VwGH 93/12/0104

VwGH93/12/010415.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde der T in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 2. Februar 1993, MA 2/109/92, wegen Kündigung des provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
DO Wr 1966 §18 Abs1;
DO Wr 1966 §54a Abs1;
DO Wr 1966 §54a;
StGB §141;
StGB §15;
TilgG 1972 §6;
B-VG Art130 Abs2;
DO Wr 1966 §18 Abs1;
DO Wr 1966 §54a Abs1;
DO Wr 1966 §54a;
StGB §141;
StGB §15;
TilgG 1972 §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 21. März 1967 geborene Beschwerdeführerin wurde am 13. Februar 1989 als Stationsgehilfin in ein privatrechtliches Dienstverhältnis zur Stadt Wien aufgenommen und mit Wirksamkeit mit 1. Oktober 1991 der Dienstordnung 1966 in einem provisorischen Dienstverhältnis unterstellt. Ihre Dienststelle war ein Wiener Krankenhaus.

Mit rechtskräftiger Strafverfügung vom 10. Februar 1992 wurde über die Beschwerdeführerin von einem Wiener Bezirksgericht eine Geldstrafe von dreißig Tagessätzen zu S 300,-- (ingesamt daher S 9.000,--) verhängt; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurde die Ersatzfreiheitsstrafe mit fünfzehn Tagen festgesetzt. Das Strafgericht ging davon aus, daß die Beschwerdeführerin am 22. November 1991 in Wien zur Befriedigung eines Gelüstes versucht habe, Sachen geringen Wertes, nämlich eine Damenstrumpfhose im Werte von S 169,--, einem näher bezeichneten Berechtigten zu entziehen, wobei die Deliktsvollbringung durch Betretung unterblieben sei; sie habe dadurch das Vergehen der versuchten Entwendung nach den §§ 15, 141 StGB begangen (zur Verdeutlichung: sogenannter versuchter Ladendiebstahl). Nach Eintritt der Rechtskraft der Strafverfügung verständigte das Strafgericht hievon am 21. April 1992 die Dienstbehörde, die hiedurch Kenntnis von diesen Umständen erhielt. Durch Akteneinsicht ergab sich für die Dienstbehörde, daß die Beschwerdeführerin Vorverurteilungen aufwies, nämlich bereits von einem Bezirksgericht am 8. Juni 1988 wegen des Vergehens der versuchten Entwendung nach den §§ 15, 141 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von zwanzig Tagessätzen zu je S 100,--, im Falle der Uneinbringlichkeit zu zehn Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie mit Urteil eines Gerichtshofes vom 21. Oktober 1988 wegen des Vergehens des versuchten schweren Diebstahles nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer bedingten einmonatigen Freiheitsstrafe (Probezeit: drei Jahre, bei gleichzeitiger Bestellung eines Bewährungshelfers) verurteilt worden war. Hierauf wurde das Kündigungsverfahren eingeleitet.

Die Dienstbehörde brachte der Beschwerdeführerin zur Kenntnis, es mangle ihr aufgrund dieser Verurteilungen an der charakterlichen Eignung für den öffentlichen Dienst; sie sei daher von einem definitiven Dienstverhältnis auszuschließen. Zur letzten Verurteilung (Strafverfügung) nahm die Beschwerdeführerin dahin Stellung, daß sie in jenem Kaufhaus irrtümlich eine Strumpfhosenpackung unter ihrer Handtasche eingeklemmt habe und nicht die Absicht gehabt hätte, sie zu stehlen.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 14. September 1992 wurde das Dienstverhältnis zur Stadt Wien gemäß § 54 a Abs. 1 und 5 der Dienstordnung 1966 (kurz: DO) mit Ablauf von zwei Monaten ab Zustellung des Bescheides gekündigt. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, wurde dies im wesentlichen damit begründet, daß die Dienstbehörde im Hinblick auf die Verurteilung vom "21. April 1992" (richtig: Strafverfügung vom 10. Februar 1992) zur Ansicht gekommen sei, daß die Eignung der Beschwerdeführerin für den öffentlichen Dienst nicht gegeben sei. Ihre im Rahmen des Parteiengehörs vorgebrachten Entschuldigungen seien nicht geeignet, die Bedenken bezüglich ihrer charakterlichen Eignung für den öffentlichen Dienst zu entkräften.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Zusammenfassend billigte sie die Wertung der ersten Instanz, daß die Beschwerdeführerin aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen des Vergehens der versuchten Entwendung für den öffentlichen Dienst nicht geeignet sei, weil gerade einer Stationsgehilfin, der dienstbedingt auch hilflose Menschen anvertraut seien, ein besonders hohes Maß an Respektierung fremden Eigentumes abverlangt werden müsse. Dem Einwand, daß die Dienstbehörde die gegenständliche Verurteilung (gemeint: die Strafverfügung) bei Prüfung der charakterlichen Eignung außer Betracht hätte lassen müssen, könne schon deshalb nicht beigepflichtet werden, weil eine charakterliche Nichteignung auch dann vorläge, wenn das unbestrittene Verhalten der Beschwerdeführerin zu keiner strafgerichtlichen Verurteilung geführt hätte. Darüberhinaus handele es sich bei der zum Anlaß für die Kündigung genommene Straffälligkeit der Beschwerdeführerin nicht um das erste von ihr begangene Vermögensdelikt. Wenn auch diese beiden Verurteilungen vor dem Diensteintritt erfolgt und von der Verpflichtung zur Bekanntgabe anläßlich der Aufnahme in den Dienst der Stadt Wien nicht umfaßt gewesen seien, sei daraus sehr deutlich die Haltung der Beschwerdeführerin zu fremdem Eigentum erkennbar. Angesichts der Zwecke des provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses (wird näher ausgeführt) sei die Kündigung zu Recht erfolgt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 18 Abs. 1 DO wird die Anstellung im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien nach Ablauf der Probedienstzeit definitiv. Die Probedienstzeit beträgt sechs Jahre und dauert jedenfalls bis zum vollendeten

26. Lebensjahr. Gemäß § 54 a Abs. 1 DO kann die Gemeinde Wien das Dienstverhältnis während der Probedienstzeit durch Kündigung auflösen.

Die Kündigung eines provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zur Stadt Wien liegt - im Rahmen der zeitlichen Begrenzung durch die Probedienstzeit - im freien (aber der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegenden) Ermessen der Dienstbehörde. Der "Sinn des Gesetzes" besteht - entsprechend dem Zweck der Einrichtung der Probedienstzeit, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im allgemeinen, wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen - darin, alle sich nicht voll bewährenden Beamten noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sich nicht eignen, ausschließen zu können (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1993, Zl. 92/12/0120, vom 25. September 1989, Zl. 88/12/0036, und vom 16. Juni 1980, Zl. 2036/79).

Die belangte Behörde hat zutreffend aus Anlaß der Verständigung von der Beendigung des letzten Strafverfahrens (Strafverfügung vom 10. Februar 1992 - die Verständigung durch das Strafgericht hatte gemäß dem § 83 StPO iVm mit dem Rundschreiben des Bundesministeriums für Justiz über die Verständigungspflichten im gerichtlichen Strafverfahren JABl 1982/25 von amtswegen zu erfolgen - geprüft, ob die Beschwerdeführerin allen Anforderungen entspricht, die an sie gestellt werden müssen, wobei sie zutreffend insbesondere darauf Bedacht genommen hat, daß gerade einer Stationsgehilfin, der dienstbedingt auch hilflose Menschen anzuvertrauen sind, ein besonders hohes Maß an Respektierung fremdem Eigentums abverlangt werden muß. Mag auch eine Verurteilung einer beschränkten Auskunftspflicht im Sinne des § 6 des Tilgungsgesetzes unterliegen, hat dies entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Meinung mangels entsprechender Anordnung des Gesetzes nicht auch zur Folge, daß der öffentlich-rechtliche Dienstgeber auf die ihm bekannt gewordene Verurteilung nicht Bedacht nehmen dürfte. Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1964, Zl. 603/63, geht fehl, weil sich der gegenständliche Vorfall, der zur Erlassung der Strafverfügung geführt hat, während der Dauer des provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ereignet hat. Die Beurteilung, ob die Beschwerdeführerin die für die Ausübung ihres Dienstes erforderlichen charakterlichen Eigenschaften besitzt, hat aus einer Gesamtschau zu erfolgen, weshalb auch zutreffend war, die beiden Vorstrafen in diese Beurteilung einzubeziehen.

Die von der Beschwerdeführerin auch vor dem Verwaltungsgerichtshof wiederholte Argumentation, sie habe die Strumpfhose nur irrtümlich mit sich genommen, und nicht entwenden wollen, ist nicht geeignet, die Tatsache des Bestehens dieser rechtskräftigen Strafverfügung (die zwar kein Urteil im eigentlichen Sinn ist, aber wie ein rechtskräftiges Strafurteil wirkt - Foregger-Serini, MKK StPO4, Anmerkung VI zu § 460, wie auch Anmerkung zu § 461 StPO unter Hinweis auf SSt 13/59) zu beseitigen und es ist vor dem Hintergrund der Sachlage im Beschwerdefall evident, daß eine solche Verurteilung das Vertrauen der Dienstbehörde in die Beschwerdeführerin erheblich mindern muß. Im Beschwerdefall haben sich sowohl die erstinstanzliche Behörde, als auch die Berufungsbehörde sehr wohl mit diesem Einwand der Beschwerdeführerin befaßt, der sie aber, wie sich aus den Bescheiden zweifelsfrei ergibt, nicht überzeugt hat. Ihnen lagen sowohl die Verantwortungen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, als auch der Strafakt vor (wo sie am 6. Dezember 1991 vor der Sicherheitsbehörde angegeben hatte, es sei richtig, daß sie am 22. November 1991 eine Strumpfhose gedankenlos eingesteckt und diese beim Passieren der Kassa nicht bezahlt habe, beziehungsweise gar nicht zur Kassa gegangen sei. Es sei das erste Mal, daß sie einen Ladendiebstahl begangen habe). Bei der Beweiswürdigung konnte die belangte Behörde auch darauf Bedacht nehmen, daß die Beschwerdeführerin bereits zwei Vorverurteilungen aufwies, die auf derselben schädlichen Neigung beruhten. Kam demnach die belangte Behörde auf Grundlage dieser Beweisergebnisse (deren Würdigung nicht den Denkgesetzen oder auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widerspricht) zur Wertung, daß die Beschwerdeführerin nicht vertrauenswürdig sei und auch nicht vertrauenswürdig wäre, wenn die Strafverfügung nicht erlassen worden wäre (zu ergänzen: ohne daß sich ansonsten der zur Beurteilung vorliegende Sachverhalt geändert hätte) kann darin keine Rechtswidrigkeit erblickt werden. Der Umstand, daß es sich bei dem Vorfall, der zur Erlassung der Strafverfügung geführt hat, um das erstmalige Fehlverhalten während des provisorischen Dienstverhältnisses handle, wie die Beschwerdeführerin vorträgt, und in ihrem Verhalten auch im Zusammenhang mit ihrer durchaus positiven Dienstbeschreibung keine negative Grundeinstellung zum Ausdruck komme, wie auch, daß ihr Verhalten allenfalls als "Spontanaktion" zu qualifizieren sei, die nur ein Zeichen einer einmaligen Unüberlegtheit darstelle und auf ihr jugendliches Alter rückführbar sei, vermag (auch angesichts der beiden Vorverurteilungen, darunter einmal wegen schweren Diebstahls), an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

Auf Grundlage dieser zutreffenden Wertung der belangten Behörde erfolgte die Kündigung zu Recht, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr.104/1991.

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