VfGH V454/08

VfGHV454/0822.6.2009

Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Prostitutionsverordnung wegen gesetzwidriger Kundmachung mangels Berufung auf den zugrunde liegenden Beschluss der verordnungserlassenden Gemeindevertretung

Normen

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz litc
ProstitutionsV (ProstitutionsverbotsVO) der Gemeindevertretung der Gemeinde Bad Vigaun vom 15.12.05
Sbg GdO 1994 §79 Abs1
Sbg LandespolizeistrafG §1e, §2
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz litc
ProstitutionsV (ProstitutionsverbotsVO) der Gemeindevertretung der Gemeinde Bad Vigaun vom 15.12.05
Sbg GdO 1994 §79 Abs1
Sbg LandespolizeistrafG §1e, §2

 

Spruch:

Die Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Bad Vigaun vom 15. Dezember 2005, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 30. Dezember 2005 bis 16. Jänner 2006, war gesetzwidrig.

Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin stellte am 1. Dezember 2005 einen

Antrag auf Erteilung der Bordellbewilligung in Bad Vigaun. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Vigaun vom 22. März 2006 abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wies die Gemeindevertretung der Gemeinde Bad Vigaun mit Bescheid vom 23. Juni 2006 als unbegründet ab.

Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B363/07 eine Beschwerde gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 24. Jänner 2007 anhängig, mit dem die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den genannten Bescheid der Gemeindevertretung Bad Vigaun als unbegründet abgewiesen wurde.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde entstand beim Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass der - im Anlassfall präjudizielle - §1 der Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Bad Vigaun vom 15. Dezember 2005 (im Weiteren: ProstitutionsverbotsVO) mangels Berufung auf den zugrunde liegenden Beschluss der verordnungserlassenden Gemeindevertretung in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde.

Weiters hegte der Verfassungsgerichtshof vorläufig das Bedenken, dass §1 ProstitutionsverbotsVO weder in §2 Abs1 des Gesetzes vom 23. April 1975, mit dem verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungen erlassen werden (Salzburger Landes-Polizeistrafgesetz, im Weiteren: Sbg. Landes-PolStG [nunmehr Salzburger Landessicherheitsgesetz - S.LSG]) noch in einer anderen Gesetzesbestimmung Deckung findet.

3. Der Gemeinderat der Gemeinde Bad Vigaun erstattete eine Äußerung und legte diverse - an die Gemeinde ergangene - Stellungnahmen zur geplanten Aufnahme des Bordellbetriebes im Ortsteil St. Margarethen vor.

4. Die Salzburger Landesregierung erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie im Wesentlichen die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung bestreitet.

II. Zur Rechtslage:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Sbg. Landes-PolStG, LGBl. 58/1975 in der zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Anlassfalles geltenden Fassung LGBl. 114/2006, lauteten:

"Verbote; Bordellbewilligung

§1a

(1) Verboten sind:

1. die Ausübung der Prostitution (§1 Z1) außerhalb behördlich bewilligter Bordelle;

2. die Anbahnung der Prostitution (§1 Z2) außerhalb behördlich bewilligter Bordelle;

...

(2) Ein Bordell darf nur mit Bewilligung der Gemeinde betrieben werden."

"Bordellbewilligung

§1c

(1) Die Gemeinde hat eine Bordellbewilligung zu erteilen, wenn die persönlichen (§1d) und sachlichen (§1e) Voraussetzungen erfüllt sind. Vor der Erteilung der Bewilligung ist der nach dem beantragten Standort zuständigen Verwaltungsstrafbehörde (§6 Abs2) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

..."

"Sachliche Voraussetzungen

§1e

Die Bordellbewilligung kann nur erteilt werden, wenn alle nachstehenden Voraussetzungen erfüllt werden:

1. Für den beantragten Standort besteht kein Verbot gemäß §2.

2. Im Umkreis von 300 m um den beantragten Standort befindet sich keine der folgenden Einrichtungen:

  1. a) Schulen, Kindergärten;
  2. b) Jugendzentren, Jugendtreffpunkte;
  3. c) Heime für Kinder oder Jugendliche;
  4. d) öffentliche Kinderspielplätze;
  5. e) Sportstätten;
  6. f) Gebäude, die religiösen Zwecken gewidmet sind;
  7. g) Amtsgebäude;
  8. h) Krankenanstalten, Erholungsheime;
  9. i) Alten- und Pflegeheime;
  10. j) Kasernen.

3. Der beantragte Standort lässt im Hinblick auf die Umgebung oder den Charakter der Gemeinde erwarten, dass durch den Betrieb einschließlich der Zu- und Abfahrten während der Betriebszeiten keine das örtliche Gemeinschaftsleben in der Nachbarschaft oder in der Gemeinde störenden Missstände (insbesondere sicherheits- oder sittlichkeitspolizeilicher oder hygienischer Art oder in Bezug auf den Tourismus) entstehen.

4. Das Bordell wird nicht in Wohnwägen, Wohnmobilen, Zelten oder ähnlichen Anlagen betrieben.

5. Das Gebäude, in dem das Bordell betrieben werden soll, dient keinen anderen Zwecken als dem beantragten. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn in dem Gebäude zwar Wohnungen bestehen, diese aber ausschließlich von Personen bewohnt werden, die

  1. a) in dem Bordell die Prostitution ausüben;
  2. b) das Bordell selbst betreiben; oder
  3. c) als verantwortliche Person namhaft gemacht worden sind.

6. Die sanitäre Ausstattung des Gebäudes entspricht den hygienischen Anforderungen."

"Beschränkung für bestimmte Gebiete oder fürdas gesamte Gemeindegebiet

§2

(1) Die Gemeinde kann durch Verordnung die Anbahnung und die Ausübung der Prostitution im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebietes für einen Zeitraum von höchstens drei Jahren untersagen, wenn die Prostitution dort zu Missständen führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben stören. Die Geltungsdauer der Verordnung kann verlängert werden, wenn Gründe für die Annahme vorliegen, dass sich die Missstände bei Wegfall der Verordnung wiederholen würden.

(2) Vor Erlassung einer Verordnung gemäß Abs1 ist die zur Ahndung von Verwaltungsübertretungen gemäß §2a berufene örtlich zuständige Behörde zu hören. Diese Behörde ist auch von der Erlassung einer solchen Verordnung zu verständigen.

Strafbestimmungen

§2a

(1) Wenn die Tat nicht den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer

1. ein Bordell ohne erforderliche Bewilligung (§§1a Abs2, 1c Abs3) betreibt;

..."

2.1. Die Gemeindevertretung der Gemeinde Bad Vigaun beschloss am 15. Dezember 2005 die nachstehende ProstitutionsverbotsVO:

"Gemeinde Bad Vigaun

VERORDNUNG

§1

Gemäß §2 Abs1 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes LGBl. Nr. 58/1975 i.d.g.F. wird die Anbahnung und die Ausübung der Prostitution im Gemeindegebiet von Bad Vigaun untersagt.

§2

Diese Verordnung tritt mit dem Tag nach Ablauf der Kundmachungsfrist für die Dauer von drei Jahren in Kraft.

§3

Die Nichtbefolgung dieser Verordnung stellt eine Verwaltungsübertretung dar, die mit einer Geldstrafe bis zu € 10.000,-- oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu 4 Wochen, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis € 20.000,-- oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen bestraft wird.

Bad Vigaun, am 15.12.2005

Der Bürgermeister:

[Unterschrift]

Amtstafel angeschlagen am: 30.12.2005

abgenommen am: 16. 1.2006 [Unterschriftskürzel]"

2.2. Dem im Verwaltungsakt einliegenden Protokoll über die Sitzung der Gemeindevertretung Bad Vigaun vom 15. Dezember 2005 ist u. a. Folgendes zu entnehmen:

"Zu Punkt 3a) Bordell Sperrzonenverordnung für Bad Vigaun

Der Bürgermeister berichtet, dass es zur beantragten

Bordelleröffnung im Hause St. Margarethen Nr. ... seitens der

Anrainer massive Beschwerden und Bedenken gibt. Die St. Margarethener

Gemeindevertreter und Gemeinderäte ... stellen den Antrag auf

Erlassung einer Verordnung, bei der die Gemeinde Bad Vigaun zur Bordellsperrzone erklärt werden soll. Diese gewünschte Verordnung wurde von den Vertretern der Bez. Hauptmannschaft Hallein geprüft. Er liest diese Verordnung vor.

Ohne Debatte wird einstimmig beschlossen, dass der Ort Bad Vigaun zur Bordellsperrzone erklärt wird."

2.3. Gemäß §2 ProstitutionsverbotsVO tritt diese mit dem Tag nach Ablauf der Kundmachungsfrist (s. dazu §79 Abs1 Salzburger Gemeindeordnung 1994 - GdO 1994) für die Dauer von drei Jahren in Kraft. Ausgehend davon, dass die Verordnung mit 16. Jänner 2006 in Kraft getreten ist, ist diese nach Ablauf von drei Jahren - dh. mit 16. Jänner 2009 - außer Kraft getreten.

3. §79 GdO 1994, LGBl. 107 idF LGBl. 120/2006, lautet samt Überschrift:

"IX. Hauptstück

Verwaltungsakte

Allgemein verbindliche Verwaltungsakte

§79

(1) Anordnungen der Organe der Gemeinde, die die Allgemeinheit oder einen nur nach Gattungsmerkmalen bestimmten Personenkreis betreffen, insbesondere auch die Ermächtigung von Ausschüssen gemäß §33 Abs2 oder die Übertragung von Angelegenheiten auf den Bürgermeister gemäß §40 Abs3, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der ortsüblichen Kundmachung. Die Kundmachungsfrist beträgt zwei Wochen. Die Rechtswirksamkeit solcher Anordnungen beginnt, sofern in ihnen nichts anderes bestimmt wird, frühestens mit dem Tag nach Ablauf der Kundmachungsfrist; eine Rückwirkung solcher Anordnungen ist nur soweit zulässig, als dies durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist.

(2) Anordnungen (Verordnungen), deren Umfang oder Art als ortsübliche Kundmachung den Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde nicht zuläßt, können im Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht während der Amtsstunden innerhalb der Kundmachungsfrist aufgelegt werden. Die Auflegung ist nach Abs1 kundzumachen.

(3) Blinden oder Personen mit hochgradiger Sehbehinderung, die eines Vertreters entbehren, ist auf Verlangen der Inhalt von Anordnungen gemäß Abs1 durch Vorlesen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten in sonst geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen. Durch Auflage kundgemachte Anordnungen sind solchen Personen auf Verlangen bestmöglich zu erklären.

(3a) Gemäß Abs1 kundgemachte Anordnungen sowie Kundmachungen über die Auflegung gemäß Abs2 zweiter Satz sind unbeschadet ihrer Verbindlichkeit auf Grund der so erfolgten Kundmachung soweit technisch ohne unverhältnismäßigem Aufwand möglich während ihrer Geltung auch im Internet unter der Webadresse der Gemeinde oder, wenn die Gemeinde über keine solche verfügt, unter www.salzburg.gv.at/gemeinden zur Abfrage bereitzuhalten. Die entsprechenden Internetseiten sind behindertengerecht zu gestalten.

(4) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, durch die Gemeindevertretung ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Mißstände zu erlassen sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen.

(5) Die Gemeinde hat im eigenen Wirkungsbereich erlassene Verordnungen gleichzeitig mit der Veranlassung der Kundmachung der Aufsichtsbehörde mitzuteilen."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art139 Abs1 erster Satz B-VG über die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung von Amts wegen, sofern er eine solche Verordnung in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. Im Sinne dieser Verfassungsnorm sind bei einem vom Verfassungsgerichtshof von Amts wegen eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahren jene Verordnungsbestimmungen präjudiziell, die von der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides in denkmöglicher Weise - wenn auch vielleicht zu Unrecht - angewendet wurden (zB VfSlg. 14.078/1995) oder die die belangte Behörde anzuwenden verpflichtet war (zB VfSlg. 10.617/1985, 11.752/1988, 16.452/2002). Somit begründet nicht nur die Verpflichtung zur Anwendung, sondern auch die faktische Anwendung die Präjudizialität. Im letzten Fall muss allerdings - wie bereits ausgeführt - der Sachverhalt unter die angewendete Verordnungsbestimmung zumindest denkmöglich subsumierbar sein (vgl. VfSlg. 4625/1963, 5373/1966, 16.198/2001, 17.015/2003).

1.2. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsverfahrens ging der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss vorläufig davon aus, dass er bei der Behandlung der Beschwerde §1 ProstitutionsverbotsVO anzuwenden hätte.

Dem tritt die Salzburger Landesregierung in ihrer im Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten Äußerung wie folgt entgegen:

"Der von der Beschwerdeführerin nunmehr bekämpfte Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 24. Jänner 2007 stützt sich auf das Salzburger Landes-Polizeistrafgesetz; hingegen war für die Entscheidung der belangten Behörde die Prostitutionsverbotsverordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Bad Vigaun vom 15. Dezember 2005 nicht entscheidungserheblich und wurde daher nicht angewandt.

... Die gegenständliche Verordnung ist somit für das

Verfahren nicht präjudiziell."

1.3. Damit übersieht die Salzburger Landesregierung zunächst, dass die Versagung der von der Beschwerdeführerin beantragten Bordellbewilligung sowohl im erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Vigaun, als auch im Berufungsbescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde Bad Vigaun nicht nur auf §1e Z2 litd Sbg. Landes-PolStG gestützt, sondern (unter Hinweis auf §1e Z1 Sbg. Landes-PolStG) zudem auch damit begründet wurde, dass die Erteilung einer Bordellbewilligung in dem von der ProstitutionsverbotsVO erfassten Gebiet von vornherein ausscheide.

Die Salzburger Landesregierung hat zwar in ihrem - dem Beschwerdefall zugrunde liegenden - Bescheid angesichts des Fehlens der in §1e Z2 litd Sbg. Landes-PolStG für die Erteilung der Bordellbewilligung normierten Voraussetzung davon abgesehen, "allfällige weitere Hindernisse" für die Erteilung der Bordellbewilligung zu prüfen. Ungeachtet dessen war sie jedoch iS der unter Pkt. III.1.1. angeführten Judikatur verpflichtet, im Zuge der Prüfung, ob die Erteilung der von der Beschwerdeführerin beantragten Bordellbewilligung zu Recht versagt wurde, (auch) §1 ProstitutionsverbotsVO anzuwenden.

2. In der Sache äußerte der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss folgende Bedenken:

"2.1. Die von der Gemeindevertretung Bad Vigaun in ihrer Sitzung vom 15. Dezember 2005 beschlossene ProstitutionsverbotsVO wurde mittels Anschlag an der Amtstafel von 30. Dezember 2005 bis 16. Jänner 2006 kundgemacht. Ein Hinweis auf den Beschluss der Gemeindevertretung, aus dem sich der wiedergegebene Text der Verordnung ergibt, ist der Kundmachung nicht zu entnehmen.

2.1.1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu vergleichbaren Kundmachungsvorgängen ist die Nennung des verordnungserlassenden Organs ein Essentiale einer ordnungsgemäßen Kundmachung einer Verordnung (vgl. bereits VfSlg. 7281/1974, 7903/1976; weiters VfSlg. 15.741/2000, 16.591/2002). Dies gilt auch dann, wenn bestehende besondere gesetzliche Kundmachungsvorschriften dieses Erfordernis nicht ausdrücklich enthalten. Es muss nämlich aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit dem Normunterworfenen aufgrund der Kundmachung einer Verordnung möglich sein, die Einhaltung der Zuständigkeitsvorschriften zu kontrollieren (vgl. VfSlg. 6555/1971).

2.1.2. Der Verfassungsgerichtshof nimmt daher vorläufig an, dass die Bestimmung des §79 Abs1 Sbg. GdO 1994 in verfassungskonformer Weise so zu verstehen ist, dass die Kundmachung von Verordnungen der Gemeindeorgane auch eine Nennung des verordnungsgebenden Organs verlangt. Eine dem entgegenstehende Kundmachung scheint daher den gesetzlichen Anforderungen zu widersprechen.

2.1.3. Da die Kundmachung der ProstitutionsverbotsVO ohne Berufung auf den zugrunde liegenden Beschluss der Gemeindevertretung vom 15. Dezember 2005 erfolgt ist, dürfte diese iSd obigen Ausführungen gesetzwidrig sein.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hegt aber gegen §1 ProstitutionsverbotsVO noch ein weiteres Bedenken:

2.2.1. Gemäß §2 Abs1 Sbg. Landes-PolStG kann die Gemeinde die Anbahnung und die Ausübung der Prostitution im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebietes für einen bestimmten Zeitraum untersagen, wenn die Prostitution dort zu Missständen führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben stören.

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass Gemeinden die Anbahnung bzw. Ausübung der Prostitution iS dieser gesetzlichen Verordnungsermächtigung nur dann im gesamten Gemeindegebiet verbieten dürfen, wenn dies dazu dient, den im gesamten Gemeindegebiet mit der Prostitution einhergehenden Missständen zu begegnen. Soll daher ein Verbot für das gesamte Gemeindegebiet ausgesprochen werden, ist für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit dieses Verbots ausschlaggebend, ob eine solche Maßnahme im Lichte der Ziele des §2 Abs1 Landes-PolStG für dieses Gebiet in seiner Gesamtheit gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch VfSlg. 18.023/2006).

2.2.2. §1 ProstitutionsverbotsVO verbietet die Anbahnung und Ausübung der Prostitution im Gemeindegebiet von Bad Vigaun zur Gänze, ohne hinsichtlich der unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten - insbesondere mit Blick auf die einzelnen Ortsteile der Gemeinde - zu differenzieren.

Damit dürfte die Verordnung über die gesetzliche Ermächtigung des §2 Abs1 Landes-PolStG hinausgehen: Wie nämlich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Protokoll über die Sitzung der Gemeindevertretung Bad Vigaun vom 15. Dezember 2005 ersichtlich ist, bezogen sich die Ausführungen zur Erlassung des Prostitutionsverbots ausschließlich auf St. Margarethen, einen - auch in geographischer Hinsicht vom Ortskern der Gemeinde deutlich getrennten - Ortsteil der Gemeinde Bad Vigaun. Überlegungen zur Erlassung eines gemeindeweiten Prostitutionsverbots können den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen hingegen nicht entnommen werden.

Ungeachtet dessen dürften aber selbst die im Sitzungsprotokoll vom 15. Dezember 2005 zum Ortsteil St. Margarethen festgehaltenen Ausführungen für sich nicht ausreichen, um zu belegen, dass die Anbahnung bzw. Ausübung der Prostitution zu Missständen iSd §2 Abs1 Landes-PolStG führt.

2.2.3. Der Verfassungsgerichtshof ist daher unter diesen Gesichtspunkten vorläufig der Auffassung, dass §1 ProstitutionsverbotsVO weder in §2 Abs1 Landes-PolStG noch in einer anderen Gesetzesbestimmung Deckung findet."

3. Dem Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass §1 ProstitutionsverbotsVO mangels Berufung auf den zugrunde liegenden Beschluss der verordnungserlassenden Gemeindevertretung in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde, traten weder der Gemeinderat der Gemeinde Bad Vigaun noch die Salzburger Landesregierung entgegen. Im Verordnungsprüfungsverfahren ist auch sonst nichts hervorgekommen, was dieses Bedenken zerstreuen könnte. Die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung erweist sich daher schon wegen dieses Kundmachungsmangels als gesetzwidrig.

Angesichts dieses Ergebnisses war auf weitere Bedenken nicht mehr einzugehen.

IV. 1. Gemäß Art139 Abs3 litc B-VG hat der Verfassungsgerichtshof dann, wenn er im Verordnungsprüfungsverfahren zur Auffassung gelangt, dass die ganze Verordnung in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde, die ganze Verordnung aufzuheben. Art139 Abs4 B-VG bestimmt, dass der Verfassungsgerichtshof, wenn die Verordnung im Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getreten ist und das Verfahren von Amts wegen eingeleitet wurde, auszusprechen hat, ob die geprüfte Verordnung gesetzwidrig war; dabei gilt Abs3 sinngemäß.

Da nicht bloß der in Prüfung gezogene - im Anlassfall präjudizielle - §1 ProstitutionsverbotsVO, sondern in gleicher Weise auch die übrigen Verordnungsbestimmungen vom festgestellten Kundmachungsmangel betroffen sind, war gemäß Art139 Abs4 zweiter Satz B-VG iVm Art139 Abs3 litc B-VG auszusprechen, dass die ganze Verordnung gesetzwidrig war (vgl. zum Außer-Kraft-Treten der ProstitutionsverbotsVO oben Pkt. II.2.3.). Umstände, die dem iSd Art139 Abs3 letzter Satz B-VG entgegenstünden, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

2. Die Verpflichtung der Salzburger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit im Zusammenhang stehenden weiteren Ausspruchs erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VfGG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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