OGH 8ObA21/25h

OGH8ObA21/25h21.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende und die Hofräte MMag. Matzka und Mag. Dr. Sengstschmid sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alexander Leitner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F* P*, vertreten durch Dr. Erwin Köll, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ö* AG, *, vertreten durch die HALO Hahn Loidolt RechtsanwältInnen OG in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. März 2025, GZ 13 Ra 36/24b‑115, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:008OBA00021.25H.1021.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Hat das Berufungsgericht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtet und deshalb die sachliche Behandlung der Rechtsrüge in der Berufung verweigert, muss dies in der Revision als Mangelhaftigkeit bekämpft werden; ansonsten ist dem Obersten Gerichtshof die sachrechtliche Überprüfung verwehrt (RS0043231).

[2] 1.2. In der Revision bekämpft der Kläger die – einer Judikaturlinie des Oberlandesgerichts Wien (8 Ra 104/22f = ARD 6844/13/2023) folgende – Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach bestimmte („nicht lohnimmanente“) Zulagen unabhängig davon, ob sie auch in den Verweisungsberufen bezogen werden können, aus dem Einkommensvergleich auszuscheiden sind. Das Berufungsgericht hat seine diesbezügliche Berufung aber als nicht gesetzmäßig ausgeführt qualifiziert und inhaltlich nicht behandelt. Dagegen führt die Revision keine Argumente ins Treffen. Dem Obersten Gerichtshof ist daher eine Überprüfung verwehrt. Schon aus diesem Grund hat eine Zurückweisung des Rechtsmittels zu erfolgen.

[3] 2. Im Übrigen wäre selbst unter Zugrundelegung des höchsten in der Revision genannten Monatsnettoeinkommens des Klägers (unter Berücksichtigung aller Zulagen) von 2.423,16 EUR die Kündigung gerechtfertigt:

[4] 2.1. Bei der Anfechtung einer Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist zunächst zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer durch die Kündigung erhebliche soziale Nachteile entstehen, die über die normale Interessenbeeinträchtigung bei einer Kündigung hinausgehen (RS0051746 [T7]; RS0051640). Werden durch eine Kündigung wesentliche Interessen des gekündigten Arbeitnehmers beeinträchtigt, so kann die Kündigung nur dann nicht sozialwidrig sein, wenn der Arbeitgeber den Nachweis des Vorliegens eines Ausnahmetatbestands im Sinne der Betriebsbedingtheit der Kündigung oder des Vorliegens von Gründen in der Person des gekündigten Arbeitnehmers für die Kündigung erbringt. Gelingt ihm dies, sind in einem dritten Schritt die Interessen des Arbeitgebers an der Kündigung und jene des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes einander gegenüber zu stellen und gegeneinander abzuwägen (vgl RS0051818; RS0052004; RS0051719).

[5] 2.2.1. Aus dem in der Revision genannten Einkommen des Klägers unter Einbeziehung aller Zulagen und Sachleistungen (Parkplatz und Leistungen an eine Pensionskasse) sowie unter Zugrundelegung der Annahme, dass in den Verweisungsberufen ausschließlich das Grundentgelt bezogen werden kann, würde sich (unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen in den Verweisungsberufen) eine Einkommenseinbuße von etwa 30 % errechnen. Weiters in die Beurteilung einzubeziehen (RS0051806; RS0051741; RS0051703; RS0110944; RS0051845) wären die zu erwartende Dauer der Arbeitssuche von sechs bis acht Monaten, die Sorgepflichten des Klägers für seine Ehefrau und zwei Kinder, das Einkommen seiner Familienangehörigen von 800 und 700 EUR sowie die monatlichen Fixkosten von 1.300 EUR. Selbst mit Blick auf das Alter des Klägers von 40 Jahren im Konkretisierungszeitpunkt am 30. 6. 2020 (RS0051772) und die relativ kurze Zugehörigkeit zum Betrieb der Beklagten von knapp drei Jahren könnte mit dem Kläger von einer Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Klägers ausgegangen werden (vgl RS0051727 [T6, T10]; RS0051753 [T7]; 8 ObA 46/22f; 8 ObA 38/24g mwN). Damit wäre hier für den Kläger aber nichts gewonnen.

[6] 2.2.2. Die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Gründe, die der Arbeitgeber zur Rechtfertigung der Kündigung gemäß § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG geltend machen kann, müssen nicht so gravierend sein, dass sie die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über den Kündigungstermin hinaus unzumutbar machen (RS0051888 [T14]) oder gar das Gewicht eines Entlassungsgrundes erreichen (9 ObA 6/25k). Sie müssen aber die betrieblichen Interessen soweit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würden und die Kündigung als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen (RS0051888 [T2]).

[7] 2.3.1. Hier sind dem Kläger nicht nur die am 21. 3. 2020 getätigten massiven verbalen Entgleisungen gegen die Beklagte vorzuwerfen; er war vielmehr im Zuge einer heftigen Diskussion unter Kollegen über die Dienstpläne Wortführer und ließ sich auch vor seinem Vorgesetzten zu den festgestellten, seine Arbeitgeberin beschimpfenden und herabwürdigenden Äußerungen hinreißen. Dieses Verhalten ist bereits für sich allein ausreichend, um bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung zu veranlassen und die Kündigung als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen zu lassen.

[8] 2.3.2. Dieser Vorfall vom 21. 3. 2020 erhält durch die festgestellten älteren (an sich verfristeten) Verfehlungen des Klägers vom 24. 9. 2018, 28. 10. 2019 und 23. 1. 2020 zusätzliches Gewicht (RS0082248 [T4]; vgl RS0081891; RS0110657 [T1]).

[9] 2.4. Vor dem Hintergrund des festgestellten Verhaltens des Klägers (Versäumen des Dienstantritts, verbale Entgleisungen) würden durch seine fortgesetzte Beschäftigung die betrieblichen Interessen der Beklagten in erheblichem Maße nachteilig berührt. Damit würden sie das (wesentliche) Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl RS0051888) selbst dann überwiegen, wenn – wie dargestellt (ErwGr 2.2.) – von der größtmöglichen Beeinträchtigung der Situation des Klägers durch die Kündigung auszugehen wäre.

[10] 2.5. Dementsprechend wäre die Abweisung der Kündigungsanfechtung jedenfalls geboten, weshalb sich die oben (ErwGr 1.2.) erwähnte Rechtsfrage zur Berücksichtigung lediglich „lohnimmanenter“ Zulagen im gegenständlichen Fall als nicht relevant erweist (RS0088931).

[11] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

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