VwGH 2008/08/0095

VwGH2008/08/009516.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des G Z in M, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josef Straße 42, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 9. November 2007, Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2007, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z2;
MRK Art14;
MRKZP 01te Art1;
AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z2;
MRK Art14;
MRKZP 01te Art1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, hier angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides - den Antrag des Beschwerdeführers vom 8. August 2007 auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld ab.

Die belangte Behörde ging von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer machte am 11. September 2007 (ab 8. August 2007) einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei der Regionalen Geschäftsstelle M geltend. Er war zuletzt vom 9. August 2004 bis 3. August 2007 als Reinigungskraft bei der D GmbH vollversichert beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde am 3. August 2007 im beiderseitigen Einverständnis gelöst. Vom 4. bis 25. August 2007 erhielt der Beschwerdeführer eine Urlaubsentschädigung. Aus einem Schreiben des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers gehe hervor, dass der Beschwerdeführer am 31. August 1998 in das Bundesgebiet eingereist und am 2. September 1998 einen Asylantrag gestellt habe. Der unabhängige Bundesasylsenat habe letztlich den Asylantrag am 16. Oktober 2006 abgelehnt; der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluss vom 17. November 2006 keine Verfahrenshilfe (für die Erhebung einer Beschwerde) gewährt. Aus dem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates gehe hervor, dass der Beschwerdeführer nach rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages vom 1. September 1998 in seinen Herkunftsstaat zurückgereist und am 20. November 2001 neuerlich in Österreich eingereist sei, wo er neuerlich einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. Februar 2002 gemäß § 7 Asylgesetz abgewiesen worden; gemäß § 8 Asylgesetz sei festgestellt worden, dass die Abschiebung in die autonome Provinz Kosovo zulässig sei. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Oktober 2006 abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Laut telefonischer Auskunft der Bezirkshauptmannschaft M sei ein rechtsmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht gegeben.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, eine der Anspruchsvoraussetzungen für Arbeitslosengeld sei das "Zur Verfügung stehen zur Arbeitsvermittlung". Der Arbeitsvermittlung stehe zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen könne und dürfe, d.h. unter anderem wer sich berechtigt im Bundesgebiet aufhalte, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben. Da der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei, sei die Verfügbarkeit gemäß § 7 AlVG im hier zu prüfenden Fall nicht gegeben. Der Beschwerdeführer halte sich nicht berechtigt im Bundesgebiet auf. Die Entrichtung von Arbeitslosenversicherungsbeiträgen impliziere keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. Nach § 7 Abs. 2 AlVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer (u.a.) eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf.

§ 7 Abs. 3 Z 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 102/2005 lautet (auszugsweise):

"Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person, …

2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben …"

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, Zl. 2005/08/0211, ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber durch die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 71/2003 erfolgte Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes eine eindeutige Verknüpfung zwischen der Berechtigung zum Aufenthalt zum Zweck der Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung und der Leistungsverpflichtung der Arbeitslosenversicherung vorgenommen. Die Novellierung des § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG durch die AlVG-Novelle BGBl. I Nr. 102/2005 diente der Klarstellung der Verfügbarkeit zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe im Hinblick auf die vorgesehenen Neuordnungen im Aufenthaltsrecht. Durch diese Neuformulierung hat sich am Inhalt dieser Bestimmung nichts geändert, sodass das Vorliegen der aufenthaltsrechtlichen Berechtigung, eine unselbständige Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen zu dürfen, Voraussetzung für die Verfügbarkeit im Sinn des § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG ist. Es kommt dabei nicht auf die subjektive Absicht des Betroffenen an, im Inland eine Beschäftigung aufnehmen zu wollen, sondern darauf, dass seine Berechtigung zum Aufenthalt die Möglichkeit einer Beschäftigungsaufnahme in rechtlicher Hinsicht abdeckt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2006, Zl. 2006/08/0020).

Diese Verknüpfung zwischen Aufenthaltsberechtigung und Leistungsverpflichtung der Arbeitslosenversicherung hat der Verfassungsgerichtshof auch mit seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 2005, Zl. G 61/05, VfSlg. 17.648, im Hinblick auf die Fassung des § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG durch BGBl. I Nr. 71/2003, als sachlich abgegrenzt und verfassungsrechtlich zulässig beurteilt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2007, Zl. 2006/08/0306).

Im Sinne der hier maßgebenden Fassung des § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG ist es sohin unumgänglich, dass ein entsprechender Aufenthaltstitel gegeben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, Zl. 2008/08/0047). Der Beschwerdeführer behauptete im Verwaltungsverfahren (und nunmehr auch in der Beschwerde) lediglich, er sei gemäß Art. 8 EMRK zum Aufenthalt in Österreich berechtigt (vgl. hiezu freilich die - den Beschwerdeführer betreffenden - hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 2010, Zlen. 2008/21/0173 und 2008/21/0338; zur negativen Entscheidung über eine vom Beschwerdeführer beantragte Beschäftigungsbewilligung vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2008, Zl. 2007/09/0384). Damit liegt aber schon keine Behauptung des Beschwerdeführers vor, über einen Titel, der ihn auch zur Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung in Österreich berechtigen würde, zu verfügen.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich darauf verweist, er habe jahrelang Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlt, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zwar im Hinblick auf die zum Erwerb der Anwartschaft erforderliche Gegenleistung als ein vermögenswertes Recht iS des Art. 1 des 1. ZP EMRK in den Schutzbereich dieses Grundrechtes fällt und gemäß Art. 14 EMRK jedermann ohne Benachteiligung zu gewähren ist. Der Inhalt dieses Anspruches wird aber durch die Umschreibung des versicherten Risikos bestimmt; die Bestimmung des § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG grenzt das versicherte Risiko sachlich ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/08/0250).

Da der Beschwerdeführer über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügt, steht er der Arbeitsvermittlung nicht im Sinn des § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG zur Verfügung. Ein Absehen von der Voraussetzung der Verfügbarkeit würde in solchen Fällen zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Privilegierung des Fremden zu Lasten der Versichertengemeinschaft führen, weil er Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen könnte, ohne sich - wie grundsätzlich alle anderen Leistungsbezieher - der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen zu müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2010, Zl. 2008/08/0066).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 16. Februar 2011

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