OGH 6Ob230/24b

OGH6Ob230/24b16.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Faber, Mag. Pertmayr, Dr. Weber und Mag. Nigl LL.M. als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch zu FN * eingetragenen W*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und des Geschäftsführers Dipl.‑Ing. (FH) H*, beide vertreten durch Mag. Stefan Harg, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 3. Oktober 2024, GZ 3 R 57/24t – 3 R 82/24v-15a, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00230.24B.1016.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

2. Der Antrag, eine mündliche Revisionsrekursverhandlung anzuberaumen, wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Oberste Gerichtshof führte jüngst in einer dieselbe Gesellschaft mit beschränkter Haftung betreffenden Entscheidung aus (6 Ob 173/24w Rz 1 f; vgl ebenfalls zur selben Gesellschaft 6 Ob 29/23t Rz 3):

1. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 7. 10. 2015, G 224/2015, G 229-230/2015, ausgesprochen, Zwangsstrafen nach § 283 UGB seien keine Strafen iSd Art 6 EMRK und des Art 92 B-VG; vielmehr handle es sich um Vollstreckungsmaßnahmen, das heißt um Maßnahmen zur effektiven Durchsetzung der (auch unionsrechtlich gebotenen) Pflicht zur Vorlage von Jahresabschlüssen. Auch nach ständiger, mit Art 48 ff GRC im Einklang stehender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Zwangsstrafen nach § 283 UGB keine Strafen iSd Art 6 EMRK (RS0115894 [T11, T12, T13]; 6 Ob 29/23t [ErwGr 2.]; ausführlich 6 Ob 136/21z [ErwGr 1.2.1. ff]). Auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in diesem Zusammenhang kein Erfordernis der Gewährleistung einer mündlichen Verhandlung erblickt (C-418/11 , Texdata [Rn 87]).

Weshalb Zwangsstrafen nach § 283 UGB mit einem 'Disziplinarstrafverfahren' vergleichbar sein sollen, legt der Revisionsrekurs nicht schlüssig dar. Tatsächlich geht es dabei nicht primär um eine Bestrafung eines in der Vergangenheit liegenden Fehlverhaltens, sondern vielmehr um wiederkehrende Maßnahmen, um den (weiterhin) säumigen Offenlegungspflichtigen zu einem vorschriftsgemäßen Verhalten zu veranlassen (Beugemittel; 6 Ob 29/23t [ErwGr 2.]; 6 Ob 136/21z [ErwGr 1.2.1.2.]).

[2] Mit ihrem Antrag, eine mündliche Verhandlung im vorliegenden Revisionsrekursverfahren durchzuführen, sind die Rechtsmittelwerber auf diese Ausführungen zu verweisen. Dass sich daran durch die Änderung des GEG mit der ZVN 2022 nichts geändert hat, wurde ebenfalls bereits klargestellt (6 Ob 29/23t Rz 3).

[3] Darüber hinaus ist die Durchführung einer Revisionsrekursverhandlung schon deshalb abzulehnen, weil der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nicht als Tatsacheninstanz, sondern als Rechtsinstanz nur über Rechtsfragen zu entscheiden hat und daher Beweisaufnahmen oder -ergänzungen nicht in Betracht kommen (vgl zum Zwangsstrafenverfahren 6 Ob 136/21zRz 31; 6 Ob 126/00y = RS0043689 [T1, T2, T3]).

[4] 2.1. Im Zwangsstrafverfahren gemäß § 283 UGB besteht kein Verbot der reformatio in peius, weil das Verfahren von Amts wegen eingeleitet wird (§ 55 Abs 2 AußStrG). Das Rekursgericht kann daher den angefochtenen Beschluss auch zu Ungunsten der anfechtenden Partei abändern, also innerhalb des Strafrahmens eine höhere Strafe verhängen (RS0127684; 6 Ob 173/24w Rz 5; 6 Ob 152/12i ErwGr 4.).

[5] Im Revisionsrekurs wird vorgebracht, das Rekursgericht hätte rechtswidrig „einen anderen“ Strafrahmen angewendet. Soweit dieses Vorbringen darauf abzielt, das Rekursgericht habe durch die Verhängung von Zwangsstrafen in Höhe von jeweils 7.200 EUR jeBestrafungszeitraum für die Nicht-Offenlegung der Jahresabschlüsse zum 31. 12. 2010 bis 31. 12. 2020 anders als das Erstgericht, das im ordentlichen Verfahren Zwangsstrafen von je 700 EUR verhängte, den Strafrahmen des § 283 Abs 5 UGB anstelle des Strafrahmens gemäß § 283 Abs 1 UGB angewendet, liegt darin keine Rechtswidrigkeit. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Nicht-Geltung des Verbots der reformatio in peius auf der allgemeinen, nicht primär auf das Zwangsstrafenverfahren zugeschnittenen (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 122) Bestimmung des § 55 Abs 2 AußStrG beruht, der eine Einschränkung dahin, dass eine Verschlechterung nur innerhalb eines bestimmten Umfangs zulässig sein sollte, nicht enthält. Soweit in der Rechtsprechung zum Zwangsstrafenverfahren auf die Zulässigkeit der reformatio in peius „innerhalb des Strafrahmens“ Bezug genommen wurde (vgl 6 Ob 173/24w Rz 5; 6 Ob 17/12m ErwGr 5.1.; ohne Bezugnahme 6 Ob 152/12i ErwGr 4.; 6 Ob 66/12t), wurde damit nur die Selbstverständlichkeit ausgesprochen, dass der nach § 283 UGB richtigerweise anzuwendende Strafrahmen einzuhalten ist. So billigte der Oberste Gerichtshof jüngst hinsichtlich derselben Kapitalgesellschaft die Anhebung der verhängten Zwangsstrafen von jeweils 700 EUR auf 4.200 EUR (6 Ob 173/24w).

[6] 2.2. Können – wie hier – aus dem Firmenbuchakt die Größenklassen nicht verlässlich beurteilt werden, ist bei Nichtvorlage von Bilanzen und Unterlassung der Bekanntgabe der Größenmerkmale iSd § 282 Abs 2 UGB vom Vorliegen einer großen Gesellschaft auszugehen und die Strafe danach zu bemessen (6 Ob 173/24w Rz 5; 6 Ob 136/21z [ErwGr 1.2.2.2.]; RS0113285 [T9]). Ob anderes gilt, wenn die Größenklassen aufgrund aktenkundiger Umstände verlässlich beurteilt werden können, wurde vom Obersten Gerichtshof offen gelassen (6 Ob 119/07d ErwGr 4.3.). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist im Außerstreitverfahren der Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz, und zwar der Zeitpunkt, ab dem das Gericht an seinen Beschluss gebunden ist (6 Ob 112/08a; 6 Ob 113/08y; 6 Ob 282/08a ErwGr 4.).

[7] Der Revisionsrekurs rügt die Beurteilung des Rekursgerichts, aufgrund der Nichtvorlage der Jahresabschlüsse sei – im Hinblick auf die Anwendung des § 283 Abs 5 UGB – von einer großen Kapitalgesellschaft auszugehen, als aktenwidrig, weil das Rekursgericht die von der Gesellschaft dem Firmenbuchgericht bekannt gegebenen Größenmerkmale außer Acht gelassen habe.

[8] Die nach dem Revisionsrekursvorbringen dem Firmenbuchgericht am 16. 2. 2012 und am 22. 6. 2009 vorgelegten Bestätigungen enthielten allerdings nach den Behauptungen im Revisionsrekurs entweder nur Rechtsbehauptungen („… dass [die Gesellschaft] … die Kriterien einer kleinen Kapitalgesellschaft nach § 221 UGB erfüllt hat“) oder bezogen sich nicht auf die für die vorliegenden Zwangsstrafen relevanten Zeiträume. Soweit im Revisionsrekurs auf eine Mitteilung der Größenmerkmale vom 26. 8. 2024 Bezug genommen wird, die in einem Rekurs gegen andere als die dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Zwangsstrafen erstattet worden sei, lag dieser Zeitpunkt nach der Beschlussfassung durch das Erstgericht und nach Einbringung des Rekurses im vorliegenden Verfahren. Im Rekurs gegen die hier angefochtenen Beschlüsse des Erstgerichts wurde ein derartiges Vorbringen hingegen nicht erstattet. Die Anwendung des § 49 AußStrG kommt daher nicht in Betracht. Im Revisionsrekursverfahren– in dem die Rechtsmittelwerber allerdings ohnehin kein Tatsachenvorbringen, das eine Einordnung der Größenklasse erlauben würde, erstatteten – herrscht Neuerungsverbot (RS0119918).

[9] 2.3. Soweit der Revisionsrekurs eine unzulässige Überraschungsentscheidung durch das Rekursgericht rügt, wird nicht dargelegt, welches konkrete Sachvorbringen, aufgrund dessen eine Beurteilung der Größenklasse der Gesellschaft möglich gewesen wäre, im Fall der Erörterung erstattet worden wäre (vgl RS0037300 [T48]).

[10] 2.4. Insgesamt liegt daher in der Beurteilung des Rekursgerichts, mangels verlässlicher Erkennbarkeit der Größenklasse der Gesellschaft sei von einer großen Kapitalgesellschaft auszugehen und die Strafe danach zu bemessen, kein Abweichen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung wird daher im Zusammenhang mit dem vom Rekursgericht herangezogenen Strafrahmen nicht aufgezeigt.

[11] 3.1. Zur behaupteten unzulässigen Kumulierung von Strafen und zur behaupteten Doppelbestrafung führte der Oberste Gerichtshof bereits in der – ebenfalls dieselbe GmbH betreffenden – Entscheidung 6 Ob 29/23t aus (Rz 4), dass eine solche in einer Konstellation wie der auch hier vorliegenden nicht gegeben ist: Vielmehr bestehen nach ständiger Rechtsprechung (6 Ob 29/23t Rz 4; 6 Ob 233/21i) keine Bedenken gegen die Unionsrechtskonformität des § 283 UGB (RS0113089). Ebenso bestehen keine Bedenken gegen die gleichzeitige Verhängung mehrerer Zwangsstrafverfügungen für verschiedene (jeweils zweimonatige) Bestrafungszeiträume (RS0127331). Die Verhängung von Strafen sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen die Geschäftsführer stellt keine unzulässige Doppelbestrafung dar (6 Ob 29/23t Rz 4; 6 Ob 32/12t). Die mehrfache Verhängung von Geldstrafen ist bloß Folge des Umstands, dass mehrere handlungspflichtige Rechtssubjekte den sie nach dem Gesetz betreffenden Pflichten nicht nachkamen. Die Ausführungen zum Kumulierungsverbot verkennen, dass es sich im vorliegenden Fall um Beugestrafen handelt (6 Ob 29/23t Rz 4; vgl 6 Ob 136/21z). Gerade durch das stufenweise Vorgehen, nämlich Bestrafung für jeweils zwei Monate (weiterer) Säumnis bei der Vorlage des Jahresabschlusses, wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen (6 Ob 29/23t Rz 4; 6 Ob 233/21i).

[12] 3.2. Das Rekursgericht hat seine Erwägungen zur Höhe der als Beugemittel verhängten Zwangsstrafen auf rund zehn Seiten ausführlich dargelegt. Auf seine Darstellung der Rechtslage, des Zwecks der Offenlegung von Jahresabschlüssen und seine Erwägungen zur konkreten Höhe kann verwiesen werden (§ 71 Abs 3 AußStrG). Das Rekursgericht hat der Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer bereits vor Augen geführt, dass sie selbst keine anderen, „gelinderen“ Mittel nennen, die sie als verhältnismäßig ansehen würden und durch die sie zur Offenlegung der Jahresabschlüsse der hier verfahrensgegenständlichen 13 Jahre bewegt würden.

[13] Diesen Ausführungen setzt der außerordentliche Revisionsrekurs nichts Stichhältiges entgegen. Dass hinsichtlich derselben Gesellschaft zahlreiche verhängte Zwangsstrafen in der Vergangenheit keine Wirkung zeigten, konstatierte der Oberste Gerichtshof bereits in früheren Entscheidungen (vgl etwa 6 Ob 233/21i). Wenn der außerordentlicheRevisionsrekurs dennoch die verhängten Zwangsstrafen als unverhältnismäßig rügt, wird – erneut – die Zielsetzung der im Unionsrecht wurzelnden, in Umsetzung der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (PublizitätsRL 68/151/EWG sowie BilanzRL 78/660/EWG ) ergangenen 6 Ob 64/11x ErwGr 2.3.) Bestimmungen des österreichischen Rechts (§§ 277 ff UGB) in Erinnerung gerufen, Dritte über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage einer Gesellschaft zu informieren (C-418/11 , Texdata, Rz 54). Dabei haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die Anwendung der zur Durchsetzung der Offenlegungspflicht vorgesehenen Maßregeln einen wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Charakter entfalten (vgl EuGH C-418/11 , Texdata Software, Rz 50, 55). Dieser Aspekt des unionsrechtlich gebotenen effektiven Schutzes Dritter durch Einhaltung der Offenlegungspflichten wird von den Revisionsrekurswerbern zu Unrecht gänzlich außer Acht gelassen.

[14] 3.3. Die im außerordentlichen Revisionsrekurs zitierte Judikatur des EuGH (insbesondere Rs C‑64/18 , C‑140/18 , C‑146/18 und C‑148/18 , Maksimovic, und Rs C‑870/19 und C-871/19 , Prefettura Ufficio territoriale del governo di Firenze) sowie das Gutachten einer ehemaligen Richterin des EuGH bieten keinen Anlass, von der gefestigten – nicht zuletzt durch die Entscheidung des EuGH in der Rs Texdata Software untermauerten – Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach gegen § 283 UGB keine unions- oder verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (6 Ob 29/23t Rz 4; 6 Ob 136/21z [ErwGr 1.2.1. ff, 1.2.2. ff]; vgl 6 Ob 233/21i Rz 3), abzugehen, was auch durch die Entscheidung des EuGH zu C-561/22 , Willy Hermann Service (Rn 35 f) bekräftigt wurde (6 Ob 29/23t Rz 4).

[15] 4.1. Das Rekursgericht hat mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass das Urteil des EuGH C-37/20 und C‑601/20 vom 22. 11. 2022, Luxembourg Business Registers, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 5. 12. 2023, G 265/2023, der Verpflichtung zur Vorlage von Jahresabschlüssen und der Verhängung von Zwangsstrafen nicht entgegenstehen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[16] Mit seiner Entscheidung in der Rechtssache Luxembourg Business Registers erkannte der EuGH Art 30 Abs 5 Unterabs 1 lit c der GeldwäscheRL (EU) 2018/843 insofern für ungültig, als den Mitgliedstaaten auferlegt wurde, sicherzustellen, dass die Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der in ihrem Gebiet eingetragenen Gesellschaften oder anderen juristischen Personen in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sind.

[17] Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung des EuGH sprach der Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil G 265/2023 aus, § 10 WiEReG, BGBl I 2017/136 idF BGBl I 2019/62 (sohin vor der Novellierung durch BGBl I 2023/97), sei wegen Verstoßes gegen § 1 DSG und Art 8 GRC verfassungswidrig gewesen.

[18] 4.2. Die Revisionsrekurswerber vermissen eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zu den Auswirkungen der Entscheidungen C-37/20 , C-601/20 des EuGH und G 265/2023 des Verfassungsgerichtshofs auf die Offenlegungspflichten gemäß §§ 277 ff UGB.

[19] Es ist allerdings bereits im Urteil C‑37/20 , C‑601/20 des EuGH klargestellt, dass die in der PublizitätsRL 68/151/EWG (vgl in der Folge RL 2009/101/EG ; nunmehr RL [EU] 2017/1132) vorgesehene Pflicht zur Offenlegung auf der einen und der (den Gegenstand der Rechtssache Luxembourg Business Registers bildende) Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer gemäß der geänderten Geldwäsche-RL 2015/849 auf der anderen Seite sich sowohl hinsichtlich ihrer jeweiligen Zielsetzungen als auch hinsichtlich des Umfangs der erfassten personenbezogenen Daten unterschieden (C‑37/20 und C‑601/20 , Luxembourg Business Registers, Rz 87). Darauf hat bereits das Rekursgericht hingewiesen.

[20] Die Rechtsmittelwerber legen in ihrem Revisionsrekurs nicht konkret dar, hinsichtlich welcher der nach §§ 277 ff UGB offenzulegenden Daten ihrer Ansicht nach aus dem Urteil C-37/20 und C-601/20 , Luxembourg Business Registers, unionsrechtliche Bedenken abzuleiten sind, die unter Berücksichtigung der unionsrechtlich determinierten Offenlegungspflichten von Kapitalgesellschaften der Befolgung der Pflichten nach §§ 277 ff UGB entgegenstehen würden. Sie bringen vor, die „nach dem UGB offenzulegenden“ Daten seien besonders sensibel, weil sich aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, den „diversen Anhängen und ergänzenden Angaben“, dem Lagebericht, den Gewinnverwendungsbeschlüssen „etc“ die Vermögens- und Einkommenssituation der Eigentümerfamilien und „damit auch“ des Geschäftsführers der Gesellschaft ergäben. Ihre Argumentation richtet sich damit schlechthin gegen die Offenlegung von Wirtschaftsdaten einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Dies lässt die Judikatur des EuGH zur unionsrechtlichen Publizitätspflicht außer Acht: Nach dieser stellt es ein grundlegendes Prinzip dar, dass die Jahresabschlüsse ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der betreffenden Gesellschaft vermitteln müssen, wobei ihre Offenlegung hauptsächlich der Unterrichtung Dritter, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennen oder kennen können, dient (EuGH C-418/11 , Texdata, Rz 54 mwN; Daihatsu Deutschland, C‑97/96 , Slg 1997, I‑6843, Rz 22).

[21] Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Veröffentlichung der Namen und Geburtsdaten der Gesellschafter einer GmbH im Firmenbuch wendet, ist der Zusammenhang zu den Offenlegungspflichten der §§ 277 ff UGB nicht gegeben. Im Übrigen hat sich der EuGH mit der Offenlegung personenbezogener Daten natürlicher Personen in einem öffentlich zugänglichen Handelsregister bereits befasst und dargelegt, dass dafür regelmäßig die Rechtmäßigkeitsgründe des Art 6 Abs 1 lit c und/oder lit e DSGVO in Betracht kommen, deren Vorliegen im jeweiligen konkreten Fall die nationalen Gerichte zu beurteilen haben (EuGH C-200/23 [Rz 94, 98 und 103 f]; vgl jüngst 6 Ob 173/24w Rz 9). Wie bereits in dem zu 6 Ob 173/24w zu beurteilenden Rechtsmittel legt der außerordentliche Revisionsrekurs auch im vorliegenden Fall nicht dar, welche personenbezogenen Daten mit den einzureichenden Jahresabschlüssen der Gesellschaft offengelegt würden und welche solcher Offenlegungen nach der Richtlinie 2013/34/EU oder den §§ 277 bis 281 UGB nicht erforderlich wären.

[22] 5. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Gesellschaft und des Geschäftsführers zeigt daher insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[23] 6. Der Anregung, dem EuGH insgesamt 18 Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, war nicht nachzukommen, weil über die Zulässigkeit des vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurses auf Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung des EuGH entschieden werden kann.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte