Normen
AlVG 1977 §7 Abs3 Z2 idF 2005/I/102;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z2;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB3/80 Art3 Abs1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z2 idF 2005/I/102;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z2;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB3/80 Art3 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein im Jahr 1980 geborener türkischer Staatsangehöriger, reiste am 12. September 2004 nach Österreich ein und brachte am 13. September 2004 beim Bundesasylamt einen Asylantrag ein. Dieser Asylantrag wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Februar 2005 abgewiesen. Seit 15. Oktober 2004 ist der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Er war vom 2. November 2004 bis 28. Oktober 2005 durchgehend sowie im Weiteren mit Unterbrechungen im Zeitraum zwischen 13. Dezember 2005 bis 14. März 2007 bei Unternehmen in Österreich beschäftigt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides den Antrag des Beschwerdeführers vom 16. März 2007 mangels Verfügbarkeit gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG abgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des am 12. September 2004 illegal eingereisten Beschwerdeführers mit dem am 5. März 2005 rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asylverfahren geendet habe. Der Beschwerdeführer sei seit dem 6. März 2005 nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsberechtigung bzw. Niederlassungsbewilligung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) bzw. Fremdengesetz 1997 (sein erstmals am 5. Oktober 2006 gestellter Antrag auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger sei von der Bezirkshauptmannschaft F mit - infolge dagegen erhobener Berufung noch nicht rechtskräftigem - Bescheid vom 11. Juni 2007 abgelehnt und die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 21 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 2 NAG 2005 versagt worden).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof und Abtretung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluss vom 26. Februar 2008, B 1424/07- 03, für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde, womit dessen Aufhebung begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde zusammengefasst vor, die Verwehrung von Notstandshilfe stelle eine Diskriminierung auf Grund seiner Staatsbürgerschaft dar, zumal er als türkischer Assoziationsarbeitnehmer auf Grund seines - auch von der belangten Behörde nicht bestrittenen - Erwerbs der Anwartschaft im Sinne des § 14 AlVG zum Bezug von Arbeitslosengeld berechtigt sei, auch wenn er zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtene Bescheides über keinen ihm erteilten Aufenthaltstitel verfügt habe; dadurch werde gegen das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei verstoßen.
Die für den Zeitpunkt der Antragstellung am 16. März 2007 und danach maßgebende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Nach § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.
Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist (§ 7 Abs. 2 leg. cit.).
Gemäß § 7 Abs. 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2005 kann und darf eine Person eine Beschäftigung aufnehmen,
"1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält,
2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, und
3. die nicht den Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75 unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 4 FrG erfüllt."
Artikel 6 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation sieht Folgendes vor:
"Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat
- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs -das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis."
Die Ordnungsmäßigkeit einer während eines bestimmten Zeitraums ausgeübten Beschäftigung ist anhand der Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates zu prüfen, die die Voraussetzungen regeln, unter denen der türkische Staatsangehörige in das nationale Hoheitsgebiet gelangt ist und dort eine Beschäftigung ausübt (vgl. das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 6. Juni 1995 in der Rechtssache "Bozkurt", C-434/93 ).
Der Verwaltungsgerichtshof hatte im Erkenntnis vom 26. April 2006, Zl. 2004/08/0103, bei vergleichbarer Rechtslage die Frage zu beantworten, ob ein türkischer Staatsangehöriger, über den ein Aufenthaltsverbot verhängt wurde, im Hinblick auf den Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 zwischen EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (in der Folge: ARB 1/80), bei sonst vorliegenden Voraussetzungen, Anspruch auf Arbeitslosengeld hat; dies wurde verneint. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Hervorzuheben ist daraus, dass sich ein türkischer Staatsangehöriger nur dann auf die ihm durch Art. 6 Abs. 1 des genannten Abkommens verliehenen Rechte berufen kann, wenn seine aufenthaltsrechtliche und seine beschäftigungsrechtliche Stellung als ordnungsgemäß im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann. Nach der im genannten Erkenntnis wiedergegebenen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften setzt die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung im Sinne von
Artikel 6 Absatz 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates voraus; eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen setzt das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechtes voraus.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer auch nach dem 6. März 2005 nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsberechtigung bzw. einer Niederlassungsbewilligung gewesen sei. Diese Feststellung des Fehlens eines ihm erteilten Aufenthaltstitels lässt der Beschwerdeführer unbekämpft. Allein der von ihm ins Treffen geführte Umstand, mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet zu sein, begründet auch nach dem Fremdengesetz 1997 keine Aufenthaltsberechtigung, die dem Beschwerdeführer die rechtmäßige Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung im Bundesgebiet ermöglichen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2008, Zl. 2006/18/0490).
Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich im für den gegenständlichen Antrag auf Notstandshilfe maßgebenden Zeitraum über kein Aufenthaltsrecht verfügt hat, kann keine Rede davon sein, dass er eine gesicherte Position auf dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt inne hat.
Soweit sich der Beschwerdeführer dazu auf Art. 6 ARB 1/80 beruft, ist ihm zu entgegnen, dass Fremde, die eine - wenn auch allenfalls im Einklang mit den Bestimmungen des AuslBG stehende - Beschäftigung ausgeübt haben, die Voraussetzungen dafür, sich hinsichtlich des Rechts zur Fortsetzung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung sowie des diesem Zweck dienenden Rechts auf Aufenthalt mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 berufen zu können, dann nicht erfüllen, wenn ihr Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet bloß auf Grund einer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung bestand. Die letztgenannte Berechtigung vermittelt nämlich keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2008/09/0346, mwN).
Da der Beschwerdeführer somit der auch für andere Fremde geltenden Rechtslage unterliegt, ist auf ihn § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG anzuwenden. Danach fehlt es dem Beschwerdeführer an der Verfügbarkeit, weil er sich nicht berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.
Daran vermag auch der Hinweis der Beschwerde auf das in Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit (ARB 3/80) verankerte Diskriminierungsverbot (Urteil des EuGH vom 4. Mai 1999, C-262/96 - Sürül) nichts zu ändern. Zur sachlichen Rechtfertigung der maßgeblichen Bestimmung des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003) hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 2005, G 61/05, Folgendes ausgeführt (vgl. dazu bereits das hg. Erkenntnis vom 26. April 2006, Zl. 2004/08/0103):
"Die angegriffene Norm ist (...) nicht etwa eine (übermäßige) Einschränkung eines grundsätzlich bestehenden Anspruchs aus besonderen Gründen, sondern die notwendige Folge aus der sachgemäßen Umschreibung des versicherten Risikos. Warum jemand nicht in der Lage ist, eine Arbeit aufzunehmen, bleibt außer Betracht. Wer nach Erwerb einer Anwartschaft arbeitsunfähig wird oder zB wegen Kinder- oder Altenbetreuung keine Arbeit aufnehmen kann und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, also nicht vom Risiko des Fehlens eines Arbeitsplatzes getroffen wird, erhält keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Diese müsste also, um die behauptete Verfassungswidrigkeit zu vermeiden, für Fremde ein ganz anderes Risiko abdecken (was nur ausnahmsweise - und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit - nach erfolgreicher Rehabilitation gemäß § 7 Abs. 4 AlVG der Fall ist). Wenn aber kein Eingriff in das unter Art. 1 des 1. ZP EMRK fallende Recht, sondern die sachgemäße Ausgestaltung des Arbeitslosenversicherungsrechts in Rede steht, kann sich auch die Frage der Verhältnismäßigkeit (eines Eingriffs) nicht stellen. Das versicherte Risiko selbst ist jedenfalls sachlich abgegrenzt. Ob es sachlich wäre, gerade das Risiko einer fehlenden Arbeitserlaubnis zusätzlich zu versichern, kann dahingestellt bleiben. Dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht zu entnehmen, dass er Fremde, die sich unerlaubt oder auch nur ohne Arbeitserlaubnis im Inland befinden, im Verhältnis zu anderen an der Aufnahme von Arbeit gehinderten für besonders schutzwürdig hält."
Der Verfassungsgerichtshof führte weiter aus, es sei dem Staat unbenommen, den Aufenthalt im Staatsgebiet aus sachlichen Gründen auch zu anderen Zwecken als zur Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung zuzulassen. Eine Arbeitslosenversicherung dürfe so gestaltet sein, dass sie nur bei Fehlen eines zumutbaren Arbeitsplatzes greife. § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG trage nur dem Umstand Rechnung, dass nicht jeder, der sich (auch erlaubter Weise) in Österreich aufhalte, hier eine Arbeit aufzunehmen oder auszuüben berechtigt sei. Die Bestimmung sei nicht verfassungswidrig.
Vor diesem Hintergrund ist es auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 ARB 3/80 nicht unsachlich, einen Fremden, der der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht, vom Bezug einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung auszuschließen. Dies auch dann, wenn die mangelnde Verfügbarkeit bei einem Fremden im Unterschied zu der eines österreichischen Staatsbürgers auch darin bestehen kann, dass er keine die Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung ermöglichende Aufenthaltsberechtigung besitzt. Ein Absehen von der Voraussetzung der Verfügbarkeit würde in solchen Fällen vielmehr zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Privilegierung des Fremden zu Lasten der Versichertengemeinschaft führen, weil er Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen könnte, ohne sich - wie grundsätzlich alle anderen Leistungsbezieher (mit Ausnahme der Bezieher eines Pensionsvorschusses) - der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen zu müssen.
Die belangte Behörde hat daher zutreffend das Vorliegen der Verfügbarkeit des Beschwerdeführers verneint; die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 26. Mai 2010
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