Normen
BDG 1979 §98, §100, §101
Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz für das Kalenderjahr 2006 vom 23.12.05
BDG 1979 §98, §100, §101
Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz für das Kalenderjahr 2006 vom 23.12.05
Spruch:
Die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz für das Kalenderjahr 2006 vom 23. Dezember 2005 war gesetzwidrig.
Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B1058/07 eine
Beschwerde gegen einen Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt anhängig, mit dem die Berufung des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen die von der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Senat I, verhängte Disziplinarstrafe mit der Maßgabe abgewiesen wurde, dass der Beschwerdeführer für schuldig befunden werde, seine Dienstpflichten gemäß §43 Abs1 und §43 Abs2 iSd §91 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979, BGBl. 333, verletzt zu haben, und über den Beschwerdeführer gemäß §126 Abs2 iVm §92 Abs1 Z3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von @ 11.435,50 verhängt werde.
2. Aus Anlass dieser Beschwerde entstand beim Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die Bestimmungen über den Disziplinarsenat I und die Wortfolge "Bei Verhinderung eines Mitgliedes der Disziplinarsenate I und II treten die weiteren Mitglieder der Disziplinarkommission in nachstehender Reihenfolge als Ersatzmitglieder in die Senate ein: Bei Verhinderung des 1. Mitgliedes: die beim Senat angeführten Ersatzmitglieder, sodann die weiteren vom Dienstgeber bestellten Mitglieder der Disziplinarkommission in alphabetischer Reihenfolge." der Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz für das Kalenderjahr 2006 vom 23. Dezember 2005 gesetzwidrig sind. Der Verfassungsgerichtshof leitete daher mit Beschluss vom 11. März 2010 - vorläufig davon ausgehend, dass es sich dabei um Verordnungsbestimmungen iSd Art139 Abs1 B-VG handle - gemäß dieser Verfassungsbestimmung ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der genannten Verordnungsbestimmungen ein.
3. Die Vorsitzende der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (vormals: beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) als - nach der Aktenlage - verordnungserlassende Behörde legte die Akten betreffend die Erlassung der Geschäftseinteilung vor, erstattete eine Äußerung und beantragte die "Zuerkennung eines Aufwandersatzes in angemessener Höhe".
Auch der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz als oberste zur Vertretung der Verordnung berufene Behörde und der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens als im Verordnungsprüfungsverfahren beteiligte Partei erstatteten jeweils eine Äußerung; der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens verzeichnete dabei "Pauschalkosten" in Höhe von € 2.400,--.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die maßgebliche Rechtslage:
1.1.1. Gemäß §98 Abs1 BDG 1979 sind bei jeder obersten Dienstbehörde eine Disziplinarkommission und gemäß §99 Abs1 leg.cit. beim Bundeskanzleramt eine Disziplinaroberkommission einzurichten. Die Disziplinarkommission ist gemäß §97 Z2 BDG 1979 u.a. zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen hinsichtlich der Beamten des Ressorts, in dem sie eingerichtet ist, die Disziplinaroberkommission gemäß §97 Z3 BDG 1979 zur Entscheidung über Berufungen gegen die genannten Disziplinarerkenntnisse der Disziplinarkommission zuständig.
1.1.2. Für die Disziplinarkommissionen (und die Disziplinaroberkommission) sehen die §§98, 100 und 101 BDG 1979 (§98 in der hier noch maßgeblichen Fassung BGBl. 137/1983, §100 in der hier noch maßgeblichen Fassung BGBl. I 30/1998) - auszugsweise - Folgendes vor:
"Disziplinarkommissionen
§98. (1) ...
(2) Die Disziplinarkommission besteht aus dem Vorsitzenden, den erforderlichen Stellvertretern und weiteren Mitgliedern. Der Vorsitzende und die Stellvertreter müssen rechtskundig sein.
(3) Der Vorsitzende, seine Stellvertreter und die Hälfte der weiteren Mitglieder der Disziplinarkommission sind vom Leiter der Zentralstelle mit Wirkung vom 1. Jänner auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen. Die zweite Hälfte der weiteren Mitglieder ist von dem (den) zuständigen Zentralausschuß (Zentralausschüssen) zu bestellen.
(4) Bestellt der Zentralausschuß innerhalb eines Monats nach Aufforderung durch den Leiter der Zentralstelle keine oder zu wenige Mitglieder für die Disziplinarkommission, so hat der Leiter der Zentralstelle die erforderlichen Mitglieder selbst zu bestellen."
"Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und derDisziplinaroberkommission
§100. (1) Zu Mitgliedern der Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission dürfen nur Beamte des Dienststandes bestellt werden, gegen die kein Disziplinarverfahren anhängig ist.
(2) Der Beamte hat der Bestellung zum Mitglied einer Disziplinarkommission oder der Disziplinaroberkommission Folge zu leisten.
(3) Die Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission ruht vom Zeitpunkt der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluß, während der Zeit der (vorläufigen) Suspendierung, der Außerdienststellung, der Erteilung eines Urlaubes von mehr als drei Monaten und der Leistung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes.
(4) Die Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission endet mit dem Ablauf der Bestellungsdauer, mit der rechtskräftigen Verhängung einer Disziplinarstrafe, mit der Versetzung ins Ausland sowie mit dem Ausscheiden aus dem Dienststand.
(5) Im Bedarfsfalle sind die Kommissionen durch Neubestellung von Kommissionsmitgliedern für den Rest der Funktionsdauer zu ergänzen.
Disziplinarsenate
§101. (1) Die Disziplinarkommissionen und die Disziplinaroberkommission haben in Senaten zu entscheiden. Die Senate haben aus dem Vorsitzenden der Kommission oder einem seiner Stellvertreter als Senatsvorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern zu bestehen. Jedes Kommissionsmitglied darf mehreren Senaten angehören.
(2) Ein Mitglied des Senates der Disziplinarkommission muß vom Zentralausschuß oder gemäß §98 Abs4 bestellt worden sein.
(3) ...
(4) Der Vorsitzende jeder Kommission hat jeweils bis zum Jahresschluß für das folgende Kalenderjahr die Senate zu bilden und die Geschäfte unter diese zu verteilen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Kommissionsmitglieder bei der Verhinderung eines Senatsmitgliedes als Ersatzmitglieder in die Senate eintreten. Die Zusammensetzung der Senate darf nur im Falle unbedingten Bedarfes abgeändert werden."
1.1.3. §106 BDG 1979 lautet wie folgt:
"Parteien
§106. Parteien im Disziplinarverfahren sind der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt. Die Stellung als Partei kommt ihnen mit dem Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinaranzeige zu."
1.2. Die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz für das Kalenderjahr 2006 vom 23. Dezember 2005 lautet - auszugsweise - wie folgt (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Betreff: Disziplinarkommission beim BMSG
Senatsbildung und Geschäftseinteilung für das
Kalenderjahr 2006
Sehr geehrte Damen und Herren!
Gemäß §101 Abs4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 werden für das Kalenderjahr 2006 zwei Disziplinarsenate gebildet. Für das Kalenderjahr 2006 wurde folgende Geschäftseinteilung festgelegt:
Disziplinarsenat I
Disziplinarangelegenheiten der Beamtinnen und Beamten der Zentralstelle des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, des Amtsleiters des Bundessozialamtes und dessen Stellvertreterinnen, der Leiter/innen der Landesstellen des Bundessozialamtes und deren Stellvertreter/innen sowie der Mitglieder der Disziplinarkommission
Vorsitzende: Abteilungsleiterin Dr. Maria PARZER
Stellvertreter/in: Abteilungsleiter Dr. Reinhard BRAND
Ministerialrätin Dr. Karin MILLER-FAHRINGER
1. Mitlied: Gruppenleiterin Mag. Edeltraud GLETTLER
Ersatzmitglieder: Abteilungsleiter Dr. Kurt WEGSCHEIDLER
Abteilungsleiterin Mag. Sylvia BIERBAUMER
Oberrätin Mag. Annemarie MASILKO
Amtsdirektor Wolfgang FÜRNWEGER
Abteilungsleiterin Dr. Gisela KIRCHLER-LIDY
2. Mitglied: Amtsdirektor Stefan SEEBAUER
Ersatzmitglieder: Amtsdirektorin Korinna SCHUMANN
Oberrat Dr. Michael JANDA
Amtsdirektor Harald SCHIMEL
...
Bei Verhinderung eines Mitgliedes der Disziplinarsenate I und II treten die weiteren Mitglieder der Disziplinarkommission in nachstehender Reihenfolge als Ersatzmitglieder in die Senate ein:
Bei Verhinderung des 1. Mitgliedes:
die beim Senat angeführten Ersatzmitglieder, sodann die weiteren vom Dienstgeber bestellten Mitglieder der Disziplinarkommission in alphabetischer Reihenfolge.
...
Mit freundlichen Grüßen
Für die Bundesministerin:
Elektronisch gefertigt."
2.1. Zur Frage der Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsverfahrens führte der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss Folgendes aus:
"Die Beschwerde scheint zulässig zu sein.
Die in Rede stehende Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz dürfte als Rechtsverordnung zu qualifizieren sein (vgl. zB das Erkenntnis VfSlg. 17.771/2006 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 27.9.2005, B296/05, sowie das Erkenntnis VfSlg. 18.287/2007 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 27.6.2007, B174/07).
Diese Geschäftseinteilung dürfte auch Eingang in die Rechtsordnung gefunden haben; so scheint sie insbesondere durch die Weiterleitung an alle SektionsleiterInnen, die Vorsitzende der Disziplinarkommission und deren StellvertreterIn, die weiteren vom Dienstgeber bestellten Mitglieder der Disziplinarkommission und das Bundessozialamt ein gewisses Mindestmaß an Publizität erlangt zu haben; im Übrigen hat auch der Beschwerdeführer einen Auszug aus dieser Geschäftseinteilung in seiner an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde zitiert (vgl. zB auch das Erkenntnis VfSlg. 17.771/2006 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 27.9.2005, B296/05, sowie das Erkenntnis VfSlg. 18.287/2007 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 27.6.2007, B174/07).
Weiters geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass er die im Spruch genannten Regelungen bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides anzuwenden hätte; daher dürften sie hier präjudiziell in der Bedeutung des Art139 Abs1 B-VG sein, zumal sich auch die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt im angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf sie bezieht."
2.2. Dem treten die Vorsitzende der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in ihren im Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten Äußerungen nicht entgegen. Es ist auch sonst nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsverfahrens spräche. Das Verfahren ist daher zulässig.
3.1. In der Sache äußerte der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss die folgenden Bedenken:
"[Es besteht] das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Regelungen mangelhaft kundgemacht worden sind:
... Als Rechtsverordnung der Vorsitzenden der
Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hätte die in Rede stehende Geschäftseinteilung - da besondere Kundmachungsvorschriften im Gesetz nicht enthalten sind - ortsüblich kundgemacht werden müssen (vgl. VwGH 16.7.1992, 92/09/0120; zur erforderlichen 'gehörigen' Kundmachung von Verordnungen bei Fehlen gesetzlicher Kundmachungsvorschriften zB VfSlg. 4865/1964; 16.281/2001; 18.323/2007), dh. in einer solchen Art, dass alle Adressaten von der Verordnung Kenntnis erhalten können (vgl. VfSlg. 3714/1960; VwGH 19.12.1997, 97/02/0498). Eine solche Kundmachung dürfte nicht erfolgt sein.
Mit Verfügung vom 20. Jänner 2010 ersuchte der Verfassungsgerichtshof in dem bei ihm anhängigen Bescheidprüfungsverfahren die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, die Akten betreffend die hier in Rede stehende Geschäftsverteilung vorzulegen und mitzuteilen, ob und in welcher Weise die Geschäftseinteilung kundgemacht wurde. Mit Schreiben vom 1. Februar 2010 legte die Vorsitzende der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz dem Verfassungsgerichtshof den angeforderten Akt vor; eine Mitteilung über die Kundmachung der Geschäftseinteilung erfolgte nicht (im Akt befinden sich jedoch zwei Verteiler). Mit Schreiben vom 14. Mai 2009 hatte die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt dem Verfassungsgerichtshof eine Mitteilung des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 12. Mai 2009 übermittelt;
dieser zu Folge war das unter Pkt. I.2.2. [des Prüfungsbeschlusses;
nunmehr unter Pkt. II.1.2.] genannte, die Geschäftseinteilung beinhaltende
'Schreiben - dem die Beschlussfassung durch die Vorsitzende
AL Dr. Maria Parzer voraus ging - ... an alle Sektionsleiter/innen,
die Vorsitzende und den/die Stellvertreter/in der Disziplinarkommission, alle weiteren (vom Dienstgeber) bestellten Mitglieder der Disziplinarkommission und das Bundessozialamt gerichtet. Eine weitergehende Verteilung erfolgte nicht.'
Der Verfassungsgerichtshof hat das Bedenken, dass die Übermittlung des Verordnungstextes an ausgewählte Empfänger mit dem Wesen der Kundmachung einer generellen Norm nicht vereinbar ist, zumal die im vorliegenden Fall gewählte Vorgangsweise auch nicht geeignet war, alle Normadressaten vom Inhalt der Verordnung in Kenntnis zu setzen (vgl. VfSlg. 16.281/2001).
... Weiters dürften die in Prüfung gezogenen Regelungen
deshalb gesetzwidrig sein, weil ihre Kundmachung keinen Hinweis darauf enthält, dass sie von der Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz beschlossen worden sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Nennung des verordnungserlassenden Organs ein Essential einer ordnungsgemäßen Kundmachung einer Verordnung (vgl. zB VfSlg. 7281/1974; 7903/1976; 16.591/2002 und den dem Erkenntnis VfGH 22.6.2009, V454/08, zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 22.9.2008, B363/07). Es muss nämlich aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit dem Normunterworfenen auf Grund der Kundmachung einer Verordnung möglich sein, die Einhaltung der Zuständigkeitsvorschriften zu kontrollieren (vgl. VfSlg. 6555/1971 und den dem Erkenntnis VfGH 22.6.2009, V454/08, zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 22.9.2008, B363/07).
Die bloße Anführung des §101 Abs4 BDG 1979 im Eingangssatz der in Rede stehenden Geschäftsverteilung kann die Nennung der Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz als verordnungserlassendes Organ nicht ersetzen (vgl. auch VfSlg. 7463/1974); vielmehr scheint die Geschäftseinteilung wegen der Fertigungsklausel 'Für die Bundesministerin:' dieser als verordnungsgebendes Organ zuzurechnen zu sein."
3.2.1. Die Vorsitzende der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz äußert sich dazu wie folgt:
"I. Zur Frage der gehörigen Kundmachung
Wie im Beschluss [Anm.: Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes], Pkt. II 1. angeführt ..., wurde die Geschäftseinteilung - neben den Mitgliedern der Disziplinarsenate [-] auch an die Sektionsleitungen übermittelt.
Die SektionsleiterInnen sind nach den Usancen des Ministeriums in der Regel damit aufgefordert, die Information in geeigneter Weise an die Mitglieder ihrer Organisationseinheit weiter
zu reichen, sei es ... durch die Information der Gruppen- und
Abteilungsleiterinnen, die ihrerseits wieder ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informieren[,] oder durch direkte Übermittlung (z.B. Kopie auf die Postfächer, Email an die Sektionsmitglieder).
Ein... Nachweis, dass dies im konkreten Fall auch
tatsächlich in dieser Weise geschehen ist, kann allerdings nicht erbracht werden.
II. Briefkopf des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz
Dass die Geschäftseinteilung mit einem Briefkopf des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und mit der Fertigungsklausel 'Für die Bundesministerin' veröffentlicht wurde, ist als formaler Irrtum zu sehen.
Die Sektion I hat zur Unterstützung der Vorsitzenden bei der Führung der Geschäfte der Disziplinarkommission die Geschäftseinteilung 2006 veröffentlicht, konnte das aber, da ihr keine entsprechende Rolle im System des elektronischen Aktes zusteht,
... nicht im Namen der Vorsitzenden der Disziplinarkommission tun."
3.2.2. Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hält den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes in seiner Äußerung Folgendes entgegen:
"Gemäß §101 Abs4 BDG 1979 wurden mit Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 19.12.2005 für das Kalenderjahr 2006 die Disziplinarsenate I und II gebildet, die Zuständigkeit der Senate für Disziplinarangelegenheiten der Beamten und Beamtinnen des Ressorts festgelegt sowie das Eintreten der Ersatzmitglieder bei Verhinderung eines Senatsmitglieds bestimmt.
Die Geschäftseinteilung für das Kalenderjahr 2006 wurde unter der Geschäftszahl BMSG-14007/0010-I/A/3/2005 am 19.12.2005 von der Vorsitzenden der Disziplinarkommission genehmigt und mit Schreiben des Leiters der Sektion I vom 23.12.2005 unter derselben Geschäftszahl kundgemacht.
Die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission wurde sodann an alle Sektionsleiter und Sektionsleiterinnen der Zentralstelle, an das Bundessozialamt als nachgeordnete Dienstbehörde sowie an alle vom Dienstgeber bestellten Mitglieder der Disziplinarkommission übermittelt.
Weiters wurde die Geschäftseinteilung den Gruppenleitern der Sektion I, dem Leiter der Personalabteilung (I/A/2) sowie dem Leiter der für grundsätzliche Angelegenheiten des Dienst- und Besoldungsrechts sowie für Personalangelegenheiten des Bundessozialamtes zuständigen Abteilung (I/A/3) zur Kenntnis gebracht. Darüber hinaus wurde das Schreiben an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Abteilungen I/A/2 und I/A/3 übermittelt. Schließlich erhielten der Vorsitzende des Zentralausschusses beim BMSG und die Vorsitzende der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen eine Ausfertigung des Schreibens. (Unter GZ BMSG-14007/0010-I/A/3/2005 mittels Verteiler A, ...)
I. Zur in Prüfung gezogenen Kundmachung der Geschäftseinteilung:
Die Abwicklung des elektronischen Aktes über die Erstellung der Geschäftseinteilung für das Kalenderjahr 2006 einschließlich der Kundmachung erfolgte im Rahmen der administrativen Unterstützung der Vorsitzenden der Disziplinarkommission durch die Sektion I. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Geschäftseinteilung für das Kalenderjahr 2006 am 19.12.2005 von der Vorsitzenden der Disziplinarkommission erlassen wurde, was auch im Akt unter der GZ BMSG-14007/0010-I/A/3/2005 dokumentiert ist.
Analog der Vorgehensweise in diversen Präsidialangelegenheiten des Ressorts erging die Geschäftseinteilung - neben den vom Dienstgeber bestellten Mitgliedern der Disziplinarkommission - an alle Sektionsleiter und Sektionsleiterinnen sowie an das Bundessozialamt als nachgeordnete Dienstbehörde und somit an alle organisatorischen Bereiche des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz.
Durch die Übermittlung an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Abteilungen I/A/2 und I/A/3 sowie an das Bundessozialamt erhielten zusätzlich alle im Bereich der Dienstbehörde für die Bearbeitung von Disziplinarangelegenheiten zuständigen Bediensteten ein Exemplar der Geschäftseinteilung.
Durch die gewählte Vorgangsweise wurde somit sichergestellt, dass für alle Beamten und Beamtinnen des Ressorts die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission bestand, und zwar sei es im Rahmen der jeweiligen Organisationseinheit über den Sektionleiter oder die Sektionsleiterin bzw. durch Informationsweitergabe über die Vorgesetzten, auf Seiten des Dienstgebers über die Personalabteilungen sowie schließlich auf Seiten der Dienstnehmervertretung über die zuständigen Personalvertretungsorgane bzw. über die Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen im Ressort.
Ein Nachweis über die Informationsweitergabe ist durch die in den einzelnen Organisationseinheiten unterschiedliche Handhabung zum jetzigen Zeitpunkt für das Kalenderjahr 2006 jedoch nicht mehr möglich."
3.2.3. Der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens bringt in seiner Äußerung u.a. Folgendes vor:
"Die gegenständliche Geschäftseinteilung de[r]
Disziplinarkommission beim BMSG für das Kalenderjahr 2006 wurde nach
dem Wissenstand des Einschreiters weder durch ein Rundschreiben an
die Beamten des Hauses ... noch auf sonstige Art und Weise
kundgemacht. Der Einschreiter entnahm dem Disziplinarerkenntnis 1.
Instanz ..., welche Mitglieder der Disziplinarkommission über ihn
befunden haben. Mittels ... Fernschreiben... forderte der
Einschreiter die Geschäftseinteilung bei der Vorsitzenden der Disziplinarkommission 1. Instanz an. ...
Der Beschwerdeführer hatte ... keine andere Möglichkeit, sich
Kenntnis von den Geschäftseinteilungen zu verschaffen."
3.3. Weder das Vorbringen der Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz noch das Vorbringen des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ist geeignet, die oben, unter Pkt. II.3.1. wiedergegebenen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu zerstreuen.
3.3.1. Vielmehr räumen die genannten Behörden damit geradezu ein, dass die in Rede stehende Geschäftseinteilung nicht im Namen der Vorsitzenden der Disziplinarkommission veröffentlicht wurde. Wenn der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz meint, dass
"[d]ies ... jedoch nichts daran [ändert], dass die
Geschäftseinteilung für das Kalenderjahr 2006 am 19.12.2005 von der Vorsitzenden der Disziplinarkommission erlassen wurde",
so übersieht er, dass es darauf für die hier zu beurteilende Frage nicht ankommt. Das - unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung im Prüfungsbeschluss dargelegte - Bedenken des Verfassungsgerichtshofes geht nämlich dahin, dass die Kundmachung der Geschäftseinteilung keinen Hinweis darauf enthält, dass sie von der Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz erlassen wurde. Dass, wie der Bundesminister ausführt,
"[d]ie Abwicklung des elektronischen Aktes über die Erstellung der Geschäftseinteilung für das Kalenderjahr 2006
einschließlich der Kundmachung ... im Rahmen der administrativen
Unterstützung der Vorsitzenden der Disziplinarkommission durch die Sektion I [erfolgte]"
und, wie die Vorsitzende der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vorbringt,
"[d]ie Sektion I [die Veröffentlichung der] Geschäftseinteilung 2006 ..., da ihr keine entsprechende Rolle im
System des elektronischen Aktes zusteht, ... nicht im Namen der
Vorsitzenden der Disziplinarkommission [vornehmen konnte]",
ändert an der Gesetzwidrigkeit der in Rede stehenden Verordnungsbestimmungen nichts.
3.3.2. Auch eine gehörige Kundmachung der Geschäftseinteilung in dem Sinn, dass alle Adressaten von ihr unter den gleichen Bedingungen Kenntnis erlangen können, haben die Vorsitzende der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit ihren Vorbringen nicht dargetan. Die Übermittlung der Geschäftseinteilung an ausgewählte Empfänger ist nicht geeignet, alle Normadressaten von ihrem Inhalt in Kenntnis zu setzen. Der vom Bundesminister vorgebrachte Umstand, dass durch die Übermittlung der Geschäftseinteilung an
"[die] vom Dienstgeber bestellten Mitglieder... der
Disziplinarkommission[,] an alle Sektionsleiter und Sektionsleiterinnen sowie an das Bundessozialamt als nachgeordnete Dienstbehörde und somit an alle organisatorischen Bereiche des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz [und]
... an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der
Abteilungen I/A/2 und I/A/3 ...
... sichergestellt [ist], dass für alle Beamten und
Beamtinnen des Ressorts die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission bestand",
genügt einer ordnungsgemäßen Kundmachung der Geschäftseinteilung nicht, zumal in ihr kein Hinweis auf den Ort enthalten ist, an dem sie zur allgemeinen Einsicht aufliegt.
3.4. Im Verordnungsprüfungsverfahren ist auch sonst nichts hervorgekommen, was die oben unter Pkt. II.3.1. wiedergegebenen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zerstreut hätte.
Die Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Regelungen der Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz für das Kalenderjahr 2006 an Kundmachungsmängeln leiden, erweisen sich somit als zutreffend.
4. Gemäß Art139 Abs3 litc B-VG hat der Verfassungsgerichtshof dann, wenn er im Verordnungsprüfungsverfahren zur Auffassung gelangt, dass die ganze Verordnung in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde, die ganze Verordnung aufzuheben. Art139 Abs4 B-VG bestimmt, dass der Verfassungsgerichtshof, wenn die Verordnung im Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getreten ist und das Verfahren von Amts wegen eingeleitet wurde, auszusprechen hat, ob die geprüfte Verordnung gesetzwidrig war; dabei gilt Abs3 sinngemäß.
Die festgestellten Kundmachungsmängel betreffen nicht nur die - im Anlassfall präjudiziellen - Bestimmungen der in Rede stehenden Verordnung, sondern in gleicher Weise auch die übrigen Verordnungsbestimmungen; es ist daher hinsichtlich der ganzen Verordnung auszusprechen, dass sie gesetzwidrig war. Umstände, die dem iSd Art139 Abs3 letzter Satz B-VG entgegenstünden, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
5. Die im Spruch genannte - mit "Geschäftseinteilung für das Kalenderjahr 2006" betitelte - Verordnung gilt ihren beiden ersten Sätzen zu Folge "für das Kalenderjahr 2006". Mit der "Geschäftseinteilung für das Kalenderjahr 2007", die gemäß deren ersten beiden Sätzen die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz "für das Kalenderjahr 2007" festlegt, wurde der in Prüfung gezogenen Verordnung materiell derogiert. Im Hinblick darauf hat der Verfassungsgerichtshof den Ausspruch darauf zu beschränken, dass die Verordnung gesetzwidrig war.
6. Die Verpflichtung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches gründet sich auf Art139 Abs5 zweiter Satz B-VG und auf §60 Abs2 (iVm §61) VfGG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.
7. Kosten waren nicht zuzusprechen, weil in Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Verordnungen gemäß den §§57 bis 61 VfGG ein Kostenersatz nicht vorgesehen ist (und nur in dem - hier nicht gegebenen - Fall des §61a VfGG in Betracht kommt). Die von der im Verfahren zu B1058/07 beschwerdeführenden und im vorliegenden Verfahren beteiligten Partei verzeichneten Kosten für die Erstattung der Äußerung im Verordnungsprüfungsverfahren waren auch deshalb nicht zuzusprechen, weil Kosten für Interventionen im amtswegig eingeleiteten Normenprüfungsverfahren im Anlassverfahren durch den dort zuzusprechenden Pauschalsatz abgegolten werden.
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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