VwGH 89/14/0043

VwGH89/14/004330.5.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des WT in S, vertreten durch Dr. Gerhard Delpin, Rechtsanwalt in Leoben, Roseggerstraße 15, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 4. Jänner 1989, Zl. B 53‑6/86, betreffend Haftung für Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zu diesem Beitrag sowie Säumniszuschläge, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1393
BAO §119 Abs1
BAO §77 Abs2
BAO §80
BAO §80 Abs1
BAO §81 Abs1
BAO §9
BAO §9 Abs1
KO §1
KO §27
KO §28
KO §30
KO §31
StGB §156
StGB §158
StGB §159

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989140043.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen am 28. Jänner 1985 der Konkurs eröffnet wurde; dieser wurde nach Verteilung des Massevermögens am 23. Oktober 1986 aufgehoben. Es blieben Abgaben von fast S 2 Mio unberichtigt. Für einen Teilbetrag hievon im Ausmaß von rund 1,32 Mio S (Umsatzsteuer für 1981, 1983 und Jänner bis August sowie November 1984, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag hiezu jeweils für 1983 sowie Jänner bis September 1984 sowie Säumniszuschläge 1984 und 1985) aus der Zeit vor Konkurseröffnung wurde der Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug (Haftungsbescheid des Finanzamtes vom 28. Februar 1985) ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gemäß §§ 9,

80 BAO als Geschäftsführer zur Haftung herangezogen. Der Abgabenrückstand sei im Hinblick auf die Verteilung des Massevermögens vom Abgabenschuldner uneinbringlich. Der Beschwerdeführer habe keine Gründe dargetan, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflicht, die Abgaben zu entrichten, unmöglich gewesen sei. Er habe weder dafür gesorgt, daß die gesetzlichen Aufzeichnungen geführt, noch dafür, daß Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Lohnsteuervoranmeldungen abgegeben würden. Die Unterlagen habe er nach Rückstellung durch den Masseverwalter vernichtet. Eine abgabenbehördliche Nachschau habe ergeben, daß im Nachschauzeitraum (29. November 1984 bis 28. Jänner 1985) Barabhebungen von fast S 520.000,-- erfolgt seien. Dieses Geld sei zur Abdeckung anderer Forderungen verwendet worden. 1983 habe der Beschwerdeführer sämtliche Kundenforderungen der GmbH an ein Bankinstitut zediert (Mantelzession) und hiedurch die Abgabenschulden eindeutig schlechter behandelt als die Kreditschuld. Er habe die Eingänge an Umsatzsteuer von der Zession nicht ausgenommen. Der Aufforderung, für den Haftungszeitraum vierteljährliche Liquiditätsaufstellungen der GmbH sowie einen vierteljährlichen Finanz- und Zahlungsplan zum Nachweis dafür vorzulegen, daß er bei den geleisteten Zahlungen die Abgabenforderungen nicht benachteiligt habe, sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Er habe bei den Lohnzahlungen § 78 Abs. 3 EStG nicht beachtet. Die Zahlungen des Drittschuldners an das Finanzamt aus von diesem gepfändeten Forderungen der GmbH gegen einen Kunden seien saldomäßig auf den jeweils ältesten Abgabenrückstand verbucht worden - der Beschwerdeführer habe daher nicht damit rechnen können, daß durch die Überweisungen dieses Kunden an das Finanzamt die Abgabenschuldigkeiten der GmbH anteilsmäßig befriedigt oder die Überweisungen zur Tilgung von laufend anfallenden Selbstbemessungsabgaben verwendet würden. Ein Irrtum des Beschwerdeführers hierüber sei auszuschließen. Der Beschwerdeführer habe sich auch nicht auf gegenteilige Auskünfte einer ehemaligen Angestellten der GmbH verlassen dürfen, weil er sich bei Ungewißheit an das Finanzamt um Auskunft hätte wenden müssen. Daß der Beschwerdeführer die vorhandenen Mittel anteilig zur Befriedigung der Abgabenschuld herangezogen habe, habe er nicht nachgewiesen.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht verletzt, zur Haftung nicht herangezogen zu werden. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt auszusprechen, daß eine Haftung für die im Haftungsbescheid angeführten bzw. für sonstige Abgabenschuldigkeiten der GmbH nicht bestehe, allenfalls der belangten Behörde neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufzutragen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Abgabenbehörde hätte nachzuweisen gehabt, daß die GmbH im Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschulden über Mittel verfügt habe, die sie in die Lage versetzt hätte, die entstehenden Abgabenschuldigkeiten zur Gänze, allenfalls teilweise abzudecken, ist unrichtig:

Es ist Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. VwSlg. 1003 F/1954, VwSlg. 5494 F/1980, Verwaltungsgerichtshof 25. Februar 1983, 81/17/0079 = ÖStZB 1983, 363; 13. November 1987, 85/17/0035 = ÖStZB 1988, 280; 13. September 1988, 87/14/0148 = ÖStZB 1989, 140). In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO) die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 BAO) wie den Abgabepflichtigen, sodaß er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat.

Nicht die Abgabenbehörde hat daher das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Außerdem hat er darzutun, daß er die Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (Verwaltungsgerichtshof 17. September 1986, Zl. 84/13/0198 = ÖStZB 1987, 178).

Aus der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH ergibt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht, daß der GmbH die Mittel zur Begleichung der Abgabenschulden (im maßgeblichen Zeitraum) gefehlt hätten. Entscheidend für die Pflichtverletzung des Geschäftsführers ist nämlich nicht der Zeitpunkt der Konkurseröffnung, sondern der Zeitraum, in dem der Geschäftsführer mit der Entstehung der Abgabenforderungen rechnen mußte. Für diesen gesamten Zeitraum gibt jedoch der Vermögens- und Liquiditätsstand im Zeitpunkt der Konkurseröffnung allein keinen Aufschluß.

Der Beschwerdeführer behauptet, die Unterlassung amtswegiger Beischaffung der Konkursakten stelle einen Verfahrensmangel dar, weil sich aus diesen die Summe der Verbindlichkeiten hätte ermitteln lassen, um gegebenenfalls feststellen zu können, in welchem Ausmaß doch anteilig Abgabenschuldigkeiten bezahlt worden seien:

Dabei übersieht der Beschwerdeführer, daß die Forderungsanmeldungen im Konkurs keinen Aufschluß darüber geben, in welcher Weise der Beschwerdeführer vor Konkurseröffnung Mittel der Gesellschaft zur Begleichung anderer als Abgabenverbindlichkeiten verwendet hat. Die belangte Behörde war daher nicht verpflichtet, einen aussichtslosen und überdies unzulässigen Erkundungsbeweis durch Beischaffung und Einsichtnahme in Konkursakten durchzuführen.

Da laut den Feststellungen der belangten Behörde bereits für 1981 und den Zeitraum Jänner bis September 1982 zusammen rund S 650.000,-- zuwenig an Umsatzsteuer bezahlt wurden, wurde dem Beschwerdeführer zu Recht der Abschluß des Mantelzessionsvertrages im Jahre 1983 als pflichtwidrige Benachteiligung von Abgabenforderungen angelastet, zumal er bei Abschluß dieses Vertrages nicht Vorsorge dafür getroffen hatte, daß die in den eingehenden Kundenzahlungen enthaltene Umsatzsteuer dem Finanzamt auch tatsächlich abgeführt wird. Der Zeitpunkt des Mantelzessionsvertrages und der Umstand, daß im Haftungsbetrag Umsatzsteuer aus 1982 nicht mehr enthalten ist, spricht keineswegs gegen die von der belangten Behörde angenommene Pflichtverletzung. Der Beschwerdeführer selbst hat behauptet, die GmbH habe sich schon seit dem Jahre 1981 in Zahlungsschwierigkeiten befunden. Er hat daher ausgehend von der im Zeitpunkt der Zession vorliegenden wirtschaftlichen Situation der GmbH als deren Geschäftsführer schon durch die Genehmigung des Mantelzessionsvertrages gegen die Pflicht verstoßen, die Benachteiligung von Abgabenforderungen, die bereits bestanden und die in Zukunft entstehen mußten, zu vermeiden (Verwaltungsgerichtshof 17. Jänner 1989, 88/14/0193).

Die Beschwerdebehauptung: „Im übrigen ergibt sich ja schon aus dem Mantelzessionsvertrag, dessen Rechtsnatur und der Darstellung des Beschwerdeführers, daß aus den eingehenden Forderungen keinesfalls irgendwelche andere Verbindlichkeiten abgedeckt wurden (außer den fälligen Lohnzahlungen)“ ist schlechthin unverständlich:

Da kein Nachweis für die Höhe der im Zeitraum seit der Entstehung der ältesten offenen Abgabenschuld, für die der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wurde, jeweils zur Verfügung stehenden Mittel und für die in diesem Zeitraum geleisteten Zahlungen erbracht worden ist, ist auch nicht bewiesen, daß außer fälligen Lohnzahlungen keine anderen Verbindlichkeiten abgedeckt wurden. Dergleichen läßt sich auch dem Mantelzessionsvertrag nicht entnehmen, weil der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen hat, welche Forderungen zediert wurden, welche nicht zediert wurden und wie er im einzelnen über den Bankkredit verfügt hat. Im übrigen bleibt der Beschwerdeführer eine Erklärung dafür schuldig, was er in der Beschwerde unter dem „fraglichen Zeitraum“ einerseits und dem „fraglichen Zeitpunkt“ andererseits versteht.

Der Beschwerdeführer irrt schließlich auch, wenn er meint, die belangte Behörde habe seine Haftung daraus abgeleitet, daß auf Grund der Ergebnisse der Nachschau davon auszugehen sei, daß im Nachschauzeitraum (29. November 1984 bis 28. Jänner 1985) diverse Zahlungen im Betrag von S 563.040,-- geleistet worden seien, ohne die Abgabenschuld entsprechend zu berücksichtigen, weil auf diese lediglich S 2.104,-- bezahlt worden seien. Die betreffende Feststellung der belangten Behörde belegt nämlich nur beispielhaft, daß der Beschwerdeführer auch in diesem Zeitraum seine Pflicht verletzt hat, Abgabenschulden nicht zu benachteiligen. Wenn er in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß die erwähnten S 563.040,-- der GmbH erst zu einem Zeitpunkt zur Verfügung gestanden seien, als die Abgabenschuldigkeiten bereits längst entstanden gewesen seien, so beweist er damit nur sein Unverständnis für seine Pflichten als Geschäftsführer einer GmbH zur Entrichtung der Abgabenschulden aus den Mitteln der Gesellschaft; die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschulden endet nämlich nicht mit dem Zeitpunkt der Entstehung der Schuld, sondern erst mit deren Abstattung. Daß der Beschwerdeführer während des Nachschauzeitraumes den erwähnten Betrag fast ausschließlich dazu verwendet hat, diverse Lieferantenforderungen, Versicherungsprämien, Löhne und sonstige Unkosten zu bezahlen, wird von ihm nicht in Abrede gestellt. Mangels gegenteiliger Nachweise durch den Beschwerdeführer war es der belangten Behörde nicht verwehrt, daraus den Schluß zu ziehen, daß sich der Beschwerdeführer ähnlich auch in dem vorangehenden Zeitraum zurück bis zum Entstehen der noch unberichtigt aushaftenden Umsatzsteuerschuld 1981 verhalten hat.

Seine unrichtige Behauptung, die Begleichung älterer Verbindlichkeiten vor jüngeren Verbindlichkeiten unterliege der Anfechtung im Konkurs und sei strafbar, versucht der Beschwerdeführer nicht einmal zu begründen. Weder das Anfechtungsrecht im Konkurs (§§ 27 ff KO), noch die strafrechtlichen Vorschriften über die Krida und die Begünstigung eines Gläubigers (§§ 156, 158, 159 StGB) kennen eine solche Privilegierung jüngerer Verbindlichkeiten.

Er macht der belangten Behörde zum Vorwurf, keine Verhältnisrechnung angestellt zu haben, um solcherart zu ermitteln, mit welchem Anteil die Abgabenschulden bei verhältnismäßiger Befriedigung zum Zuge gekommen wären. Dabei übersieht der Beschwerdeführer, daß sich diese Verhältnisrechnung nicht allein auf den Nachschauzeitraum, sondern auf den gesamten Zeitraum zu erstrecken gehabt hätte, in dem die noch unberichtigt aushaftenden Abgaben entstanden sind, für die der Beschwerdeführer haftbar gemacht wird. Da er aber die für eine solche Verhältnisrechnung erforderlichen Nachweise über die Höhe der jeweils zur Verfügung gestandenen Mittel und die Höhe der jeweiligen Verbindlichkeiten und Zahlungen nicht erbracht hat, durfte die belangte Behörde - wie bereits eingangs dargelegt - davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der GmbH auferlegten Pflichten, nämlich zur Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen, zur pünktlichen Abgabe der Steuererklärungen, zur Beachtung der Regeln über den Lohnsteuerabzug und durch Unterlassung der Benachteiligung von Abgabenforderungen gegenüber anderen Verbindlichkeiten, insbesondere durch den Mantelzessionsvertrag, den Abgabenausfall im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO schuldhaft verursacht hat. Eine Beschränkung der Haftung auf einen bestimmten Anteil an den Abgabenschulden kam daher nicht in Betracht. Es ist deshalb auch ohne Bedeutung, daß Zahlungseingänge beim Finanzamt aus der Pfändung und Überweisung der Forderung der GmbH gegen einen ihrer Kunden im Fall der Möglichkeit einer Verhältnisrechnung zu berücksichtigen gewesen wären, weil eine solche Verhältnisrechnung in Ermangelung des Nachweises entsprechenden Zahlenmaterials durch den Beschwerdeführer nicht angestellt werden konnte.

Ob den Beschwerdeführer aber ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH trifft, ist für die Haftung gemäß § 9 BAO ohne Bedeutung (Verwaltungsgerichtshof 13. September 1988, 87/14/0148 = ÖStZB 1989, 140).

Dem angefochtenen Bescheid haftet daher die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206

Wien, am 30. Mai 1989

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