VwGH 2006/08/0306

VwGH2006/08/030621.11.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des IB in S, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Fabrikstraße 26, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 19. September 2006, Zl. LGSOÖ/Abt.4/05660597/2006-11, betreffend Gewährung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z2;
ARB1/80 Art6 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z2;
ARB1/80 Art6 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat am 1. Juni 2006 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wels die Zuerkennung von Arbeitslosengeld beantragt. Dieser Antrag wurde von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit Bescheid vom 28. Juni 2006 mangels Verfügbarkeit abgewiesen. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid abgewiesen. Sie hat dabei festgestellt, dass über den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 17. Juni 1998 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden sei, wobei dabei 18 Verwaltungsvorstrafen sowie zwei gerichtliche Verurteilungen (davon eine "im Ausmaß von zwei Jahren und sechs Monaten unbedingt") berücksichtigt worden seien. In einer Berufungsentscheidung durch die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich sei das Vorliegen des unbefristeten Aufenthaltsverbotes bestätigt worden. Allerdings sei festgestellt worden, dass zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung im Falle der Abschiebung in die Türkei berechtigte Gründe für die Unzulässigkeit der Abschiebung vorlägen. Somit sei dem Beschwerdeführer "laufend ein Abschiebungsaufschub erteilt" worden.

Nach Auskunft des Bundesasylamtes scheine der Beschwerdeführer nicht als Asylwerber gemäß § 19 Asylgesetz auf, ein fremdenpolizeiliches Verfahren liege ebenfalls nicht vor. Der Beschwerdeführer verfüge daher über keine - auch nicht vorläufige -

Aufenthaltsberechtigung. Die Verfügbarkeit im Sinne des § 7 AlVG liege daher mangels Aufenthaltsberechtigung nicht vor; der Beschwerdeführer sei nicht befugt, eine unselbständige Beschäftigung in Österreich aufzunehmen und auszuüben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. Der Arbeitsvermittlung steht gemäß § 7 Abs. 2 AlVG zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

§ 7 Abs. 3 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2005 lautet wie folgt:

"Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person,

1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält,

2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, und

3. die nicht den Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75, unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 4 FrG erfüllt."

2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er halte sich trotz des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes berechtigterweise in Österreich auf, da ein Abschiebungsaufschub bis zum 15. Februar 2007 gewährt worden sei. Die Voraussetzungen des § 7 AlVG seien erfüllt, da er sich zu entsprechenden Arbeitsleistungen bereithalte. Ein berechtigter Aufenthalt im Bundesgebiet sei ebenfalls gegeben, da einer Abschiebung der rechtskräftig bewilligte Aufschub entgegenstehe. Darüber hinaus verwies der Beschwerdeführer darauf, dass er, seit er in Österreich sei, immer wieder auch über längere Zeiträume einer Beschäftigung nachgegangen sei und daher auch entsprechende "Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet und auch empfangen" habe.

3. Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzulegen. Das Vorliegen eines (befristeten) Abschiebungsaufschubs führt nicht dazu, dass der Beschwerdeführer damit über einen Aufenthaltstitel verfügt, der ihm die Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung in Österreich gestattet. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, Zl. 2005/08/0211, ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber durch die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 71/2003 erfolgte Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes eine eindeutige Verknüpfung zwischen der Berechtigung zum Aufenthalt zum Zweck der Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung und der Leistungsverpflichtung der Arbeitslosenversicherung vorgenommen. Die Novellierung des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG durch die AlVG-Novelle BGBl. I Nr. 102/2005 diente - ausweislich des Ausschussberichtes 1010 BlgNR 22. GP Seite 2 - "der Klarstellung der Verfügbarkeit zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe im Hinblick auf die vorgesehenen Neuordnungen im Aufenthaltsrecht". Durch diese Neuformulierung hat sich am Inhalt dieser Bestimmung nichts geändert, sodass das Vorliegen der aufenthaltsrechtlichen Berechtigung, eine unselbständige Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen zu dürfen, weiterhin Voraussetzung für die Verfügbarkeit im Sinn des § 7 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG ist. Diese Verknüpfung hat der Verfassungsgerichtshof auch mit seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 2005, Zl. G 61/05, im Hinblick auf die Fassung des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG durch BGBl. I Nr. 71/2003, als sachlich abgegrenzt und verfassungsrechtlich zulässig beurteilt.

4. Der Beschwerdeführer rügt unter dem Beschwerdegrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften, dass die belangte Behörde die Entscheidung in einem Zeitpunkt getroffen habe, in dem das Verfahren betreffend die Verlängerung des Abschiebungsaufschubes noch anhängig gewesen sei. Auch mit diesem Vorbringen vermag er jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, kommt es doch - wie bereits ausgeführt - nicht darauf an, ob ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist oder nicht, sondern lediglich darauf, ob der Beschwerdeführer eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet, um eine unselbständige Beschäftigung aufnehmen zu dürfen, hat.

5. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass der Beschwerdeführer "nach Angaben der BH Wels Land" türkischer Staatsbürger, "nach eigenen Angaben gebürtiger türkischer Staatsbürger, dzt. staatenlos" sei.

Der Beschwerdeführer hat im Verfahren weder geltend gemacht, türkischer Staatsangehöriger zu sein, noch hat er sich sonst darauf berufen, dass sein Anspruch auf Arbeitslosengeld aus dem Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei abzuleiten sei. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. April 2006, Zl. 2004/08/0103, bereits ausgesprochen hat, könnte sich der Beschwerdeführer aber auch im Falle türkischer Staatsangehörigkeit nur dann auf die durch Artikel 6 Absatz 1 des Assoziierungsabkommens verliehenen Rechte berufen, wenn seine aufenthaltsrechtliche und beschäftigungsrechtliche Stellung als ordnungsgemäß im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann. Nach der im genannten Erkenntnis wiedergegebenen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften setzt die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats voraus; eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen setzt das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechtes voraus.

Im Hinblick darauf, dass nach den - vom Beschwerdeführer nicht bekämpften - Feststellungen im angefochtenen Bescheid gegen den Beschwerdeführer seit Juni 1998 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot bestand, das auch im Zeitpunkt der Antragstellung auf Gewährung von Arbeitslosengeld sowie im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aufrecht war, kann aber keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer eine gesicherte Position auf dem österreichischen Arbeitsmarkt inne hat, sodass er sich auch zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Gewährung von Arbeitslosengeld nicht darauf berufen hätte können, dem regulären Arbeitsmarkt anzugehören.

6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 21. November 2007

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