Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz / Rechtspolitik - Exzeß
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz / Verletzung keine
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EMRK Art8 Abs2
StGB §209
StGB §209 idF JugendgerichtsG 1988 ArtII Z7 und Z8
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz / Rechtspolitik - Exzeß
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz / Verletzung keine
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EMRK Art8 Abs2
StGB §209
StGB §209 idF JugendgerichtsG 1988 ArtII Z7 und Z8
Spruch:
I. Der Antrag zu G227/88 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag zu G2/89 wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Der Einschreiter begehrt mit dem am 18. November 1988 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten, unter G227/88 protokollierten Antrag mit Bezugnahme auf Art140 (Abs1 letzter Satz) B-VG, §209 des Strafgesetzbuches, BGBl. 60/1974, als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Bestimmung - samt Überschrift - hat folgenden Wortlaut:
"Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Jugendlichen
§209. Eine Person männlichen Geschlechtes, die nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres mit einer jugendlichen Person gleichgeschlechtliche Unzucht treibt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen."
1.1.2. Der (dem Jahrgang 1932 angehörende) Antragsteller hält die angegriffene Gesetzesbestimmung sowohl unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes als auch im Hinblick auf Art8 EMRK als verfassungswidrig. Zur Antragslegitimation bringt er im wesentlichen folgendes vor: Er sei Homosexueller; seit seiner Pubertät sei sein geschlechtliches Empfinden als Teil seiner Persönlichkeit auf den sexuellen Kontakt mit Personen des gleichen Geschlechts ausgerichtet. Wegen gleichgeschlechtlicher Unzucht mit Jugendlichen sei er mehrfach vorbestraft. Seit etwa Anfang 1986 sei er mit einem Jugendlichen befreundet und halte die freundschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrecht. Der Jugendliche sei sich seiner homosexuellen Veranlagung bewußt und erwidere die homosexuelle Neigung des Antragstellers; beide hätten den Wunsch, sexuelle Beziehungen zueinander aufzunehmen, doch stehe §209 StGB dem entgegen. In seinen Beziehungen zu seinem jugendlichen Freund habe er sich jedoch einer strafbaren Handlung nach dieser Bestimmung nicht schuldig gemacht.
1.2.1. §209 StGB wurde durch ArtII Z7 und 8 des Jugendgerichtsgesetzes 1988, BGBl. 599, mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1989 dahin geändert, daß diese Bestimmung - samt Überschrift - wie folgt lautet:
"Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren
§209. Eine Person männlichen Geschlechtes, die nach Vollendung des neunzehnten Lebensjahres mit einer Person, die das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, gleichgeschlechtliche Unzucht treibt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen."
1.2.2. Unter Hinweis auf diese Änderung der Gesetzeslage stellt der Einschreiter den am 3. Jänner 1989 eingelangten, unter G2/89 protokollierten Antrag mit Bezugnahme auf Art140 (Abs1 letzter Satz) B-VG, §209 StGB in der novellierten Fassung als verfassungswidrig aufzuheben. Auch in diesem Antrag erblickt der Einschreiter die Verfassungswidrigkeit in einem Widerspruch zum Gleichheitsgebot (nämlich wegen der unterschiedlichen Behandlung von homosexuellen und heterosexuellen Handlungen bei Festlegung der Schutzaltersgrenzen sowie der unterschiedlichen Behandlung von Frauen und Männern in bezug auf homosexuelle Handlungen mit Jugendlichen) sowie in einem Verstoß gegen Art8 EMRK. Die Antragslegitimation begründet der Einschreiter in gleicher Weise wie im Antrag zu G227/88, wobei er insbesondere neuerlich behauptet, daß er sich in seinen Beziehungen zu seinem Freund einer strafbaren Handlung nach §209 StGB nicht habe schuldig werden lassen.
1.3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung des Antrags G227/88 und im übrigen Antragsabweisung begehrte.
Begründend wurde ua. dargelegt:
" . . . Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1971, BGBl. 273, ist in Österreich nach längerer rechtspolitischer Diskussion und in Übereinstimmung mit der Rechtsentwicklung vergleichbarer Staaten die bis dahin allgemeine Strafbarkeit der 'gleichgeschlechtlichen Unzucht' (§129 I b StG) im wesentlichen auf die Pönalisierung gleichgeschlechtlicher Handlungen mit Jugendlichen eingeschränkt worden. Im Zusammenhalt mit dieser Entkriminalisierung der homosexuellen Betätigung unter Erwachsenen ist ein besonderer Schutz von Personen zwischen 14 und 18 Jahren aufrechterhalten worden.
Die Regierungsvorlage zu diesem Strafrechtsänderungsgesetz (1970), 39 BlgNR XII. GP, hat hiezu folgendes ausgeführt:
'Wie die Rechtsvergleichung die Straffreiheit einfacher homosexueller Akte als Standard der westlich orientierten europäischen Gesellschaft ausweist, so umgekehrt auch die Strafbarkeit gleichgeschlechtlicher Handlungen an jungen Menschen. Menschen, die noch in ihrer Entwicklung stehen, können durch solche Handlungen in ihrer Triebrichtung beeinflußt werden; ihre Leistungsfähigkeit und seelische Entwicklung kann erheblich belastet, ihre Anpassung an die gegebenen gesellschaftlichen Strukturen erheblich erschwert werden.
Auch die österreichische Strafrechtskommission hat eine Strafdrohung zur Hintanhaltung solcher Schädigungen für nötig befunden. Nach ihrem Vorschlag sollte die Verführung männlicher Jugendlicher strafbar sein. Das hätte dem Schutzzweck nicht genügt. Auch der junge Mensch, der in der Unsicherheit seiner sexuellen Zielsetzung nicht verführt zu werden braucht, kann durch einen gleichgeschlechtlichen Akt geschädigt werden. . .'
Im Bericht des Justizausschusses zum Strafrechtsänderungsgesetz 1971, 512 BlgNR XII. GP, der die Vorschläge der Regierungsvorlage grundsätzlich gebilligt hat, wird ausgeführt:
'Der Unterausschuß des Justizausschusses hat zu dieser Bestimmung eine Reihe von Sachverständigen gehört ... Im Licht der Ausführungen dieser Experten gelangte der Unterausschuß und ihm folgend der Justizausschuß zur Überzeugung, daß die in der Regierungsvorlage vorgesehene Neufassung des §129 I b StG zu billigen sei ...
Übereinstimmung bestand im Justizausschuß auch darüber, daß durch Beseitigung der Strafdrohung gegen die sog. einfache homosexuelle Betätigung nicht zum Ausdruck gebracht werden solle, daß eine solche Betätigung als 'sozialadäquat' anzusehen sei und von der Rechtsordnung etwa sogar gebilligt werde. Die negative Einstellung des Gesetzgebers zur Homosexualität kommt in der Strafbestimmung gegen die Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts oder mit Tieren sowie in der neu eingefügten Strafdrohung wegen Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht (§§517 und 518 StG) zum Ausdruck.' (nunmehr §§220, 221 StGB)
Die vom Unterausschuß des Justizausschusses im Zug der Vorberatung der erwähnten Regierungsvorlage angehörten Sachverständigen auf dem Gebiet der Kriminologie und Psychiatrie haben insbesondere auch darauf hingewiesen, daß grundsätzlich jeder Mensch im Zuge der sexuellen Reifung durch eine Phase der Unsicherheit hinsichtlich seiner sexuellen Orientierung und der Neigung zu sexuellen Experimenten gehe. Diese sexuelle Unsicherheit werde durch eine hinausgeschobene Reifung der Gesamtpersönlichkeit bei gleichzeitiger Akzeleration der körperlichen Reifung noch verstärkt. Hieraus ergebe sich eine erhöhte Gefahr, daß sexuell noch unsichere Jugendliche auf (erwachsene) homosexuelle Partner stoßen, die sie in ihrer sexuellen Triebrichtung zu beeinflussen vermögen. . .
Aus der Sicht heutiger sexualwissenschaftlicher Erkenntnisse kann es zwar nicht als erwiesen angesehen werden, daß (gelegentliche) homosexuelle Handlungen eines Jugendlichen eine (dauernde) Beeinflussung der sexuellen Orientierung mit sich bringen. Auch wird das Phänomen der Homosexualität aus ärztlicher Sicht nicht mehr als Krankheit angesehen. Es kann aber gleichfalls nicht als erwiesen angesehen werden, daß damit verbundene Risken für die psychische und soziale Entwicklung eines Jugendlichen mit Sicherheit auszuschließen seien. Angesichts der noch nicht ausgereiften Sexualität kann nämlich eine länger andauernde persönlich-sexuelle Beziehung eines Heranwachsenden zu einem erwachsenen Partner zu schwerwiegenden Konflikten und Ängsten führen.
Daß eine Gefährdung dieser Art von vornherein nur bei einem Teil der Jugendlichen in Betracht kommt, vermag an der grundsätzlichen Frage der Schutzbedürftigkeit einer Altersgruppe gegenüber den sexuellen Wünschen Erwachsener nichts zu ändern.
Bei der Beurteilung dieser Schutzbedürftigkeit ist von einer weithin bestehenden, deutlichen und vielfältigen gesellschaftlichen Diskriminierung von Homosexuellen auszugehen, die auf Grund der in der Gesellschaft vorherrschenden Wertvorstellungen für die Betroffenen zu einer Vielzahl von Schwierigkeiten und Konflikten führen muß. Auch wenn man einen Abbau dieser gesellschaftlichen Diskriminierung befürwortet, ist dennoch von deren Vorhandensein als einer sozialen Tatsache auszugehen. Daraus kann ein berechtigtes Interesse abgeleitet werden, jugendliche Personen, die sich in einem Prozeß der Anpassung an die Gesellschaft und auch an die in ihr vorherrschenden Wertvorstellungen befinden, nach Möglichkeit vor den erwähnten Schwierigkeiten und Konflikten zu bewahren.
Daher hat sich der Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Spielraumes gegen die (männliche) Homosexualität entschieden. §209 StGB soll den männlichen Jugendlichen vor der mit einer homosexuellen Zweierbeziehung zu einem Erwachsenen ausgehenden sozialen Diskriminierung, die nun einmal vorhanden ist, schützen. Daher ist es auch sachlich gerechtfertigt, wenn er durch die Strafdrohung des §209 StGB verhindern will, daß in sozialer Hinsicht besonders anfällige Personen wie Jugendliche in ein homosexuelles Milieu geraten.
Es erscheint daher auch sachlich gerechtfertigt, wenn für homosexuelle und für heterosexuelle Betätigung mit einem Jugendlichen jeweils eine unterschiedliche Schutzaltersgrenze festgelegt wurde (§§206, 207 StGB). Auch in anderen Fällen, in denen der Gesetzgeber auf Grund des Bestehens eines besonderen Autoritätsverhältnisses gegenüber Minderjährigen oder auf Grund einer angenommenen besonderen Gefährdungslage einen strafrechtlichen Schutz minderjähriger Personen auch in bezug auf heterosexuelle Betätigung oder sexuelle Handlungen anderer Art für geboten erachtet, bestehen besondere Strafbestimmungen, und zwar gegen den Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses und gegen Kuppelei (§§212, 213 StGB) sowie gegen die sittliche Gefährdung von Personen unter 16 Jahren (§208 StGB idF des Jugendgerichtsgesetzes 1988, BGBl. 599).
Insgesamt kann daher davon gesprochen werden, daß der Gesetzgeber im Bereich des Sexualstrafrechtes die allgemeine Schutzaltersgrenze von 14 Jahren dort anhebt, wo er auf Grund besonderer Umstände eine rechtlich relevante Gefährdung der Entwicklung zwar nicht mehr unmündiger, aber noch minderjähriger Personen für möglich erachtet. Zum Kreis dieser besonderen Umstände gehört auch die homosexuelle Betätigung. . .
Zur Frage, ob die unterschiedliche strafrechtliche Behandlung der männlichen Homosexualität in bezug auf Handlungen zwischen einer Person zwischen 14 und 18 Jahren und einem Erwachsenen einerseits und unter Jugendlichen bzw. unter Erwachsenen andererseits gleichheitswidrig ist, ist folgendes zu bemerken: Es kann dem Gesetzgeber nicht verwehrt sein, bei der Regelung der männlichen Homosexualität seine rechtspolitischen Wertvorstellungen und Zielsetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten rechtspolitischen Spielraums zu verwirklichen.
Die Regierungsvorlage des Strafrechtsänderungsgesetzes 1970/71 hat eine Schutzaltersgrenze von 21 Jahren vorgeschlagen. Der Justizausschuß hat dem Nationalrat eine Senkung dieser Altersgrenze auf das 18. Lebensjahr empfohlen, und zwar nach dem Ausschußbericht mit folgender Begründung:
'Lediglich die Festsetzung des Schutzalters mit dem 21. Lebensjahr erwies sich nach der überwiegenden Auffassung der Sachverständigen - und zwar nicht zuletzt im Hinblick auf die von ihnen bejahte Anhebung der Strafmündigkeitsgrenze auf das vollendete 18. Lebensjahr bei diesem Delikt - als unzweckmäßig. Ein Auseinanderfallen der Strafmündigkeitsgrenze (vollendetes 18. Lebensjahr) und einer höher festgesetzten Schutzaltersgrenze würde zu unerwünschtem und wenig sinnvollem Wechsel zwischen Straflosigkeit und Strafbarkeit führen. Es sollen daher Strafmündigkeit und Schutzalter gleicherweise mit dem vollendeten 18. Lebensjahr festgesetzt werden.'
Seit dem Inkrafttreten des Jugendgerichtsgesetzes 1988, BGBl. 599, mit 1. Jänner 1989 stimmt die Schutzaltersgrenze mit der Strafmündigkeitsgrenze zwar insofern nicht mehr überein, als nunmehr als Täter nur in Betracht kommt, wer bereits das 19. Lebensjahr vollendet hat, doch ist damit dem oben erwähnten Grundgedanken gleichfalls Rechnung getragen und wird der Anwendungsbereich des §209 StGB dadurch noch mehr eingeengt.
Die Schutzaltersgrenze von 18 Jahren steht auch in Übereinstimmung mit den oben erwähnten Überlegungen betreffend andere sexualstrafrechtliche Bestimmungen mit der Zielrichtung des besonderen Schutzes von jugendlichen Personen (§208 StGB, §§212, 213 StGB). Die im Zug der seinerzeitigen Beratungen zum Strafrechtsänderungsgesetz im Jahr 1971 vom Unterausschuß des Justizausschusses angehörten Sachverständigen sind davon ausgegangen, daß die sexuelle Triebentwicklung bis zum 18. Lebensjahr abgeschlossen ist, sodaß eine Gefährdung im Sinn einer 'prägenden Wirkung' homosexueller Kontakte danach nicht mehr in Betracht kommt.
Bei Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dieser Schutzaltersgrenze ist auch zu beachten, daß der Gesetzgeber sich in vielfältiger Weise des Instituts von Altersgrenzen bedient, so etwa bei der Festlegung der Geschäftsfähigkeit im bürgerlichen Recht (vgl. §§21, 151, 152, 153, 569, 866 ABGB; §1 Ehegesetz) oder im Verwaltungsrecht in vielfacher Hinsicht (zB §5 Bundesgesetz über die religiöse Kindererziehung, BGBl. 155/1985, §19 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, §64 Kraftfahrgesetz 1967). Alle diese Altersgrenzen knüpfen an die Schutzbedürftigkeit des Jugendlichen und an seine noch nicht ausgeprägte geistige, seelische und sittliche Reife an. Sie haben den Zweck, Jugendliche vor Gefahren vielfältigster Art zu bewahren und sind notwendigerweise damit verbunden, daß die so geschützten Jugendlichen Rechte, die Erwachsenen zustehen, nicht oder nur in geringerem Ausmaß ausüben können. Im Fall des §209 StGB wirkt sich dies dahingehend aus, daß männliche Jugendliche homosexuelle Kontakte nur mit anderen Jugendlichen, nicht aber mit Erwachsenen ausüben dürfen. Zwar kann es bei dieser Regelung zu Härtefällen kommen, etwa dann, wenn homosexuelle Handlungen zwischen einem Vierzehnjährigen und einem Achtzehnjährigen für den letzteren straflos sind, diese Handlungen für letzteren aber strafbar werden, wenn er das 19. Lebensjahr vollendet hat.
In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, daß die im Jahr 1971 vorgenommene strafgesetzliche Neuregelung im Bereich der homosexuellen Betätigung nicht nur die Schutzaltersgrenze, sondern auch das Mindestalter für die Strafbarkeit des Täters mit dem vollendeten 18. Lebensjahr festgesetzt und damit gegenüber der allgemeinen Strafmündigkeitsgrenze (14 Jahre) angehoben hat. Dies ist in der Regierungsvorlage folgendermaßen begründet worden:
'Als Täter sollen für die den Schutz junger Menschen geltende Strafdrohung nur Personen in Betracht kommen, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben. Täter geringeren Alters sind in der Regel selbst das Opfer durch Unreife bedingter Unsicherheit ihres Triebes, eine Scheu, die noch nicht zum richtigen Partner finden läßt usw. Solche Jugendliche brauchen Erziehung und Reifung, Strafe könnte nur schaden. Überdies wirken Handlungen Erwachsener auf junge Menschen eher prägend als solche Jugendlicher, die dem Partner im Alter nahestehen und dessen Unsicherheit teilen.'
Diesem Gedanken hat der Gesetzgeber des Jugendgerichtsgesetzes 1988 Rechnung getragen und ihn durch die - in Übereinstimmung mit der Anhebung der 'Jugendlichkeitsgrenze' in den §§74 Z2 StGB und §1 Z1 JGG - im §209 StGB vorgenommene besondere Anhebung der Strafmündigkeitsgrenze auf 19 Jahre sachgerecht weitergeführt...
Die Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 1970/71 hat die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bezüglich der Homosexualität mit Minderjährigen wie folgt begründet:
'Die vorgesehene Strafdrohung betrifft nur gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen Männern. Das bedürfte außerhalb Österreichs keiner Begründung. Die Strafbarkeit der sogenannten lesbischen Liebe ist eine Besonderheit des geltenden österreichischen Rechts, die es innerhalb Europas seit langem wiederum nur noch mit Finnland teilt. In der Tat wirkt sich eine gleichgeschlechtliche Triebrichtung bei Frauen nicht in gleicher Weise aus wie bei Männern, erschwert die Einpassung in die gegebenen gesellschaftlichen Strukturen nicht im gleichen Maße und tritt nach außen hin nur wenig in Erscheinung. Anderseits spielen prägende Erlebnisse in jugendlichem Alter für die Entwicklung der Triebrichtung bei weiblichen Personen anscheinend eine geringere Rolle als bei Männern. Danach ist das Schutzbedürfnis in doppelter Richtung geringer: Die Tathandlung hat geringere Wirkungschancen und eine etwaige Wirkung wäre weniger schwerwiegend. Schließlich wären die Tathandlungen in der Regel nur schwer faßbar. Die Grenzen zwischen freundschaftlichen und Zärtlichkeitsbezeugungen, Berührungen im Zug von Hilfeleistungen bei der Körperpflege udgl. einerseits und echten gleichgeschlechtlichen Akten anderseits entzögen sich weitgehend der Feststellung im Strafprozeß. Verfahren wegen gleichgeschlechtlicher Unzucht zwischen Frauen sind denn auch heute außerordentlich selten. Nach alledem ist es berechtigt, die Strafdrohung auch unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes auf Akte zwischen Personen männlichen Geschlechts zu beschränken.'
Die Frage nach den durch homosexuelle Kontakte zumindest nicht auszuschließenden Risken für die sexuelle, psychische und soziale Entwicklung einer männlichen Person unter 18 Jahren stellt sich daher bei einer weiblichen Person unter 18 Jahren offenbar nicht.
Wichtig ist die in den Berichten der 1971 angehörten Experten enthaltene Beobachtung, daß bei der weiblichen Homosexualität die Suche nach jugendlichen Partnerinnen weniger Bedeutung hat als bei der männlichen. Ein homosexuelles Milieu - mit den damit verbundenen Begleiterscheinungen der Diskriminierung, Ausgrenzung und sozialen Konflikten - besteht also offensichtlich bei der weiblichen Homosexualität nicht in ähnlicher Weise wie bei der männlichen. Die aus §209 StGB resultierende unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen orientiert sich daher an Tatsächlichem und erscheint somit nicht gleichheitswidrig.
Der Antragsteller behauptet, die in §209 StGB verbotenen Handlungen fielen in den Schutzbereich des Art8 Abs1 EMRK. Art8 Abs2 EMRK sieht jedoch vor, daß Eingriffe in dieses Recht dann gerechtfertigt sind, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind und eine Maßnahme darstellen, die in einer demokratischen Gesellschaft u. a. zum Schutz der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des §209 StGB gegeben, dessen Strafdrohung verhindern soll, daß männliche Jugendliche durch homosexuelle Handlungen mit Erwachsenen in ein soziales Umfeld geraten, das für sie schädlich sein kann. In besonders gelagerten Fällen könnte aus Art8 EMRK sogar eine Verpflichtung des Staates abgeleitet werden, ein bestimmtes Verhalten mit strafrechtlichen Mitteln zu verfolgen (siehe das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte . . . vom 26.3.1985, EuGRZ 1985, 297). Selbst wenn dies in bezug auf homosexuelle Handlungen Erwachsener mit Minderjährigen nicht angenommen wird, so macht dies dennoch deutlich, daß die strafrechtliche Regelung des von §209 StGB erfaßten privaten Verhaltens nicht nur in die Privatsphäre des Täters eingreift, sondern auch den Zweck hat, die Privatsphäre des Jugendlichen zu schützen.
Die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 8272/1978 angestellten Erwägungen sind nach Auffassung der Bundesregierung auf §209 StGB nicht in gleicher Weise übertragbar. In diesem Erkenntnis ging es nämlich um die Strafbarkeit der in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung tretenden heterosexuellen Prostitution. Von dieser gehen aber nicht jene Gefahren aus, denen der Gesetzgeber durch §209 StGB entgegenwirken will.
Der Antragsteller bezieht sich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall DUDGEON vom 22. Oktober 1981, mit dem die allgemeine Strafbarkeit homosexueller Handlungen mit Art8 EMRK für unvereinbar erachtet worden ist. Dieses Urteil ist vom EGMR im gleichgelagerten Fall NORRIS vom 26. Oktober 1988 bestätigt worden. Es bezieht sich jedoch nicht auf die Festlegung einer gleichen oder ungleichen Altersgrenze für homosexuelle und heterosexuelle Verhaltensweisen und enthält auch keine Aussage darüber, ob eine unterschiedliche Altersgrenze für weibliche bzw. männliche Homosexualität unter dem Gesichtspunkt des Art14 EMRK gerechtfertigt ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont aber, daß es unter dem Gesichtspunkt des Art8 Abs2 EMRK durchaus gerechtfertigt ist, homosexuelles Verhalten auch mit den Mitteln des Strafrechts zu kontrollieren, wenn dies notwendig ist, um besonders verwundbare Personen - wie dies Jugendliche sind - vor Ausbeutung und Verführung zu schützen. Die Festlegung einer Altersgrenze falle hiebei in den Ermessensspielraum des Staates (Abs52 und 62 des Urteils). Dieser - in innerstaatlicher Hinsicht dem Gesetzgeber übertragene - Ermessensspielraum erlaubt wohl auch die Festlegung von unterschiedlichen Altersgrenzen, je nachdem, ob es sich um männliche oder um weibliche Homosexualität handelt.
Es trifft zu, daß in den letzten Jahren in einer Reihe vergleichbarer europäischer Staaten eine Angleichung der für homosexuelle Handlungen vorgesehenen Schutzaltersgrenze an das allgemeine (für heterosexuelle Betätigung geltende) sexualstrafrechtliche Schutzalter vorgenommen worden ist. Nach wie vor kennen aber die Rechtsordnungen einiger benachbarter und anderer europäischer Staaten, nämlich die der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz, Belgiens und des Vereinigten Königreiches ebenso wie die österreichische für homosexuelle Handlungen eine höhere als die allgemeine Schutzaltersgrenze, nämlich das 18. oder sogar noch ein höheres Lebensalter.
Bei einem Vergleich mit ausländischen Rechtsordnungen muß ferner berücksichtigt werden, daß die allgemeine Schutzaltersgrenze in Österreich (ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland) mit dem 14. Lebensjahr vergleichsweise niedrig liegt. In den meisten derjenigen Staaten, die die homosexuelle Betätigung mit Jugendlichen 'entkriminalisiert' haben, gilt eine höhere allgemeine Altersgrenze (nämlich das 15., zum Teil das 16. Lebensjahr). Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß nach österreichischem Recht das unter dem 18. Lebensjahr liegende Alter des homosexuellen Partners vom Vorsatz des erwachsenen Täters mit umfaßt sein muß. Ein allfälliger Irrtum über das Lebensalter des Jugendlichen wirkt daher nicht zu Lasten des Täters. Damit verengt sich der von der höheren Schutzaltersgrenze in Österreich 'sicher' erfaßte Bereich im Vergleich mit den erwähnten ausländischen Regelungen in der Praxis auf etwa zwei Jahrgänge.
Die Regelung des §209 StGB widerspricht daher auch nicht einem - für die Auslegung des Art8 EMRK allenfalls relevanten - 'europäischen Standard' ..."
2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Der Antrag zu G227/88 ist nicht zulässig.
Nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG bildet eine Voraussetzung des sogenannten Individualantrags auf Gesetzesprüfung, daß das Gesetz - ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides - für die anfechtende Person wirksam geworden ist; grundsätzlich das gleiche gilt gemäß dem kraft des letzten Satzteils in Art140 Abs1 B-VG sinngemäß heranzuziehenden Art89 Abs3 B-VG, welcher von der - außer Kraft getretenen - anzuwendenden Rechtsvorschrift spricht. Unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens ist es nun ausgeschlossen, daß §209 StGB in der mit 1. Jänner 1989 außer Kraft getretenen Fassung für den Einschreiter noch wirksam ist. Dem Antragsteller fehlt darum die nicht bloß im Zeitpunkt der Antragseinbringung, sondern auch in dem der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs erforderliche Legitimation zur Anfechtung, sodaß sein Antrag zu G227/88 zurückzuweisen ist (vgl. dazu den die gleiche Rechtslage im Bereich der Verordnungsanfechtung betreffenden Beschluß VfSlg. 9868/1983).
2.2. Der Antrag zu G2/89 hingegen ist zulässig, aber unbegründet.
2.2.1. Zur Antragslegitimation verweist der Verfassungsgerichtshof auf seinen Beschluß G73/86 vom 14. Oktober 1987, mit dem die Unzulässigkeit eines gegen §209 StGB gerichteten Individualantrags desselben Einschreiters ausgesprochen wurde. Dieser Beschluß nimmt zunächst auf die Vorjudikatur Bezug und hebt daraus hervor, daß die Anfechtungsbefugnis eines Normadressaten ausschließlich dann gegeben ist, wenn das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift; ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn er nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffs zur Verfügung steht. Nach diesem Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung legte der Verfassungsgerichtshof im bezeichneten Beschluß sodann im einzelnen folgendes dar:
"Daß die angefochtene Strafvorschrift in die Rechtssphäre des Einschreiters eingreift, der sich zu einer homosexuellen Lebensführung bekennt, bedarf nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes keiner näheren Begründung. Es genügt dazu der Hinweis auf die hier sinngemäß zutreffenden Entscheidungsgründe des Erk. VfSlg. 8272/1978, denen zufolge das nicht öffentlich in Erscheinung tretende Sexualverhalten zur Privatsphäre des Menschen im Sinn des Art8 MRK zählt und nach Maßgabe dieser Konventionsbestimmung Anspruch auf Achtung dieser Sphäre besteht. Der vorliegende Antrag tut aber nicht dar, daß der Antragsteller in seinen rechtlich geschützten Interessen aktuell beeinträchtigt ist. Der hier relevante Teil des Antragsvorbringens besteht seinem sachlichen Gehalt nach darin, daß die bekämpfte Strafnorm dem Antragsteller im Rahmen seiner homosexuellen Lebensführung Sexualkontakte mit männlichen Jugendlichen verwehrt. Mit dieser allgemeinen, ohne Anführung irgendwelcher gegenwartsbezogener Lebensumstände aufgestellten Behauptung tut der Einschreiter aber bloß dar, daß ihn die angegriffene Gesetzesvorschrift potentiell beeinträchtigt; eine aktuelle Beeinträchtigung seiner Rechtssphäre ist seinen Ausführungen hingegen nicht zu entnehmen, zumal aus seinem eigenen Vorbringen mit zureichender Deutlichkeit hervorgeht, daß seine homosexuellen Kontakte bisher keineswegs auf Jugendliche beschränkt waren und eine solche Beschränkung auch für die Zukunft tendenziell nicht vorliegt."
Auf dem Boden des nunmehrigen Vorbringens des Antragstellers hegt der Verfassungsgerichtshof hingegen keinen Zweifel daran, daß die angegriffene Gesetzesstelle die Rechtssphäre des Einschreiters aktuell beeinträchtigt. Die Lebenssituation, in der er sich den Antragsausführungen zufolge befindet, ist nicht unschlüssig dargestellt; eine weiterreichende, in Einzelheiten gehende Schilderung ist dem Beschwerdeführer selbst in Erwägung des (nicht mit Sicherheit auszuschließenden) Umstandes nicht zumutbar, daß die Antragsbehauptungen nicht oder nicht vollständig den Tatsachen entsprechen. Zudem ist der Antragsteller laut eigenem Vorbringen im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof wegen des Delikts der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach §209 StGB (alt) mehrfach vorbestraft, seine hier relevante allgemeine Neigung also entsprechend dokumentiert.
Daß dem Antragsteller ein anderer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffs in seine Rechtssphäre zumutbar wäre, kann nicht gesagt werden; es liegt auch offenkundig nicht die im erwähnten Beschluß G73/86 angenommene (dort näher beschriebene) Situation vor, daß der gegen die angefochtene Norm erhobene Vorwurf sich der Zielrichtung nach nicht gegen künftige Wirkungen der Rechtsvorschrift wendet, sondern gegen ihre für den Antragsteller nachteilige Anwendung in bereits abgeschlossenen Strafverfahren.
2.2.2. Die Gleichheitswidrigkeit der angegriffenen Gesetzesstelle erblickt der Einschreiter insbesondere darin, daß sie Männer und Frauen in bezug auf homosexuelle Handlungen mit Jugendlichen in sachlich nicht gerechtfertigter Weise unterschiedlich behandle. Habe der Gesetzgeber den Schutz und die Sicherung der ungestörten sexuellen Entwicklung junger Menschen vor Augen, so bestehe kein Unterschied in der Entwicklung männlicher und weiblicher Sexualität überhaupt. Werde zur Rechtfertigung der Straflosigkeit weiblicher homosexueller Kontakte zu jüngeren Partnerinnen eine Position bezogen, die sich an schädigenden Wirkungen orientiere, könne dieser Standpunkt bei der Beurteilung homosexueller Kontakte zu männlichen jüngeren Personen nicht aufgegeben werden.
Der Verfassungsgerichtshof hält an seiner in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung fest, daß die dem einfachen Gesetzgeber verfassungsmäßig eingeräumte rechtspolitische Gestaltungsfreiheit sowohl für die angestrebten Ziele als auch für die Auswahl der zur Zielerreichung dienlichen Mittel gilt: Der einfache Gesetzgeber kann frei entscheiden, welche Instrumente er - unter Berücksichtigung erwünschter oder in Kauf genommener Nebenwirkungen - in der jeweils gegebenen Situation zur Verwirklichung seiner Zielsetzungen geeignet erachtet und anwendet. Verwehrt ist ihm hiebei nur die Überschreitung der von Verfassungs wegen gezogenen Schranken, so die Verletzung des aus dem Gleichheitssatz erfließenden Sachlichkeitsgebots, indem beispielsweise zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel gewählt werden oder die vorgesehenen, an sich geeigneten zu einer sachlich unbegründbaren Differenzierung führen (s. zB VfSlg. 11.369/1987 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur; ferner VfGH 7.3.1988 B914/87). Die Fortentwicklung der Strafrechtsordnung in den letzten Jahrzehnten zeigt nun, daß der Gesetzgeber das Justizstrafrecht - in Verfolgung seiner unter dem Überbegriff "Entkriminalisierung" bekannt gewordenen kriminalpolitischen Bestrebungen - deutlich restriktiver als zuvor einzusetzen trachtet, Straftatbestände also nur dann bestehen läßt oder neu schafft, wenn eine derartige Pönalisierung sozialschädlichen Verhaltens auch nach strengsten Kriterien unbedingt geboten und unerläßlich ist. Die angefochtene Strafnorm zählt zu jener Gruppe von Unrechtstatbeständen, die dem Schutz des heranreifenden jungen Menschen vor sexueller Fehlentwicklung - im unumgänglich befundenen Umfang - dient ("Homosexuelle Betätigung ist strafrechtlich nur insofern relevant, als die sexuelle Entwicklung männlicher Jugendlicher nicht durch homosexuelle Erlebnisse in gefährdender Weise belastet werden soll": Pallin, in: Foregger, Nowakowski (Hrsg.), Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 1980, Rz 1 zu §209 (mit Berufung auf Hanack, Empfiehlt es sich, die Grenzen des Sexualstrafrechts neu zu bestimmen?, Verh. 47. DJT Bd I A, S 151)). So betrachtet kann dem Strafgesetzgeber aber nach Überzeugung des Verfassungsgerichtshofs unter dem Aspekt des Gleichbehandlungssatzes der Art7 Abs1 B-VG und 2 StGG nicht mit Grund entgegengetreten werden, wenn er - unter Berufung auf maßgebende Expertenmeinungen in Verbindung mit Erfahrungstatsachen den Standpunkt einnehmend, daß eine homosexuelle Einflußnahme männliche Heranreifende in signifikant höherem Grad gefährde als gleichaltrige Mädchen - auf dem Boden und in Durchsetzung seiner Wertvorstellungen mit Beachtung der eingeschränkten, maßhaltenden Ziele der vorherrschenden Strafrechtspolitik (bei sorgsamer Abwägung aller vielfältigen Vor- und Nachteile) ableitet, es sei mit einer strafrechtlichen Ahndung homosexueller Handlungen an jungen Menschen männlichen Geschlechts, wie in §209 StGB festgelegt, das Auslangen zu finden. Denn es handelt sich hier - alles in allem genommen - um eine Differenzierung, die auf Unterschieden im Tatsachenbereich beruht und deswegen aus der Sicht des Art7 Abs1 B-VG iVm Art2 StGG verfassungsrechtlich zulässig ist. Der Verfassungsgerichtshof tritt damit im Ergebnis der Rechtsmeinung des Obersten Gerichtshofs bei, der - wie schon in mehreren Entscheidungen dargelegt (vgl. OGH 15.9.1981 9 Os 144/81
= EvBl. 1982 Nr. 35, 23.4.1986 9 Os 38/86; s. auch OGH 10.9.1981
13 Os 115/81 = EvBl. 1982 Nr. 65, 24.8.1982 9 Os 114/82 =
SSt. 53/50) - die in ihrer Grundkonzeption vergleichbare Strafnorm des §209 StGB (frühere Fassung) aus dem Blickwinkel der unterschiedlichen Behandlung von männlichen und weiblichen Minderjährigen verfassungsrechtlich nicht in Zweifel zog. Doch auch die hier relevierte, mit dem Jugendgerichtsgesetz 1988, BGBl. 599, verfügte Einschränkung des Täterkreises auf (männliche) Volljährige begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Verfassungsgerichtshof teilt dazu im wesentlichen die Auffassung der Bundesregierung, die (sinngemäß) zutreffend darauf hinweist, daß hierin nur der rechtspolitische Grundgedanke zum Ausdruck komme, die einschneidenden, strengen Mittel des Kriminalrechts in sachgerechter Weise zurückhaltend und sparsam zu handhaben. Gegen Art8 EMRK wieder kann die angefochtene Strafnorm entgegen der Meinung des Antragstellers allein schon deshalb nicht verstoßen, weil der behauptete Eingriff in das Privat- und Familienleben ganz offenkundig eine nach Art8 Abs2 EMRK zulässige gesetzgeberische Maßnahme zum Schutz der Rechte anderer ist, nämlich zum Schutz der ungestörten Entwicklung der von den Straftaten betroffenen Personen.
2.2.3. Daraus folgt aber, daß der Antrag, §209 StGB, BGBl. 60/1974 idF BGBl. 599/1988, als verfassungswidrig aufzuheben, als unbegründet abzuweisen war.
2.3. Diese Entscheidungen konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lite und §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)