VwGH 2003/03/0231

VwGH2003/03/023125.11.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der HP in S, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OEG in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 25. Juli 2003, Zl. Senat-PP-02-0003, betreffend Übertretung nach dem Gefahrgutbeförderungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

31994L0055 Gefahrguttransport-RL;
ADR 1973 Rn2002 Abs3 lita;
ADR 1973;
AVG §66 Abs4;
GGBG 1998 §11;
GGBG 1998 §13 Abs5 Z1;
GGBG 1998 §27 Abs1 Z1;
GGBG 1998 §27 Abs2 Z13;
GGBG 1998 §6 Z1;
GGBG 1998 §7 Abs2 Z5;
GGBG 1998 §7 Abs8;
VStG §22 Abs1;
VStG §22;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §9 Abs2;
31994L0055 Gefahrguttransport-RL;
ADR 1973 Rn2002 Abs3 lita;
ADR 1973;
AVG §66 Abs4;
GGBG 1998 §11;
GGBG 1998 §13 Abs5 Z1;
GGBG 1998 §27 Abs1 Z1;
GGBG 1998 §27 Abs2 Z13;
GGBG 1998 §6 Z1;
GGBG 1998 §7 Abs2 Z5;
GGBG 1998 §7 Abs8;
VStG §22 Abs1;
VStG §22;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 14. Dezember 2001 wurde der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie habe

"als Firmenverantwortliche (Beauftragte) für den Beförderer von Gefahrgut (nämlich die Firma "MTV GmbH", ..., Br...gasse 5/2/ D6 etabl.) des am 24.4.2001 gegen

11.45 Uhr in D... auf der L 233 bei Km 3,2 Richtung D... gelenkten Gefahrguttransportes, bestehend aus dem Lkw P-... C ein gefährliches Gut (60 kg Wasserstoffperoxydlösung und 3 Stück Leerkanister, letztes Ladegut: Kl. 8 Z 47b ADR - UN 3266) entgegen § 7 Abs. 2 GGBG befördert , wobei

1.) im Beförderungspapier der Freistellungsvermerk nach RN 10012, RN 10381/1 lit. a, RN 2002/3 ADR fehlte

2.) das bei der Kontrolle vorgelegte Beförderungspapier insoferne vorschriftswidrig war, als das unter Pos. 1 angeführte Gut fälschlich als Gefahrgut klassifiziert war, obwohl es sich nicht um Gefahrgut gehandelt hat

3.) an den Versandstücken der Kl. 5.1 Gefahrzettel angebracht waren, die nicht dem Muster nach Anhang A 9 entsprachen

und haben Sie somit Ihre Pflichten als Firmenverantwortliche für den Beförderer eines Gefahrguttransportes nicht ordnungsgemäß wahrgenommen."

Sie habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

"§ 9 VStG i.V.m.

1.) + 2.) RN 2002 Abs. 3a und 9 i.V.m. Rn 10381 Abs. 1 lit. a der Anlagen A und B ADR i.V.m. § 7 Abs. 2 zu § 27 Abs. 1 Ziff. 1 GGBG

3.) Anlage A Pkt. 2 lit. a Ziff. 4 der jeweiligen Klasse ADR i. V.m. § 7 Abs. 2 zu § 27 Abs. 1 Ziff. 1 GGBG".

Über die Beschwerdeführerin wurde zu den Spruchpunkten 1. bis 3. jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Stunden) gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG) verhängt.

Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf die Punkte 1. und 2. des erstinstanzlichen Bescheides insofern Folge gegeben, als diese beiden Verwaltungsübertretungen ein Delikt darstellten und mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 726,-- bestraft wurden. In Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde der Berufung gegen Punkt 3. des bekämpften erstinstanzlichen Straferkenntnisses Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid in diesem Punkt aufgehoben und das Strafverfahren in dieser Hinsicht gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, es stehe außer Streit, dass die Beschwerdeführerin handelsrechtliche Geschäftsführerin der MTV GmbH sei und diese Firma Beförderer und Absender des im Straferkenntnis angeführten Gefahrgutes gewesen sei. Die Beschwerdeführerin vermeine einerseits, dass die Klassifizierung von Nichtgefahrgut als Gefahrgut nicht strafbar sei, und andererseits, dass der Freistellungsvermerk nicht in Frage gekommen sei, "da zu Beginn der Beförderungseinheit die nach Rn 10011 freigestellte Menge überschritten gewesen war."

Dazu werde festgehalten, dass die - unbestrittene - Klassifizierung von Nichtgefahrgut als Gefahrgut nicht den Bestimmungen der Rn 2002 Abs. 3 lit. a ADR entspreche, weshalb das Beförderungspapier schon aus diesem Grund fehlerhaft und dieser Umstand nach den angeführten Bestimmungen des GGBG strafbar gewesen sei.

In der dem Verfahren zu Grunde liegenden Anzeige sei ausgeführt worden, dass der Lenker bei der Kontrolle angegeben habe, in der freigestellten Menge nach Rn 10011 zu fahren, weshalb er die orangen Tafeln des Fahrzeuges geschlossen habe. Im Rahmen der Berufungsverhandlung habe sich der Lenker nicht mehr erinnern können, warum er die orangefarbenen Warntafeln geschlossen hätte. Die belangte Behörde sehe keinen Grund, an den diesbezüglichen Angaben in der Anzeige zu zweifeln, zumal die Anzeige ca. 2 Wochen nach dem Vorfall erstellt worden sei. Dass sich der Lenker zwei Jahre später nach dem Vorfall nicht mehr habe erinnern können, sei nicht verwunderlich.

Auf Grund der Angaben des Lenkers zum Tatzeitpunkt gehe die belangte Behörde davon aus, dass dieser tatsächlich die Befreiungen der Rn 10011 ADR in Anspruch nehmen habe wollen, weshalb auch der Freistellungsvermerk erforderlich gewesen wäre. Das unbestrittene Fehlen dieses Freistellungsvermerkes stelle einen weiteren Mangel im Beförderungspapier dar. Das GGBG verlange vom Beförderer, dem zuständigen, bei der Beförderung tätigen Personal die in den gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften vorgeschriebenen Begleitpapiere vor Beginn der Beförderung zu übergeben. Wenn der Beförderer ein Beförderungspapier mit zwei Mängeln übergebe, so habe er trotzdem nur ein fehlerhaftes Beförderungspapier übergeben, weshalb auch bei Vorliegen von zwei Mängeln nur ein Delikt vorliege.

Das GGBG sehe unterschiedliche Verantwortlichkeiten des Beförderers, des Absenders und des Verantwortlichen der Beladestelle und des Zulassungsbesitzers vor. Diese Verantwortlichkeiten seien auch gesondert strafbar. Die einzige Ausnahme zu diesem in § 22 Abs. 1 VStG verankerten Kumulationsprinzip sei in § 27 Abs. 3 GGBG verankert, wonach jemand, der als Lenker bestraft worden sei, für mehrere andere Verantwortlichkeiten nicht bestraft werden könne.

In der gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 7 Gefahrgutbeförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 145/1998 (GGBG), dürfen gefährliche Güter nur befördert werden, wenn

"7. dem zuständigen bei der Beförderung tätigen Personal die in den gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften vorgeschriebenen Begleitpapiere und Ausstattungsgegenstände sowie gegebenenfalls der Bescheid über die Ausnahmebewilligung gemäß § 9 übergeben worden sind, soweit dieses nicht bereits im Besitz dieser Gegenstände oder Papiere ist".

Gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 GGBG begeht, wer

"1. als Beförderer gefährliche Güter entgegen § 7 Abs. 2 befördert",

wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 10.000,-- bis S 100.000,-- zu bestrafen.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 GGBG ist dieses Bundesgesetz auf die Beförderung gefährlicher Güter anzuwenden,

"1. ganz oder teilweise auf Straßen mit öffentlichem Verkehr (§ 1 Abs. 1 StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960), wenn die Beförderung nicht ausschließlich innerhalb eines geschlossenen Betriebsgeländes stattfindet".

Gemäß § 2 Z. 1 lit. a GGBG i.d.F. BGBl. I Nr. 108/1999 gelten für die Beförderung gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 u.a. innerhalb Österreichs die Anlagen A und B der Richtlinie 94/55/EG in der Fassung der Richtlinie 1999/47/EG (im Folgenden: Richtlinie/ADR).

Im vorliegenden Fall fand eine Beförderung im Sinne des § 2 Z. 1 lit. a GGBG, nämlich innerhalb Österreichs, statt. Es war daher die in dieser Bestimmung genannte Richtlinie in der angeführten Fassung (im Folgenden: Richtlinie/ADR) anzuwenden. Die in § 2 Z. 1 GGBG angeführte Richtlinie 1999/47/EG , mit der eine Änderung der Richtlinie 94/55/EG erfolgt ist, ist jene Richtlinie, mit der die Richtlinie/ADR im Zeitpunkt der Erlassung der Novelle BGBl. I Nr. 108/1999 zuletzt geändert worden war. Vor dieser Änderung war die Richtlinie/ADR auch durch die Richtlinie 96/86/EG geändert worden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 8. September 2004, Zl. 2002/03/0327).

Mit der Richtlinie/ADR wurden die Regelungen des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR; Stammfassung im BGBl. Nr. 522/1973) in das Gemeinschaftsrecht umgesetzt (siehe dazu Abs. 2 und Abs. 12 der Einleitung der Richtlinie 94/55/EG) . Sofern der Inhalt der Richtlinie/ADR mit dem ADR übereinstimmt, wird der Beschwerdeführer nicht in Rechten verletzt, wenn die belangte Behörde im Spruch und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die inhaltsgleichen Regelungen des ADR herangezogen hat (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2002/03/0327).

Gemäß Rn 2002 Abs. 1 erster Satz Anlage A der Richtlinie/ADR sieht diese Anlage vor, welche gefährlichen Güter von der internationalen Beförderung auf der Straße ausgeschlossen und welche unter bestimmten Bedingungen zugelassen sind.

Gemäß Rn 2002 Abs. 3 Anlage A der Richtlinie/ADR sind bei jeder durch diese Anlage geregelten Beförderung von Gütern folgende zwei Dokumente mitzuführen:

"a) Ein Beförderungspapier, das mindestens folgende Angaben enthält (für die Klasse 7 siehe auch Rn. 2709):

11.45 Uhr in St. Pölten, Br...gasse als Verantwortliche der Beladestelle unterlassen habe, für die Einhaltung der Bestimmungen nach dem ADR zu sorgen. Sie habe dadurch Rn 10400 ADR i.V.m. § 27 Abs. 2 Z. 25 GGBG verletzt, weshalb über sie gemäß § 27 Abs. 1 Z. 11 GGBG eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Stunden) verhängt wurde. Rn 10400 der Anlage B der Richtlinie/ADR betrifft besondere Vorschriften für das Beladen, Entladen und für die Handhabung gefährlicher Güter. So müssen gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung bei der Ankunft am Be- und Entladeort der Fahrzeugführer und das Fahrzeug (insbesondere hinsichtlich der Sicherheit, der Sauberkeit und der ordnungsgemäßen Funktion der bei der Be- und Entladung verwendeten Fahrzeugausrüstung) den geltenden Vorschriften genügen. Gemäß Abs. 2 darf die Beladung nicht erfolgen, wenn eine Kontrolle der Dokumente oder eine Sichtprüfung des Fahrzeugs und seiner Ausrüstung zeige, dass das Fahrzeug oder der Fahrzeugführer den Rechtsvorschriften nicht genügen. Die Beschwerdeführerin ist somit als Verantwortliche der Beladestelle nicht nach § 27 Abs. 2 Z. 4 GGBG als Verlader bestraft worden, der Gefahrgüter unmittelbar an den Beförderer übergeben hat und dabei die Richtlinie/ADR nicht eingehalten hat, sondern gemäß § 27 Abs. 2 Z. 25 GGBG, nach dem strafbar ist, wer

"25. in sonstiger Weise den in § 2 Z 1 bis 3 angeführten Vorschriften oder den Vorschriften dieses Bundesgesetzes zuwiderhandelt oder ...."

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides kann somit im Hinblick darauf nicht erkannt werden, dass die Beschwerdeführerin in der dargestellten Weise auch als Verantwortliche der Beladestelle für die Nichteinhaltung der Rn 10400 der Anlage B der Richtlinie/ADR i.V.m. § 27 Abs. 2 Z. 25 GGBG bestraft wurde.

Aus dem oben angeführten Grund war der angefochtene Bescheid jedoch im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. November 2004

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