OGH 9Os38/86

OGH9Os38/8623.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.April 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Enzenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Nikolaus M*** wegen des Verbrechens nach § 209 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21.Jänner 1986, GZ 5 d Vr 4726/85-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Keller zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 14.Juni 1956 geborene Nikolaus M*** des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in der Zeit zwischen 17.Dezember 1984 und 12.Feber 1985 in Wien mehrmals mit dem am 23.Jänner 1969 geborenen Jugendlichen Artur R*** dadurch gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben, daß er mit dessen Glied spielte, während er sich selbst befriedigte. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit seiner auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund wendet der Beschwerdeführer ein, die Feststellungen des Erstgerichtes über die Verübung der Tat "auf einem gemeinsamen Matratzenlager im Schlafzimmer" seien hinsichtlich der näheren Begehungsweise (ob nämlich der Beschwerdeführer und der Zeuge R*** gegenseitig Handonanie trieben, wie der Zeuge in der Hauptverhandlung deponierte, oder ob der Beschwerdeführer an seinem eigenen Glied onanierte, wobei er gleichzeitig am Glied des Jugendlichen spielte, wie das Urteil übereinstimmend mit der Aussage dieses Zeugen im Vorverfahren annimmt), hinsichtlich der Zahl der gleichgeschlechtlichen Kontakte (wobei das Erstgericht aber ohnedies in den Gründen den für den Angeklagten günstigeren Angaben des Zeugen in der Hauptverhandlung folgt und im Spruch überhaupt nur "mehrmalige" Tatbegehung feststellt) und schließlich hinsichtlich der Art und Weise, auf die sich die späteren Zusammenkünfte der beiden ergaben (vereinbart oder zufällig), teils aktenwidrig, teils unzureichend begründet. All diese Modalitäten der Tat betreffen indes keine entscheidenden Tatsachen im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO. In Wahrheit versucht der Beschwerdeführer durch das Hervorheben der zitierten, an sich jedoch unbedeutenden Unstimmigkeiten zwischen den Darstellungen des Zeugen vor der Polizei und vor Gericht nur die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu bekämpfen, das dem jugendlichen Zeugen uneingeschränkt Glauben schenkte und mängelfrei davon ausgehen konnte, daß seine Aussage in der Hauptverhandlung in bezug auf die entscheidungswesentlichen Tatsachen in keinem Widerspruch zu seinen Angaben im Vorverfahren stand. Die Mängelrüge versagt daher.

Rechtliche Beurteilung

In Ausführung der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO behauptet der Beschwerdeführer zunächst, die unterschiedliche Behandlung männlicher und weiblicher gleichgeschlechtlicher Unzucht (insbesondere Prostitution) im Strafgesetzbuch verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz; er halte deshalb einen Antrag des Obersten Gerichtshofs an den Verfassungsgereichtshof zur Feststellung der angeblichen Verfassungswidrigkeit gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG (Art. 89 Abs. 2 B-VG) für angezeigt. Abgesehen davon, daß der Angeklagte zu einem solchen Begehren nicht legitimiert ist und die Beschwerde im übrigen damit keinen Nichtigkeitsgrund zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung bringt, ist sie darauf zu verweisen, daß die Kriminalisierung bloß männlicher gleichgeschlechtlicher Unzucht keine sachlich ungerechtfertigte Differenzierung darstellt, weil für die Pönalisierung desselben Verhaltens von Frauen keine kriminalpolitische Notwendigkeit besteht (ÖJZ-LSK 1981/167 = EvBl. 1982/65; auch EvBl. 1982/35). Der Einwand hinwieder, Schutzobjekt des Tatbestandes nach § 209 StGB sei eine jugendliche Person nur insoweit, als sie nicht gewerbsmäßig gleichgeschlechtliche Unzucht betreibe, wie dies vorliegend für den jugendlichen Unzuchtspartner zutrifft, der nach den Urteilsfeststellungen unter anderem auch wegen der gegenständlichen Taten durch den Jugendgerichtshof Wien des Vergehens nach § 210 StGB schuldig erkannt worden ist, verkennt die bestehende Rechtslage. Macht es doch weder nach dem Wortlaut noch nach der ratio der Strafbestimmung des § 209 StGB einen Unterschied, ob der jugendliche Unzuchtspartner (als Schutzobjekt dieser Strafnorm) die gleichgeschlechtliche Unzucht gewerbsmäßig oder nicht gewerbsmäßig treibt. Daß der Jugendliche unter den Voraussetzungen des § 210 StGB wegen des gesteigerten Unwertes seiner Tat selbst eine strafbare Handlung zu verantworten hat, ändert nichts daran, daß er auch in diesem Fall Schutzobjekt des Delikts nach § 209 StGB ist und der erwachsene Partner daher nach dieser Gesetzesstelle haftet. Gerade die Bereitschaft gewisser Erwachsener zur Begehung der strafbaren Handlung des § 209 StGB bildet den Nährboden der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht durch Jugendliche, so daß der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Tat durch die Prostitution des jugendlichen Unzuchtspartners nicht wesentlich gemindert, geschweige denn aufgehoben wird.

Soweit die Beschwerde aber rügt, das Gericht habe keine Feststellungen darüber getroffen, daß der Beschwerdeführer "mit dem Vorsatz auf sexuelle Befriedigung gehandelt hat", negiert sie die diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (S 106); im übrigen ist es für den Tatbestand des § 209 StGB ohne Belang, ob die Tathandlung auf Erregung oder Befriedigung der eigenen oder der Geschlechtslust des Partners gerichtet war (vgl. Leukauf/Steininger 2 , § 209 RN 6). Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die mehrfache Wiederholung der Tathandlung, eine einschlägige Vorstrafe sowie den raschen Rückfall, als mildernd hingegen keinen Umstand und verhängte über den Angeklagten nach § 209 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten. Die Berufung des Angeklagten, mit der er Strafherabsetzung unter Anwendung des § 41 StGB und die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, ist nicht berechtigt.

Auch wenn man zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, daß sich sein Opfer angeboten und er insoweit eine sich ihm bietende verlockende Gelegenheit ausgenützt hat, so fällt andererseits bei der Ausmessung der verwirkten Strafe zu seinen Lasten entscheidend ins Gewicht, daß er lediglich wenige Wochen nach seiner am 29. Oktober 1984 vom Kreisgericht St. Pölten (unter anderem) wegen desselben Delikts erfolgten Aburteilung zu einer zehnmonatigen (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe rückfällig geworden ist. Angesichts dieses äußerst raschen Rückfalles ist die vom Erstgericht verhängte Strafe keineswegs überhöht, sodaß deren Reduzierung nicht in Betracht kam.

Im Hinblick auf den raschen Rückfall (innerhalb der Probezeit nach gewährter bedingter Strafnachsicht) fehlt es aber auch an den Voraussetzungen für eine (neuerliche) Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB. Es mußte daher auch der Berufung ein Erfolg versagt werden. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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