VwGH 2008/05/0130

VwGH2008/05/013015.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerden 1. des

K R in St. Andrä-Wördern, vertreten durch Dr. Anton Bauer, Rechtsanwalt in 3400 Klosterneuburg, Stadtplatz 23, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. April 2008, Zl. RU1-BR-896/003-2008 (protokolliert zu Zl. 2008/05/0130), und 2. des C P in St. Andrä-Wördern, ebenfalls vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Anton Bauer, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. April 2008, Zl. RU1-BR-896/002-2008 (protokolliert zu Zl. 2008/05/0131), jeweils betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde St. Andrä-Wördern in 3423 St. Andrä-Wördern, Altgasse 20;

2. Hgesellschaft m.b.H. in Salzburg, vertreten durch Ploil Krepp & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 4), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs2;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs2;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben insgesamt dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die zweitmitbeteiligte Partei (in der Folge: Bauwerberin) beantragte mit Eingabe vom 2. Juni 2006 die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit insgesamt 16 Wohneinheiten (Wohnungen und Reihenhäuser) sowie PKW-Stellplätzen (12 Garagenplätze und 4 Stellplätze im Freien) auf dem im Bauland-Wohngebiet liegenden Grundstück Nr. 21/4, KG Wördern, Dr. Ignaz-Stich-Platz 6.

Der Erstbeschwerdeführer ist Eigentümer des östlich des Baugrundstückes liegenden Grundstückes Nr. 20/2, KG Wördern. Der Zweitbeschwerdeführer ist Eigentümer des westlich des Baugrundstückes liegenden Grundstückes Nr. 22/6, KG Wördern.

Die Beschwerdeführer wurden zur mündlichen Bauverhandlung unter Androhung der Rechtsfolgen des § 42 AVG persönlich geladen.

Der Erstbeschwerdeführer brachte bei der Bauverhandlung am 22. September 2006 laut Niederschrift folgendes vor:

"Ich verweise auf die allgemeine Situation der Parkplätze im Bereich des Dr.-Ignaz-Stich-Platzes und befürchte durch den vermehrten Verkehr, dass meine auf Eigengrund von der Schubertgasse her befahrbaren Abstellplätze nicht mehr frei benutzbar sein werden und den damit verbundenen Geschäftsverlust.

Ich verweise darauf, dass seit jüngstem in der Marktgemeinde St. Andrä-Wördern 1,5 Parkplätze errichtet werden müssen.

Ich befürchte Lärm in meinen Schlafräumen durch das vermehrte Verkehrsaufkommen mit den zusätz. Ein- und Ausfahren in die Garage.

Ich befürchte, dass in den den Wohnungen zugeordneten Gärten Gerätehütten aufgestellt werden und damit die Bebauungsdichte überschritten wird.

Ich verlange zwischen den einzelnen neuen Gebäuden wenigsten 2 m hohe Wände als Lärm- und Lichtschutz.

Weiters gebe ich an: durch die Herstellung der vorgesehenen Keller wird in den Grundwasserspiegel eingegriffen, dies bewirkt eine Gefährdung der Standsicherheit der angrenzenden Baugewerke. Es ist im Bauvorhaben keinerlei Sicherheitsmaßnahme gegen diese drohende Gefahr vorgesehen. Es gibt keinen Nachweis, dass der Grundwasserspiegel in ausreichendem Abstand unterhalb Kellerniveau liegt."

Der Zweitbeschwerdeführer erstattete bei der mündlichen Bauverhandlung folgendes Vorbringen:

"Nach meinem Dafürhalten ist der im Lageplan dargestellte, 2,05 m breite Gehweg zu eng, um einen sinnvollen Personenverkehr zu ermöglichen.

Längs meiner nordöstlichen Grundgrenze im Anschluss an das 'Vordergebäude' möchte ich, dass eine rund 2 m hohe Mauer als Lärmschutz errichtet wird.

Weiters befürchte ich unzumutbare Lärmbelästigungen durch die Benützung der Gartenflächen vor den Reihenhäusern etc. w. z.B Rasenmähen, Festivitäten jeglicher Art, ...

Sollten durch die Bauarbeiten für die Neubauten an den Häusern, Hauptstr. 18a und 18b, irgendwelche Schäden entstehen so verlange ich, dass diese behoben werden.

Ich verweise auf die mir zustehende Servitut und verlange, dass diese in keiner in irgendwelcher gearteten Weise durch die Errichtung, den Bestand und die Benützung der Neubauten beeinträchtigt werden darf.

Ich befürchte von dem straßenseitigen Müllraum ausgehende Geruchsbelästigungen und verlange die Verlegung an die Südseite des Bauplatzes.

Weiters befürchte ich wesentliche Verkehrsprobleme im Kreuzungsbereich am Dr.-Ignaz-Stich-Platz, besonders durch den zusätzlichen Verkehr der Ein- und Ausfahrt aus der Garage.

Weiters befürchte ich massive Parkprobleme."

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 16. November 2006 wurde der Bauwerberin die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden abgewiesen.

Den dagegen erhobenen Berufungen der Beschwerdeführer wurde mit Bescheiden des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 13. Dezember 2007 keine Folge gegeben.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Vorstellungen der Beschwerdeführer abgewiesen.

In der Begründung ihres gegenüber dem Erstbeschwerdeführer erlassenen Bescheides vom 22. April 2008, Zl. RU1-BR-896/003-2008, führte die belangte Behörde im Wesentlichen folgendes aus: Da der Erstbeschwerdeführer in der Berufung die Möglichkeit gehabt habe, seinen Rechtsstandpunkt darzulegen und an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, könnten behauptete Verletzungen des Parteiengehörs im erstinstanzlichen Verfahren als saniert angesehen werden; zudem sei der Erstbeschwerdeführer in der Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verfahren vor der Baubehörde erster Instanz aufgefordert worden, in die Unterlagen am Gemeindeamt einzusehen, was er aber unterlassen habe. Die Ausführungen des Sachverständigen DI O hätten die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Ortsbild und daher kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht betroffen. Die Ausführungen des Dr. H vor dieser Behörde hätten sich auf die Auswirkungen der Verkehrssituation auf die Gesundheit von Menschen bezogen, die Änderung der Verkehrssituation würde ebenfalls kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht darstellen. Das von der Berufungsbehörde nunmehr ergänzend eingeholte verkehrstechnische Gutachten von Dr. P vom 10. Dezember 2007 sowie das medizinische Gutachten von Dr. P vom 11. November 2007 beträfen ebenfalls keine Angelegenheiten, die subjektiv-öffentliche Nachbarrechte behandelten. Die ordnungsgemäße Verkehrsanbindung von Bauprojekten an bestehende öffentliche Verkehrsflächen sowie die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Ortsbild stellten keine Nachbarrechte dar. Die unterlassene Aufforderung zur Stellungnahme zu diesen Gutachten verletze subjektiv-öffentliche Rechte nicht. Zum Thema Standfestigkeit habe die Baubehörde erster Instanz im Auflagenpunkt 1. dem Bauwerber eine Beweissicherung vorgeschrieben. Nach Abschluss der Arbeiten sei ein Zustand, der dem bisherigen entspreche, wiederherzustellen; nicht behebbare Schäden seien dem Nachbarn zu ersetzen. Mit dieser Auflage sei sichergestellt, dass bei Beeinträchtigung der Standsicherheit diese auf Kosten des Bauwerbers wiederhergestellt würde. Auch gehe aus einer gutachterlichen Stellungnahme der D GmbH vom 1. Juli 2005 hervor, dass bei Probebohrungen in 4 m Tiefe der Grundwasserspiegel noch nicht erreicht worden sei. Es sei daher auch aus technischer Sicht ausgeschlossen, dass es durch die Unterkellerung der Gebäude zur Beeinträchtigung des Grundwasserspiegels komme. Das Vorbringen, die Trockenheit seines Gebäudes wäre gefährdet, habe der Erstbeschwerdeführer erstmals in der Berufung erstattet, weswegen dieses als präkludiert anzusehen sei. Auch bezüglich der Behauptung, der Brandschutz wäre gefährdet, sei Präklusion eingetreten; zudem sei die diesbezügliche Einwendung nicht präzise genug ausgeführt, um sie nach § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung zu überprüfen. Zum behaupteten Lichtentzug sei festzuhalten, dass der Glasbaustein in der Feuermauer kein Hauptfenster darstelle. Diesbezüglich stehe dem Erstbeschwerdeführer kein subjektiv-öffentliches Recht zu. Immissionen durch die Benützung der Wohngebäude bzw. der Parkplätze seien ex lege nach § 6 Abs. 2 Z. 2 BO ausgenommen und daher vom Nachbarn zu erdulden. Es seien nicht mehr als die gesetzlich vorgesehenen Abstellplätze im Projekt enthalten, weshalb die Bestimmung des § 48 BO nicht anzuwenden sei.

In der Begründung des den Zweitbeschwerdeführer betreffenden Bescheides vom 17. April 2008, Zl. RU1-BR-896/002-2008, wurde insbesondere Folgendes ausgeführt: Die Einwendungen, welche im Wesentlichen die Verlegung des Müllplatzes wegen Geruchsbelästigung, massive Parkprobleme, Lärmbelästigung sowie die Verkehrssituation durch das zu bewilligende Bauvorhaben beinhalteten, stellten keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte dar. Einwendungen, die die Befürchtung beinhalteten, dass durch die Baumaßnahmen das Grundstück des Zweitbeschwerdeführers beschädigt bzw. beeinträchtigt werde, sei insofern Rechnung getragen worden, als im Auflagenpunkt 1. des erstinstanzlichen Bescheides ein Beweissicherungsverfahren vor Beginn jeglicher Bauarbeiten der Bauwerberin vorgeschrieben worden sei. Alle anderen im Zug der Verhandlung erhobenen Einwendungen hätten Angelegenheiten betroffen, welche nicht im § 6 Abs. 2 BO angeführt seien. Zu den erst in der Berufung bzw. in der Vorstellung erhobenen Einwendungen (Sicherheit der Grundstücksgrenze zwischen dem Baugrundstück und den Nachbarn R, Abstellflächen für Einsatzfahrzeuge, die Unterdimensionierung des Müllplatzes, die Grundstücksgrenze stehe noch nicht fest und daher sei die Verbauungsdichte fraglich) sowie das ergänzende Berufungsvorbringen (die Anzahl der Abstellplätze müsste erhöht werden, weil die mitbeteiligte Marktgemeinde mit Verordnung vom 30. Juni 2006 eine höhere Anzahl von Fahrzeugabstellplätzen beschlossen hätte) seien als präkludiert anzusehen. Zudem beträfen die Vorschriften über die Schaffung von Stellplätzen kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht; gleiches gelte für die Anordnung bzw. Dimensionierung des Müllplatzes sowie die Einhaltung der Bebauungsdichte. Ebensowenig könnten vom Zweitbeschwerdeführer Einwendungen vorgebracht werden, die eine Grenzstreitigkeit zwischen der Bauwerberin und einem dritten Nachbarn beträfen; zudem könne sich ein Nachbar nicht den Einwendungen anderer Nachbarn ohne weitere, ihn persönlich betreffende Begründung anschließen.

2. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die zweitmitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Kostenzuspruch.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 41 Abs. 1 AVG hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung kundzumachen.

Nach Abs. 2 zweiter Satz dieses Paragraphen hat die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 AVG eintretenden Folgen zu enthalten.

Wenn eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht wurde, so hat dies gemäß § 42 Abs. 1 AVG zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt.

Gemäß Abs. 2 des § 42 AVG erstreckt sich die im Abs. 1 bezeichnete Rechtsfolge, auch wenn die mündliche Verhandlung nicht ordnungsgemäß kundgemacht wurde, jedenfalls auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

Die Anordnung des § 42 Abs. 1 AVG, wonach bei ordnungsgemäßer Kundmachung eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt, bedeutet, dass eine Partei, die rechtzeitig Einwendungen erhoben hat, nicht darüber hinaus nach der Verhandlung rechtens (im Sinne dieser Bestimmung) weitere, neue Einwendungen nachtragen kann, weil sie insoweit ihre Parteistellung verloren hat. Es tritt also insoweit ein partieller Verlust (Teilverlust) der Parteistellung ein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 2001/07/0169). Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (in der Folge: BO) haben im Baubewilligungsverfahren Nachbarn (das sind u.a. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen) Parteistellung. Sie sind aber nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk oder dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.

Hiezu normiert § 6 Abs. 2 BO:

"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

Gemäß § 48 Abs. 1 BO dürfen Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen,

  1. 1. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
  2. 2. Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

    Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen, ob Belästigungen örtlich zumutbar sind.

    Aus der dargestellten Rechtslage der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 folgt, dass das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2006, Zl. 2005/05/0171).

    Eine Einwendung im Rechtssinn gemäß § 42 Abs. 1 AVG liegt dann vor, wenn das Vorbringen wenigstens die Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildenden Vorhaben erkennen lässt. Das bedeutet, dass aus dem Vorbringen des Nachbarn zu erkennen sein muss, in welchem vom Gesetz geschützten Recht er sich durch die beabsichtigte Bauführung verletzt erachtet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2006, Zl. 2005/05/0345). Für die Erhebung von tauglichen Einwendungen nach § 6 Abs. 2 Z. 1 bzw. Z. 2 BO reicht es aus, dass die Verletzung von Bestimmungen der NÖ Bauordnung, des NÖ Raumordnungsgesetzes, der NÖ Aufzugsordnung sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen betreffend die Standsicherheit, die Trockenheit oder den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn sowie den Schutz vor Immissionen - ausgenommen jener, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergeben - behauptet wird. Dass das zu bewilligende Bauvorhaben tatsächlich gegen diese Bestimmungen verstößt, ist nicht Voraussetzung für eine Einwendung im Rechtssinne; die Beantwortung dieser Frage bleibt dem Verfahren über die Erteilung der Baubewilligung vorbehalten. Der Nachbar muss nämlich das Recht, in dem er sich verletzt erachtet, nicht ausdrücklich bezeichnen und auch nicht angeben, auf welche Gesetzesstelle sich seine Einwendung stützt; er muss seine Einwendung auch nicht begründen; es muss aus seinem Vorbringen nur erkennbar sein, welche Rechtsverletzung von ihm behauptet wird (vgl. nochmals das Erkenntnis, Zl. 2005/05/0345, mwH).

    2. Mit dem allgemein gehaltenen Vorbringen, die von den Beschwerdeführern im Bauverfahren gerügten Mängel beruhten auch auf dem Fehlen gesetzlich zwingend vorgeschriebener Antragsbeilagen nach § 18 BO, wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan. Nach der hg. Rechtsprechung haben beschwerdeführende Nachbarn nach der BO keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Baupläne in jeder Hinsicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2008, Zl. 2007/05/0107, mwH). Im Hinblick auf die Frage der Vollständigkeit von Planunterlagen kann der Nachbar vielmehr nur geltend machen, dass solche Mängel der Baupläne vorliegen, durch die er außer Stande gesetzt war, sich über die Art und den Umfang der Bauausführung sowie über die Einflussnahme auf seine Rechte zu informieren. Für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht erkennbar, inwiefern die Beschwerdeführer durch eine fehlende Vollständigkeit der Pläne in der Geltendmachung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte verhindert waren.

    3. Nach der hg. Rechtsprechung bedeutet das Verbot nach § 48 Abs. 1 BO, dass Emissionen das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden dürfen oder Menschen nicht örtlich unzumutbar belästigt werden dürfen, dass dann, wenn das örtlich zumutbare Ausmaß überschritten wird, mit einer Versagung der Baubewilligung vorzugehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2006, Zl. 2005/05/0169). Da § 48 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 BO auf die örtliche Zumutbarkeit abstellen, ist bei der danach verlangten Beurteilung auf die Gegebenheiten des Einzelfalles Rücksicht und dabei auch auf eine allenfalls bereits bestehende Vorbelastung Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 2008, Zl. 2007/05/0090).

    Weder aus den oben wiedergegebenen Einwendungen der beschwerdeführenden Parteien in der öffentlichen Bauverhandlung noch aus der Beschwerde ergeben sich konkrete Hinweise dafür, dass die aus der bewilligten Wohnanlage zu erwartenden Immissionen über die aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder über die Benützung einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß hinaus gehen. Da bezüglich solcher Immissionen ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im Baubewilligungsverfahren gemäß § 6 Abs. 2 Z. 2 BO nicht besteht, vermögen die Beschwerdeführer auch nicht mit Erfolg die Rechtswidrigkeit der von der in Rede stehenden Wohnanlage samt Abstellanlage ausgehenden Immissionen im Grund des § 48 BO - an den der Immissionsschutz nach § 6 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. anknüpft - darzutun.

    Die von der Baubewilligung erfaßte Anzahl von Abstellplätzen gehe nicht über das gesetzlich normierte Mindestmaß hinaus. Immissionen auf Grund der Zu- und Abfahrten durch Kfz zu bzw. von der genehmigten Wohnhausanlage werden damit von dem nach § 6 Abs. 2 BO gewährleisteten Schutz von Immissionen - der ausdrücklich Immissionen aus der Benützung einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ausnimmt - nicht erfasst. Damit geht auch das Vorbringen der Beschwerdeführer fehl, dass ihrer Auffassung nach die vorgeschriebene Stellplatzanzahl (ohnehin) hinter dem von der mitbeteiligten Gemeinde vorgeschriebenen Ausmaß zurückbleibe. Auch mit dem Hinweis auf das von der erstinstanzlichen Baubehörde eingeholte gemeindeärztliche - das Projekt aus medizinischer Sicht ablehnende - Gutachten von Dr. Hexel ist für die Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, zumal sich aus diesem nicht ergibt, dass die dort relevierten Probleme der Feinstaub- und Lärmbelastung über diejenigen hinausgingen, die sich aus der Benützung der - im übrigen nur 16 Stellplätze umfassenden - Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergeben.

    Entgegen der Beschwerde ergibt sich nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten aus dem von der Berufungsbehörde eingeholten verkehrstechnischen Gutachten von Dr. Pfleger nicht, dass die Gestaltung der Zufahrt zur Wohnhausanlage mit Kfz die Grenzen der Zumutbarkeit überschreiten würde, zumal dort (zusammenfassend) festgehalten wird, dass die Analyse der gegebenen Situation zeige, dass durch bestimmte Maßnahmen eine verkehrsgerechte Lösung sowohl für den Ausfahrtsbereich in den Dr.- Ignaz-Stich-Platz als auch für die Zufahrtsmöglichkeit nächst der Baumgasse erhalten werden könne, und diesbezüglich näher aufgelistete Empfehlungen abgegeben werden. Zudem kommt dem Nachbarn nach § 6 Abs. 2 BO kein Mitspracherecht betreffend mögliche Auswirkungen des Bauvorhabens auf das Verkehrsaufkommen auf öfftenlichen Straßen mangels Aufzählung im Katalog dieser Bestimmung zu, insbesondere steht ihm kein subjektiv-öffentliches Recht darauf zu, dass sich die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Straßen nicht ändern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2007, Zl. 2005/05/0101). Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen des Zweitbeschwerdeführers, der nur 2,05 m breite Gehweg betreffend die Zufahrtsmöglichkeit nächst der Baumgasse erweise sich als zu eng, und es sei eine 2 m hohe Mauer als Lärmschutz zu Wohnhausanlage hin zu errichten, nicht zielführend. Wenn das von der Berufungsbehörde eingeholte verkehrstechnische Gutachten den Beschwerdeführern nicht zur Stellungnahme zur Verfügung gestellt wurde, begründet dies damit entgegen der Beschwerde auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel.

    Vor diesem Hintergrund ist der Rüge, die für die Beurteilung des medizinischen Sachverständigen erforderlichen lärmtechnischen Feststellungen seien nicht hinreichend, kein Erfolg beschieden. Entgegen der Beschwerde war es auch nicht erforderlich, einen Antrag im Baubewilligungsverfahren auf Ergänzung des medizinischen Gutachtens durch Einholung "eines Gutachtens der Umweltschutzanstalt" (wie dies vor der Baubehörde erster Instanz vom medizinischen Sachverständigen angeregt wurde) einzuholen. Wenn die Beschwerde rügt, dass den Beschwerdeführern von der Berufungsbehörde das von dieser eingeholte medizinische Gutachten nicht zur Stellungnahme übermittelt worden sei, ist für sie schon deshalb nichts gewonnen, weil in der Beschwerde nicht aufgezeigt wird, was sie im Rahmen dieses Parteiengehörs vorgebracht hätten und inwieweit dieses Vorbringen zur Erlassung eines anderen (für sie günstigen) Bescheides hätte führen können, weshalb die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan wurde.

    Bezüglich der Geruchsbelästigung aus dem straßenseitigen Müllraum ist der Beschwerde zu entgegnen, dass die mit der Wohnnutzung typischerweise verbundenen Immissionen - wozu auch die Geruchsentwicklung aus vorgeschriebenen Müllbehältern gehört - vom Nachbarn hinzunehmen sind; in der Beschwerde wird auch nicht vorgebracht, dass im fraglichen Bereich der Gemeinde keine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Müllabfuhr gewährleistet sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0110).

    4. Mit der vom Zweitbeschwerdeführer relevierten Frage, dass infolge einer Servitut keine uneingeschränkte rechtliche Nutzung des Beschwerdeführers für das Baugrundstück bestehe, wird kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht der Beschwerdeführer angesprochen, das in der Aufzählung nach Z. 1 bis Z. 3 des § 6 Abs. 2 BO erfasst wäre. Gleiches gilt für das Vorbringen, ein anderer Nachbar hätte nachhaltig bescheinigt, dass ein gesicherter Grenz- und Besitzstand bis heute nicht gegeben sei.

    5. Zu dem in der Beschwerde angesprochenen Einwand des Erstbeschwerdeführers, durch die Herstellung der vorgesehenen Keller werde in den Grundwasserspiegel eingegriffen, was eine Gefährdung der Standsicherheit der angrenzenden Bauwerke betreffe, es seien im Bauvorhaben keinerlei Sicherheitsmaßnahmen gegen diese drohende Gefahr vorgesehen und es gebe keinen Nachweis, dass der Grundwasserspiegel in ausreichenden Abständen unter dem Kellerniveau liege, ist darauf hinzuweisen, dass dem Nachbarn nach § 6 Abs. 2 Z. 1 BO kein Recht darauf zusteht, dass durch das Bauvorhaben der Grundwasserhaushalt (Grundwasserspiegel) nicht beeinträchtigt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. März 2008, Zl. 2007/05/0241, mwH). Zudem hat die belangte Behörde u. a. schlüssig und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass bei Probebohrungen der Grundwasserspiegel noch nicht erreicht worden und daher aus technischer Sicht ausgeschlossen sei, dass es durch die Unterkellerung der Gebäude zur Beeinträchtigung des Grundwasserspiegels komme; diesen Ausführungen ist die Beschwerde nicht konkret entgegengetreten.

    Im Übrigen ist die Rüge, den Beschwerdeführern stehe in Fragen der Statik und der Tragfähigkeit des Untergrunds ein Rechtsanspruch insoweit zu, als sich eine Gefahr von der zu verbauenden Liegenschaft für ihre Grundflächen egeben könnte, und die Behörde hätte es unterlassen, die Bestimmungen über Feuer- und Brandmauern zur Beurteilung der Konsensfähigkeit des Projekts zu überprüfen, nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, zumal derartige Einwendungen von den beschwerdeführenden Parteien bei der mündlichen Bauverhandlung nicht erhoben worden waren.

    6. Der Versuch, aus "einer Vorschrift wie § 30/1 NÖ Bauordnung 76" ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht der Beschwerdeführer abzuleiten, verschlägt schon deshalb, weil das vorliegende Bauvorhaben nach der NÖ Bauordnung 1996 zu beurteilen ist.

  1. 7. Die Beschwerde war daher gemäß §42 Abs.1VwGG abzuweisen.
  2. 8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auch die §§47ffVwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

    Wien, am 15. Dezember 2009

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