telefonisch kontaktiert worden und von ihr gefragt worden sei, ob er an einem Bewerbungsgespräch teilnehmen könne. Dies habe er bejaht, falls diese Stelle seiner bisherigen Ausbildung und seinem beruflichen Werdegang entspreche. Er sei daraufhin von der Dame mehrmals befragt worden, ob er sich auch wirklich am PC auskenne, was er jedes Mal bejahte habe. Er habe auch seine genauen Kenntnisse angegeben und auch, wo er zuletzt beschäftigt gewesen sei. Er habe ihr angeboten, seine Bewerbungsunterlagen zu übermitteln, sollte er für die ausgeschriebene Stelle nicht eingestellt werden. Er habe auf jeden Fall starkes Interesse gezeigt und habe dies auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Das Gespräch habe schließlich damit geendet, dass die Dame ihn als überqualifiziert erachtet und das Gespräch durch Auflegen beendet habe. Zur Zeit dieses Gesprächs sei seine Lebensgefährtin anwesend gewesen und habe dies zur Gänze verfolgt. Er sei bereit, jede zugewiesene Stelle anzunehmen und sich auch entsprechend zu bewerben. Er habe im gegenständlichen Fall sicherlich keine Bewerbung vereitelt. Er ersuche daher um neuerliche Überprüfung und Aufhebung des Bescheids, sowie Zuerkennung der Leistung im maßgeblichen Zeitraum.
Nach Wiedergabe des § 10 AlVG führte die belangte Behörde weiter aus, der Beschwerdeführer habe die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung bei E. durch sein Verhalten am Telefon, bei dem er zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen werden sollte, vereitelt.
Im Ermittlungsverfahren sei die Mitarbeiterin des Unternehmens E. um eine nochmalige Darstellung des Telefonats ersucht worden. Sie habe erklärt, dass sie den Beschwerdeführer telefonisch kontaktiert gehabt habe, um ihm die Stelle als Logistiker anzubieten. Der Beschwerdeführer sei darüber laut Angaben der Mitarbeiterin sehr verwundert gewesen, da er sich eher auf EDV spezialisiert habe und der Meinung gewesen sei, dass er für diese Stelle überqualifiziert sei. In dem Gespräch sei dem Beschwerdeführer der Tätigkeitsbereich beschrieben worden (teilweiser Einsatz im Büro, teilweise Staplerfahren, teilweise EDV, wobei das Büro inmitten der Produktionshalle liege und man auch schmutzig werde, da es keine reine Bürotätigkeit sei). Die Mitarbeiterin habe den Eindruck erhalten, dass der Beschwerdeführer an einer reinen Büroarbeit interessiert gewesen sei. Er habe arrogant und überheblich gewirkt, als ob er sich für diese Stelle zu gut wäre. Aus diesen Gründen habe die Dame schließlich von einer Einstellung ihrerseits Abstand genommen.
Die "Angaben der Firma" seien deshalb glaubwürdig, da der Beschwerdeführer selbst in seinen Erklärungen (etwa in der Niederschrift vom 20. Juni 2011) dargelegt habe, dass er die Übermittlung der Bewerbungsunterlagen angeboten habe. Diese Übermittlung sei aber nicht notwendig, wenn er sich zu einem Bewerbungsgespräch bereit erklärt habe und die Arbeit tatsächlich aufnehmen habe wollen. Dann wäre nur die Frage nach dem Gesprächstermin erforderlich gewesen, alles andere sei "im gegebenen Fall destruktiv" gewesen. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers, dass er sich für andere Logistikstellen im Unternehmen erkundigt habe, zeige, dass er selbst sich für diese Stelle nicht interessiert gezeigt habe. Er habe nach anderen Logistikstellen gefragt, obwohl es dem Unternehmen um diese eine Stelle gegangen sei; er habe von dieser Stelle abgelenkt, was auch aus seinen Erwiderungen deutlich hervorgehe.
Aus diesen Gründen seien die "Angaben der Firma" eher glaubwürdig und gelte es als erwiesen, dass der Beschwerdeführer eine zumutbare Beschäftigung durch sein Verhalten am Telefon vereitelt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. § 10 Abs 1 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 104/2007 lautet:
"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person
1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder
3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde."
Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl zB das hg Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl 2006/08/0157, mwN).
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl das hg Erkenntnis vom 25. Oktober 2006, Zl 2005/08/0049, uva).
2. Im Beschwerdefall stützte die belangte Behörde den Verlust des Anspruchs des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld darauf, dass dieser durch sein Verhalten in einem Telefongespräch mit einem potentiellen Dienstgeber das Zustandekommen einer Beschäftigung bei diesem Unternehmen vereitelt habe.
Im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer mehrfach ausgeführt, wie das gegenständliche Telefonat aus seiner Sicht verlaufen sei und hat sich insbesondere gegen die im erstinstanzlichen Verfahren von der Mitarbeiterin des Unternehmens erstattete Darstellung des Gesprächsverlaufs gewandt. Die belangte Behörde hat im Berufungsverfahren eine weitere Stellungnahme der Mitarbeiterin dieses Unternehmens eingeholt und kam beweiswürdigend zu dem Schluss, dass die Darstellung des Beschwerdeführers gegenüber der Darstellung dieser Mitarbeiterin des potentiellen Dienstgebers nicht glaubwürdig sei.
Aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheids geht nicht hervor, ob die belangte Behörde die von ihr befragte Mitarbeiterin förmlich als Zeugin einvernommen hat. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt lässt sich allerdings erkennen, dass diese Mitarbeiterin im Zuge eines Telefongesprächs formlos befragt wurde.
Die Behörde darf sich aber nur in Fällen, die nicht weiter strittig sind, mit einer formlosen Befragung per Telefon als Beweismittel begnügen. Wo - wie hier - insoweit widersprechende Beweisergebnisse vorliegen, als der Darlegung des Beschwerdeführers nur die Gegendarstellung einer Mitarbeiterin des potentiellen Dienstgebers gegenübersteht und der Beschwerdeführer seine Darstellung auch während des gesamten Verfahrens nicht geändert hat, in Fällen also, in denen der Glaubwürdigkeit von Personen für die Beweiswürdigung besondere Bedeutung zukommt, ist es im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit erforderlich, diese Personen förmlich als Zeugen niederschriftlich zu vernehmen (vgl das hg Erkenntnis vom 12. September 2012, Zl 2009/08/0139, uva).
Wie der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde zutreffend darlegt, erweist sich das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren daher in einem wesentlichen Punkt als mangelhaft. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde die von ihr zunächst formlos befragte Mitarbeiterin des potentiellen Dienstgebers förmlich als Zeugin im Sinn des § 50 AVG einzuvernehmen haben.
3. Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am 15. Mai 2013
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