VwGH 97/19/0787

VwGH97/19/078721.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des Dr. Z in Wien, vertreten durch Dr. I-I, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 9. August 1996, GZ 905.736/1-III 6/96, betreffend (Wieder)Aufnahme in die Verteidigerliste, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Beschwerdeführers und seiner Vertreterin, Rechtsanwalt Mag. D, und der Vertreterin der belangten Behörde, Staatsanwältin Mag. Sonja Riener, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
RAO 1868 §5 Abs2;
StGB §133;
StPO §39 Abs3;
TilgG 1972 §6;
VwRallg;
AVG §52;
RAO 1868 §5 Abs2;
StGB §133;
StPO §39 Abs3;
TilgG 1972 §6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.765,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer legte am 7. Juli 1975 die Rechtsanwaltsprüfung ab und wurde auf Grund des Beschlusses des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. Dezember 1975 in die Liste der Rechtsanwälte dieser Rechtsanwaltskammer eingetragen. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. September 1977 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, am 10. November 1972 als - seinerzeit in der Kanzlei seines Vaters, Dr., tätiger - Rechtsanwaltsanwärter eine gegen die Klientin seines Vaters in einem Strafverfahren als Mitbeschuldigte und in einem Zivilprozess als Zeugin einzuvernehmende P. aufgesucht und zum einen dieser Person in einem allgemein zugänglichen Gaststättenraum in einer erregten Atmosphäre Vorhaltungen über die im Widerspruch zu den Auffassungen seiner Klientin stehenden Erklärungen der P. gemacht zu haben, zum anderen bei P. den Eindruck erweckt zu haben, sie in ihrer bevorstehenden Zeugenaussage beeinflussen zu wollen und letztlich auch noch eine Abgabe von schriftlichen Erklärungen verlangt zu haben. Wegen dieses Verhaltens wurde er zu einer Geldbuße in einer Höhe von S 5.000,- und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.

Mit weiterem Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Februar 1987 wurde der Beschwerdeführer der Disziplinarverfehlung und der Verletzung der Berufspflichten unter Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes für schuldig erkannt und wiederum zu einer Geldbuße von S 10.000,-- sowie zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt. Der Beschwerdeführer hatte nach Auffassung des Disziplinarrates im Auftrag eines Klienten eine Klage beim Handelsgericht Wien eingebracht, war jedoch dem hierauf ergangenen gerichtlichen Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen und hatte seinem Mandanten über Monate nicht berichtet. Den im Juni 1985 an ihn überwiesenen Vorschussbetrag hatte er trotz Mahnungen erst im Sommer 1986 abgerechnet und unter Abzug der bezahlten Gerichtsgebühr am 19. August 1986 an den danach folgenden Vertreter seines Klienten überwiesen.

Mit Schreiben vom 11. November 1987 verzichtete der Beschwerdeführer schließlich auf Grund des "Vertrauensschadensfalles, dem das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 2 StGB zu Grunde liegt", auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft. Darüber hinaus erstattete er Selbstanzeige an die Staatsanwaltschaft Wien wegen Veruntreuung gemäß § 133 Abs. 2 StGB hinsichtlich einer Schadenssumme von S 3,200.000,--.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. März 1988, rechtskräftig seit 2. April 1988, wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und 2, zweiter Fall, StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten sowie zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt, wobei ein Teil der Strafe, nämlich 20 Monate, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Das Gericht nahm als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer als Rechtsanwalt in der Zeit vom 22. Oktober 1986 bis 27. August 1987 von auf einem Anderkonto bei der Creditanstalt Bankverein liegenden Treuhandgeldern als stiller Gesellschafter einer GesmbH Beträge in einer Gesamthöhe von S 3,009.000,-- mit Bereicherungsabsicht entnommen und für eigene Zwecke verwendet habe. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. Juli 1991 wurde der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe von 20 Monaten endgültig nachgesehen. Am 2. April 1993 stellte der Beschwerdeführer das Gesuch auf gnadenweise Beschränkung der Auskunftspflicht. Durch Entschließung des Bundespräsidenten vom 7. September 1993 wurde angeordnet, dass über die gegenständliche Verurteilung mit den Wirkungen des § 6 Tilgungsgesetz 1972 beschränkte Auskunft aus dem Strafregister zu erteilen sei.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 1995 stellte der Beschwerdeführer an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien das Ansuchen auf Eintragung in die Liste der Verteidiger in Strafsachen.

In den in der Folge von der Rechtsanwaltskammer Wien, dem Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien eingeholten Stellungnahmen wurden Bedenken hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers insbesondere auf Grund der zuletzt genannten Straftat geäußert. Der Beschwerdeführer wandte im Verfahren dagegen ein, dass die Beischaffung des - oben genannten - Strafaktes wegen seiner Begnadigung ein nichtiger Verfahrensschritt sei. Die zwei rechtskräftigen Disziplinarerkenntnisse vom 9. September 1977 und vom 20. Februar 1987 seien auf Grund eines von ihm gesetzten Fehlverhaltens in persönlich sehr schwierigen Zeiten ergangen. Er habe sich seit Zurücklegung seines Rechtsanwaltsberufes wohlverhalten, sei am Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar und daher zu einer privaten Pensionsvorsorge genötigt, weshalb ein Missbrauch des Berufes als Verteidiger nicht anzunehmen sei. Ferner verwies der Beschwerdeführer auf die Begründung seines seinerzeitigen Gnadengesuches an den Bundespräsidenten, nämlich die Ermöglichung des Wiedereintrittes in das Berufsleben. Im Übrigen beantragte er die Einholung eines Gutachtens aus dem Gebiet der Berufspsychologie zum Beweise seiner Vertrauenswürdigkeit.

Mit Bescheid vom 12. März 1996 gab der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien dem Antrag auf Aufnahme in die Verteidigerliste nicht Folge. Begründend führte er aus, unter Berücksichtigung des gesamten Verhaltens des Beschwerdeführers und nach Beurteilung, ob aus dem Vorleben des Beschwerdeführers, insbesondere seiner bisherigen Berufstätigkeit, auf eine künftige, für die Ausübung des Verteidigerberufes erforderliche Verlässlichkeit geschlossen werden könne, könne diese Verlässlichkeit des Beschwerdeführers als Parteienvertreter gegenüber seinen Klienten sowohl auf Grund beider Disziplinarerkenntnisse, als auch auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilung nicht bejaht werden. Denn gerade der Zusammenhang der Straftat und der disziplinären Handlungen mit der Ausübung eines Rechtsberufes lasse den Schluss zu, dass dem Beschwerdeführer jene Charaktereigenschaften fehlten, die für die Ausübung eines solchen Berufes verlangt werden müssten, und daher sei allein aus dem späteren Wohlverhalten in einer Zeit, in der er nicht mehr als Rechtsanwalt tätig gewesen sei, die Wiederherstellung der Vertrauenswürdigkeit nicht zu folgern. Da die Straftat aus den Personalakten der Rechtsanwaltskammer für Wien hervorgehe, sei diese der Behörde auch ohne Strafregisterauskunft bekannt geworden, sodass die vom Beschwerdeführer angenommene Nichtigkeit mangels Kausalität nicht vorläge.

In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer Nichtigkeit der bekämpften Entscheidung geltend, da seine Verlässlichkeit als Parteienvertreter gegenüber Klienten (auch) zufolge der strafgerichtlichen Verurteilung verneint werde. Hingegen könne es nicht im Sinne des § 6 Tilgungsgesetz 1972 gelegen sein, die von der Verbotsnorm umfassten Umstände und Sachverhalte der erkennenden Behörde von dritter Seite zur Kenntnis gelangen zu lassen und damit die vom Gesetz untersagte Verwendung dieser Tatsachen durch Zugrundelegung der Entscheidung zuzulassen. Im Übrigen seien wesentliche Verfahrensmängel im Verfahren aufgetreten, da weder auf sein Vorbringen eingegangen worden sei, ein berufspsychologisches Gutachten einzuholen, noch eine persönliche Anhörung erfolgt sei. Es sei unrichtig, aus den den Disziplinarverurteilungen zu Grunde liegenden Taten auf den völligen Verlust der Verlässlichkeit bzw. Vertrauenswürdigkeit zu schließen. In einem Fall stamme die Tat aus dem Jahre 1972 und beruhe auf Unerfahrenheit, der andere Fall betreffe die Zeit seines psychischen Niederganges. Ferner sei die rechtliche Beurteilung unrichtig. Wie es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspräche, sei der auf einer gerichtlichen Verurteilung von gewisser Schwere basierende Ausschluss der Vertrauenswürdigkeit nicht für immer, sondern für einen individuell verschiedenen Zeitraum gegeben und sei sehr wohl das gegenwärtige und künftig zu prognostizierende Wohlverhalten ebenso maßgebend.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie führte aus, dass die Einholung einer Strafregisterauskunft sowie die Heranziehung anderer auf die Straftat hinweisender Quellen zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Strafregistergesetz 1968 nicht unzulässig sei. Diese Auskunftserteilung im Sinne § 9 leg. cit. sei durch § 6 Tilgungsgesetz 1972 eingeschränkt. Nach Ablauf der jeweiligen, im § 3 Tilgungsgesetz 1972 genannten Frist trete die Tilgung von gerichtlichen - mit Ausnahme der in § 5 genannten - Verurteilungen ex lege mit den im § 1 Tilgungsgesetz 1972 normierten Folgen ein. Ein Schutz vor Bekanntwerden einer Verurteilung aus anderen Quellen könne hiedurch jedoch nicht geboten werden. Die Verwendung von auf anderen Wegen erlangten Informationen sei daher nicht unzulässig. Diese Erwägungen gälten auch im Falle der gnadenweise Beschränkung der Auskunft mit den Wirkungen des § 6 Tilgungsgesetz 1972. Es läge daher keine Nichtigkeit vor. Ferner sei die begehrte Einholung eines berufspsychologischen Gutachtens zum Beweis der Vertrauenswürdigkeit entbehrlich gewesen, da der Sachverständigenbeweis ein Beweismittel darstelle, das fehlendes Fachwissen ermitteln bzw. auf Grund von - der Behörde nicht bekannten - Erfahrungssätzen Schlussfolgerungen und Tatsachen darlegen solle. Daher sei ein Gutachten nur bei Fehlen eines entsprechenden Fachwissens und nicht zur Lösung von Rechtsfragen, wie die der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit, einzuholen. Bei der Prüfung der Frage der Vertrauenswürdigkeit sei nun das Wohlverhalten durch längere Zeit maßgeblich, wobei auch das außerberufliche Leben zu berücksichtigen sei. Demzufolge seien auch Handlungen zu berücksichtigen, die nicht mit dem Beruf zusammenhängen, aber schwere Charaktermängel, die Rückschlüsse auf das berufliche Verhalten, Sorgfalt und Pflichtbewusstsein zulassen würden, aufzeigten. Demgemäß sei bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit das Vorleben und das gesamte Verhalten des Eintragungswerbers zu berücksichtigen und zu würdigen. Auch bereits getilgte Strafen seien zu berücksichtigen. Angesichts der Häufung und Schwere der Verfehlungen sowie deren Eignung, das Vertrauen in die Integrität des Beschwerdeführers sowie in die Anwaltschaft erheblich zu erschüttern, sei zu Recht auf mangelnde Sorgfalt, Korrektheit und Verlässlichkeit in Vertrauensstellungen wie die eines Rechtsanwaltes geschlossen worden. Auch in persönlich schwierigen Zeiten habe ein Rechtsanwalt bzw. ein Verteidiger pflichtbewusst und untadelig seine übernommenen Pflichten zu erfüllen. Aus der Gewährung der gnadenweise Anordnung der Beschränkung der Auskunft sei allein noch nicht auf die Wiederherstellung der Vertrauenswürdigkeit zu schließen. Im Übrigen hätten Erhebungen ergeben, dass - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Gnadengesuch vom 2. April 1993 - dieser sehr wohl als kaufmännischer Angestellter ein Einkommen von monatlich S 14.000,-- erziele und seine Gattin mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebe. Ferner könne die für die Wiedererlangung der Vertrauenswürdigkeit erforderliche Dauer der Zeit des Wohlverhaltens, die von der Schwere und Häufung der Verfehlungen abhängig zu machen sei, im vorliegenden Fall noch nicht als ausreichend angesehen werden. Es sei auch maßgeblich, dass der Beschwerdeführer seit seinem Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft keine Tätigkeit mehr ausgeübt habe, mit der eine der eines Rechtsanwaltes bzw. Verteidigers vergleichbare Vertrauensstellung verbunden sei.

Der Verfassungsgerichtshof trat die gegen diesen Bescheid an ihn gerichtete Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 24. Februar 1997, B 3219/96-8, dem Verwaltungsgerichtshof ab, welcher darüber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwogen hat:

§ 39 Abs. 3 StPO lautet:

" 39. ...

(3) Der Präsident jedes Gerichtshofes zweiter Instanz hat für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen, mit Anfang eines jeden Jahres zu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen, bei denen sie zu jedermanns Einsicht offen zu halten ist. In diese Liste sind vorerst alle im Sprengel des Gerichtshofes zweiter Instanz die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwälte aufzunehmen. Auf ihr Ansuchen sind aber auch für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüfte Rechtsverständige aufzunehmen, sofern nicht Umstände vorliegen, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat zur Folge haben. Wer sich durch die Ausschließung aus der Verteidigerliste gekränkt erachtet, kann sich binnen 14 Tagen, nachdem ihm die Entscheidung zugestellt worden ist, beim Bundesministerium für Justiz beschweren."

§ 5 der Rechtsanwaltsordnung (RAO) lautet auszugsweise:

"§ 5. (1) Wer die Rechtsanwaltschaft erlangen will, hat unter Nachweis aller gesetzlichen Erfordernisse bei dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer, in deren Sprengel er seinen Kanzleisitz nimmt, unter Angabe des letzteren, seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu erwirken.

(2) Die Eintragung in die Liste ist zu verweigern, wenn der Bewerber eine Handlung begangen hat, die ihn des Vertrauens unwürdig macht. Der Ausschuss hat die notwendigen Erhebungen zu pflegen und, wenn die Eintragung verweigert werden soll, den Bewerber vorher einzuvernehmen.

... "

§ 6 des Tilgungsgesetzes 1972 lautet auszugsweise:

"§ 6. (1) Schon vor der Tilgung darf über Verurteilungen aus dem Strafregister bei Vorliegen der in den Abs. 2 und 3 genannten Voraussetzungen lediglich Auskunft erteilt werden

1. den Gerichten, Staatsanwaltschaften, Sicherheitsbehörden und Sicherheitsdienststellen zum Zwecke eines gerichtlichen Straf- oder Unterbringungsverfahrens gegen den Verurteilten oder gegen jemand, der verdächtig ist, an derselben strafbaren Handlung beteiligt zu sein,

  1. 1a) ....
  2. 2. in einem Gnadenverfahren des Verurteilten, das ein gerichtliches Strafverfahren oder eine Verurteilung durch die Strafgerichte betrifft, den damit befassten Behörden,

    ...

(2) Die Beschränkung nach Abs. 1 tritt sofort mit Rechtskraft des Urteiles ein, wenn

1. keine strengere Strafe als eine höchstens dreimonatige Freiheitsstrafe verhängt worden ist,

  1. 2. ...
  2. 3. ...

(3) Übersteigt in den Fällen des Abs. 2 das Ausmaß der Freiheitsstrafe, der Ersatzfreiheitsstrafe oder deren Summe drei Monate (Z 1), nicht aber sechs Monate, ..., so tritt die Beschränkung nach Abs. 1 erst ein, wenn seit dem Beginn der Tilgungsfrist, im Fall einer Strafe, die ganz oder zum Teil bedingt nachgesehen oder aus der der Verurteilte bedingt entlassen worden ist, aber seit Rechtskraft der bedingten Nachsicht oder dem Zeitpunkt der bedingten Entlassung drei Jahre verstrichen sind.

(4) Ist über Verurteilungen nur beschränkte Auskunft zu erteilen, so dürfen sie außer für die in Abs. 1 bezeichneten Zwecke in Auskünfte aus dem Strafregister und in Strafregisterbescheinigungen nicht aufgenommen oder darin sonst in irgendeiner Art ersichtlich gemacht werden."

Der Beschwerdeführer stützt seine Beschwerde zunächst darauf, dass sich die belangte Behörde bei der Beurteilung seiner Vertrauenswürdigkeit ausschließlich auf die Vergangenheit und zwar hier wiederum ausschließlich auf den aktenkundigen Teil seines beruflichen Lebens berufen habe. Die Prüfung seiner Vertrauenswürdigkeit hätte aber jedenfalls zur vollständigen Klärung der Erstellung von Befund und Gutachten eines Sachverständigen bedurft. Der Berufungsbescheid unterlasse neuerlich vollständig eine Beurteilung seines gegenwärtigen Lebens und daher auch eine doch mögliche Beurteilung und Prognose für die Zukunft; auch die von der belangten Behörde zur Beurteilung genannten Kritierien seien ohne entsprechende Feststellungen geblieben.

Diesbezüglich ist vorweg zu bemerken, dass die Beiziehung eines Sachverständigen nur dann notwendig ist, wenn die Verwaltungsvorschriften dies ausdrücklich anordnen oder wenn die Beantwortung entscheidungsrelevanter Tatfragen besonderes Fachwissen über Tatsachen erfordert, über das die Verwaltungsorgane nicht selbst verfügen (vgl. Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, E 16 ff zu § 52 AVG). Die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit ist aber keine derartige Fachfrage, sondern - wie die belangte Behörde zutreffend darstellte - eine Rechtsfrage, weshalb in der Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erblicken ist.

Wenn sich der Gesetzgeber des Wortes "Vertrauenswürdigkeit" zur Umschreibung einer Eigenschaft bedient hat, über die auch ein Verteidiger verfügen muss, hat er einen so genannten unbestimmten Gesetzesbegriff geschaffen, der mittels der aus der Rechtsordnung unter Heranziehung der jeweiligen gesellschaftlichen Vorstellungen abzuleitenden Wertungen auszulegen ist (vgl. die zur Frage der Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen ergangenen hg. Erkenntnisse vom 2. März 1988, Zl. 87/01/0214, und vom 23. März 1999, 96/19/1229, mwN). Nun kommt es bei der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit darauf an, ob das gesamte Verhalten geeignet ist, Vertrauen in die korrekte Berufsausübung zu erwecken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1975, VwSlg. 8915/A). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Es ist unmaßgeblich, in welchen Bereichen die Ursachen für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit gelegen sind, weil es nur darauf ankommt, ob das erforderliche Maß an Vertrauenswürdigkeit dem Verteidiger überhaupt zukommt oder nicht (vgl. das obgenannte hg. Erkenntnis vom 2. März 1988). Allerdings muss auch bei längerem Wohlverhalten in anderen Berufsstellungen die Fortdauer der Vertrauensunwürdigkeit angenommen werden, wenn sie auf Verfehlungen beruht, die im reiferen Alter begangen werden, und deren Schwere und Wiederholung auf Charaktermängel schließen lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1961, Zl. 723/60).

Dass sein Fehlverhalten in der Vergangenheit, das er ja gerade im Zusammenhang mit seinem damaligen Rechtsberuf begangen hat, das für die Ausübung des Rechtsberufes eines Verteidigers notwendige Vertrauen erschüttert hat, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Er macht aber wegen der Berücksichtigung dieses Fehlverhaltens und der erfolgten strafrechtlichen Verurteilung "Nichtigkeit des Verfahrens" geltend, die in der rechtswidrigen Einholung der Strafregisterauskunft und in der Beischaffung des Strafaktes zu erblicken sei. Das Verfahren hätte sich nach seiner Ansicht diesbezüglich vielmehr, um nicht mit Nichtigkeit behaftet zu sein, auf die Auskunft der Rechtsanwaltskammer Wien beschränken müssen, die Behörde hätte seine strafgerichtliche Verurteilung bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigen dürfen.

Dem ist zum einen der Akteninhalt selbst entgegenzuhalten, woraus ersichtlich ist, dass nicht nur die Stellungnahme des Präsidenten des Landesgerichts für Strafsachen Wien und dessen Einholung einer Strafregisterauskunft entscheidungsrelevant war, sondern auch in der Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer Wien durch den Hinweis auf die "Gründe und Umstände, die seinerzeit für den Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft maßgeblich waren", auf dieses Strafdelikt Bezug genommen wurde. Zum anderen bedeutet der Umstand, dass die über den Beschwerdeführer verhängte Strafe gemäß § 6 Tilgungsgesetz einer beschränkten Auskunftspflicht unterliegt, nicht, dass die belangte Behörde bei der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers die von ihm begangene Straftat nicht berücksichtigen dürfte. Sogar eine eingetretene Tilgung einer Straftat und der Umstand, dass ein Eintragungswerber nunmehr wieder als unbescholten anzusehen ist, schließt es nämlich nicht aus, dass in allen jenen Fällen, in denen nicht der Formaltatbestand der Unbescholtenheit allein die Voraussetzung für die Zulassung zur Berufsausübung bildet, sondern hiefür eine besondere Vertrauenswürdigkeit gefordert wird, die Tatsache, dass der Bewerber sich eines oder mehrerer Straftaten schuldig gemacht hat, bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit berücksichtigt wird (vgl. die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom 15. Juni 1961 sowie vom 28. Oktober 1975). Selbst Handlungen, die nicht zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt haben, sind geeignet, das Vertrauen in eine korrekte Ausübung des Verteidigerberufes zu verhindern, sofern sie charakterliche Defekte des Bewerbers aufzeigen (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1975).

Es entspricht ganz allgemein der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Behörde - wenn ausdrückliche gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen - nicht gehindert ist, die einer (sogar) getilgten Verurteilung zu Grunde liegende Straftat im Rahmen eines zu beurteilenden Gesamtverhaltens zu berücksichtigen (vgl. die - in Hinblick auf die allfällige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit - zur Beurteilung des Verhaltens von Fremden ergangenen hg. Erkenntnisse vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0284, vom 17. September 1992, Zl. 92/18/0367 mwN, und vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0396; in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 96/01/1224 mwN; zur Frage der Zuverlässigkeit im Gewerberecht das hg. Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/04/0247, zur Kündigung eines provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses wegen mangelnder Vertrauenswürdigkeit das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/12/0104, und viele mehr).

Umso mehr gilt dies für noch nicht getilgte, lediglich einer beschränkten Auskunftspflicht unterliegende Straftaten. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof im zuletzt zitierten Erkenntnis auch ausgesprochen, dass selbst dann, wenn eine Verurteilung einer beschränkten Auskunftspflicht im Sinne des § 6 TilgungsG unterliegt, dies mangels entgegenstehender gesetzlicher Anordnung nicht zur Folge hat, dass (im dortigen Fall: vom Dienstgeber) auf die ihm bekannt gewordene Verurteilung nicht Bedacht genommen werden dürfte. Hinsichtlich der Berücksichtigung von im Hinblick auf § 6 Abs. 1 und 2 TilgungsG (allenfalls gesetzwidrig) erlangten Beweismitteln besteht kein Beweisverwertungsverbot (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1992, 92/18/0367). Die Entschließung des Bundespräsidenten (über die Auskunftsbeschränkung) ist daher auch im vorliegenden Fall nicht von der vom Beschwerdeführer angenommenen Relevanz (vgl. zB. für den Bereich der Gewerbeordnung das zitierte hg. Erkenntnis vom 27. April 1993). Den vorliegendenfalls anzuwendenden Rechtsvorschriften ist nämlich nicht zu entnehmen, dass eine einer beschränkten Auskunft unterliegende Verurteilung nicht mehr berücksichtigt werden dürfte; in die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers könnten vielmehr - wie dargestellt - selbst getilgte Verurteilungen einfließen.

Mit Recht weist der Beschwerdeführer aber darauf hin, dass nicht nur das in der Vergangenheit gesetzte Verhalten, sondern auch sein Verhalten nach der Straftat und der Verurteilung bei der zu treffenden Prognoseentscheidung zu berücksichtigen ist. Ein Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit diesem Zeitpunkt ist daher bei der Prognose seines zukünftigen Verhaltens und bei der Beurteilung seiner Vertrauenswürdigkeit grundsätzlich (auch) zu beachten. Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde hat die belangte Behörde aber auf das unmittelbar zurückliegende Verhalten des Beschwerdeführers auch Rücksicht genommen und in ihre Wertung einfließen lassen, indem sie die Angaben des Beschwerdeführers in seinem Gnadengesuch und den Umstand bewertete, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig keine Berufsstellungen bekleidet hat, in denen er seine Vertrauenswürdigkeit unter Beweis hätte stellen können.

In diesem Zusammenhang rügt der Beschwerdeführer, er sei niemals zu den - in negativer Weise in den angefochtenen Bescheid eingeflossenen - Anschuldigungen der belangten Behörde über die Unrichtigkeiten in seinem Gnadenantrag gehört worden; die Ausführungen der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer entgegen seinen dortigen Angaben als kaufmännischer Angestellter S 14.000,-- als monatliches Nettoeinkommen bezogen habe, seien falsch. Dazu ist zu bemerken, dass selbst wenn die Angaben des Beschwerdeführers zutreffen sollten, wonach er im Zeitpunkt des Gnadengesuches einkommenslos gewesen und das diesbezügliche Ermittlungsergebnis der Behörde unrichtig gewesen sei, dies nicht zu einer Änderung der Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers führen würde. Der Verwaltungsgerichtshof vermag aus nachstehenden Gründen die Entscheidungswesentlichkeit dieser Umstände nämlich nicht zu erkennen und daher keinen wesentlichen Verfahrensmangel in der diesbezüglich erfolgten Unterlassung des Parteiengehörs und der gegebenenfalls unrichtigen Feststellung der belangten Behörde zu erblicken:

Angesichts der Schwere des vom Beschwerdeführer gesetzten Fehlverhaltens in der Vergangenheit, insbesondere wegen des Zusammenhanges der Straftat bzw. der Disziplinarverfehlungen des Beschwerdeführers mit der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und des in derartige Berufe gesetzten besonderen Vertrauens, sowie angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nach seinem eigenen Vorbringen weder im beruflichen noch im privaten Bereich zwischenzeitig Tätigkeiten ausübte, die eine besondere Vertrauenswürdigkeit unter Beweis stellten, kann trotz des bis zur Bescheiderlassung verstrichenen Zeitraumes (von ca. 8 Jahren) die von der belangten Behörde getroffene Gesamteinschätzung, der Beschwerdeführer sei noch nicht wieder vertrauenswürdig, vom Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Im Übrigen wird bemerkt, dass bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im gegebenen Zusammenhang Gedanken der Resozialisierung keine Rolle spielen.

Sollte der Beschwerdeführer mit seinem Hinweis auf Art. 6 MRK eine Verfassungswidrigkeit infolge mangelnder Tribunalqualität der belangten Behörde rügen wollen, so ist er auf den - seine Beschwerde betreffenden - Beschluss des Verfassungsgerichtshof vom 24. Februar 1997, B 3219/96-8, und die dort zu Art. 6 MRK zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen. Verfassungsrechtliche Bedenken sind in diesem Zusammenhang auch beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden.

Im Übrigen vermag der Beschwerdeführer durch sein Vorbringen, wonach ihm das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verwehrt worden sei, in Anbetracht des eindeutigen Wortlautes der Bestimmung des § 39 StPO keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Dezember 1999

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