Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) einen Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, vom 27. Oktober 2005 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen mit dem Aufenthaltszweck "Student" bzw. "Ausbildung" gemäß § 7 Abs. 4 Z. 1 Fremdengesetz 1997 (FrG) gültig vom 29. April 2002 bis 31. März 2003, vom 15. April 2003 bis 26. April 2003, vom 5. Mai 2003 bis 4. Mai 2004 und zuletzt vom 24. November 2004 bis 31. Oktober 2005 gewesen sei.
Am 27. Dezember 2004 habe er die österreichische Staatsbürgerin A.M.M. geheiratet und den gegenständlichen Antrag vom 27. Oktober 2005 im Wesentlichen damit begründet, dass er die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner in Österreich lebenden Ehefrau anstrebe.
Erhebungen durch die Bundespolizeidirektion Wien hätten ergeben, dass im Fall des Beschwerdeführers eine Aufenthaltsehe vorliege. Auch von Seiten der belangten Behörde bestünden "daher keine Zweifel", dass im Fall des Beschwerdeführers "vom Vorliegen einer 'Aufenthaltsehe' zu sprechen" sei.
"Zum vorliegenden Sachverhalt" sei mit Schreiben vom 25. Jänner 2007 an den Beschwerdeführer die Aufforderung ergangen, Stellung zu nehmen; dieser Aufforderung sei der Beschwerdeführer jedoch nicht nachgekommen und habe in seinem Schreiben die belangte Behörde aufgefordert, die neuen Erkenntnisse mitzuteilen.
Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten nie über einen gemeinsamen Wohnsitz verfügt; die Ehefrau habe bei der Bundespolizeidirektion Wien zugegeben, mit dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen zu sein.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 82 Abs. 1, 81 Abs. 1, 11 Abs. 1 Z. 4 und 30 Abs. 1 NAG - im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe seiner gemäß § 29 Abs. 1 NAG sowie nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bestehenden Mitwirkungspflicht nicht entsprochen; aufgrund der für die belangte Behörde feststehenden Aufenthaltsehe sei dem Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG ein Aufenthaltstitel zwingend zu versagen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag vom 27. Oktober 2005 zutreffend nach den Bestimmungen des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG (§ 82 Abs. 1 NAG) - in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 99/2006 - beurteilt hat, weil nach § 81 Abs. 1 NAG Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten des NAG anhängig waren, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen sind.
Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und führt dazu im Wesentlichen aus, dass sich die belangte Behörde auf Erhebungen durch die Bundespolizeidirektion Wien berufen habe, ohne diese dem Beschwerdeführer zur Kenntnis zu bringen; der Beschwerdeführer habe keineswegs gegen seine Mitwirkungspflicht verstoßen, sondern lediglich dargelegt, dass er aufgrund mangelnder Kenntnis von den der belangten Behörde vorliegenden Beweisen und Beweisergebnissen zu diesen nicht Stellung nehmen könne.
Die belangte Behörde habe somit gegen das Recht des Beschwerdeführers auf Wahrung des Parteiengehörs sowie gegen das in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs anerkannte Überraschungsverbot verstoßen. Hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Aussage seiner Ehefrau zur Kenntnis gebracht, hätte er nachweisen können, dass diese die Angaben nur deshalb mache, um die Ehe aufzulösen bzw. einen Vorteil in einem allfälligen Scheidungsverfahren zu haben; es habe sich nämlich erst nach der Eheschließung herausgestellt, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers Drogen nehme.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
Mit Bescheid vom 8. August 2006 wies die Erstbehörde den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Oktober 2005 unter Berufung auf § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG ab, weil gegen den Beschwerdeführer ein mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. Juni 2006 erlassenes Aufenthaltsverbot bestehe; dieses "aufrecht bestehende Aufenthaltsverbot" stelle einen absoluten Versagungsgrund dar.
In der am 25. August 2006 eingebrachten Berufung gegen diesen Bescheid wies der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf hin, dass jenes Aufenthaltsverbot - infolge einer dagegen eingebrachten Berufung - nicht rechtskräftig sei; die Fremdenpolizei habe das Aufenthaltsverbot "ohne ein korrektes Ermittlungsverfahren" erlassen.
Aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde ist ersichtlich, dass sich diese durch telefonische Nachfrage bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien darüber vergewisserte, dass das erwähnte Aufenthaltsverbot wegen noch offener Berufung tatsächlich noch nicht rechtskräftig war (Aktenvermerk vom 24.1.(2007)).
Die im angefochtenen Bescheid erwähnten "Erhebungen durch die Bundespolizeidirektion Wien" sowie das ebenfalls angeführte Zugeständnis der Ehefrau, mit dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen zu sein, beziehen sich offenbar auf eine von der belangten Behörde unter Verschluss gehaltene fremdenpolizeiliche Niederschrift, welche - Gegenteiliges hat die belangte Behörde auch im Vorverfahren nicht behauptet - dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht wurde. In einer Stellungnahme vom 12. Februar 2007 forderte der Beschwerdeführer die belangte Behörde jedenfalls auf, ihm die von der Behörde erwähnten "neuen Erkenntnisse" zur Kenntnis zu bringen.
Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Die Bestimmung soll gewährleisten, dass dem Bescheid keine der Partei unbekannten Tatsachen und Beweismittel zugrunde gelegt werden; der darin verankerte Grundsatz des Parteiengehörs umfasst nach der hg. Rechtsprechung ein sogenanntes Überraschungsverbot (vgl. das Erkenntnis vom 30. März 2004, 2002/06/0173; Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 27).
Gemäß § 67 iVm § 56 sowie §§ 37 und 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien im Berufungsverfahren in gleicher Weise Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Eine diesbezügliche Verpflichtung besteht für die Berufungsbehörde unter anderem dann, wenn sie ihrer Entscheidung in einem wesentlichen Punkt einen anderen Sachverhalt unterstellen will als die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Diesfalls hat sie den Parteien die beabsichtigten Ergänzungen bzw. Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts vorzuhalten und ihnen Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern (Hengstschläger/Leeb a.a.O. Rz 38 mit zahlreichen Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
Diese Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall verletzt:
Da sie ihre Entscheidung - anders als die Erstbehörde - nicht auf das (jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) noch gar nicht rechtskräftige, gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot, sondern unmittelbar auf eine von dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau geschlossene Aufenthaltsehe (und damit auf den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG) stützte, hätte sie dem Beschwerdeführer die ihr diesbezüglich vorliegenden Ergebnisse des Beweisverfahrens vorhalten müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2004, 2001/07/0110, mwN).
Da die belangte Behörde dies unterlassen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet, dem nach dem Beschwerdevorbringen auch Relevanz zukommt.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 18. März 2010
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