VwGH 92/01/0514

VwGH92/01/05144.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Jänner 1992, Zl. 4.316.104/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AVG §13a;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
AVG §13a;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Jänner 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein Staatsangehöriger des ehemaligen Jugoslawien albanischer Nationalität, der am 26. Mai 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. August 1991 keinen Glauben geschenkt, weshalb sie ihrer Entscheidung ausschließlich die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren am 31. Mai 1991 zugrunde gelegt hat. Der Beschwerdeführer selbst vertritt nicht die Auffassung, daß ihm auf Grund der dabei gemachten Angaben, soweit sie sich auf die Ablehnung seines Ansuchens um ein Studium für die Ausbildung zum Diplomingenieur für Bergwesen und auf seine vergebliche Suche nach einem Arbeitsplatz, beides wegen seiner Nationalität, beziehen, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen gewesen wäre. Er nimmt aber Bezug auf den Teil seiner Angaben, wonach er aus ihm unbekannten Gründen in den letzten zwei Monaten mehrmals zur Polizei vorgeladen worden, jedoch nie hingegangen sei und er sich aus diesen Gründen und weil er Angst gehabt habe, so wie Bekannte bei den Verhören mißhandelt zu werden, entschlossen habe, Jugoslawien zu verlassen.

Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß Vorladungen zur Miliz (bzw. Polizei) für sich allein noch keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bedeuten und die vom Beschwerdeführer geäußerte, lediglich subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung nicht als zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft geeigneter Grund angesehen werden kann. Der Beschwerdeführer konnte den Grund für die an ihn ergangenen Vorladungen nicht nennen, wobei er im übrigen auch in der Berufung keinen Zusammenhang zwischen den Vorladungen, die dabei nicht einmal mehr erwähnt wurden, und den von ihm darin zusätzlich behaupteten Vorfällen hergestellt hat. Die Annahme, dem Beschwerdeführer habe gedroht, daß ihm beim Verhör gleiches widerfahre wie seinen Bekannten, ist - ungeachtet der Frage nach der Vergleichbarkeit seines Falles mit den anderen Fällen - schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Beschwerdeführer gar nicht behauptet hat, daß es bei Verhören von Albanern im ehemaligen Jugoslawien regelmäßig zu Mißhandlungen kommt. Daran vermag auch der allgemeine Hinweis in der Beschwerde auf ständige Menschenrechtsverletzungen im Heimatland des Beschwerdeführers gegenüber Angehörigen seiner Volksgruppe, die (unter anderem auf Grund periodischer Veröffentlichungen von Amnesty International) amtsbekannt wären, nichts zu ändern. Wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerde erstmals geltend macht, daß seine Bekannten lediglich wegen der Teilnahme an Demonstrationen "oder sonstiger politischer Betätigung" zur Polizei vorgeladen und dort mißhandelt worden seien, sowie daß es in seinem Heimatland "häufig auch zu Vorladungen unbescholtener Personen zur Polizei und anschließenden Mißhandlungen der Genannten durch Polizeiorgane kommt, wobei oft kein anderes Motiv als die Zugehörigkeit zu einer Minderheit, insbesondere der albanischen Volksgruppe (Kosovo), vorliegt", so kann auf sich beruhen, ob mit diesem Vorbringen für den Standpunkt des Beschwerdeführers etwas zu gewinnen wäre, weil es gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt, sodaß darauf nicht Bedacht genommen werden kann. Die belangte Behörde war - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht gehalten, "nähere Nachforschungen darüber anzustellen, warum" er "Furcht vor Verfolgung durch die Polizei" in seinem Heimatstaat empfunden habe, und ihn darüber ergänzend zu befragen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar, wobei es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Eine allfällige weitere Ermittlungspflicht der Behörde gemäß § 37 AVG setzt voraus, daß das Vorbringen des Asylwerbers einen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt enthält, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus einem der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe in Betracht kommt (vgl. die Erkenntnisse vom 20. Mai 1992, Zl. 91/01/0216, und vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0187). Ein derartiger Fall lag aber auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Erstbefragung nicht vor.

Der Beschwerdeführer hat in der Berufung - außer, daß es ihm nach Beendigung des Militärdienstes am 19. Dezember 1989 nicht möglich gewesen sei, einen Arbeitsplatz zu finden - vorgebracht, daß er an Demonstrationen teilgenommen habe und dabei von der Polizei geschlagen worden sei, dies nur deswegen, weil er Hämmer gekauft habe, die er nach Hause habe bringen wollen, man ihm jedoch vorgeworfen habe, daß er sie den Demonstranten habe bringen wollen, damit sich diese gegen das Tränengas verteidigen könnten. In der Beschwerde kommt zwar zum Ausdruck, daß die belangte Behörde nach Ansicht des Beschwerdeführers auch dieses Vorbringen - dessen rechtliche Eignung im gegebenen Zusammenhang auf sich beruhen kann - hätte berücksichtigen müssen, indem der Beschwerdeführer die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung bekämpft. Die belangte Behörde hat aber zutreffend auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach die von ihr vorgenommene Würdigung eines sich im Laufe des Instanzenzuges steigernden Vorbringens von Asylwerbern nicht als unschlüssig anzusehen sei (vgl. auch dazu unter anderem das bereits genannte Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0187). Dabei handelt es sich nicht, wie der Beschwerdeführer meint, um "starre Beweisregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von zeitlich aufeinanderfolgendem Vorbringen". Vielmehr kann davon ausgegangen werden, daß Asylwerber erfahrungsgemäß bei der ersten Befragung spontan jene Angaben machen, die der Wahrheit am nächsten kommen (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0181, mit weiteren Judikaturhinweisen). Der Beschwerdeführer hat auch gar keine Erklärung dafür gegeben, aus welchen Gründen bei seiner Erstbefragung weitere (erst in der Berufung enthaltene) Ausführungen unterblieben sind. Auch ohne die vom Beschwerdeführer bestrittene Annahme der belangten Behörde, es liege darin ein Widerspruch, daß der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung angegeben habe, nie mißhandelt worden zu sein, es hingegen in der Berufung heißt, daß er bei Demonstrationen geschlagen worden sei, hätte sie demnach nicht zu einem anderen Bescheid kommen können.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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