VwGH 2000/05/0272

VwGH2000/05/027220.12.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde des K G in T, vertreten durch Biel & Partner KEG, Rechtsanwälte in Wien I, Rauhensteingasse 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. Oktober 2000, Zl. RO1-V-00044/00, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. A R in T, vertreten durch Dallmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien IV, Gusshausstraße 2, 2. Marktgemeinde T, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §4 Z6;
BauO NÖ 1996 §50 Abs1;
BauO NÖ 1996 §51 Abs1 Z3;
BauO NÖ 1996 §51 Abs1;
BauO NÖ 1996 §53 Abs1;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §4 Z6;
BauO NÖ 1996 §50 Abs1;
BauO NÖ 1996 §51 Abs1 Z3;
BauO NÖ 1996 §51 Abs1;
BauO NÖ 1996 §53 Abs1;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 27. Mai 1998 bei der Behörde eingelangten Bauansuchen vom 12. Mai 1998 kam die erstmitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerber) um die Erteilung einer Baubewilligung für Um- und Zubauarbeiten zu einem bestehenden Einfamilienwohnhaus auf einem Grundstück im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde ein (das bestehende Haus soll wesentlich erweitert werden). Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines (von der Straße aus gesehen rechts) angrenzenden, ebenfalls bebauten Grundstückes. Für das fragliche Gebiet besteht kein Bebauungsplan.

In der Bauverhandlung vom 23. Juni 1998 erhob der Beschwerdeführer verschiedene Einwendungen gegen das Vorhaben. Daraufhin erfolgte eine Planänderung. Der Beschwerdeführer äußerte sich weiterhin ablehnend.

Die Baubehörde holte eine "Stellungnahme" (vom 2. Dezember 1998) eines Amtsachverständigen für Ortsbildpflege ein. Darin heißt es unter anderem, gemäß den Einreichunterlagen sei der teilweise Abbruch des bestehenden Wohnhauses sowie ein Zubau geplant. Auf Grund der Geländesituation (Anm.: das Gelände fällt von der Straße aus ab) erscheine das Gebäude bergseitig in Form eines Haupt- und eines Dachgeschosses, allseitig seien zwei Vollgeschosse sowie ein ausgebautes Dachgeschoss erkennbar. Als Dachkörper sei ein geknicktes Satteldach mit den Neigungen 45 Grad

und 18 Grad geplant. Talseitig sei über einem vorgezogenen ebenerdigen Baukörper eine Terrasse angeordnet. Im Bereich der nordwestlichen Grundgrenze (Anm.: das ist jene zum Grundstück des Beschwerdeführers) solle eine Garage errichtet werden. Bei Vorhandensein eines Bebauungsplanes würde das Objekt den Bauklassen I, II entsprechen. Die Abstände zu den seitlichen Grundstücksgrenzen beliefen sich im Nordwesten auf 3 m, im Südosten auf 3,15 m bis 4,11 m.

Der umgebende Baubestand sei als architektonisch sehr heterogen zu bezeichnen. Eine stilistische Einigkeit hinsichtlich der Ausführungen der einzelnen Objekte sei nicht erkennbar. Das betreffe sowohl die Bau- als auch die Dachkörper. Die Objekte selbst seien generell mit gewissen Seitenabständen von den Nachbargrundstücksgrenzen abgerückt, oftmals seien Kleingaragen direkt an der Nachbargrundgrenze errichtet. Hinsichtlich der Gebäudehöhen sei feststellbar, dass diese den Bauklassen I, II zuzurechnen wären, sich also zwischen rund 3 m bis 8 m bewegten.

Gemäß § 58 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (in der Folge kurz: BO) sei ein Neu- oder Zubau eines Bauwerkes dann unzulässig, wenn er in seiner Anordnung und Höhe von dem an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken auffallend abweiche oder der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundgrenzen beeinträchtigen würde.

Im maßgeblichen Bezugsgebiet (wird näher umschrieben) wiesen die Objekte, wie zuvor dargestellt, Gebäudehöhen auf, welche von rund 3 m bis 8 m reichten. Hinsichtlich der Anordnung sei schon dargelegt worden, dass generell seitliche Abstände bei den Hauptgebäuden gegeben seien. Auch das gegenständliche Vorhaben weise seitliche Abstände in der Dimension von annähernd der jeweils halben Gebäudehöhe auf. Die Gebäudehöhe selbst liege ebenfalls im Bereich von rund 4 m bis 8 m. Eine auffallende Abweichung dieser beiden Kriterien hinsichtlich des Umgebungsbestandes könne daher nicht erkannt werden. Hinsichtlich einer allfälligen Beeinträchtigung (der Belichtung) von Hauptfenstern zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken werde empfohlen, den seitlichen Abstand des Objektes so zu wählen, dass dieser jeweils die Hälfte der betreffenden Fassadenfront (Gebäudehöhe an dieser Stelle) betrage.

Die Voraussetzungen des § 56 BO seien gegeben (wurde näher ausgeführt).

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass das Bauvorhaben keine auffallende "Abweichung der Anordnung und Höhe" gegenüber dem Umgebungsbestand (im Sinne des § 54 BO) erkennen lasse. Der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf Nachbargrundstücken werde dann jedenfalls gegeben sein, wenn der seitliche Abstand des Hauptgebäudes jeweils mindestens der halben Gebäudehöhe entspreche. Dies gelte jedoch nur bei der Ausführung eines maximal 45 Grad geneigten Dachkörpers. Bei Erhöhung dieser Dachneigung ergebe sich eine rechnerisch höhere Gebäudehöhe, als derzeit, und es müsste dies ebenfalls berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Garage sei festzustellen, dass diese durch ihre talseitige Gebäudehöhe von rund 6 m an der Grundgrenze die Belichtung von zulässigen Hauptfenstern in einem Abstand von 3 m auf dem Nachbargrundstück jedenfalls beeinträchtigen würde. Eine Absenkung der Garagenhöhe in diesem Bereich auf zumindest 4 m würde "diesen Umstand weitestgehend beheben".

Der Beschwerdeführer gab eine Stellungnahme (vom 3. Jänner 1999) ab, in welcher er unter anderem ausführe, das Gutachten bestätige, dass der seitliche Abstand des Hauptgebäudes nicht der halben Gebäudehöhe entspreche. Ebenso sei die talseitige Gebäudehöhe der Garage mit 6 m nicht zulässig.

Daraufhin nahm der Bauwerber eine neuerliche Planänderung vor (darin ergaben sich Änderungen hinsichtlich der Garage). Sodann wurde am 21. Juni 1999 eine neuerliche Bauverhandlung durchgeführt. Der Beschwerdeführer erhob abermals verschiedene Einwendungen gegen das Vorhaben. Er brachte unter anderem vor, dass im Vergleich zum letzten Einreichplan lediglich das Garagendach im rückwärtigen Bereich abgeschrägt worden sei. Seiner Auffassung nach sei derzeit die Garage mit einer mittleren Höhe von 4,06 m geplant. Dies stehe auf jeden Fall im Widerspruch zu § 51 BO (maximale Höhe von Nebengebäuden im Seitenwich 3,00 m!) In der Stellungnahme des Amtsachverständigen vom 2. Dezember 1998 werde verlangt, dass der seitliche Abstand des Hauptgebäudes jeweils mindestens der halben Gebäudehöhe entsprechen. Der Bauwerber negiere dies. Gemäß § 53 Abs. 3 und 4 BO sei die Seitenfrontlänge in Frontabschnitten von 3 m zu berechnen. Dabei ergäben sich seiner Auffassung nach Gebäudehöhen von bis zu 9,35 m (wird näher ausgeführt). Dies sei bereits ein Höhenmaß, welches der Bauklasse III entspreche.

Der der Verhandlung beigezogene Bausachverständige nahm Stellung zu den Einwendungen des Beschwerdeführers. Er führte (unter anderem) aus, die mittlere Höhe der Garage betrage laut ergänztem Einreichplan 3,80 m und nicht 4,06 m wie angeführt. Ansonsten werde auf die Beurteilung und Stellungnahme des Amtsachverständigen für Ortsbildpflege vom 2. Dezember 1998 verwiesen (Anm.: es ist dies ein anderer Sachverständiger). In dieser Stellungnahme vom 2. Dezember 1998 werde nicht verlangt, dass der seitliche Abstand des Hauptgebäudes jeweils mindestens der halben Gebäudehöhe entsprechen müsse. Das Gutachten sage ausdrücklich in seiner Zusammenfassung aus, dass die Garage die Belichtung von zulässigen Hauptfenstern in einem Abstand von 3 m auf dem Nachbargrundstück beeinträchtigen würde und daher eine Absenkung der Garagenhöhe auf mindestens 4 m dem weitestgehend Rechnung tragen werde. Die Garage sei im abgeänderten Einreichplan vom 5. Mai 1999 mit einer Höhe von 3,80 m geplant.

Der Beschwerdeführer hielt seine Einwendungen aufrecht.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 26. Juli 1999 wurde dem Bauwerber die angestrebte baubehördliche Bewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden als unbegründet abgewiesen. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, wurde dies zusammengefasst unter Hinweis auf das Gutachten vom 2. Dezember 1998 damit begründet, dass das Vorhaben der maßgeblichen Voraussetzung des § 54 BO entspreche. Im Hinblick auf die Projektänderung (Hinweis auf den Auswechslungsplan) sei der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf dem Grundstück des Beschwerdeführers gewährleistet.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit Berufungsbescheid vom 24. März 2000 als unbegründet abgewiesen wurde. Zusammengefasst schloss sich die Berufungsbehörde der Beurteilung der erstinstanzlichen Behörde an: Das Vorhaben entspreche den maßgeblichen Kriterien des § 54 BO. Die Stellungnahme des Amtsachverständigen vom 2. Dezember 1998 sei schlüssig, durch die "Absenkung der Dachschräge auf 3,80 m der talseitigen Gebäudehöhe der Garage" sei auch der Lichteinfall unter 45 Grad auf zulässige Hauptfenster eines Nachbargebäude zweifelsfrei gewährleistet.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Baubehörden ihren Entscheidungen zu Recht das schlüssige Gutachten vom 2. Dezember 1998 zu Grunde gelegt hätten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie der mitbeteiligte Bauwerber, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf Grund der zeitlichen Lagerung des Bauverfahrens - es war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle LGBl. 8200-3 bereits anhängig - ist im Beschwerdefall die Niederösterreichische Bauordnung 1996 (kurz: BO), LGBl. 8200, in der Fassung der Kundmachung LGBl. 8200-2 anzuwenden, soweit nicht Derogation durch § 82 Abs. 7 AVG idF der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 eintrat.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.).

Nach § 6 Abs. 2 BO werden subjektiv-öffentliche (Nachbar-) Rechte durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes (BO), des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976, der Niederösterreichischen Aufzugsordnung sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen begründet, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4 BO)

sowie

2. den Schutz für Immissionen (§ 48) BO ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) BO ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9 BO) der Gebäude der Nachbarn dienen.

Unstrittig ist, dass für das fragliche Gebiet kein Bebauungsplan besteht. Zu Unrecht stützt der Beschwerdeführer seine Argumentation daher in diesem Zusammenhang auf § 120 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 sowie auf die hiezu ergangene Judikatur, weil diese Bestimmung im Beschwerdefall nicht anzuwenden ist: Maßgeblich ist vielmehr, wie die Baubehörden zutreffend erkannt haben, § 54 BO (überschrieben mit "Bauwerke im ungeregelten Baulandbereich").

Nach dieser Bestimmung ist ein Neu- oder Zubau eines Bauwerks unzulässig, wenn für ein als Bauland gewidmetes Grundstück kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder - höhe enthält und das neue oder abgeänderte Bauwerk

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. Dezember 2002

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