VfGH G126/11(G126/11-12)

VfGHG126/11(G126/11-12)16.3.2012

Widerspruch von Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes über die dem Landeshauptmann als erkennende Behörde in Genehmigungsverfahren zugleich verliehene Parteistellung als wasserwirtschaftliches Planungsorgan zum Organisationskonzept und Rechtsschutzsystem der Bundesverfassung

Normen

B-VG Art18, Art129 ff
WRG 1959 §55 Abs0 litg, §55 Abs4, §102 Abs1 lith
B-VG Art18, Art129 ff
WRG 1959 §55 Abs0 litg, §55 Abs4, §102 Abs1 lith

 

Spruch:

I. §55 Abs1 litg und die Wortfolgen ", im Fall der Parteistellung (§102 Abs1 lith) beizuziehen" sowie "in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie" in §55 Abs4 sowie §102 Abs1 lith des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG), BGBl. 215 idF BGBl. I 87/2005 waren verfassungswidrig.

II. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen

Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B51/10 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 24. Mai 2007 als iSd §99 Abs1 litb des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG), BGBl. 215 idF BGBl. I 65/2002, in erster Instanz zuständige Behörde wurde die wasserrechtliche Bewilligung für das Projekt "Kraftwerk Schwarze Sulm Ausbaustufe Teil A" befristet bis zum 31. Dezember 2066 erteilt.

Mit Spruchpunkt I. des Berufungsbescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 30. November 2009 wurde auf Grund einer Berufung des Landeshauptmannes der Steiermark als wasserwirtschaftliches Planungsorgan des Landes Steiermark vom 11. Juni 2007 der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, dass der Antrag der Beschwerdeführer auf wasserrechtliche Bewilligung abgewiesen wurde.

2. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §55 Abs1 litg und der Wortfolgen ", im Fall der Parteistellung (§102 Abs1 lith) beizuziehen" sowie "in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie" in §55 Abs4 sowie des §102 Abs1 lith des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG), BGBl. 215 idF BGBl. I 87/2005 entstanden. Diese haben ihn veranlasst, die genannten Bestimmungen mit Beschluss vom 26. September 2011 gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen in Prüfung zu ziehen.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte vorläufig die Bedenken, dass es nicht mit dem Organisationskonzept und dem Rechtsschutzsystem der Bundesverfassung in Einklang stünde, dem Landeshauptmann in seinem eigenen Wirkungsbereich als erkennende Behörde zugleich die Stellung als Amtspartei zu verleihen und führte wie folgt aus:

"2. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig - in Übereinstimmung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwSlg. 16.980 A/2006) sowie den im Schrifttum vertretenen Meinungen (vgl. dazu etwa Bumberger/Hinterwirth, Wasserrechtsgesetz Kommentar, 2008, §104a Anm K 7 und K 23; Oberleitner/Berger, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 19593, 2011, §55 Rz 8, §102 Rz 20; Oberleitner, Umsetzung der Wasser-Rahmenrichtlinie in Österreich, RdU 2003, 84 [93]) und entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Parteien - davon aus, dass §104a Abs3 WRG an die bereits in §55 Abs4 iVm §55 Abs1 lita bis g und §102 Abs1 lith WRG idF BGBl. I 87/2005 umfassend (arg.: 'in allen Verfahren nach diesem Bundesgesetz [...], durch die wasserwirtschaftliche Interessen berührt werden') eingeräumte Parteistellung anknüpft. Nach diesen Vorschriften dürfte daher - zumindest nach dem genauen Wortlaut - dem Landeshauptmann als wasserwirtschaftlichem Planungsorgan in allen genannten Verfahren Parteistellung und die damit verbundenen verfahrensrechtlichen Rechtspositionen zukommen.

Dem Landeshauptmann wird also als wasserwirtschaftlichem Planungsorgan vom Gesetzgeber die Stellung einer Formalpartei (auch Amts- oder Organpartei) eingeräumt (zu begrifflichen Fragen siehe Aichlreiter, Was ist und woran erkennt man eine Formalpartei?, ZfV 1993, 333; Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, 1. Teilband, 2004, Rz 11 ff. zu §8 AVG). Ihm dürfte es obliegen, die im Wasserrechtsgesetz an vielen Stellen umschriebenen öffentlichen Interessen an der wasserwirtschaftlichen Planung zur Geltung zu bringen. Dies anscheinend auch in jenen Verfahren, in denen der Landeshauptmann selbst erkennende Behörde ist, sodass er dann entsprechend seiner verfahrensrechtlichen Stellung als Formalpartei auch - wie im vorliegenden Fall - gegen einen von ihm selbst erlassenen Bescheid Berufung erheben kann.

Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass diese umfassende Parteistellung des Landeshauptmannes als wasserwirtschaftliches Planungsorgan mit dem Organisationskonzept der Bundesverfassung und dem in ihr zugrunde gelegten Rechtsschutzsystem in Widerspruch stehen dürfte.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt dabei nicht, dass in der Realität der Verwaltung bei einem so großen Verwaltungsapparat, wie es das Amt der Landesregierung ist, unterschiedliche Organisationseinheiten die unterschiedlichen Aufgaben wahrnehmen und dabei auch weitgehend selbstständig agieren mögen. So dürfte der Gesetzgeber möglicherweise davon ausgehen, dass die Aufgabe des Landeshauptmannes 'wasserwirtschaftliches Planungsorgan' von einer anderen Organisationseinheit und damit von anderen Personen besorgt wird als seine Aufgabe 'Wasserrechtsbehörde'. Entsprechend dem Organisationskonzept der Bundesverfassung ist das Handeln aller dieser Organwalter aber in jeder dieser unterschiedlichen Funktionen jeweils dem Landeshauptmann als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung zuzurechnen:

Gemäß §8 Abs5 lita Übergangsgesetz 1920 besteht in der Landesinstanz in jedem Land ein einheitliches behördliches Hilfsorgan, das Amt der Landesregierung, deren Vorstand der Landeshauptmann ist. Gemäß §3 Abs1 des BVG betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien besorgen die Abteilungen des Amtes der Landesregierung die ihnen nach der Geschäftseinteilung zukommenden Geschäfte unter der Leitung des Landeshauptmannes, soweit es sich um solche der mittelbaren Bundesverwaltung handelt. Das Wasserrechtsgesetz ist gemäß Art10 Abs1 Z10 iVm Art102 Abs1 B-VG in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen, sodass der Landeshauptmann in allen Angelegenheiten der Vollziehung des Wasserrechtsgesetzes gegenüber sämtlichen in diesen Angelegenheiten tätigen Bediensteten des Amtes der Landesregierung weisungsbefugt ist, weshalb auch deren Handlungen ihm zuzurechnen sind.

3.1. Grundsätzlich ist es nach dem Konzept der österreichischen Bundesverfassung Aufgabe der Behörde, die von einem Gesetz verfolgten öffentlichen Interessen wahrzunehmen, sie gegenüber anderen öffentlichen Interessen und gegenüber privaten Interessen abzuwägen; dies folgt schon aus der Bindung der Verwaltung an das Gesetz gemäß Art18 B-VG. Dementsprechend hat auch der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der gesetzlich verankerte Schutz öffentlicher Interessen niemandem einen subjektiv-öffentlichen Rechtsanspruch auf Durchsetzung dieses Schutzes vermittelt. Die Wahrnehmung dieser Interessen ist vielmehr ausschließlich den damit befassten Behörden überantwortet (VwGH 9.2.1967, 1212, 1579/66; ebenso VwGH 14.9.1993, 92/07/0004; siehe auch VwGH 22.6.1993, 93/07/0058; 26.6.1996, 93/07/0084).

3.2. Es ist Sache des Materiengesetzgebers zu regeln, wem er in einer Verwaltungssache Parteistellung verleiht, sei es durch die Verleihung subjektiv-öffentlicher Rechte, die gemäß §8 AVG die Parteistellung vermitteln, sei es durch die Verleihung der Stellung als Formalpartei (vgl. VfSlg. 8232/1978 und die darin zitierte Vorjudikatur; siehe auch Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8, 2003, Rz 126). Dies ergibt sich überdies auch aus Art131 Abs2 B-VG, wonach der Gesetzgeber befugt ist, ein Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit von Bescheiden zu verleihen. Die Einräumung einer Parteistellung dient - so die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes - in der Regel dem Schutz von Privatinteressen, in den Fällen der Parteistellung von staatlichen Organen aber in der Regel dem Schutz öffentlicher Interessen. In diesen Fällen beruft der Gesetzgeber Organe des Staates oder anderer zur Wahrung solcher Interessen berufener Rechtsträger nicht selbst zu einer behördlichen Entscheidung, sondern sieht ihre Parteistellung im Verfahren vor einer anderen, für die Verfahrensführung zuständigen Verwaltungsbehörde vor (dazu mwN Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1998, Anm. 8 zu §8 AVG).

Wie der Verfassungsgerichtshof aber in VfSlg. 17.220/2004 mit Bezugnahme auf Vorjudikatur und die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betont hat, sind mit der Stellung als Formal- oder Amtspartei keine subjektiv-öffentlichen Rechte verbunden, die in dem Verfahren geltend gemacht werden könnten. Diese Stellung dient vielmehr dazu, das von der Behörde wahrzunehmende öffentliche Interesse in das Verfahren einzubringen und darauf zu dringen, dass es entsprechend den Vorschriften des Gesetzes gewahrt werde. Wie es der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 17.220/2004 ausgedrückt hat, 'übt' die Amtspartei (im damaligen Fall der als Partei fungierende Landesumweltanwalt) 'nur formal 'Rechte' aus, inhaltlich gesehen nimmt er 'Kompetenzen' wahr'.

Die Bundesverfassung schließt es - so die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes - aus, derartige Kompetenzen mit 'subjektiv-öffentlichen Rechten' gleichzustellen, die der betreffenden Amtspartei eine Beschwerdebefugnis auch vor dem Verfassungsgerichtshof verleihen würde: Subjektive-öffentliche Rechte sind zumindest auch dem Schutz bestimmter privater Interessen zu dienen bestimmt (vgl. etwa beispielhaft VwSlg. 9151 A/1976, 10.511 A/1981). Der Schutz privater Interessen verdichtet zu subjektiv-öffentlichen Rechten steht im Falle der Formal- oder Amts- oder auch Organpartei aber gerade nicht in Rede (anders als etwa im Falle von bestimmten Bürgerinitiativen, denen wegen der Repräsentation von subjektiv-öffentlichrechtlich anerkannten privaten Interessen unter bestimmten Voraussetzungen Parteistellung bis hin zur Beschwerdebefugnis vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG zur Wahrung bestimmter subjektiv-öffentlicher Rechte eingeräumt werden kann - vgl. VfSlg. 17.389/2004).

Dem Landeshauptmann in seiner Eigenschaft als wasserwirtschaftliches Planungsorgan obliegt nach der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes als Formalpartei die Wahrnehmung der im Gesetz genannten wasserwirtschaftlichen Interessen. Die Wahrnehmung gerade dieser Interessen obliegt dem Landeshauptmann aber in jenen wasserrechtlichen Angelegenheiten, in denen er vom Gesetz zur behördlichen Entscheidung berufen ist, schon auf Grund der Bindung der Verwaltung an das Gesetz. Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich, dass die Parteistellung von Amtsorganen zur Wahrung bestimmter öffentlicher Interessen zwar an die Stelle der Einräumung einer Entscheidungskompetenz treten kann, nicht aber neben diese, sodass im Ergebnis eine (wenngleich nur zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen befugte) Verfahrenspartei zugleich zur behördlichen Entscheidung und - wie die hier vorliegende Konstellation zeigt - damit sogar zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen ihren eigenen Bescheid berufen wäre. Auch das bundesverfassungsgesetzlich vorgesehene System von Rechtsschutzeinrichtungen gegen rechtswidrige behördliche Akte, wie es im 7. Hauptstück des B-VG verankert ist, dürfte diesen Befund bestätigen, setzt es doch anscheinend eine Verschiedenheit von Partei und erkennender Behörde geradezu voraus (vgl. etwa Art131 Abs1 Z2 und 3 B-VG)."

Der Verfassungsgerichtshof führte in seinem Prüfungsbeschluss weiter aus, dass im Zuge des Gesetzesprüfungsverfahrens zu klären sei,

"inwieweit die in Prüfung gezogenen Bestimmungen

einer verfassungskonformen Interpretation dahingehend unterzogen werden können, dass diese - ähnlich wie die Bestimmung des §13 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG, BGBl. 27/1993 idF BGBl. I 150/2009 - ein Berufungsrecht der entscheidenden Behörde gegen ihren eigenen Bescheid ausschließt, sondern Berufungs- und Beschwerderechte immer nur gegen von anderen - allenfalls auch in einem Weisungszusammenhang stehenden - Behörden erlassene Akte in Betracht kommt. Eine derartige Konstellation kann etwa bei einer Entscheidung durch den Landeshauptmann in erster Instanz (die sich vor dem Hintergrund der Zuständigkeitsregelungen der §§98 ff. WRG als Ausnahmekonstellation darstellt und nur bei bestimmten Projekten größerer Dimension vorliegt - vgl. im Einzelnen vor allem §99 Abs1 WRG) insoweit in Betracht kommen, als es um wasserwirtschaftliche Interessen eines anderen Bundeslandes geht und daher ein anderer Landeshauptmann Berufung gegen diese erstinstanzliche Entscheidung erheben könnte (vgl. etwa die Konstellation in VwSlg. 16.980 A/2006, in dem gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark seitens des Landeshauptmannes des Burgenlandes als wasserwirtschaftliches Planungsorgan Berufung erhoben wurde)."

3. Der Verfassungsgerichtshof hat die Bundesregierung aufgefordert, sich zu diesen Bedenken zu äußern. In der übermittelten Stellungnahme geht die Bundesregierung auf die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs wie folgt ein:

"3.1. Nach Ansicht des [Verfassungsgerichtshofs]

folgt aus der Bindung der Verwaltung an das Gesetz gemäß Art18 B-VG (in diesem Zusammenhang wird darüber hinaus - allerdings ohne nähere Konkretisierung - auf das 'Konzept der österreichischen Bundesverfassung' Bezug genommen), dass es grundsätzlich Aufgabe der Behörde sei, die von einem Gesetz verfolgten öffentlichen Interessen wahrzunehmen und sie gegenüber anderen öffentlichen Interessen und gegenüber privaten Interessen abzuwägen (Rz 39).

Dazu wird seitens der Bundesregierung Folgendes

bemerkt:

Wenn der Gesetzgeber einer staatlichen Stelle die Funktion einer Amtspartei einräumt so bedeutet dies stets, dass dieser Stelle die Wahrnehmung von Interessen übertragen wird, zu deren Wahrnehmung eine Behörde schon auf Grund der Bindung der Verwaltung an die Gesetze gemäß Art18 Abs1 B-VG berufen ist. Wenn darin ein verfassungsrechtliches Problem läge, so müsste die Zulässigkeit der Einrichtung von Amtsparteien überhaupt in Frage gestellt werden. Bereits vor dreißig Jahren hat allerdings Mayer (Ein 'Umweltanwalt' im österreichischen Recht?, JBI 1982, 113-120 [hier: 116 f]) die Frage, 'ob der einfache Gesetzgeber auch den Staat, der öffentliche Interessen verfolgt, in das Gewand des Rechtsunterworfenen hüllen und damit eigentlich einen Etikettenschwindel normieren' dürfe, bejaht. Aus verfassungsrechtlicher Sicht scheine es zulässig, öffentliche Interessen einer 'doppelten Sicherung' teilhaftig werden zu lassen: einerseits durch die Behörde, die von Amts wegen für die Einhaltung der Rechtsordnung zu sorgen hat, und andererseits durch ein weiteres staatliches Organ, dessen Kompetenz in der Ausübung von Parteirechten besteht. Dass in Lehre oder Judikatur eine gegenteilige Auffassung vertreten würde, ist nicht ersichtlich; der Prüfungsbeschluss selbst geht ausdrücklich von der Zulässigkeit der Einrichtung von Amtsparteien aus. Es ist somit für die Bundesregierung nicht erkennbar, wie der Hinweis auf Art18 B-VG zu dem vom Verfassungsgerichtshof vorläufig vertretenen Ergebnis beitragen könnte.

3.2. Unter Rz 40 seines Prüfungsbeschlusses führt der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Verleihung der Parteistellung in einer Verwaltungsangelegenheit Sache des Materiengesetzgebers sei. Die Einräumung der Parteistellung diene in der Regel dem Schutz von Privatinteressen, in den Fällen der Parteistellung von staatlichen Organen aber in der Regel dem Schutz öffentlicher Interessen. Im zweiten Fall wären die Organe nicht selbst zur behördlichen Entscheidung berufen; vielmehr sei ihr bloß die Parteistellung im Verfahren vor einer anderen, für die Verfahrensführung zuständigen Verwaltungsbehörde eingeräumt.

Nach Ansicht der Bundesregierung bieten diese Ausführungen nicht nur eine zutreffende Beurteilung der kompetenzrechtlichen Lage, sondern auch eine zutreffende Beschreibung der Rechtslage, wie sie auf einfachgesetzlicher Ebene in der Regel besteht. Unklar erscheint allerdings, wie aus einer Beschreibung dieser einfachgesetzlichen Rechtslage Schlussfolgerungen auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von abweichenden Regelungen - jenen, die bei der Beschreibung unerwähnt geblieben sind - abgeleitet werden könnten.

3.3. Unter Rz 41 [seines Prüfungsbeschlusses] legt der Verfassungsgerichtshof dar, dass mit der Stellung als Amtspartei keine subjektiv-öffentlichen Rechte verbunden seien, die im Verfahren geltend gemacht werden könnten. Mit dieser Stellung sei vielmehr die Kompetenz eingeräumt, das von der Behörde wahrzunehmende öffentliche Interesse in das Verfahren einzubringen und darauf zu dringen, dass es entsprechend den Vorschriften des Gesetzes gewahrt wird. Die Bundesverfassung schließe es - so der Prüfungsbeschluss unter Rz 42 - aus, Kompetenzen, die von einem staatlichen Organ als Amtspartei ausgeübt werden, mit subjektiv-öffentlichen Rechten gleichzustellen, sodass der betreffenden Amtspartei eine Beschwerdebefugnis auch vor dem Verfassungsgerichtshof verliehen wäre. Denn subjektiv-öffentliche Rechte seien zumindest auch dem Schutz bestimmter privater Interessen zu dienen bestimmt; davon könne bei einer Amtspartei aber keine Rede sein.

Die Bundesregierung vermag diesen Ausführungen schon in Hinblick auf das Erkenntnis VfSlg. 17.220/2004 nicht entgegenzutreten. Ebenso wenig vermag sie allerdings zu erkennen, inwiefern der Umstand, dass die Erhebung einer Beschwerde nach Art144 B-VG durch eine Amtspartei (im vorliegenden Fall: durch das wasserwirtschaftliche Planungsorgan) unzulässig wäre, für die verfassungsrechtliche Beurteilung der in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen von Relevanz sei.

3.4. Nach Auffassung der Bundesregierung erscheinen also die unter Rz 39 bis 42 des Prüfungsbeschlusses dargelegten Argumente nicht geeignet, den unter Punkt 3 wiedergegebenen vorläufigen Befund zu stützen.

4. Unter Rz 43 des Prüfungsbeschlusses heißt es außerdem:

'Auch das bundesverfassungsgesetzlich vorgesehene

System von Rechtsschutzeinrichtungen gegen rechtswidrige behördliche Akte, wie es im 7. Hauptstück des B-VG verankert ist, dürften diesen Befund bestätigen, setzt es doch anscheinend eine Verschiedenheit von Partei und erkennender Behörde geradezu voraus (vgl. etwa Art131 Abs1 Z2 und 3 B-VG).'

4.1. Dazu wird seitens der Bundesregierung zunächst darauf hingewiesen, dass das 7. Hauptstück des Bundes-Verfassungsgesetzes Fragen des Rechtsschutzes in sehr vielfältiger Weise regelt: Rechtsschutz wird zB gegen Bescheide, gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, gegen generelle Normen sowie wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gewährt; von einzelnen Zuständigkeiten der unabhängigen Verwaltungssenate abgesehen, geht es dabei aber nicht um den im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zu gewährenden Rechtsschutz.

Nach Auffassung der Bundesregierung können daher aus einzelnen, im 7. Hauptstück des B-VG für bestimmte Verfahren vorgesehenen Regelungen keine allgemeinen Grundsätze abgeleitet werden, um diese Grundsätze auf andere Verfahren - noch dazu solche, die gar nicht Gegenstand des 7. Hauptstückes sind - zu übertragen.

4.2. Weiters wird man nach Auffassung der Bundesregierung nicht davon ausgehen können, dass die 'Verschiedenheit von Partei und erkennender Behörde' als 'Selbstzweck' ausgestaltet ist. Es stellt sich vielmehr die Frage, welchem mit dem Rechtsschutzsystem des Bundes-Verfassungsgesetzes in Zusammenhang stehenden Rechtsgut der Grundsatz der 'Verschiedenheit von Partei und erkennender Behörde' zu dienen geeignet sein soll und in welcher Weise die in Prüfung gezogenen Bestimmungen dieses Rechtsgut beeinträchtigen könnten. Dem Prüfungsbeschluss ist dazu nichts zu entnehmen.

Die Ausführungen der Bundesregierung können dementsprechend lediglich allgemein bleiben, es soll aber auf Folgendes hingewiesen werden:

Die Einräumung der Parteistellung an den Landeshauptmann als wasserwirtschaftliches Planungsorgan stellt sicher, dass die Interessen der wasserwirtschaftlichen Planung in einer - auch für die anderen Verfahrensparteien - transparenten Weise im Verwaltungsverfahren erörtert werden. Die Möglichkeit der Berufung des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans auch gegen vom Landeshauptmann als Wasserrechtsbehörde erlassene Bescheide dient der Erhöhung der Rechtsrichtigkeit, und zwar ohne dass dies - wie es etwa bei der Befugnis zur Zurücknahme oder Einschränkung von Berechtigungen außerhalb eines [Berufungsverfahrens] (vgl. §68 Abs6 AVG) der Fall ist - mit einer Durchbrechung der Rechtskraft verbunden wäre.

Dass dadurch irgendwelche Rechtsgüter beeinträchtigt werden könnten, ist für die Bundesregierung nicht ersichtlich.

4.3. Nach Auffassung der Bundesregierung kann somit auch durch den Hinweis auf das 7. Hauptstück des Bundes-Verfassungsgesetzes eine Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht dargetan werden.

5. Der Verfassungsgerichtshof wirft schließlich in Rz 45 seines Prüfungsbeschlusses die Frage auf, ob die in Prüfung gezogenen Bestimmungen einer verfassungskonformen Interpretation dahin zugänglich wären, dass diese - 'ähnlich wie die Bestimmung des §13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 - ArbIG, BGBl. Nr. 27/1993 idF BGBl. I Nr. 150/2009' - ein Berufungsrecht der entscheidenden Behörde gegen ihren eigenen Bescheid ausschließe.

Dazu weist die Bundesregierung auf Folgendes hin:

5.1. Der zitierte §13 ArbIG räumt dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in Verwaltungsstrafverfahren wegen der Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften sowie in Verwaltungsverfahren in Angelegenheiten, die den Arbeitnehmerschutz berühren, die Befugnis ein, gegen 'Bescheide, die in letzter Instanz ergangen sind, sowie gegen Entscheidungen der unabhängigen Verwaltungssenate' Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

5.2. Welche Zuständigkeiten einem Bundesminister zukommen, ergibt sich aus den Verwaltungsvorschriften in Verbindung mit dem Bundesministeriengesetz 1986 (BMG), BGBl. Nr. 76/1986. §13 ArbIG sah ursprünglich (und bis zur Novelle des Arbeitsinspektionsgesetzes durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 150/2009) eine Beschwerdebefugnis des Bundesministers für Arbeit und Soziales vor. Aus den BMG Novellen BGBl. I Nr. 16/2000, BGBI. I Nr. 17/2003, BGBl. I Nr. 6/2007 und BGBI. I Nr. 3/2009 ergibt sich jedoch, dass zwischen 1. April 2000 und 31. Jänner 2009 der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit gemäß §13 ArbIG zur Erhebung einer Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Bescheid berufen war.

Im Hinblick auf jene Verfahren, in denen dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die Zuständigkeit zur Erlassung letztinstanzlicher Bescheide zukam (vgl. zB §170 des Mineralrohstoffgesetzes, BGBI. I Nr. 38/1999), würde sich somit - unter Zugrundelegung der vom Gerichtshof vorläufig vertretenen Auffassung - die Frage stellen, ob §13 ArbIG einer Auslegung zugänglich ist, wonach die Erhebung einer Amtsbeschwerde gegen solche letztinstanzlichen Bescheide ausgeschlossen gewesen sei. Was eine solche Auslegung stützen könnte, bleibt allerdings unklar. Da die Regelung ohne jede sprachliche Einschränkung formuliert ist und auch - soweit ersichtlich - keine lex specialis besteht, ist vielmehr davon auszugehen, dass der Bundesminister gegen alle, somit auch gegen von ihm selbst erlassene Bescheide Amtsbeschwerde erheben darf (dies nimmt auch R. Winkler, Mineralrohstoffrecht, in: Holoubek/Potacs [Hrsg], Handbuch des öffentlichen Wirtschaftsrechts I2 [2007], 563-628 [hier: 625] an). Man würde somit - unter Zugrundelegung der im Prüfungsbeschluss vorläufig vertretenen Auffassung - zu dem Ergebnis gelangen, dass §13 ArbIG durch die Bundesministeriengesetz Novelle 2000, BGBI. I Nr. 16/2000, verfassungswidrig geworden und erst mit der Bundesministeriengesetz Novelle 2009, BGBI. I Nr. 3/2009, konvalidiert wäre.

5.3. Auch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 sind ohne sprachliche Einschränkungen formuliert; sie sind daher nach Auffassung der Bundesregierung einer einschränkenden Interpretation, wie sie der Verfassungsgerichtshof vor Augen zu haben scheint ebenso wenig zugänglich wie der im Prüfungsbeschluss angeführte §13 ArbIG."

II. Rechtslage

1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. 215 idF BGBl. I 87/2005 lauten (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Wasserwirtschaftliche Planung

§55. (1) Dem Landeshauptmann als wasserwirtschaftlichem Planungsorgan obliegt

  1. a) die Zusammenfassung und Koordinierung aller wasserwirtschaftlichen Planungsfragen im Lande,

b) die Überwachung der wasserwirtschaftlichen Entwicklung,

  1. c) die Sammlung der für die wasserwirtschaftliche Planung bedeutsamen Daten,

d) die vorausschauende wasserwirtschaftliche Planung,

  1. e) die Schaffung von Grundlagen für die Festlegung von Schutz- und Schongebieten (§§34, 35, 37), für Verordnungen gemäß §33

    Abs2, für Sanierungsprogramme gemäß §33d, für Beobachtungs- und voraussichtliche Maßnahmengebiete gemäß §33f, für wasserwirtschaftliche Rahmenverfügungen gemäß §54 sowie für Regionalprogramme gemäß §55g Abs1 Z1,

  1. f) die Wahrnehmung wasserwirtschaftlicher Interessen gegenüber anderen Planungsträgern,

g) die Wahrnehmung der Interessen an der Sicherung der Trinkund

Nutzwasserversorgung im Lande in allen behördlichen

Verfahren

als Partei.

(2) Dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft obliegt insbesondere

  1. a) die fachliche Koordinierung der Tätigkeit der wasserwirtschaftlichen Planungsorgane in den Ländern,

b) die Behandlung von wasserwirtschaftlichen Grundsatzfragen und

von solchen, die für mehrere Länder von Bedeutung sind,

  1. c) die Aufstellung von einheitlichen Grundsätzen für die wasserwirtschaftliche Planung (Abs1 lita bis e),

  1. d) auf Grund der Bestandsaufnahmen die überörtliche zusammenfassende wasserwirtschaftliche Planung für eine den wasserwirtschaftlichen Planungsgrundsätzen entsprechende Ordnung der nationalen Teile der Flussgebietseinheiten oder ihrer Teile (Planungsräume) aufzustellen und der Entwicklung

    anzupassen.

(3) Wer eine wasserrechtliche Bewilligung anstrebt, hat schon vor Befassung der Wasserrechtsbehörde sein Vorhaben unter Darlegung der Grundzüge dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan anzuzeigen.

(4) Das wasserwirtschaftliche Planungsorgan ist in allen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie nach dem Mineralrohstoffgesetz, dem Eisenbahnrecht, dem Schiffahrtsrecht, dem Gewerberecht, dem Rohrleitungsrecht, dem Forstrecht und dem Abfallrecht des Bundes, durch die wasserwirtschaftliche Interessen berührt werden, zu hören, im Fall der Parteistellung (§102 Abs1 lith) beizuziehen. Die Parteistellung einschließlich der Beschwerdelegitimation vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts ist in Wahrnehmung seiner Aufgaben zur Wahrung wasserwirtschaftlicher Interessen gemäß Abs1 lita bis g, insbesondere unter Bedachtnahme auf die in einem Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (Maßnahmen- oder Regionalprogramm) festgelegten Vorgaben (Maßnahmen) in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie in allen behördlichen Verfahren, in denen wasserrechtliche Bestimmungen mit angewendet werden (AWG 2002, UVP-G 2000, GewO 1994) gegeben."

"Parteien und Beteiligte.

§102. (1) Parteien sind:

a) der Antragsteller;

b) diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung

verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§12 Abs2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§15 Abs1) und die Nutzungsberechtigten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, sowie diejenigen, die einen Widerstreit

(§§17, 109) geltend machen;

ferner

c) im Verfahren über die Auflassung von Wasseranlagen oder über

das Erlöschen von Wasserrechten die im §29 Abs1 und 3 genannten Personen;

d) Gemeinden im Verfahren nach §111a, sonst nur zur Wahrung des

ihnen nach §13 Abs3 und §31c Abs3 zustehenden Anspruches;

e) diejenigen, die als Mitglieder einer Wassergenossenschaft oder

eines Wasserverbandes herangezogen werden sollen;

f) im Verfahren über die Auflösung von Wassergenossenschaften oder Wasserverbänden die im §83 Abs3 und 4 genannten Personen und Stellen;

g) diejenigen, deren wasserwirtschaftliche Interessen durch eine

wasserwirtschaftliche Rahmenverfügung (§54) oder einem Regionalprogramm (§55g Abs1 Z1) als rechtliche Interessen anerkannt wurden;

h) das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in Wahrnehmung der in

§55 Abs1 lita bis g genannten Aufgaben.

(2) Beteiligte im Sinne des §8 AVG. sind - nach

Maßgabe des jeweiligen Verhandlungsgegenstandes und soweit ihnen nicht schon nach Abs1 Parteistellung zukommt - insbesondere die Interessenten am Gemeingebrauch, alle an berührten Liegenschaften dinglich Berechtigten, alle, die aus der Erhaltung oder Auflassung einer Anlage oder der Löschung eines Wasserrechtes Nutzen ziehen würden, und im Verfahren über den Widerstreit von Entwürfen (§109) alle, die bei Ausführung eines dieser Entwürfe als Partei (Abs1) anzusehen wären.

(3) Die Beteiligten sind berechtigt, im Verfahren

ihre Interessen darzulegen, die Erhebung von Einwendungen steht ihnen jedoch nicht zu.

(4) Im wasserrechtlichen Verfahren können sich

Parteien und Beteiligte auch fachkundiger Beistände bedienen."

III. Erwägungen

1. Prozessvoraussetzungen

Der Verfassungsgerichtshof ist schon in seinem Prüfungsbeschluss davon ausgegangen, dass er für die Kontrolle des Bescheides gemäß Art144 B-VG jene Bestimmungen anzuwenden hat, aus denen sich die Parteistellung des Landeshauptmannes als wasserwirtschaftliches Planungsorgan ergibt. Erst auf Basis dieser Parteistellung war es dem Landeshauptmann möglich Berufung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zu erheben und den nun beim Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheid zu erwirken. Auch die übrigen Prozessvoraussetzungen liegen vor. Die Bundesregierung ist dieser Ansicht auch nicht entgegengetreten. Das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren erweist sich daher als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss geäußerten - wenngleich von der Bundesregierung offenbar im gegenteiligen Sinne missverstandenen - Ansicht, dass es dem einfachen Gesetzgeber frei gestellt ist zur Wahrung öffentlicher Interessen (wenngleich nicht als Träger subjektiv-öffentlicher Rechte - VfSlg. 17.220/2004) Formal(Amts-)parteien einzurichten.

2.2. Bedenken ob der Verfassungskonformität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen hegte der Verfassungsgerichtshof lediglich gegen eine vom Gesetzgeber im WRG hinsichtlich der Parteistellung des Landeshauptmannes als wasserwirtschaftliches Planungsorgan zugelassene Konstellation, bei der in ein und demselben Verfahren ein und dasselbe Organ gleichzeitig sowohl in der Rolle einer Formalpartei als auch in jener der entscheidenden Behörde tätig werden und im Ergebnis gegen den selbst erlassenen Bescheid auch Rechtsmittel erheben kann.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hegte im Besonderen Zweifel daran, ob es mit dem Organisationskonzept und dem Rechtsschutzsystem der Bundesverfassung in Einklang stehe, dem Landeshauptmann in seinem eigenen Wirkungsbereich als erkennende Behörde zugleich die Stellung als Amtspartei zu verleihen. Insbesondere die für die Wahrnehmung von miteinander unvereinbaren Rollen unterschiedlicher Typizität in einem Verwaltungsverfahren anscheinend unverzichtbare Verschiedenheit von Behörde und Partei, wie sie (nicht nur, aber vor allem) auch im Siebenten Hauptstück des B-VG ihren Ausdruck findet, schien für diesen Befund zu sprechen.

2.4. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich als zutreffend erwiesen:

2.4.1. Wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung zunächst noch zutreffend feststellt, ist im Rahmen des Siebenten Hauptstücks des B-VG der Rechtsschutz durch die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern, den Asylgerichtshof, den Verwaltungsgerichtshof und den Verfassungsgerichtshof geregelt. Gegenstand dieses Abschnittes sind also Verfahren vor unabhängigen Tribunalen bzw. Gerichten und nicht vor Verwaltungsbehörden.

2.4.1.1. Diese Verfahren setzen aber - anders als

dies die Bundesregierung in ihrer Gegenschrift zu sehen scheint - voraus, dass zuvor ein Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde, dem von den anzuwendenden Verfahrensvorschriften eine rechtliche Struktur verliehen wird, die mit dem Rechtsschutzsystem des Siebenten Hauptstücks des B-VG kompatibel ist, wozu zB gehört, dass das Verfahren in einen Typus von Verwaltungsakt zu münden hat, der die Beschreitung des im Siebenten Hauptstück des B-VG vorgesehenen Rechtsschutzweges zulässt, andererseits aber auch, dass für eine Verfahrenspartei unter dem Aspekt der dieser Partei zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte nach Abschluss eines Verfahrens das von Verfassung wegen gebotene Maß an Rechtssicherheit im Bestand und in der Wahrnehmung dieser Rechte eintritt. In diesem Sinne entfalten die Bestimmungen des Siebenten Hauptstücks des B-VG, ebenso wie das Rechtsstaatsgebot auch Wirkungen und Grenzen für die Ausgestaltung der einfachgesetzlichen Verfahrensbestimmungen.

2.4.2. Aufgabe einer Amtspartei ist es, die

öffentlichen Interessen in einem Verwaltungsverfahren in dem durch das Gesetz festgelegten Umfang wahrzunehmen

(VfSlg. 8232/1978, 10.366/1985). Es gibt keinen Anlass zu bezweifeln, dass die Übertragung von Amtsparteirechten zur Wahrung öffentlicher Interessen auf Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung zulässig ist, und zwar auch dann, wenn diese Behörden in anderen Verfahren auch zur Entscheidung von Verwaltungsangelegenheiten, sei es in erster Instanz, sei es im Rechtsmittelweg berufen sind.

2.4.2.1. Der Gesetzgeber hat nämlich im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums die Befugnis, bei Regelung eines Gebietes der Verwaltung nicht nur den zur Entscheidung in einer Verwaltungssache berufenen Behörden im Rahmen und nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Vorgaben die Wahrung der dabei zu beobachtenden öffentlichen Interessen zu übertragen, sondern zu deren Wahrung auch besondere Organe als Amtspartei zu ermächtigen und zu verpflichten. Einer solchen Amtspartei kommt dabei die Aufgabe zu, spezifische öffentliche Interessen gegenüber einer Partei und einer Behörde in einer Verwaltungssache zur Geltung zu bringen und insoweit auch die Behörde von der ansonsten im Wesentlichen amtswegig durchzuführenden Ermittlung dieser Interessen und

2.4.2.2. Auch wenn zwischen den subjektiv-öffentlichen Rechten, die von Privatparteien im Allgemeinen nur im Eigeninteresse verfolgt werden, und den öffentlichen Interessen, die eine Amtspartei im Interesse des Gemeinwohls in einem Verfahren zu vertreten hat, substantielle Unterschiede bestehen, so ist ihnen doch gemeinsam, dass die wirksame Ausübung von Parteirechten die gleichzeitige Ausübung der Funktion der nach dem Gesetz zur Entscheidung berufenen Behörde ausschließt.

2.4.2.3. Es besteht nämlich ein unauflöslicher Rollenkonflikt zwischen dem Gebot der einem Organ gesetzlich aufgetragenen Beachtung spezifischer öffentlicher Teilinteressen auf der einen und dem Gebot einer ausschließlich am Gesetz orientierten, gegebenenfalls zwischen privaten Interessen und dem Gemeinwohl abwägenden Entscheidungsfindung, sodass es auszuschließen ist, dass beide Aufgaben gleichzeitig erfüllt werden können.

2.4.2.4. Es ist dem Gesetzgeber ungeachtet seines in staatsorganisatorischen Fragen besonders weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums daher von Verfassung wegen verwehrt, auf dem Gebiet der Aufgabenverteilung auf Behörden und Organe eine Regelung staatsorganisatorischen Inhalts zu treffen, die in einer in sich nicht kohärenten Weise dadurch das gewählte Organisationskonzept wechselt, indem sie das Modell der Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die erkennende Behörde mit jenem der Einschaltung einer Amtspartei zur Wahrung der öffentlichen Interessen in der Weise vermischt, dass ein und dasselbe Organ in bestimmten Verfahren zugleich als Amtspartei und als erkennende Behörde tätig wird.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen erweisen

sich daher vor dem Hintergrund der im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken deshalb als verfassungswidrig, weil der Landeshauptmann als Organ der Wasserwirtschaftsplanung in Genehmigungsverfahren, wie dem im Anlassverfahren, zugleich als Amtspartei und als zur Entscheidung zuständige Behörde berufen wird. Die Verfassungswidrigkeit war daher den in Prüfung gezogenen Bestimmungen über die Mitwirkung des Landeshauptmanns als wasserwirtschaftliches Planungsorgan in Verwaltungsverfahren anzulasten.

Alle in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind von der Novelle zum Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. I 14/2011 dahin betroffen, dass sie teils in andere Teile der jeweiligen Norm verschoben, teils an diese Änderungen angepasst wurden. Es war daher auszusprechen, dass die Bestimmung des §55 Abs1 litg und die Wortfolgen ", im Fall der Parteistellung (§102 Abs1 lith) beizuziehen" sowie "in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie" in §55 Abs4 sowie §102 Abs1 lith des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG), BGBl. 215 idF BGBl. I 87/2005 verfassungswidrig waren.

2. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art140 Abs5 zweiter Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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