VwGH 2004/05/0110

VwGH2004/05/011014.12.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der Barbara Riedl-Riedenstein in Wien, vertreten durch Kadlec & Weimann, Rechtsanwalts KEG in Wien 1, Schwarzenbergstraße 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. März 2004, Zl. RU1-V-03052/00, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgesellschaft Schönere Zukunft Gesellschaft mbH in St. Pölten, vertreten durch Krömer & Nusterer, Rechtsanwälte Partnerschaft in St. Pölten, Riemerplatz 1, 2. Stadtgemeinde Neulengbach, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §14 Abs1 Z4;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §14 Abs1 Z4;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit der am 9. Oktober 2001 bei der Baubehörde eingelangten Eingabe vom 1. Oktober 2001 kam die erstmitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage bestehend aus drei Häusern mit insgesamt 26 Wohnungen in sechs Stiegen, 14 Garagenplätzen sowie 28 Abstellplätzen im Freien auf einem Grundstück im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde ein. Das zu bebauende Grundstück befindet sich in einem Bereich, welcher im Flächenwidmungsplan als "BW 40" ausgewiesen ist (Bauland-Wohngebiet, mit einer Wohndichte bis 40 Einwohner/ha), und grenzt mit der westlichen Schmalseite an die B-Straße, mit der südlichen Längsseite an die G-Gasse sowie mit der nördlichen Längsseite und der östlichen Schmalseite an Grundstücke der Beschwerdeführerin. Auf der anderen Seite der G-Gasse befinden sich Häuser; weiter südlich verläuft die Westbahn.

Die Beschwerdeführerin erhob in der Bauverhandlung vom 7. Februar 2002 Einwendungen gegen das Vorhaben (unter anderem, aber nicht nur, im Hinblick auf die projektbedingt zu erwartenden Immissionen auch infolge von Schallreflexionen der Westbahn).

Nach verschiedenen Verfahrensschritten wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. Dezember 2002 der Bauwerberin die angestrebte baubehördliche Bewilligung mit einer Reihe von Vorschreibungen erteilt; insbesondere wurde damit auch die Errichtung eines Schallhindernisses (Lärmschutzwand) entlang der nördlichen Grundgrenze des Bauplatzes sowie in weiterer Folge an der östlichen Grundgrenze aufgetragen (wurde im Bewilligungsbescheid näher umschrieben). Die Einwendungen der Beschwerdeführerin (und anderer Nachbarn) wurden als unbegründet erachtet.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerin und andere Nachbarn Berufungen. Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Berufungsbescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. März 2003 als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Soweit für das Beschwerdeverfahren noch erheblich, heißt es nach Darstellung des Verfahrensganges und Rechtsausführungen begründend, wie bereits die Gemeindebehörden zutreffend erkannt hätten, seien aus baurechtlicher Sicht nur jene Auswirkungen von Bedeutung, die künftig unmittelbar vom Bauvorhaben selbst oder dessen Benützung ausgehen könnten. Die - ohnedies mehr für die Anrainer der G-Gasse wirksamen - Lärmreflexionen des Bahnlärmes seien daher als indirekte Schallimmissionen in das Bauverfahren nicht miteinzubeziehen. Die im § 48 Abs. 2 BO genannte örtliche Zumutbarkeit beziehe sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht auf den konkreten Umgebungsbereich des Bauvorhabens ("sehr locker besiedelte ländliche Wohngegend" bzw. "äußerst ruhige Wohngegend" - Zitat im Original), sondern abstrakt auf die in diesem Bereich geltende Flächenwidmung, also auf ein Bauland-Wohngebiet. Wohnhausanlagen der geplanten Art seien dort jedenfalls zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof habe dazu bereits mehrfach ausgesprochen, dass keine ortsunüblichen Immissionen zu erwarten und die mit dem Wohnen üblicherweise verbundenen Immissionen von den Nachbarn hinzunehmen seien. Im Rahmen des Projektes seien jedoch mehr Stellplätze als in § 155 NÖ Bautechnikverordnung 1997 vorgesehen geplant (mehr als ein Stellplatz pro Wohneinheit). Insofern habe die Gemeinde richtigerweise auch verschiedene Gutachten darüber eingeholt, ob mit dieser höheren Anzahl im Hinblick auf Lärm und Abgase örtlich unzumutbare Beeinträchtigungen für die Anrainer verbunden wären, was die befragten Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar im Ergebnis verneint hätten. Die im lärmtechnischen Gutachten vorgeschlagene Errichtung einer Schallschutzwand an der nördlichen und zum Teil an der östlichen Grundgrenze des Baugrundstückes sei der Bauwerberin als Auflage aufgetragen worden und sei damit Bestandteil des Projektes. Jedenfalls habe die Beschwerdeführerin ihre Befürchtungen hinsichtlich einer unzumutbaren Immissionsbelastung nicht näher konkretisiert. Auch im Hinblick auf die Müllentsorgung sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar, inwiefern die beiden im südlichen Bereich des Baugrundstückes angeordneten Stellflächen für die Abfallentsorgung eine gesundheitsgefährdende oder örtlich unzumutbare Geruchsbelästigung für die - nicht unmittelbar daran angrenzenden -

Grundstücke der Beschwerdeführerin mit sich bringen sollten.

Jedenfalls sei es der Beschwerdeführerin nicht gelungen, Bedenken an der Schlüssigkeit der Gutachten zu erwecken, und sie sei auch keinem der Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Zum behaupteten Widerspruch des Bauvorhabens zum Flächenwidmungsplan, weil die dort festgelegte Wohndichte von bis zu 40 Einwohnern/ha überschritten werde, verweise die belangte Behörde auf die Ausführungen im Kommentar zum niederösterreichischen Baurecht von Hauer/Zaussinger (Anm: gemeint: 6. Auflage, Anm. 10 zu § 14 NÖ ROG 1976, S 947), wo "direkt am Anschluss an die von der Vorstellungswerberin zitierte Stelle" ausgeführt werde: "Als Kriterium für die Beurteilung der Zulässigkeit einzelner Bauvorhaben im Baubewilligungsverfahren ist die Wohndichte nicht gedacht". Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werde mit der Festlegung einer Wohndichte kein bestimmter Immissionsschutz gewährt. Das Interesse an der Verhinderung einer zu dichten Bewohnung des Nachbarhauses sei kein rechtlich geschütztes Interesse des Nachbarn. Ein Widerspruch zu einer Wohndichte sei nach den §§ 20 ff BO kein Versagungsgrund für ein Vorhaben. Wie der Verwaltungsgerichtshof auch erst kürzlich in seinem Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2002/05/0769, zum Ausdruck gebracht habe, könnten Nachbarn im Hinblick auf die taxative Aufzählung der Nachbarrechte im § 6 Abs. 2 BO die Problematik der Wohndichte gemäß § 14 Abs. 2 Z 4 NÖ ROG 1976 nicht mit Erfolg geltend machen.

Im Hinblick auf die Beurteilung des Ortsbildes nach § 56 BO stehe der Beschwerdeführerin ebenfalls kein Nachbarrecht zu (Hinweis auf das zuvor genannte hg. Erkenntnis).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Bauwerberin, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat.

Im Beschwerdefall ist (soweit erheblich) die Niederösterreichische Bauordnung 1996, LGBl. 8200 (in der Folge kurz: BO), in der Fassung LGBl. 8200-9, anzuwenden.

Nach § 6 Abs. 1 BO sind Nachbarn nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.

§ 6Abs. 2 BO lautet:

"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

§ 48 BO lautet:

"§ 48

Immissionsschutz

(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen

  1. 1. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
  2. 2. Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."

Nach § 54 BO ist der Neu- oder Zubau eines Bauwerks unzulässig, wenn für ein als Bauland gewidmetes Grundstück kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthält und das neue oder abgeänderte Bauwerk

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