Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Allg
EMRK Art7
StVO 1960 §84 Abs2
VfGG §62 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Allg
EMRK Art7
StVO 1960 §84 Abs2
VfGG §62 Abs1
Spruch:
I. Die Anträge auf Aufhebung der Wortfolge "Werbungen und" in §84 Abs2 StVO 1960 in der Fassung BGBl. Nr. 518/1994 werden abgewiesen.
II. Der Antrag auf Aufhebung der Wortfolge "und Ankündigungen" in §84 Abs2 StVO 1960 in der Fassung BGBl. Nr. 518/1994 wird abgewiesen.
III. Die Eventualanträge, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, "dass in verfassungskonformer Anwendung der obgenannten Gesetzesbestimmung die verfahrensgegenständlichen Sachverhalte keine Strafbarkeit begründen", beziehungsweise "dass in verfassungskonformer Anwendung der obgenannten Gesetzesbestimmung der verfahrensgegenständliche Sachverhalt vom Verbotsumfang nicht erfasst ist", werden zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die Überschrift des X. Abschnitts der Straßenverkehrsordnung 1960, sowie deren §§82 und 84 lauten:
"X. ABSCHNITT.
Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken.
§82. Bewilligungspflicht.
(1) Für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, z.B. zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, ist unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich. Das gleiche gilt für Tätigkeiten, die geeignet sind, Menschenansammlungen auf der Straße herbeizuführen oder die Aufmerksamkeit der Lenker von Fahrzeugen zu beeinträchtigen.
(2) Eine Bewilligung nach Abs1 ist auch für das Aufstellen von Kraftfahrzeugen oder Anhängern ohne Kennzeichentafeln erforderlich.
(3) Eine Bewilligung nach Abs1 ist nicht erforderlich
a) für gewerbliche Tätigkeiten auf Gehsteigen oder Gehwegen ohne feste Standplätze,
b) für das Wegschaffen eines betriebsunfähig
gewordenen Fahrzeuges oder für dessen Instandsetzung, sofern dies einfacher als das Wegschaffen ist und der fließende Verkehr dadurch nicht behindert wird,
c) für eine gewerbliche Tätigkeit, die ihrem Wesen nach auf der Straße ausgeübt wird und deren Betriebsanlage genehmigt ist,
d) für das Aufstellen oder die Lagerung von Sachen, die für Bau, Erhaltung, Pflege und Reinigung der Straße erforderlich sind,
e) für das Musizieren bei Umzügen und dergleichen
(§86),
f) für die Nutzung der Rückseite von Verkehrszeichen oder anderen Einrichtungen zur Verhinderung von Falschfahrten im Zuge von Autobahnabfahrten zu Werbezwecken, wenn diese Nutzung nicht der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs entgegensteht und die Behörde, die diese Verkehrszeichen oder diese Einrichtungen verfügt hat, zustimmt und die Gesamtkosten der Anbringung und Erhaltung vom Unternehmer getragen werden.
(4) Eine Bewilligung nach Abs1 ist ferner nicht erforderlich für geringfügige Instandsetzungs- oder Instandhaltungsarbeiten an Fahrzeugen, z.B. Vergaserreinigung, Reifenwechsel, Arbeiten an der elektrischen Anlage oder dergleichen, vor der Betriebsstätte eines hiezu befugten Gewerbetreibenden, wenn dort das Halten und Parken nicht verboten ist (§§23 und 24).
(5) Die Bewilligung nach Abs1 ist zu erteilen, wenn durch diese Straßenbenützung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht wesentlich beeinträchtigt wird oder eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Lärmentwicklung nicht zu erwarten ist. Wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, ist die Bewilligung bedingt, befristet oder mit Auflagen zu erteilen; die Bewilligung ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung weggefallen sind.
(6) Die Organe der Straßenaufsicht sind befugt, verkehrsfremde Tätigkeiten auf und an der Straße, auch wenn für sie eine Bewilligung nach Abs1 vorliegt, vorübergehend zu untersagen, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert.
(7) Das Aufstellen von Kisten, Brettern, Tafeln u. dgl. auf Parkflächen ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs1 bis 6
verboten.
...
§84. Werbungen und Ankündigungen außerhalb
des Straßengrundes.
(1) Werkstätten, wo Fahrzeuge repariert werden, Radiostationen, die Verkehrsinformationen durchgeben, und Tankstellen dürfen außerhalb von Ortsgebieten nur mit den Hinweiszeichen 'Pannenhilfe' (§53 Abs1 Z4), 'Verkehrsfunk' (§53 Abs1 Z4a) beziehungsweise 'Tankstelle' (§53 Abs1 Z6) angekündigt werden. Die Kosten für die Anbringung und Erhaltung dieser Zeichen sind von demjenigen zu tragen, der ihre Anbringung beantragt hat.
(2) Ansonsten sind außerhalb von Ortsgebieten
Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten. Dies gilt jedoch nicht für die Nutzung zu Werbezwecken gemäß §82 Abs3 litf.
(3) Die Behörde hat Ausnahmen von dem im Abs2 enthaltenen Verbot zu bewilligen, wenn das Vorhaben einem vordringlichen Bedürfnis der Straßenbenützer dient oder für diese immerhin von erheblichem Interesse ist und vom Vorhaben eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs nicht zu erwarten ist. Für eine solche Ausnahmebewilligung gelten die Bestimmungen des §82 Abs5 letzter Satz sinngemäß.
(4) Ist eine Werbung oder Ankündigung entgegen der Bestimmung des Abs2 und ohne Bewilligung nach Abs3 angebracht worden, so hat die Behörde den Besitzer oder Verfügungsberechtigten mit Bescheid zu verpflichten, die Werbung oder Ankündigung zu entfernen."
§99 Abs3 litd StVO 1960 lautet:
"(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
...
d) wer Straßen ohne Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken (X. Abschnitt) benützt, insbesondere ohne Bewilligung eine nach §82 bewilligungspflichtige Tätigkeit oder Herstellung vornimmt oder ohne Bewilligung sportliche Veranstaltungen nach §64 abhält,
..."
II. 1.1. Mit den zu G177/02, G205/02, G292/02 und G316/02 protokollierten Anträgen begehrte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (in der Folge: UVS),
"[d]er Verfassungsgerichtshof wolle die Wortfolge 'Werbungen und' im ersten Satz des §84 Abs2 StVO, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 92/1998 als verfassungswidrig aufheben".
In den zu G177/02, G205/02 und G316/02
protokollierten Anträgen stellte der UVS zusätzlich den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle
"... in eventu ... aussprechen, dass in
verfassungskonformer Anwendung der obgenannten Gesetzesbestimmung die verfahrensgegenständlichen Sachverhalte keine Strafbarkeit begründen".
1.2. Mit dem zu G265/02 protokollierten Antrag
begehrte der UVS,
"[d]er Verfassungsgerichtshof wolle die Wortfolge
'und Ankündigungen' im ersten Satz des §84 Abs2 StVO, BGBl. Nr. 159/1960, idF BGBl. I Nr. 92/1998 als verfassungswidrig aufheben".
Darüber hinaus stellte er dort den Eventualantrag, der Verfassungsgerichtshof wolle
"... in eventu ... aussprechen, dass in
verfassungskonformer Anwendung der obgenannten Gesetzesbestimmung der verfahrensgegenständliche Sachverhalt vom Verbotsumfang nicht erfasst ist".
2. Die bei ihm entstandenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Gesetzesstellen begründete der UVS im Antrag zu G177/02 wie folgt (in den übrigen Anträgen werden die gleichen Bedenken geltend gemacht):
"1.1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich sind zu den oben angeführten Geschäftszahlen Berufungsverfahren der unter a) und b) genannten Personen anhängig. Dem Verfahren zu VwSen-107109 liegt ein Tatvorwurf wegen einer Übertretung nach §84 Abs2 StVO 1960 zu Grunde, wonach die mitbeteiligte Partei 'Es als Verantwortlicher der Firma P ...mbH zu verantworten habe, dass verbotenerweise außerhalb [!] des Ortsgebietes an der Straße innerhalb einer Entfernung von 100 m, jedenfalls am 5.12.1999 bei Strkm 8,02 der B 137 Innviertler Straße, ca. 15 m vom Fahrbahnrand entfernt die Werbung 'Gundacker Millenium' angebracht gewesen sei'. Es wurde eine Geldstrafe von 3.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von drei Tagen verhängt.
Der mitbeteiligten Partei in den Verfahren zu Zlen. VwSen-107107, VwSen-107108 u. VwSen-107148 wurde in zehn Punkten ebenfalls eine Geldstrafe von je 3.000 S und für den Nichteinbringungsfall je drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe auferlegt, wobei ihr nachfolgende Tatverhalten zur Last gelegt wurden:
'Sie haben als verantwortlicher Beauftragter der Fa. G GesmbH. verbotenerweise außerhalb [!] des Ortsgebietes an der Straße innerhalb einer Entfernung von 100 m,
1. jedenfalls am 11.1.2000 die Werbung 'TOYOTA' ca. 20 m vom Fahrbahnrand der B 1 Wiener Straße bei Strkm 200,750 entfernt, auf dem Grundstück Parz. Nr. 430/18 im Gemeindegebiet Marchtrenk angebracht.
2. jedenfalls am 11.1.2000 die Werbung 'VOLKSBANK' ca. 20 m vom Fahrbahnrand der B 1 Wiener Straße bei Strkm 200,750 entfernt, auf dem Grundstück Parz. Nr. 430/18 im Gemeindegebiet Marchtrenk angebracht.
3. jedenfalls am 11.1.2000 die Werbung 'KIND MIT TEDDYBÄREN' ca. 20 m vom Fahrbahnrand der B 1 Wiener Straße bei Strkm 200,750 entfernt, auf dem Grundstück Parz. Nr. 430/18 im Gemeindegebiet Marchtrenk angebracht.
Sie haben als verantwortlicher Beauftragter der Fa. G GesmbH. verbotenerweise außerhalb [!] des Ortsgebietes an der Straße innerhalb einer Entfernung von 100 m,
1. jedenfalls am 15.10.1999 die Werbung 'KIKA' ca. 20 m vom Fahrbahnrand der B 1 Wiener Straße bei Strkm 200,750 entfernt, auf dem Grundstück Parz. Nr. 430/18 im Gemeindegebiet Marchtrenk angebracht.
2. jedenfalls am 15.10.1999 die Werbung 'ARZT
MIGRÄNE' ca. 20 m vom Fahrbahnrand der B 1 Wiener Straße bei Strkm 200,750 entfernt, auf dem Grundstück Parz. Nr. 430/18 im Gemeindegebiet Marchtrenk angebracht.
3. jedenfalls am 3.12.1999 die Werbung 'AVANTI' ca. 20 m vom Fahrbahnrand der B 1 Wiener Straße bei Strkm 200,750 entfernt, auf dem Grundstück Parz. Nr. 430/18 im Gemeindegebiet Marchtrenk angebracht.
4. jedenfalls am 3.12.1999 die Werbung 'TOYOTA LAND CRUISER' ca. 20 m vom Fahrbahnrand der B 1 Wiener Straße bei Strkm 200,750 entfernt, auf dem Grundstück Nr. 430/18 im Gemeindegebiet Marchtrenk angebracht.
5. jedenfalls am 3.12.1999 die Werbung 'KINDER MIT TEDDYBÄREN' ca. 20 m vom Fahrbahnrand der B 1 Wiener Straße bei Strkm 200,750 entfernt, auf dem Grundstück Nr. 430/18 im Gemeindegebiet Marchtrenk angebracht.
Sie haben als verantwortlicher Beauftragter der Fa. G GesmbH. verbotenerweise außerhalb [!] des Ortsgebietes an der Straße innerhalb einer Entfernung von 100 m,
1. jedenfalls am 2.2.2000 die Werbung 'CARITAS' ca. 20-25 m vom Fahrbahnrand der B 1 Wiener Straße bei
Strkm 200,750 entfernt, auf dem Grundstück Parz. Nr. 430/18 im Gemeindegebiet Marchtrenk angebracht.
2. jedenfalls am 2.2.2000 die Werbung 'ATV FRÜHER
HÄTT`S DAS NICHT GEGEBEN' ca. 20-25 m vom Fahrbahnrand der B 1 Wiener Straße bei Strkm 200,750 entfernt, auf dem Grundstück Parz. Nr. 430/18 im Gemeindegebiet Marchtrenk angebracht'.
1.2. Nachdem sich nach Durchführung eines
umfangreichen Ermittlungsverfahrens sämtliche Werbungen als innerhalb des durch §2 Abs1 Z15 StVO 1960 definierten Bereiches (Ortsgebiet) angebracht fanden, erblickte der Unabhängige Verwaltungssenat diese Tatvorwürfe nicht als Verstoß gegen die Gesetzesbestimmung des §84 Abs2 StVO. Sehr wohl befanden sich jedoch sämtliche der genannten Werbungen weniger als 100 m vom Fahrbahnrand eines - weil an diesem vorbeiführend - nicht dem Ortsgebiet zuzuzählenden, jedoch im hier verfahrensrelevanten Bereich mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h versehenen, Straßenzuges.
Die Straferkenntnisse der Behörde erster Instanz
wurden daher nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens (Berufungsverhandlungen mit Ortsaugenschein lt. beiliegendem Bildmaterial) behoben und die Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Der Unabhängige Verwaltungssenat begründete seine Rechtsauffassung ausführlich und vermeinte im Ergebnis, dass nur - wie dies spruchgemäß von der Behörde erster Instanz tatsächlich ausgeführt wurde - außerhalb [!] eines Ortsgebietes innerhalb von 100 m vom Fahrbahnrand angebrachte Werbungen und Ankündigungen vom Verbot erfasst wären. Die von der Behörde erster Instanz unter Hinweis auf eine Judikatur des VwGH vertretene Rechtsauffassung wurde als nicht fallspezifisch erachtet, weil dieser Judikatur einerseits keine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung des Verbotsumfanges zugedacht werden, andererseits ein solcher Verbotsumfang auch nicht aus der Intention des Gesetzgebers abgeleitet werden könne, und darüber hinaus mit einer so weiten Auslegung gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen würde. Ebenfalls schiene mit einer extensiven Auslegung des Verbotstatbestandes der Rahmen des Bestimmtheitsgebotes iSd Art18 B-VG, in Besonderem der Grundsatz: nullum crimen sine lege, nulla poene sine lege (Art7 EMRK), gesprengt.
2. Präjudizialität:
1.3. Gegen die aufhebenden Berufungsentscheidungen des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich wurde Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 2002, 2000/02/0303 und 0304-7, wurden die h.
Berufungsentscheidungen wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof verweist - ohne im Ergebnis auf die in der h. Entscheidung darüber hinausgehenden rechtlichen Aspekte einzugehen - auf VwGH (verst. Senat) vom 8. Mai 1979, Slg.Nr. 9831/A. Darin wird wohl auf die Definition des Ortsgebietes innerhalb der Hinweiszeichen 'Ortstafel' (§53 Z l7a) und 'Ortsende' (§53 Z17b) hingewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof aber weiter wörtlich: 'Dass bei der Beurteilung des in §84 Abs2 StVO normierten Verbotes nach dem Gesetzeswortlaut und dem Zweck der Bestimmung jeweils auf alle Straßen, in deren Blickfeld, welches der Gesetzgeber mit 100 m vom jeweiligen Fahrbahnrand aus gerechnet festlegte, die Werbung beziehungsweise Ankündigung fällt, abzustellen ist, ist der ausführlichen Begründung des oben zitierten Erkenntnisses vom 6. Juni 1984, Zl. 84/03/0016, zu entnehmen.'
1.4. An diese Rechtsansicht ist der Oö. Verwaltungssenat im Zuge der Erlassung seiner Ersatzbescheide gebunden. Somit ist hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen Werbungen der §84 Abs2 StVO anzuwenden; er ist (nur) mit Ausnahme der ebenfalls vom Regelungsinhalt umfassten Ankündigungen präjudiziell, sodass der Anfechtungsumfang entsprechend einzuschränken war.
2. Begründung
Das antragstellende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vermeint, wie unten noch näher ausgeführt wird, dass der Gesetzgeber einen derart weit gefassten Verbotsumfang gegebenenfalls unmissverständlicher zum Ausdruck gebracht hätte. In Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes in den nunmehr nach der Aufhebung der h. Berufungsbescheide zu erlassenden Ersatzbescheiden, wäre der Oö. Verwaltungssenat zur Bestätigung der Schuld- und Strafaussprüche verhalten, womit nach h. Auffassung gegen den Grundsatz 'nulla poena sine lege' verstoßen würde. In konventionskonformer Auslegung des Art7 Abs1 MRK ist eine analoge Auslegung eines Straftatbestandes unzulässig. Es kommt darauf an, dass die Interpretation im Rahmen dessen liegt, was auch für den Laien noch als möglich strafbar erkennbar ist (vgl. Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar,
2. Auflage, S. 322 ff). Schon die Auslegungspraxis dieser Bestimmung durch Behörden zeigt, dass die Strafbarkeit einer Werbung im Ortsgebiet gerade nicht erkennbar ist. Mit der nunmehr vom Verwaltungsgerichtshof mit dem Hinweis auf ein Erkenntnis eines verstärkten Senates VwSlg 9831/1979, sowie auf VwGH v. 6. Juni 1984, 84/03/0016, in unmissverständlicher Klarheit dargelegten Auslegung der genannten Rechtsnorm müssen aber, da der Verbotsumfang für den unbefangenen Leser zumindest aus dem Gesetzestext nicht klar erkennbar ist, aus mehreren rechtlichen Erwägungen Zweifel an der Verfassungskonformität dieser Bestimmung erblickt werden.
§84 Abs2 erster Satz StVO, BGBl. Nr. 159/1960,
zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/1998 lautet:
'Ansonsten sind außerhalb von Ortsgebieten Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten.'
Bei objektiver Beurteilung dieses Gesetzeswortlautes kann es keineswegs als klar erkennbar gelten, dass sich gegenständliches Verbot nicht nur auf außerhalb des Ortsgebietes an Straßen innerhalb von 100 m vom Fahrbahnrand angebrachte Werbungen erstreckt, sondern dieses im Lichte der jüngsten Judikatur offenbar auf solche Werbungen, die - wie hier - an Straßen im Ortsgebiet, aber weniger als 100 m vom Rand einer außerhalb des Ortsgebietes liegenden Freilandstraße entfernt positioniert sind, in seinen Wirkungsbereich einbezieht.
Das vom VwGH zitierte Erkenntnis v. 6.6.1984, 84/03/0016, führte wohl zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß §44a lita (nunmehr Z1) VStG. Darin wurde offenbar auf ein zumindest teilweises Anbringen 'an' einer nicht zum Ortsgebiet gehörenden Straße Bezug genommen. Dies darf jedoch zu keiner im Gesetzeswortlaut nicht mehr nachvollziehbaren Ausdehnung des Verbotsumfanges führen. Die vom Gesetzgeber im Gesetzestext in der Wortfolge 'außerhalb von Ortsgebieten' vorgenommene Einschränkung des Verbotsumfanges muss nach h. Auffassung vielmehr zum Ergebnis führen, dass im Ortsgebiet angebrachte Werbungen jedenfalls zulässig bleiben, wofür auch die tausendfach anzutreffende Realität spricht. Plakatwerbungen finden sich nämlich vielfach schon unmittelbar hinter dem 'Ortsanfang' angebracht. Im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Rechtsmeinung dürften derartige Ankündigungen und Werbungen wohl erst 100 m hinter einem Bereich 'Ortsbeginn', weil in diesem Sinne in einem Blickfeld vom Fahrbahnrand einer in das Ortsgebiet führenden und somit nicht von dem von §2 Abs1 Z15 StVO umfassten Straßennetz gehörend, aber dennoch weniger als 100 m noch vom Freiland aus sichtbar angebracht sind (...). Nach h. Auffassung ist - dem Wortlaut des §84 Abs2 StVO 1960 folgend - (nur) das Anbringen von Werbungen und Ankündigungen an Straßen, die zu einem Straßennetz gehören, das außerhalb eines von den genannten Hinweiszeichen umschlossenen Gebietes und innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand liegt, verboten. Von dieser Überlegung dürfte selbst die Behörde erster Instanz geleitet gewesen sein, indem sie die hier verfahrensgegenständliche Werbung als 'außerhalb des Ortsgebietes' angebracht bezeichnete. Das wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung jedoch klar widerlegt. Dem allgemeinen Sprachempfinden nach und auch aus dem Betrachtungshorizont eines durchschnittlichen Normunterworfenen, an den sich der erste Satz des §84 Abs2 StVO richtet, müssen demnach im Ortsgebiet angebrachte Werbungen als vom Verbot gerade nicht umfasst angesehen werden (vgl. in diesem Sinn etwa auch die E des UVS Tirol v. 21.10.1996, Zl: 18/53-2/1996), in dem als Tatbestandsmerkmale dieser Übertretung einerseits der Begriff 'außerhalb von Ortsgebieten' und zudem 'innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand,' erblickt werden.
Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung den gesetzestechnischen Vorgang der äußeren Trennung von Tatbild und Strafdrohung, wie er für Blankettstrafnormen kennzeichnend ist, als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet, hat es aber bei Blankettstrafnormen als unerlässlich angesehen, dass der Tatbestand durch das Gesetz mit genügender Klarheit als Verbotsnorm und damit als strafbarer Tatbestand gekennzeichnet ist; dass ferner, wenn der strafbare Tatbestand im Zuwiderhandeln gegen eine Gebotsnorm besteht, der Unrechtsgehalt eines Unterlassens eindeutig erkennbar ist; dass schließlich der Tatbestand einer Blankettstrafnorm mit solcher Deutlichkeit gekennzeichnet sein muss, dass jedermann ihn als solchen zu verstehen vermag. Ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, richtet sich im Übrigen nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und dem Zweck der Regelung. Dass sich in Einzelfällen bei der Interpretation Schwierigkeiten ergeben, macht die Regelung noch nicht - im Hinblick auf Art18 B-VG - verfassungswidrig (VfSlg. 12947, mit Hinweis auf umfangreiche Vorjudikatur; zum Bestimmtheitsgebot auch VfSlg. 7151/1973.
2.2. Im dem nunmehr neben der Behörde erster Instanz offenbar auch vom Verwaltungsgerichtshof als inkriminiert erachteten Bereich nächst der B 137 und der B 1, in dem sich bereits seit vielen Jahren Werbungen befanden (befinden), bestehen ohnehin jeweils Geschwindigkeitsbeschränkungen bis 70 km/h. Daraus, dass auf einer Vielzahl von Straßen im Ortsgebiet gemäß §43 StVO auch höhere Geschwindigkeiten als nach §20 Abs2 StVO erster Fall zulässig sind, folgt, dass im letzteren Fall Werbungen und Ankündigungen mit Blick auf den behaupteten Normzweck dort ebenfalls unzulässig sein müssten. Somit würde mit der vom Verwaltungsgerichtshof intendierten Auslegung letztlich Gleiches ungleich - weil strafbar erachtet - behandelt und damit wohl auch gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen.
2.3. Mit Blick auf Art18 B-VG hat der Gesetzgeber den Regelungsinhalt in dessen wesentlichen Zügen derart zu umschreiben bzw. einzugrenzen, dass ein auf diese Regelung gestütztes Verhalten der Behörde vom Normadressaten noch vorhersehbar ist (VfSlg. 11499). Dieser gesetzlichen Bestimmung einen über den weitgehend eindeutigen sprachlichen Kontext hinausreichenden - einschränkenderen - Inhalt [hier durch Ausdehnung des Verbotsumfanges] zuzuordnen, würde einerseits den durch das Bestimmtheitsgebot gezogenen Rahmen sprengen und andererseits mit Blick auf dieses aus der Verfassung erfließende Gebot, wonach für (Verwaltungs)Strafbestimmungen eine weitgehende Umschreibung des Tatbildes im Gesetz verlangt wird, weitgehend verlassen (VfSlg. 14153).
Ferner besagen die hier bezughabenden Gesetzesmaterialien (1580 Blg, XVIII GP), dass die Neufassung des §82 StVO betreffend das Anbringen von Firmenlogos auch 'eine Anpassung des §84 Abs2 StVO dahingehend erforderlich machte, dass diese Firmenlogos nicht unter das Verbot von Ankündigungen und Werbungen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand fallen.' Da jedoch auch im §82 Abs1 StVO ausdrücklich auf Straßen 'außerhalb des Ortsgebietes' Bezug genommen wird, erscheint dies als ein weiteres Indiz dafür, dass der Gesetzgeber die in Ortsgebieten angebrachten Werbungen gerade nicht als vom Verbot erfasst sehen wollte. Mit der textlichen Neufassung des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286/1971 idF BGBl. I Nr. 182/1999 (mit weitgehend identem Regelungsinhalt), wurde das Errichtungsverbot von Werbungen und Ankündigungen (von Bewilligungsmöglichkeiten abgesehen) 'in einer Entfernung von 100 m entlang der Bundesautobahnen' festgelegt. Eine derart klare und kaum Zweifel über den Verbotsumfang aufkommen lassende Formulierung müsste dem Gesetzgeber wohl in gleicher Weise zugesonnen werden können, hätte er im §84 Abs2 StVO ein Verbot nicht (nur) auf das Anbringen von Werbungen und Ankündigungen 'AUSSERHALB des Ortsgebietes' und dort INNERHALB einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand, sondern auch solche IN Ortsgebieten in Beziehung zur Sichtbarkeit innerhalb 100 m von Straßen vom Freiland aus gemeint. Insbesondere das Einleitungswort 'ansonsten' des §84 Abs2 StVO muss bei objektiver Beurteilung des Aussagegehalts des Gesetzestextes zum Verständnis führen, dass Werbungen im Ortsgebiet erlaubt sind, weil sie, 'ansonsten' (außerhalb des Ortsgebietes) innerhalb von 100 m vom Fahrbahnrand verboten sind.
Für eine erweiternde teleologische Interpretation auf ein dem Gesetzgeber unterstelltes und (wie oben schon ausgeführt) sachlich nur schwer nachvollziehbares Ziel der Verkehrssicherheit, wonach die Wortwendung 'außerhalb' nicht auf den Anbringungsort von Werbungen und Ankündigungen, sondern auf Straßen bezogen anzusehen ist, kann nur bei sprichwörtlich 'denksportlicher Auslegungskunst' schlussgefolgert werden. Der Normunterworfene, den die Behörde erster Instanz im Übrigen in den Fällen 2) bis 4) zwanzig Jahre auf die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens vertrauen ließ, wäre einer solchen Lesart eines auf den ersten Blick logisch anmutenden Textes gänzlich schutzlos ausgeliefert.
Unter allen herkömmlichen Interpretationsmethoden ist der Verbalinterpretation und der grammatikalischen Auslegung der Vorrang einzuräumen (Das Verwaltungsrecht, Antoniolli - Koja, 3. Auflage, Seite 95 mit Hinweis auf VfSlg 4442/1963, aber auch 4340/1962; ebenso VwSlg 7677 A 1969). Vor allem ergibt sich aus der Funktion des Legalitätsprinzips, das Handeln der Verwaltung an das Gesetz zu binden, die allgemeine Tendenz, das Gesetz der Disposition durch die ihm unterworfenen Organe möglichst zu entziehen. Dies bedeutet einen Vorrang der Wort('Verbal')interpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung sowie - insbesondere im Strafverfahren; vgl. Art7 EMRK! - äußerste [!] Zurückhaltung gegenüber der Anwendung sogenannter 'korrigierender' Auslegungsmethoden. Ein Abweichen vom klaren Wortlaut des Gesetzes ist auch nach Auffassung des VwGH nur dann zu verantworten, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat. 'Eine berichtigende Auslegung' ist daher nur zulässig, 'wenn den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger Sicherheit entnommen werden' kann, 'dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt. Die grammatikalische und systematische Interpretation würde etwa dort versagen, 'wo nach dem reinen Gesetzeswortlaut Unvollziehbares normiert wäre'. Dies trifft hier aber nicht zu."
Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung der Anträge beantragte und begründend Folgendes ausführte:
"I. Zum Antragsvorbringen
1. Der antragstellende Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im Folgenden: UVS) beantragt die Wortfolge 'Werbungen und' im ersten Satz des §84 Abs2 Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden: StVO 1960) als verfassungswidrig aufzuheben. Er macht gegen die angefochtene Regelung geltend, dass der Verbotsumfang dieser Bestimmung gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG und gegen den Grundsatz des Art7 EMRK nullum crimen sine lege, nulla poena sine lege verstoße, da der weitgefasste Normgehalt - insbesondere unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - für einen unbefangenen Leser aus dem Gesetzestext nicht klar erkennbar sei.
2. Die Bundesregierung verweist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, derzufolge sich der Gerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken hat (vgl. zB VfSlg. 12.592/1990, 12.691/1991, 12.947/1991, 13.471/1993, 13.704/1994, 14.050/1995 und 14.466/1996). Der Verfassungsgerichtshof beurteilt ausschließlich, ob die angefochtenen Bestimmungen aus den in der Begründung der Anträge dargelegten Gründen verfassungswidrig sind (vgl. zB VfSlg. 13.704/1994 und 14.466/1996). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im folgenden auf die Erörterung der vom UVS vorgetragenen Bedenken.
II. Zur Rechtslage:
§84 Abs2 erster Satz der StVO in der vor dem Verfassungsgerichtshof im gegenständlichen Verfahren zur Anwendung gelangenden Fassung statuiert ein Verbot, außerhalb von Ortsgebieten Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand anzubringen. Die parlamentarischen Materialien (240 BlgNR 9. GP) zur angefochtenen Bestimmung, die seit In-Kraft-Treten der StVO unverändert blieb, führen dazu aus:
'Da der §83 Abs2 der Regierungsvorlage in §82 eingearbeitet wurde und der verbleibende Teil entbehrlich war, ist dieser Paragraph weggefallen; es entspricht daher der §84 auch dem §84 der Regierungsvorlage. Bezüglich Werbungen und Ankündigungen an Freilandstraßen außerhalb des Straßengrundes wurde ein besonders strenger Maßstab angelegt. Hiebei wurde von der Überlegung ausgegangen, dass Werbungen und Ankündigungen auf Freilandstraßen oftmals geeignet sind, die Aufmerksamkeit des Fahrzeuglenkers zu sehr in Anspruch zu nehmen. Es wurde daher vorgesehen, dass Reparaturwerkstätten und Tankstellen an Freilandstraßen mit dem ohnehin auch in internationalen Vereinbarungen vorgesehenen Richtzeichen 'PANNENHILFE' und 'TANKSTELLE' anzukündigen sind. Alle anderen Werbungen und Ankündigungen sind an Freilandstraßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten. Ausnahmen dürfen nur in ganz besonders berücksichtigungswürdigen Fällen zugelassen werden. Wann solche Voraussetzungen zutreffen, ergibt sich aus Abs3.
An Autobahnen oder Autostraßen wird die Ankündigung eines Rasthauses ausschließlich und allgemein einem vordringlichen Bedürfnis der Straßenbenützer dienen, zumal diese Straßen meist außerhalb verbauter Gebiete angelegt sind und dort das Halten und Parken besonderen Beschränkungen unterliegen. Dies wird bei Behandlung von Anträgen zur Bewilligung solcher Ankündigungen zu berücksichtigen sein.'
III. Zur Sache
1. Zur Auslegung des §84 Abs2 erster Satz StVO:
Nach dem Gesetzesverständnis des antragstellenden UVS kann der verfahrensgegenständlichen Bestimmung ausschließlich der Normgehalt beigemessen werden, dass Werbungen und Ankündigen außerhalb eines Ortsgebietes und innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten sind. Ein Begriffsverständnis, wonach auch innerhalb des Ortsgebietes angebrachte Werbungen und Ankündigungen, die innerhalb einer Entfernung von l00 m vom Fahrbahnrand liegen, könne dem §84 Abs2 erster Satz StVO nicht zugemessen werden Diesem Normverständnis tritt die Bundesregierung entgegen:
a) Was zunächst die Wendung 'außerhalb des Ortsgebietes' in §84 Abs2 betrifft, so ist diese nicht als Einschränkung von §84 Abs1 StVO zu verstehen. Sie ist vielmehr im systematischen Kontext mit §84 Abs1 zu lesen, da letztgenannte Bestimmung ebenfalls nur auf bestimmte Ankündigungen außerhalb des Ortsgebietes abstellt (siehe dazu auch VwGH 97/03/0176, 22.10.2001). Aus dem Gesetzeswortlaut und den Gesetzesmaterialien folgt weiters, dass es hinsichtlich der Wendung 'außerhalb des Ortsgebietes' grundsätzlich nicht auf den Aufstellungsort der Werbung oder Ankündigung ankommt, sondern auf die Lage der Straße (arg:
'Alle anderen Werbungen und Ankündigungen sind an Freilandstraßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten.'). (In diesem Sinne auch VwGH 84/03/0016, 6.6.1984 = VwSlg 11.462 [A]; 2000/02/0338, 23.11.2001)
b) Primärer Zweck dieser Verbotsnorm ist die Hintanhaltung einer Ablenkung der Fahrzeuglenker durch abseits der Straße errichtete Werbungen, die ihrer Natur nach die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich ziehen sollen. Diese ablenkende Wirkung ist evidentermaßen umso stärker, je mehr die Werbung ins Auge fällt. Der ablenkende Effekt wiederum ist im freien Gelände stärker als im verbauten Gebiet, wo sich Werbungen von anderen im Sichtfeld befindlichen Gegenständen, Bauwerken udgl. nicht so stark abheben wie dies etwa bei einer auf freiem Felde errichteten Werbetafel der Fall ist. Aus diesem Grund bezieht sich auch die gesamte Bestimmung des §84 auf Werbungen und Ankündigungen an Straßen außerhalb des Ortsgebietes.
2. Zum Bestimmtheitsgebot
Gesetzliche Strafbestimmungen sind im Hinblick auf ihre hinreichende Bestimmtheit an Art18 B-VG und Art7 EMRK zu messen, wobei jedoch Lehre und Rechtsprechung nicht (genau) zwischen deren Anforderungen differenzieren (siehe Thienel, in: Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht Bd. III, Art7 EMRK Rz 10). Aus beiden Verfassungsnormen lässt sich ableiten, dass Strafbestimmungen inhaltlich so klar zu fassen sind, dass für den Normadressaten erkennbar ist, welches Verhalten verboten ist.
a) Die Bundesregierung vertritt, wie oben ausgeführt, die Auffassung, dass sich der Verbotsgehalt bereits aus dem Gesetzeswortlaut des §84 Abs2 erster Satz in Verbindung mit §84 Abs1 StVO klar ergibt. Der Begriff des Gesetzeswortlautes kann nicht so einschränkend verstanden werden, dass das verbotene Verhalten nur unter Heranziehung des Wortlautes eines einzelnen Satzes bzw. Absatzes zu ermitteln ist. Dass ein Zusammenhang mit anderen Anordnungen seitens des Normadressaten herzustellen ist, schadet der hinreichenden Bestimmtheit der Norm nicht; dies umsoweniger, als die hier verfahrensgegenständliche Regelung durch die Wendung 'ansonsten' eingeleitet wird, was bereits sprachlich ihre Anknüpfung an eine andere Regelung aufzeigt.
b) Aber selbst wenn diesem Auslegungsergebnis nicht beigetreten werden sollte, spräche dies nicht dem §84 Abs2 erster Satz die verfassungsmäßige Bestimmtheit ab, ließe sich doch der Umfang des Verbotsgehaltes unter Heranziehung der parlamentarischen Materialien ermitteln. Die Rechtsprechung der Straßburger Instanzen sieht die gesetzliche Vorherbestimmtheit auch dann als gewahrt an, wenn der Umfang der Strafbarkeit nur durch Rückgriff auf die einschlägige Rechtsprechung oder mit Hilfe eines Rechtsberaters geklärt werden kann (siehe etwa Fall Kokkinakis, ÖJZ 1994, 54 oder Fall Cantoni, ÖJZ 1997, 579).
Nun ist der Gesetzesbegriff, der der Europäischen Menschenrechtskonvention zugrundeliegt, nicht ident mit dem parlamentarischen Gesetzesbegriff der österreichischen Bundesverfassung. Der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 7907/1976, 11.776/1988 mwN) hat auch die Verwendung von Rechtsbegriffen, die durch eine unscharfe Abgrenzung gekennzeichnet sind, als mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar erachtet, wenn die Begriffe einen so weit bestimmbaren Inhalt haben, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann. Für die Bestimmtheit im Sinne des Art18 Abs1 B-VG ist maßgeblich, dass der Normadressat den Verbotsgehalt aus dem Wortlaut vorhersehen kann (VfGH 29.6.2001, V98/99) und die zur Ermittlung des gesetzlichen Norminhaltes nötigen Auslegungsmittel ergreifen kann (etwa VfSlg. 11.499/1988 mwN; zu den Auslegungsmethoden und deren Verhältnis zueinander siehe auch Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 [2000] Rz 128ff). Ein unter Heranziehung der parlamentarischen Materialen nachvollziehbares Auslegungsergebnis ist keine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Auslegung. Eine solche scheint der antragstellende UVS jedoch der Auslegung der verfahrensgegenständlichen Bestimmung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, die sich mit jener der Bundesregierung deckt, zu unterstellen.
3. Zum Gleichheitssatz
Aus dem Umstand, dass in den der Antragstellung vor dem Verfassungsgerichtshof zugrundeliegenden Verfahren eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Grundlage der StVO festgelegt wurde, vermeint der UVS eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung des §84 Abs2 erster Satz StVO zu erblicken. Inwieweit dies eine Gleichheits- respektive Verfassungswidrigkeit der gegenständlichen Bestimmung zu begründen vermag, ist für die Bundesregierung nicht nachvollziehbar, zumal die leg. cit. nicht auf zulässige Höchstgeschwindigkeiten abstellt.
Insoweit der UVS aus einem zwanzigjährigen rechtswidrigen Verhalten ein schutzwürdiges Vertrauen abzuleiten sucht, ist ihm mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (3.3.1999, G132/98 ua) zu entgegnen, dass ein rechtswidriges Verhalten keinen Anspruch auf Vertrauensschutz begründet.
4. Zu den weiteren Vorbringen
Ebensowenig ist die Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien zur Änderung des §82 StVO (1580 BlgNR, 18. GP) nachvollziehbar, da die genannte Bestimmung entgegen der Ansicht des UVS nicht darauf abstellt, ob sich eine Straße inner- oder außerhalb des Ortsgebietes befindet.
Nach Ansicht der Bundesregierung geht auch der Hinweis auf die Formulierung im Bundesstraßengesetz ins Leere, zumal diesem Gesetz der Begriff des Ortsgebietes fremd ist, und dessen Regelungszweck ein anderer ist. Auch ist die in §25 Bundesstraßengesetz geregelte privatrechtliche Zustimmung des Bundes zu optischen Werbungen mit der behördlichen Bewilligung nach §84 Abs3 StVO nicht vergleichbar.
5. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass aus Sicht der Bundesregierung eine Verfassungswidrigkeit der Wendung 'Werbung und' in §84 Abs2 erster Satz StVO nicht gegeben ist."
Zu dem zu G265/02 protokollierten Antrag, mit dem die Aufhebung der Wortfolge "und Ankündigungen" beantragt wurde, erstattete die Bundesregierung eine inhaltlich gleichlautende Äußerung.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm. §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1.1. Der antragstellende UVS hatte die angefochtene Bestimmung in den bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden.
Aus den Anträgen, zumal darin die angefochtene
Fassung des §84 Abs2 StVO 1960 im Wortlaut zitiert wird, geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, auf welche Fassung (BGBl. Nr. 518/1994) des §84 Abs2 StVO 1960 Bezug genommen wird. (Die im Antrag enthaltene Bezeichnung "BGBl I Nr. 92/1998" erweist sich als offenkundige Fehlbezeichnung, da §84 Abs2 von der Novelle BGBl. I Nr. 92/1998 überhaupt nicht betroffen war).
1.2. Da auch die sonstigen Antragsvoraussetzungen vorliegen, sind die Anträge zulässig.
2. Die Anträge sind jedoch nicht berechtigt.
2.1. Die Behauptung des antragstellenden UVS geht zunächst dahin, daß §84 Abs2 StVO 1960 (gemeint: in Verbindung mit der Strafbestimmung des §99 Abs3 litd StVO 1960) verfassungswidrig sei, weil die Strafnorm inhaltlich nicht ausreichend bestimmt sei, um den verfassungsrechtlichen Erfordernissen des Art18 B-VG und des Art7 EMRK Genüge zu tun. In der Antragsbegründung kritisiert der UVS die - seiner Ansicht nach abzulehnende - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Vorschrift
- zusammengefaßt - in dem Sinn auszulegen sei, daß Ankündigungen und Werbungen im Sinne des §84 Abs2 StVO 1960, wenn sie sich auf einer Fläche innerhalb des Bereichs von 100 m gemessen vom (nächstgelegenen) Fahrbahnrand einer Straße außerhalb des Ortsgebietes befinden, bewilligungspflichtig seien, und zwar auch dann, wenn sich die Ankündigung (bzw. Werbung) gleichzeitig in der Nähe einer Straße "innerhalb" des Ortsgebietes befindet.
2.1.1. Der UVS meint, er würde - folge er der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes - bei der Entscheidung über die bei ihm anhängigen Berufungen gegen den in Art7 EMRK festgelegten Grundsatz "nulla poena sine lege" verstoßen.
Insoweit ist ihm folgendes entgegenzuhalten:
Gegenstand der Beurteilung durch den Verfassungsgerichtshof im Verfahren nach Art140 B-VG ist die angefochtene gesetzliche Vorschrift an sich, nicht jedoch der Inhalt der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder der dazu bestehenden Rechtsansichten einzelner mit der Anwendung dieser Gesetzesbestimmung befaßter Verwaltungsbehörden. Insbesondere hat der Verfassungsgerichtshof in einem über Antrag eines UVS eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren nach Art140 B-VG auch nicht über die Richtigkeit der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auslegung der angefochtenen Gesetzesstelle abzusprechen. Soweit also der UVS der zu §84 Abs2 StVO 1960 ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorwirft, den Wortlaut des Gesetzes zu überschreiten oder gegen das Analogieverbot zu verstoßen (worin der UVS eine Verfassungswidrigkeit am Maßstab des Art7 EMRK erblickt), geht das Vorbringen ins Leere, weil jede - wenn auch analoge oder überschießende - Anwendung des Gesetzes im jeweiligen Einzelfall der Vollziehung zuzurechnen ist, somit also jedenfalls nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führen kann. Dem einzelnen Rechtsunterworfenen bleibt es freilich unbenommen, nach Erschöpfung des Instanzenzuges beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde gemäß Art144 B-VG zu erheben, sollte er der Ansicht sein, daß die belangte Behörde - allenfalls in Bindung an ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes - bei Anwendung des Gesetzes zu einem verfassungswidrigen Ergebnis gelangt ist.
2.1.2. Soweit der UVS aber - über die erwähnte Kritik an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinausgehend - auf den Inhalt der Verbotsnorm des §84 Abs2 StVO 1960 an sich Bezug nimmt, indem er vorbringt, die Vorschrift des §84 Abs2 StVO 1960 weise keinen - im Lichte der Erfordernisse des Art18 B-VG (bzw. des Art7 EMRK) - hinreichend bestimmten Inhalt auf, so ist ihm zu entgegnen, daß er sich mit diesem Vorbringen im Widerspruch zu seinen eigenen Behauptungen befindet, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist: Der Sache nach wird nämlich im Antrag selbst behauptet, daß die angefochtene Norm einen eindeutigen Inhalt aufweise; der UVS legt auch ausführlich dar, wie die Vorschrift zu verstehen sei. Diesem Auslegungsergebnis, das sich nach Ansicht des UVS bereits aus dem klaren Wortlaut ergebe, stehe lediglich die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, dessen Auslegung der UVS für nicht vertretbar erachtet.
2.2. Unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes erachtet der UVS die angefochtene Norm deswegen als verfassungswidrig, weil seines Erachtens aus dem Umstand "daß auf einer Vielzahl von Straßen im Ortsgebiet gemäß §43 StVO auch höhere Geschwindigkeiten als nach §20 Abs2 StVO erster Fall zulässig sind", folge, "daß im letzteren Fall Werbungen und Ankündigungen mit Blick auf den behaupteten Normzweck dort ebenfalls unzulässig sein müssten".
Mit diesem Vorbringen kann für die Gleichheitswidrigkeit des in §84 Abs2 normierten Verbots schon deswegen nichts gewonnen werden, weil die Bestimmung nicht nur an unterschiedliche Höchstgeschwindigkeiten anknüpft, sondern auch an die Unterscheidung zwischen dem Ortsgebiet (und damit dem verbauten Gebiet; vgl. §53 Abs1 Z17a StVO 1960) einerseits und der Freilandstraße anderseits. Damit stellt die Regelung in sachlicher Weise auf eine Unterscheidung zwischen den auf der Freilandstraße fahrenden Straßenbenützern einerseits, und den Benützern einer Straße im verbauten Gebiet anderseits, ab. Der regelmäßige Unterschied in der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zwischen Freilandstraße und Ortsgebiet ist daher nur ein Element dieser Unterscheidung. Mit dem ausschließlich auf die Geschwindigkeit abstellenden Vorbringen des UVS kann daher nichts aufgezeigt werden, was die bekämpfte Regelung als gleichheitswidrig erscheinen ließe.
2.3. Den (Haupt)Anträgen war daher keine Folge zu
geben.
2.4. Zu den Eventualanträgen des UVS:
Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes auf Antrag (...) eines unabhängigen Verwaltungssenates (...). Die Eventualanträge, mit denen begehrt wurde, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, daß "in verfassungskonformer Anwendung der obgenannten Gesetzesbestimmung die verfahrensgegenständlichen Sachverhalte keine Strafbarkeit begründen" beziehungsweise "dass in verfassungskonformer Anwendung der obgenannten Gesetzesbestimmung der verfahrensgegenständliche Sachverhalt vom Verbotsumfang nicht erfasst ist", waren zurückzuweisen, weil im Gesetzesprüfungsverfahren nach Art140 B-VG kein meritorischer Abspruch über einen Antrag dieses Inhalts vorgesehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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