VwGH 91/04/0306

VwGH91/04/030631.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde 1) des Dr. KN und 2) der GN in X, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10. September 1991, Zl. 310.691/2-III-3/91, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: E in L), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §52;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs1 Z1;
GewO 1973 §74 Abs1 Z2;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2;
GewO 1973 §77 Abs1;
GewO 1973 §77 Abs2;
AVG §37;
AVG §52;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs1 Z1;
GewO 1973 §74 Abs1 Z2;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2;
GewO 1973 §77 Abs1;
GewO 1973 §77 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.020,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem auf Grund der Berufungen der Beschwerdeführer im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10. September 1991

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer in den in den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 normierten Nachbarrechten verletzt. Sie bringen hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u. a. vor, die belangte Behörde sei offenbar der Ansicht, daß nach Aufhebung eines Konkursverfahrens die gleiche Sach- und Rechtslage wie vor Eröffnung eines Konkurses gegeben sei. Dies sei aber nicht so. Vielmehr sei im höchsten Maße fraglich, ob der frühere Gemeinschuldner nach Aufhebung des Konkurses noch Anlageninhaber sei. Aus dem Verwaltungsakt ergebe sich ja unzweideutig, daß die Anlage zum Teil bereits errichtet sei, sodaß Gegenstand dieses Verfahrens nur die nachträgliche "Konsentierung" der Anlage sei. Regelmäßig werde im Zuge einer Verwertung des Vermögens im Konkursverfahren das vorhandene Vermögen des Gemeinschuldners an dritte Personen veräußert oder auf sonstige Weise die Inhaberschaft übertragen; es sei gerade der Sinn des Konkursverfahrens "die Konkursmasse ... zur gemeinschaftlichen Befriedigung der persönlichen Gläubiger zu verwenden". Selbst im Rahmen eines Zwangsausgleiches werde die Finanzierung durch Veräußerung vorhandenen Vermögens gesichert. Die belangte Behörde verkenne, daß nach Aufhebung eines Konkursverfahrens nicht ohne weiteres von gleicher Vermögenslage des Gemeinschuldners ausgegangen werden könne. Es müsse im Gegenteil eher bezweifelt werden, ob die Inhabereigenschaft am Immobilienvermögen noch aufrecht sei. Nur der Anlageninhaber im Sinne des § 80 GewO 1973 sei aber zur Antragstellung legitimiert (Stolzlechner-Wendl-Zitta, Die gewerbliche Betriebsanlage2, Lexikon Rz 7). Die Frage der Inhaberschaft an der bestehenden Anlage wäre von der Behörde eben genau festzustellen gewesen, und zwar nicht durch bloße Einsicht in die diesbezüglich in keiner Weise aussagekräftigen Kammernachrichten, sondern in den Konkursakt oder zumindest durch Anhörung des Genehmigungswerbers, ob dieser zur Aufrechterhaltung des Genehmigungsansuchens überhaupt noch berechtigt und willens sei. Die Oberflächlichkeit der Bescheidbegründung manifestiere sich schon darin, daß nicht einmal eine ausdrückliche Feststellung zur Rechtskraft der Konkursaufhebung, die ja Voraussetzung für den Wegfall der Konkurswirkungen sei, zutreffe. In weiterer Folge wird in der Beschwerde die Vollständigkeit und Schlüssigkeit der eingeholten Amtssachverständigengutachten in Zweifel gezogen und ausgeführt, daß insbesondere keine Empfehlungen des ärztlichen Amtssachverständigen in den Bescheidauflagen berücksichtigt worden seien. Dem Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen fehle insbesondere auch die Feststellung, wie ein gesundes, normal empfindendes Kind auf den zu erwartenden Lärm reagieren werde (§ 77 Abs. 2 GewO 1973). Ungeachtet dessen behaupte die belangte Behörde - offenbar auf Grund unzutreffender Würdigung der Gutachtensergebnisse -, daß eine unzumutbare Lärmbelästigung ausgeschlossen werden könne. Rechtlich verfehlt sei auch die Ansicht, daß die privaten Zu- und Abfahrbewegungen von Arbeitnehmern der Betriebsanlage nicht zugerechnet werden könnten, weil diese ihre Fahrzeuge mangels eines betriebseigenen Abstellplatzes auf öffentlichem Grund parken müßten. Die Arbeitnehmer gälten als Erfüllungsgehilfen des Anlageninhabers im Sinne des § 74 Abs. 3 GewO 1973. Ihre Zufahrt zum Arbeitsplatz, die jedenfalls als der Art des Betriebes entsprechende Inanspruchnahme der Anlage gelten könne, sei bei der Genehmigung auch dann zu berücksichtigen, wenn die Lärmbelästigung außerhalb der Betriebsanlage selbst verursacht werde. Gänzlich ungeprüft geblieben sei die Frage, wo die Arbeitnehmer und Kunden überhaupt ihre Fahrzeuge abstellen könnten; auf der öffentlichen Straße sei dies weder möglich noch zulässig, da diesfalls ein zweispuriger Verkehr unmöglich würde. Auf Grund der völlig atypischen Situation, daß weder für die eigenen Arbeitnehmer noch für Kunden Stellplätze vorhanden seien, ja daß nicht einmal für die Lieferanten ein Stellplatz mit einer gewissen Mindestgröße vorgeschrieben worden sei, müsse davon ausgegangen werden, daß es notgedrungen zu verkehrsbeeinträchtigenden Fahrzeugabstellungen und daraus resultierend zu lärmintensiven Rangier- und Startvorgängen im Bereich der Betriebsanlage komme. Damit sei eine zusätzliche Lärm- und Geruchsbelästigung zu befürchten. Weiters werde in der Bescheidauflage unter Punkt 11. zwar die Errichtung eines befestigten Abstellplatzes für Lieferfahrzeuge vorgeschrieben, ohne jedoch zumindest eine bestimmte Fläche vorzuschreiben. Diese Auflage sei damit weder geeignet, Lärm- und Geruchsbelästigungen zu mindern, noch ausreichend präzisiert, noch auch in dieser unbestimmten Form durchsetzbar. Die Rechtsausführungen der belangten Behörde seien auch insofern irrig, als eine Auseinandersetzung mit entscheidungswesentlichen Kriterien des Beurteilungsmaßes und des Istmaßes gänzlich unterblieben seien.

Zunächst ist in Ansehung der unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des vorangeführten aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1990, Zl. 90/04/0186, im angefochtenen Bescheid enthaltenen Begründungsdarlegungen grundsätzlich auszuführen, daß der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner nachprüfenden Kontrolle keine eigenen Feststellungen im Sachverhaltsbereich auf Grund der in der Bescheidbegründung von der belangten Behörde bezogenen Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens zu treffen hatte bzw. konnte, sondern seine Kontrollfunktion lediglich auf Grund entsprechender Feststellungen in der Bescheidbegründung durchzuführen in der Lage ist. Ungeachtet der sich aus der Beschwerderüge im vorbezeichneten verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Zusammenhalt mit der dargestellten Aktenlage ergebenden Hinweise auf ein gegen die mitbeteiligte Partei eingeleitetes Konkursverfahren fehlten aber in Verkennung des diesbezüglichen auch für das Betriebsanlagengenehmigungsverfahren relevanten Umstandes damit im Zusammenhang stehende Feststellungen in dem vom vorangeführten aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes betroffenen Bescheid der belangten Behörde. Ausgehend von den im nunmehr angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen über die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung auf Grund der erfolgten Konkursaufhebung weggefallenen Wirkungen der Konkurseröffnung läßt daher die Annahme der belangten Behörde über die sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gegebene Antragslegitimation der mitbeteiligten Partei eine rechtswidrige Gesetzesanwendung nicht erkennen. Die in diesem Zusammenhang ohne Bezugnahme auf etwa entgegenstehende konkrete Sachverhaltsumstände erhobene Beschwerderüge ist nicht geeignet, die betreffenden behördlichen Annahmen in Zweifel zu setzen. Gleichartige Überlegungen gelten auch für die in bezug auf die "Inhabereigenschaft" der mitbeteiligten Partei bloß Möglichkeiten ins Auge fassende Beschwerdedarlegungen, wobei in rechtlicher Hinsicht darauf hinzuweisen ist, daß - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits unter Hinweis auf § 80 Abs. 4 GewO 1973 in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 1985, Zl. 84/04/0202, dargetan hat, der Frage der "Inhabereigenschaft" in Hinsicht auf die Antragslegitimation zur Genehmigung einer Betriebsanlage im Sinne der §§ 74 ff GewO 1973 nur dann rechtliche Relevanz zukommt, wenn eine derartige Antragstellung in Ansehung einer bereits bestehenden, als Betriebsanlage zu qualifizierenden Einrichtung erfolgt. Dafür, daß aber selbst bei dieser Sachverhaltsannahme die Inhabereigenschaft der mitbeteiligten Partei in Ansehung der hier in Rede stehenden Betriebsanlage nicht gegeben sei, ergeben die entsprechenden Beschwerdedarlegungen keine ausreichenden Anhaltspunkte.

Der Beschwerde kommt aber im Hinblick auf folgende Überlegungen Berechtigung zu:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung sind im vorliegenden Fall die hier relevanten (materiellen) Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, anzuwenden.

Gemäß § 74 Abs. 2 leg. cit. dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, 1. das Leben oder die Gesundheit der Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte, 2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder in anderer Weise zu belästigen. ...

Nach § 77 Abs. 1 leg. cit. ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die Betriebsanlage darf nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder das Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist. ...

Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die Frage, ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

Nach der Bestimmung des § 77 GewO 1973 ist somit zwischen der Erwartung, daß eine Gefährdung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 ausgeschlossen ist (vgl. hiezu u.a. die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0047), einerseits, und der Erwartung, daß Belästigungen auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, andererseits, zu unterscheiden. Die vorangeführten Kriterien der Zumutbarkeit im Sinne des § 77 Abs. 2 GewO 1973 sind nur in Ansehung des Tatbestandselementes der Belästigung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 von rechtlicher Relevanz, sie haben hingegen in Ansehung des Tatbestandsmerkmales der Gefährdung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. außer Betracht zu bleiben.

Die danach anzuwendenden objektiven Beurteilungsmaßstäbe bilden ohne Einschränkung auf einzelne sie bestimmende Kriterien jeweils auch ihrem gesamten Inhalt nach die Grundlage bei Prüfung der sich nach § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 im Zusammenhalt mit § 356 Abs. 3 GewO 1973 ergebenden subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte. Dies gilt somit entgegen der Annahme der belangten Behörde auch in Ansehung der kumulativen Tatbestandsmerkmale des § 77 Abs. 2 GewO 1973 "gesundes, normal empfindendes Kind und gesunder, normal empfindender Erwachsener", die als solche unabhängig von der Person des jeweiligen Nachbarn in ihrer Gesamtheit die von der Behörde bei Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit nach dieser Gesetzesstelle heranzuziehende Richtlinie darstellen.

Bei Beurteilung eines Sachverhaltes darauf hin, ob eine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn (§ 77 Abs. 1 GewO 1973 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z. 1 leg. cit.) vorliegt, handelt es sich, ebenso wie bei Beurteilung der Zumutbarkeit der Belästigungen der Nachbarn (§ 77 GewO 1973 i.V.m. § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit.) um die unter Beachtung der vorstehend dargestellten Kriterien vorzunehmende Lösung einer Rechtsfrage. Das Ergebnis der Beweisaufnahme durch Sachverständige (§ 52 AVG) bildet lediglich ein Element des für die Erlassung des Bescheides maßgebenden Sachverhaltes (§§ 37 und 56 AVG). Das Merkmal "Gefährdung der Gesundheit" ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff. Ein entscheidender Ansatzpunkt für seine Auslegung ergibt sich aus der Unterscheidung zwischen der Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn und der Belästigung der Nachbarn. Dementsprechend ist die Gefährdung der Gesundheit eine Einwirkung auf den menschlichen Organismus, die in Art und Nachhaltigkeit über eine bloße Belästigung hinausgeht. Die Abgrenzung ist von der Behörde im Rechtsbereich jeweils unter Heranziehung von dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Sachverständigenaussagen vorzunehmen (vgl. hiezu u. a. die Darlegungen im vorangeführten hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1988, Zl. 88/04/0138).

Die Feststellung, ob die (sachverhaltsbezogenen) Voraussetzungen für die Genehmigung vorliegen, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußeren, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt, fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen, die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend der in diesem Zusammenhang im § 77 Abs. 2 GewO 1973 enthaltenen Tatbestandsmerkmale auszuüben vermögen. Auf Grund der Sachverständigengutachten hat sich sodann die Behörde im Rechtsbereich ihr Urteil zu bilden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1991, Zl. 90/04/0199, und die dort zitierte weitere

hg. Rechtsprechung).

Die belangte Behörde hatte daher unter Bedachtnahme auf die dargestellte Rechtslage vorerst zu beurteilen, ob zu erwarten ist, daß eine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn ausgeschlossen ist. Erst dann, wenn zu erwarten gewesen wäre, daß eine derartige Gefährdung ausgeschlossen ist, wäre es der Behörde oblegen zu prüfen, ob zu erwarten ist, daß Belästigungen der Nachbarn auf ein zumutbares Maß beschränkt würden. Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde bei ihrem rechtlichen Schluß, wonach die Errichtung und der Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage sowohl nach den Maßstäben eines gesunden, normal empfindenden Menschen als auch nach den örtlichen Verhältnissen als für die Nachbarn zumutbar und daher zulässig anzusehen sei, davon aus, daß der ärztliche Amtssachverständige festgestellt habe, die beschriebenen Lärmimmissionen würden bei einem dem Genehmigungsantrag zugrundeliegenden Betriebsumfang und bei Einhaltung der Auflagen weder zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit noch zu einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Beschwerdeführer führen. Hiebei sei es nicht relevant, daß der ärztliche Amtssachverständige bei seiner medizinischen Beurteilung von einem "normal empfindenden Menschen" als Bezugsperson ausgegangen sei, da er nicht nach dem Lebensalter unterschieden habe und die Beurteilung der Zumutbarkeit der Immissionen daher auch hinsichtlich eines gesunden, normal empfindenden Kindes aufrechterhalten werden könne. Sie ließ hiebei jedoch schon im Sinne der vordargestellten Rechtslage unbeachtet, daß die Frage der "Gefährdung des Lebens und der Gesundheit u.a. von Nachbarn" mangels einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung nicht nach dem Maßstab eines "normal empfindenden Menschen" bzw. eines "gesunden, normal empfindenden Menschen" zu beantworten ist, sondern daß hiebei im Sinne der obigen Darlegungen ohne Abstellung auf derartige im Gesetz nicht vorgesehene Kriterien von einer dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden, objektiven Gegebenheiten Rechnung tragenden Durchschnittsbetrachtung auszugehen ist.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon in Hinsicht darauf mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß sich das Erfordernis einer Erörterung des weiteren, hier nicht behandelten Beschwerdevorbringes ergab; für das fortgesetzte Verfahren wird jedoch in Ansehung der zu beurteilenden Verkehrsvorgänge im Zusammenhalt mit der Bestimmung des § 74 Abs. 3 GewO 1973 auf die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 23. April 1991, Zl. 90/04/0281, hingewiesen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991; die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den geltend gemachten, nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand.

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