Normen
ABGB §5;
ASVG §67 Abs10 idF 1986/111;
ASVG §67 Abs10 idF 1989/642;
ASVG §67 Abs10;
AusgleichsO §48;
AusgleichsO §53;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §56;
BAO §80;
BAO §9;
KO idF vor 1. 7. 2010 §151;
KO idF vor 1. 7. 2010 §156;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §49 Abs1;
ABGB §5;
ASVG §67 Abs10 idF 1986/111;
ASVG §67 Abs10 idF 1989/642;
ASVG §67 Abs10;
AusgleichsO §48;
AusgleichsO §53;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §56;
BAO §80;
BAO §9;
KO idF vor 1. 7. 2010 §151;
KO idF vor 1. 7. 2010 §156;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §49 Abs1;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit gleichlautenden Bescheiden vom 6. Juni 1989 stellte die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse fest, daß die Beschwerdeführer als Geschäftsführer gemäß den §§ 67 Abs. 10 und 83 ASVG verpflichtet seien, der Mitbeteiligten die auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin prot. Fa. M-GmbH. (im folgenden GmbH.) rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 1. Juni 1989) im Betrag von S 260.878,13 zuzüglich Verzugszinsen seit 2. Juni 1989 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von S 207.506,70, binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Nach der Begründung seien die im angeschlossenen Rückstandsausweis vom 1. Juni 1989 ausgewiesenen Beiträge samt Nebengebühren bisher trotz Fälligkeit und Mahnung nicht entrichtet worden. Die Beschwerdeführer seien als Geschäftsführer zur Vertretung des Beitragsschuldners (der GmbH.) berufen. Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehöre es, dafür zu sorgen, daß die Beiträge bei Fälligkeit entrichtet würden. Da dies schuldhaft unterblieben sei, sei die Haftung für die Beiträge samt Nebengebühren auszusprechen und gemäß § 410 Abs. 1 Z. 4 ASVG der vorliegende Bescheid zu erlassen gewesen.
Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer Einspruch erhoben.
1.2. Mit den - gleichlautenden - angefochtenen Bescheiden wurden die Einsprüche gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen und die Bescheide der Gebietskrankenkasse bestätigt.
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf das Einspruchsvorbringen der Beschwerdeführer, wonach diese vorgebracht hätten, daß die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse geltend gemachte Forderung im Ausmaß der Ausgleichsquote von 40 Prozent voll befriedigt worden sei. Ein Verschulden der Beschwerdeführer sei auszuschließen, da die Beitragszahlungen für Dezember 1987 und Jänner 1988 zum Zeitpunkt der Ausgleichseröffnung noch unberichtigt gewesen seien und die Bezahlung dieser Beiträge unmittelbar vor Einbringung des Antrages auf Ausgleichseröffnung einer Gläubigerbegünstigung gleichgekommen wäre. Die Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG sei außerdem lediglich eine Ausfallshaftung des Geschäftsführers. In diesem Sinne habe auch der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Aufhebung des § 67 Abs. 10 ASVG erkannt. Darüberhinaus werde auch die Höhe des Beitrages bekämpft, da die Ausgleichsquote geleistet worden sei und außerdem eine Differenz zwischen dem im Ausgleich angemeldeten Betrag für Jänner 1988 und dem im Rückstandsausweis angeführten Betrag bestehe.
Diesem Vorbringen hielt die belangte Behörde zunächst die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, wonach es Sache des Geschäftsführers einer GmbH sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. Der Geschäftsführer hafte für nichtentrichtete Sozialversicherungsbeiträge auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung stünden, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, daß er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet habe und die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten. Der Beschwerdeführer habe in der Verhandlung vom 4. August 1989 im wesentlichen angegeben, daß die Löhne und Gehälter der bei der GmbH. beschäftigten Arbeiter und Angestellten im Zeitraum Dezember 1987 und Jänner 1988 zur Gänze bezahlt worden seien. Auch die Mieten seien für diesen Zeitraum zur Gänze beglichen worden. Von den Lieferanten seien diejenigen bezahlt worden, die auf Bezahlung bestanden hätten. Andere Lieferanten seien mit Verzögerung bzw. diejenigen, bei denen hohe Rückstände vorhanden gewesen sein, überhaupt nicht mehr bezahlt worden. Teilweise seien auch Sozialversicherungsbeiträge bezahlt worden; diese seien jedoch bei Fälligkeit nicht mit 100 Prozent beglichen worden. Treibstoffkosten seien darüberhinaus bar bezahlt worden, allerdings hafteten beim Finanzamt S 4,000.000,-- aus. Da ein Interesse daran bestanden habe, den Betrieb weiterzuführen, seien Löhne, notwendigen Materialien sowie Miete etc., also alle für die Erhaltung des Betriebes wesentlichen Ausgaben weiter bezahlt worden.
Auf Grund dieses Sachverhaltes, insbesondere des Umstandes, daß im Haftungszeitraum Verbindlichkeiten der genannten Firma, wie z.B. Löhne, Miete, Lieferanten, Treibstoffkosten, zu 100 Prozent befriedigt worden seien, fällige Sozialversicherungsbeiträge einen derart hohen Befriedigungsgrad jedoch nicht erreicht hätten, vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß die Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zur Haftung heranzuziehen seien.
Auf das Vorbringen im Einspruch, die Begünstigung des Ausgleiches habe die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angemeldete Forderung im gesamten Ausmaß betroffen, erwiderte die belangte Behörde, daß die Wirkungen des Ausgleiches ausschließlich nur der GmbH. gegenüber zum Tragen kämen. Der Ausgleich sei nur mit der Beitragsschuldnerin, nicht jedoch auch mit deren Geschäftsführern abgeschlossen worden. Den Geschäftsführern als gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haftenden Personen komme die schuldbefreiende Wirkung des Ausgleiches nicht zugute, weshalb seine Haftung für die noch unberichtigten Beiträge in der Höhe von 60 Prozent der Ausgleichsquote nach wie vor weiterbestehe. Im übrigen sei festzuhalten, daß die Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG nach der derzeit in Geltung stehenden Gesetzeslage keineswegs eine Ausfallshaftung darstelle.
Was den Einwand anlange, der Verfassungsgerichtshof habe die Verfassungswidrigkeit der Haftung der zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen festgestellt, so sei darauf zu verweisen, daß die entsprechende Aufhebung erst mit Ablauf des 28. Februar 1990 in Kraft trete. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 41. Novelle weiter anzuwenden.
Der Einwand, daß das Ausgleichsverfahren einzig und allein durch die Nichtbezahlung ordnungsgemäß erbrachter Leistungen von dritter Seite herbeigeführt worden sei, könne an der Haftung der Beschwerdeführer nichts ändern. Was das Vorbringen anlange, die Beitragsforderungen bestünden nicht mehr in voller Höhe, da die Ausgleichsquote geleistet worden sei, so sei festzustellen, daß die Zahlungen aus dem Ausgleich auf den ältesten Rückstand, das sei die Abrechnung Dezember 1987, verbucht worden sei. Daher sei im Bescheid für Dezember 1987 nur mehr ein Rest von S 54.376,87 enthalten. Zum Einwand, es wäre ein Betrag von S 153.308,90 im Ausgleichsverfahren angemeldet worden, im Rückstandsausweis sei aber ein Betrag von S 153.129,83 angeführt, bemerkte die belangte Behörde, daß für die Abrechnung Jänner 1988 eine Gutschrift in der Höhe von S 179,07 erfolgt sei, weshalb sich der Betrag vermindert habe.
1.3. Gegen diese Bescheide richten sich die lediglich wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobenen (und zu den Zlen. 89/08/0321 und 89/08/0322 protokollierten) Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof.
1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - Gegenschriften erstattet.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zu verbinden, und darüber erwogen:
2.1. § 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 41. Novelle, BGBl. 1986/111, bestimmt:
"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge aus Verschulden des Vertreters nicht bei Fälligkeit entrichtet werden."
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 9. März 1989, G 163/88 und Folgezahlen, die Worte "zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die" in § 67 Abs. 10 ASVG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des 28. Februar 1990 in Kraft tritt. Da der dem Beschwerdefall zugrundeliegende Tatbestand jedoch vor der Aufhebung verwirklicht worden ist und es sich um keinen Anlaßfall handelt, ist die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesstelle im Beschwerdefall gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG weiterhin anzuwenden.
2.2. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist zunächst das Vorbringen der Beschwerdeführer, die Haftung des Geschäftsführers nach § 67 Abs. 10 ASVG sei auf eine Ausfallshaftung beschränkt, unrichtig. Eine solche Haftung wurde erst mit der - im Beschwerdefall noch nicht anzuwendenden - 48. Novelle zum ASVG, BGBl. 1989/642, geschaffen. Danach haften unter anderem die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesem zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten NICHT EINGEBRACHT WERDEN KÖNNEN. Für die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 41. Novelle ist es hingegen unbeachtlich, ob die offenen Beiträge vom Beitragsschuldner eingebracht werden können oder nicht. Der Haftungseintritt ist dabei bloß an die Nichtentrichtung der Beiträge bei Fälligkeit aus Verschulden des Vertreters geknüpft (vgl. Bartos, Die geänderte Haftungsbestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG, Soziale Sicherheit 1990, Seite 297 ff).
Nicht zielführend ist auch das in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach der Haftungsbescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erst zu einem Zeitpunkt erlassen worden sei, als diese ihre Forderungen bereits im Ausgleichsverfahren angemeldet und einer Quotenverteilung von 40 Prozent zugestimmt habe. Die Restforderung von 60 Prozent stelle deshalb eine Naturalobligation dar, die nicht vom "Sekundärschuldner" gefordert werden könne.
Die damit zum Ausdruck kommende Auffassung der Beschwerdeführer, die Schuldtilgungswirkung des Ausgleiches müsse allen zugutekommen, die für Gesellschaftsschulden haften, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, verworfen. Er hat dabei auf die die Wirkung eines Ausgleiches (bzw. Zwangsausgleiches) regelnden Bestimmungen der §§ 48 der Ausgleichsordnung (und 151 der Konkursordnung) hingewiesen, wonach die Rechte der (Konkurs)gläubiger gegen Bürgen oder Mitschuldner des (Gemein)schuldners sowie gegen Rückgriffsverpflichtete ohne ausdrückliche Zustimmung der Berechtigten durch den (Zwangs)ausgleich nicht beschränkt werden können. Davon enthielten die §§ 73 Abs. 2 und 74 der Ausgleichsordnung bzw. 164 Abs. 2 und 164 a der Konkursordnung Ausnahmen hinsichtlich der persönlich haftenden Gesellschafter (bzw. gewesenen Gesellschafter) von Handelsgesellschaften. Unter den von den Beitragsschuldnern "zu entrichtenden Beiträgen" im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG seien die Beiträge im Sinne des § 58 Abs. 2 ASVG zu verstehen, nicht aber eine (restliche) Beitragsschuld, die sich im Zuge eines gerichtlichen Ausgleiches ergeben würde.
2.3. Auch das weitere Vorbringen in den Beschwerden ist nicht geeignet diesen zum Erfolg zu verhelfen.
2.3.1. So bringen die Beschwerdeführer etwa vor, notwendige Zahlungen, wie etwa Löhne, Benzinspesen und notwendige Materiallieferungen hätten bezahlt werden müssen, da sonst eine Fortführung des Betriebes nicht möglich gewesen wäre. Um über Aufträge zumindest teilweise Geld hereinzubekommen, hätten auch die Arbeiter bezahlt werden müssen. Bei anteiliger Befriedigung sämtlicher Forderungen wäre die Eröffnung eines Konkursverfahrens unvermeidlich gewesen. Die Notwendigkeit eines gerichtlichen Ausgleichsverfahrens sei auch nicht im Verschulden der Geschäftsführung gelegen, sondern einzig und allein darauf zurückzuführen, daß ordnungsgemäß erbrachte Leistungen von dritter Seite nicht bezahlt worden seien.
2.3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließt die Verpflichtung des Geschäftsführers, für die rechtzeitige Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge namens der Beitragsschuldnerin Sorge zu tragen, die Verpflichtung ein, diese Schulden nicht schlechter zu behandeln als die übrigen aus den von ihm verwalteten Vermögen zu begleichenden Verbindlichkeiten, es sei denn, es bestünde eine rechtliche Grundlage für die bevorzugte Behandlung dieser Verbindlichkeiten; eine Verpflichtung, die Beitragsschulden (zeitlich oder dem Ausmaß nach) bevorzugt zu erfüllen, besteht freilich nicht. Gegen die umschriebene Gleichbehandlungspflicht verstößt der Geschäftsführer, der Beitragsschulden bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet, auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Beitragsschuldnerin zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel nicht anteilig für die Begleichung aller (im obigen Sinn gleichzubehandelnden) Verbindlichkeiten verwendet und DADURCH die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt hat; insoweit ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt. Daraus folgt, daß deren Geschäftsführer, der die Beitragsschulden aus den ihm im maßgeblichen Zeitraum zur Verfügung stehenden Mitteln (zumindest) anteilig entrichtet, keine Haftung für den Differenzbetrag trifft, auch wenn er einen Teil der übrigen Verbindlichkeiten über das anteilige Ausmaß hinaus, andere hingegen gar nicht erfüllt hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217). Für die Frage, ob die Beschwerdeführer der dargestellten Gleichbehandlungspflicht entsprochen haben oder nicht, sind daher ihre Ausführungen, die sich auf die wirtschaftliche Situation der Beitragsschuldnerin bzw. die drohende Eröffnung eines Konkursverfahrens beziehen, unbeachtlich.
2.4. Auf der Grundlage des von der belangten Behörde ermittelten Sachverhaltes kann aber die entscheidungswesentliche Frage, ob die Beschwerdeführer dadurch, daß sie im relevanten Zeitraum (Dezember 1987 und Jänner 1988) einige Verbindlichkeiten nicht, andere zur Gänze, die Beitragsschulden jedoch zumindest teilweise befriedigt haben, gegen die Gleichbehandlungspflicht verstoßen haben, in einer der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Weise nicht beantwortet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat dieser wesentliche Mängel des Verwaltungsverfahrens auch ohne Antrag in der Beschwerde wahrzunehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Februar 1948, Zl. 567/46, VwSlg. 321/A, und vom 14. September 1984, Zl. 84/02/0030).
2.4.1. Unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Rechtsprechung zur abgabenrechtlichen Haftung (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 19. Juni 1985, VwSlg. 6012/F und vom 6. März 1989, Zl. 88/15/0063) ist es auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, daß er seiner Pflicht schuldhafter Weise nicht nachgekommen ist.
Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast einerseits nicht überspannt, andererseits nicht so aufgefaßt werden, daß die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Hat der Geschäftsführer nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, so hat ihn die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es ihr - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - ermöglichen zu beurteilen, ob der Geschäftsführer ohne Verstoß gegen die ihm obliegende Gleichbehandlungspflicht vorgegangen ist und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 10. Juni 1980, VwSlg. 5494/F und vom 26. Juni 1989, Zlen. 88/15/0065, 89/15/0037). Kommt freilich der haftungspflichtige Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur oben angeführten Annahme berechtigt, daß er seiner Pflicht schuldhafter Weise nicht nachgekommen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 16. Dezember 1986, Zlen. 86/14/0077). Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer dann für die (von der Haftung betroffenen) Beitragsschulden zur Gänze (vgl. die Erkenntnisse vom 22. Februar 1989, Zl. 85/13/0214, und vom 30. Mai 1989, Zl. 89/14/0043).
2.4.2. Die belangte Behörde hat den Verstoß gegen die Gleichbehandlungspflicht im wesentlichen auf den Umstand gegründet, daß im Haftungszeitraum Verbindlichkeiten der GmbH., wie z.B. Löhne, Miete, Lieferanten- und Treibstoffkosten, zu 100 Prozent befriedigt worden seien, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in Bezug auf die fälligen Sozialversicherungsbeiträge jedoch nicht einen derartig hohen Befriedigungsgrad erreicht habe.
Auf Grund dieser Behandlung der offenen Verbindlichkeiten allein durfte die belangte Behörde aber bei Berücksichtigung des übrigen Vorbringens des Beschwerdeführers nicht mängelfrei annehmen, daß eine Gleichbehandlung der Beitragsschulden mit anderen Verbindlichkeiten nicht erfolgt und die Beschwerdeführer deshalb zur Haftung im ausgesprochenen Ausmaß heranzuziehen seien. Die belangte Behörde hat nämlich nicht berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 4. August 1989 angegeben hat - worauf auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides hingewiesen wird -, daß etwa Lieferanten, bei denen hohe Rückstände vorhanden gewesen seien, überhaupt nicht mehr bezahlt worden seien.
Die Beschwerdeführer verstießen nämlich nicht schon deshalb gegen die Gleichbehandlungspflicht, weil sie einen Teil der offenen Verbindlichkeiten zur Gänze, die Beitragsschulden aber nur zum Teil entrichteten. Unter Bedachtnahme darauf, daß sie andere Verbindlichkeiten nicht einmal teilweise erfüllten, könnte vielmehr hinsichtlich der Beitragsschulden ohnedies eine dem Anteil der Beitragsschulden an den im jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt offenen und fälligen Gesamtverbindlichkeiten entsprechende anteilige Bezahlung aus den jweils verfügbaren Barmitteln vorliegen (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0217).
Im Sinne der Ausführungen zur Behauptungs- und Beweislast des Geschäftsführers hätte die belangte Behörde dieses keineswegs nur allgemeine, sondern doch auf die konkreten Vorwürfe bezogene, wenn auch in der protokollierten Form (noch) nicht ausreichende Vorbringen des Beschwerdeführers zum Anlaß nehmen müssen, ihn durch entsprechende Fragestellungen in der mündlichen Verhandlung zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung (insbesondere auch hinsichtlich der Höhe der im jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zur Verfügung stehenden Barmittel) zu verhalten, die es ihr ermöglicht hätte zu beurteilen, ob (und in welchem Ausmaß) die offenen Beitragsschulden nicht anteilig entrichtet wurden. In dieser Unterlassung liegt ein relevanter Verfahrensmangel.
2.5. Auf Grund dieser Erwägungen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
2.6. Aus Gründen der Verfahrensökonomie verweist der Gerichtshof darauf, daß im fortgesetzten Verfahren § 67 Abs. 10 in der Fassung der 41. Novelle, BGBl. 1986/111, weiterhin anzuwenden sein wird (vgl. dazu die Ausführungen im Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0177).
2.7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze BGBl.1991/104, die mit ihrem Art. III Abs. 2 anzuwenden war. Die geltend gemachten Bundesstempel konnten im Hinblick auf die auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geltende sachliche Abgabenfreiheit des § 110 ASVG nicht zugesprochen werden. Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand konnte ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden.
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