VfGH G224/2015 ua

VfGHG224/2015 ua7.10.2015

Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen über die Zuständigkeit des Rechtspflegers in Firmenbuchsachen; Zwangsstrafen wegen Verletzung der Offenlegungspflicht einer Gesellschaft keine Strafen im Sinne der EMRK sondern Maßnahmen zur effektiven Durchsetzung der auch unionsrechtlich gebotenen Pflicht zur Vorlage von Jahresabschlüssen; teils Ab-, teils Zurückweisung des Parteiantrags

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art87a, Art92
UGB §277 ff, §283 Abs3
RechtspflegerG §22 Abs1
FirmenbuchG §24
EMRK Art6 Abs1 / Strafrecht
AEUV Art267
VfGG §62 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art87a, Art92
UGB §277 ff, §283 Abs3
RechtspflegerG §22 Abs1
FirmenbuchG §24
EMRK Art6 Abs1 / Strafrecht
AEUV Art267
VfGG §62 Abs1

 

Spruch:

I. Der Antrag auf Aufhebung des §283 Abs3 Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. Nr 219/1897, idF BGBl I Nr 111/2010, sowie des §22 Abs1 Rechtspflegergesetz, BGBl Nr 560/1985, idF BGBl I Nr 72/2007, wird abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag und Sachverhalt

1. Mit ihrem (Haupt-)Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG begehren die antragstellenden Parteien die Aufhebung

– des §277 Abs1, Abs4, Abs6 bis 8, des §278, der Wortfolge "und mittelgroßer Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§221 Abs2)" in §279, des Worts "(Geschäftsführer)" und der Wortfolge "277 bis 280" in §283 Abs1, des §283 Abs2 bis 6 und der Wortfolge "277 bis 280a" in §283 Abs7 Unternehmensgesetzbuch (UGB), dRGBl. 219/1897, idF BGBl I 111/2010,

– der Wortfolge "diesfalls sind die Bestimmungen des §283 Abs2 und 3 UGB sinngemäß anzuwenden" in §24 Abs4 und §24 Abs5 Firmenbuchgesetz (FBG), BGBl 10/1991, idF BGBl I 111/2010, sowie

– des §22 Abs1 Rechtspflegergesetz, BGBl 560/1985, idF BGBl I 72/2007,

wegen Verfassungswidrigkeit.

In eventu begehren die antragstellenden Parteien die Aufhebung des §22 Abs1 Rechtspflegergesetz (1. Eventualantrag), in eventu die Aufhebung eines nicht näher bezeichneten Teils des §15 FBG (2. Eventualantrag), in eventu die Aufhebung des §277 Abs1, Abs4, Abs6 bis 8, des §278, der Wortfolge "und mittelgroßer Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§221 Abs2)" in §279, des Worts "(Geschäftsführer)" und der Wortfolge "277 bis 280" in §283 Abs1, des §283 Abs2 bis 6 und der Wortfolge "277 bis 280a" in §283 Abs7 UGB (3. Eventualantrag) sowie in eventu die Aufhebung des §283 Abs2 bis 6 und der Wortfolge "277 bis 280a" in §283 Abs7 UGB allein (4. Eventualantrag).

2. Die antragstellenden Parteien erheben den – beim Verfassungsgerichtshof am 13. Mai 2015 elektronisch eingebrachten – Parteiantrag aus Anlass eines Rekurses gegen vier Beschlüsse des Landesgerichts Feldkirch vom 24. April 2015, mit denen das Landesgericht Feldkirch durch einen Rechtspfleger

– über den Zweitantragsteller "wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.1999" bis 31. Oktober 2014 gemäß §283 Abs3 UGB eine Zwangsstrafe in der Höhe von € 8.400,–,

– über den Zweitantragsteller "wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005" bis 31. Oktober 2014 gemäß §283 Abs3 UGB eine Zwangsstrafe in der Höhe von € 1.800,–,

– über den Zweitantragsteller "wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.2013" bis 30. November 2014 gemäß §283 Abs3 UGB eine Zwangsstrafe in der Höhe von € 1.800,– sowie

– über die erstantragstellende Gesellschaft "wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.2013" bis 30. November 2014 gemäß §283 Abs3 UGB eine Zwangsstrafe in der Höhe von € 1.800,–

verhängte.

II. Rechtslage

1. §§277 bis 279, §282 und §283 Unternehmensgesetzbuch (UGB), dRGBl. 219/1897, in der auf Unterlagen der Rechnungslegung für Geschäftsjahre, die vor dem 1. Jänner 2016 begonnen haben, weiterhin anzuwendenden (vgl. §906 Abs28 UGB) Fassung BGBl I 111/2010, lauten (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"ZWEITER TITEL

Offenlegung, Veröffentlichung und Vervielfältigung,

Prüfung durch das Firmenbuchgericht

Offenlegung

§277. (1) Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften haben den Jahresabschluß und den Lagebericht sowie gegebenenfalls den Corporate Governance-Bericht nach seiner Behandlung in der Hauptversammlung (Generalversammlung), jedoch spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag, mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Kapitalgesellschaft einzureichen; innerhalb derselben Frist sind der Bericht des Aufsichtsrats, der Vorschlag über die Verwendung des Ergebnisses und der Beschluß über dessen Verwendung einzureichen. Werden zur Wahrung dieser Frist der Jahresabschluß und der Lagebericht sowie gegebenenfalls der Corporate Governance-Bericht ohne die anderen Unterlagen eingereicht, so sind der Bericht und der Vorschlag nach ihrem Vorliegen, die Beschlüsse nach der Beschlußfassung und der Vermerk nach der Erteilung unverzüglich einzureichen. Wird der Jahresabschluß bei nachträglicher Prüfung oder Feststellung geändert, so ist auch diese Änderung einzureichen.

(2) Der Vorstand einer großen Aktiengesellschaft (§221 Abs3) hat die Veröffentlichung des Jahresabschlusses unmittelbar nach seiner Behandlung in der Hauptversammlung, jedoch spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag, mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' zu veranlassen. Der Nachweis über die Veranlassung dieser Veröffentlichung ist gleichzeitig mit den in Abs1 bezeichneten Unterlagen beim Firmenbuchgericht einzureichen. Bei der Veröffentlichung ist das Firmenbuchgericht und die Firmenbuchnummer anzugeben. Dies gilt auch für allfällige Änderungen (Abs1 letzter Satz).

(3) In der Veröffentlichung können alle Posten in vollen 1 000 Euro angegeben werden.

(4) Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften haben spätestens mit den Einreichungen gemäß Abs1 und 2 oder auf dem Jahresabschluss selbst anzugeben, in welche der Größenklassen des §221 Abs1 bis 3 die Gesellschaft unter Bedachtnahme auf §221 Abs4 im betreffenden Geschäftsjahr einzuordnen ist.

(5) Sonstige Veröffentlichungs- und Informationspflichten bleiben unberührt.

(6) Jahresabschlüsse sind elektronisch einzureichen und in die Datenbank des Firmenbuchs (§29 FBG) aufzunehmen. Überschreiten die Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag des einzureichenden Jahresabschlusses nicht 70 000 Euro, kann der Jahresabschluss auch in Papierform eingereicht werden. Die Umsatzerlöse sind gleichzeitig mit der Einreichung bekannt zu geben. In Papierform eingereichte Jahresabschlüsse müssen für die Aufnahme in die Datenbank des Firmenbuchs geeignet sein. Der Bundesminister für Justiz kann durch Verordnung nähere Bestimmungen über die äußere Form der Jahresabschlüsse festlegen.

(7) Nach der Aufnahme der Jahresabschlüsse in die Datenbank des Firmenbuchs hat sie das Gericht in elektronischer Form der Wirtschaftskammer Österreich, der Österreichischen Bundesarbeitskammer und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs (Landwirtschaftskammer Österreich – LKÖ) zur Verfügung zu stellen; dies gilt jedoch nicht für die Jahresabschlüsse von kleinen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§221 Abs1).

(8) Die Oesterreichische Nationalbank ist berechtigt, von der BundesrechenzentrumGmbH die elektronische Übermittlung elektronisch eingereichter Jahresabschlüsse gegen kostendeckendes Entgelt zu verlangen, soweit sie diese Daten zur Erfüllung der ihr gesetzlich oder gemeinschaftsrechtlich zugewiesenen Aufgaben benötigt. Sie ist weiters berechtigt, die Daten an die Bundesanstalt Statistik Österreich weiterzugeben, soweit diese die Daten zur Erfüllung der ihr gesetzlich oder gemeinschaftsrechtlich zugewiesenen Aufgaben benötigt.

Offenlegung für kleine Gesellschaften mit beschränkter Haftung

§278. (1) Auf kleine Gesellschaften mit beschränkter Haftung §221 Abs1) ist §277 mit der Maßgabe anzuwenden, daß die gesetzlichen Vertreter nur die Bilanz und den Anhang einzureichen haben. Die offenzulegende Bilanz braucht nur die in §224 Abs2 und 3 mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten, der Anhang nur die in §242 Abs2 aufgezählten, mit Ausnahme der die Gewinn- und Verlustrechnung betreffenden Angaben, zu enthalten. Ist die Gesellschaft gemäß §268 Abs1 prüfungspflichtig, so ist auch der Bestätigungsvermerk oder der Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung einzureichen.

(2) Der Bundesminister für Justiz hat durch Verordnung ein Formblatt festzulegen, dessen Verwendung zur Erfüllung der Verpflichtung gemäß Abs1 ausreichend ist.

Offenlegung für kleine und mittelgroße Aktiengesellschaften

und mittelgroße Gesellschaften mit beschränkter Haftung

§279. Für die Offenlegung kleiner und mittelgroßer Aktiengesellschaften (§221 Abs1 und Abs2) und mittelgroßer Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§221 Abs2) gilt folgendes:

1. Die offenzulegende Bilanz braucht nur die in §224 Abs2 und 3 mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten, zusätzlich jedoch die folgenden Posten zu enthalten:

auf der Aktivseite die Posten A I 2, A II 1, 2, 3 und 4, A III 1, 2, 3 und 4, B II 2 und 3, B III 1, auf der Passivseite die Posten C1 und 2 und D 1, 2, 6 und 7.

Aktiengesellschaften haben die Angabe gemäß §225 Abs5 zu machen.

2. Die Posten des §231 Abs2 Z1 bis 3 und 5 und Abs3 Z1 bis 3 dürfen zu einem Posten unter der Bezeichnung 'Rohergebnis' im Fall des Abs2 bzw. 'Bruttoergebnis vom Umsatz' im Fall des Abs3 zusammengefaßt werden; die Offenlegung der Angabe gemäß §237 Z4 lita kann unterbleiben.

3. Der offenzulegende Anhang braucht die Angaben gemäß §208 Abs3 und §237 Z6 und 9 nicht zu enthalten.

[...]

DRITTER TITEL

Prüfungspflicht und Zwangsstrafen

Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts

§282. (1) Das Gericht hat zu prüfen, ob die gemäß §§277 bis 281 offenzulegenden Unterlagen vollzählig zum Firmenbuch eingereicht und ob, soweit Veröffentlichungen vorgeschrieben sind, diese veranlaßt worden sind.

(2) Gibt die Prüfung gemäß Abs1 Anlaß zu der Annahme, daß von der Größe der Gesellschaft abhängige Vorschriften nicht hätten in Anspruch genommen werden dürfen, so kann das Gericht zu seiner Unterrichtung von der Gesellschaft innerhalb einer angemessenen Frist die Mitteilung der Bilanzsumme, der Umsatzerlöse gemäß §231 und der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer gemäß §221 Abs6 verlangen. Unterläßt die Gesellschaft die fristgemäße Mitteilung, so gelten die Vorschriften als zu Unrecht in Anspruch genommen.

(3) Ist eine gebotene Veröffentlichung unterblieben, so hat das Gericht diese Tatsache ohne Durchführung eines Verbesserungsverfahrens auf Kosten der Gesellschaft bekanntzumachen, wenn dies ein Gesellschafter, Gläubiger, Betriebsrat (Zentralbetriebsrat) oder eine gesetzliche Interessenvertretung beantragt. Die Antragsberechtigung ist glaubhaft zu machen. Ein späterer Wegfall der Antragsberechtigung ist unschädlich. Der Antrag kann nicht zurückgenommen werden.

Zwangsstrafen

§283. (1) Die Vorstandsmitglieder (Geschäftsführer) oder die Abwickler sind, unbeschadet der allgemeinen unternehmensrechtlichen Vorschriften, zur zeitgerechten Befolgung der §§244, 245, 247, 270, 272 und 277 bis 280, die Aufsichtsratsmitglieder zur Befolgung des §270 und im Fall einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft die für diese im Inland vertretungsbefugten Personen zur Befolgung des §280a vom Gericht durch Zwangsstrafen von 700 Euro bis zu 3 600 Euro anzuhalten. Die Zwangsstrafe ist nach Ablauf der Offenlegungsfrist zu verhängen. Sie ist wiederholt zu verhängen, soweit die genannten Organe ihren Pflichten nach je weiteren zwei Monaten noch nicht nachgekommen sind.

(2) Ist die Offenlegung nach Abs1 nicht bis zum letzten Tag der Offenlegungsfrist erfolgt, so ist – sofern die Offenlegung nicht bis zum Tag vor Erlassung der Zwangsstrafverfügung bei Gericht eingelangt ist – ohne vorausgehendes Verfahren durch Strafverfügung eine Zwangsstrafe von 700 Euro zu verhängen. Von der Verhängung einer Zwangsstrafverfügung kann abgesehen werden, wenn das in Abs1 genannte Organ offenkundig durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert war. In diesem Fall kann – soweit bis dahin noch keine Offenlegung erfolgt ist – mit der Verhängung der Zwangsstrafverfügung bis zum Ablauf von vier Wochen nach Wegfall des Hindernisses, welches der Offenlegung entgegenstand, zugewartet werden. Zwangsstrafverfügungen sind wie Klagen zuzustellen. Gegen die Zwangsstrafverfügung kann das jeweilige Organ binnen 14 Tagen Einspruch erheben, andernfalls erwächst die Zwangsstrafverfügung in Rechtskraft. Im Einspruch sind die Gründe für die Nichtbefolgung der in Abs1 genannten Pflichten anzuführen. Gegen die Versäumung der Einspruchsfrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden (§21 AußStrG). Ist der Einspruch verspätet oder fehlt ihm jegliche Begründung, so ist er mit Beschluss zurückzuweisen.

(3) Mit der rechtzeitigen Erhebung des begründeten Einspruchs tritt die Zwangsstrafverfügung außer Kraft. Über die Verhängung der Zwangsstrafe ist im ordentlichen Verfahren mit Beschluss zu entscheiden. Ist nicht mit Einstellung des Zwangsstrafverfahrens vorzugehen, so kann – ohne vorherige Androhung – eine Zwangsstrafe von 700 Euro bis 3 600 Euro verhängt werden. Gegen die Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren steht dem jeweiligen Organ ein Rechtsmittel zu (§§45 ff. AußStrG).

(4) Ist die Offenlegung innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des letzten Tages der Offenlegungsfrist noch immer nicht erfolgt, so ist durch Strafverfügung eine weitere Zwangsstrafe von 700 Euro zu verhängen. Das Gleiche gilt bei Unterbleiben der Offenlegung für jeweils weitere zwei Monate; wird gegen eine solche Zwangsstrafverfügung Einspruch erhoben, so ist der Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe zu veröffentlichen.

(5) Richtet sich die Zwangsstrafverfügung gemäß Abs4 gegen ein in Abs1 genanntes Organ einer mittelgroßen (§221 Abs2) Kapitalgesellschaft, so erhöhen sich die damit zu verhängenden Zwangsstrafen sowie die in Abs1 und 3 angedrohten Zwangsstrafen im ordentlichen Verfahren jeweils auf das Dreifache. Wird das Zwangsstrafenverfahren gegen ein in Abs1 genanntes Organ einer großen (§221 Abs3) Kapitalgesellschaft geführt, so erhöhen sich diese Beträge jeweils auf das Sechsfache. Als Grundlage für die Größenklasse kann der zuletzt vorgelegte Jahresabschluss herangezogen werden.

(6) Die Zwangsstrafen sind auch dann zu vollstrecken, wenn die Bestraften ihrer Pflicht nachkommen oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist.

(7) Die den gesetzlichen Vertretern in den §§244, 245, 247, 270, 272 und 277 bis 280a auferlegten Pflichten treffen auch die Gesellschaft. Kommt die Gesellschaft diesen Pflichten durch ihre Organe nicht nach, so ist gleichzeitig auch mit der Verhängung von Zwangsstrafen unter sinngemäßer Anwendung der Abs1 bis 6 auch gegen die Gesellschaft vorzugehen."

2. §15 und §24 Firmenbuchgesetz, BGBl 10/1991, idF BGBl I 111/2010, lauten (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"2. ABSCHNITT

Verfahren

Allgemeines

§15. (1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind die allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes, ausgenommen die §§72 bis 77 über das Abänderungsverfahren, anzuwenden.

(2) Rechtsträger, die ihre Rechtspersönlichkeit erst durch die Eintragung in das Firmenbuch erlangen, sind im Verfahren über die erste Eintragung parteifähig und von den vorgesehenen Organen zu vertreten.

[...]

Zwangsstrafen

§24. (1) Wer verpflichtet ist, eine Anmeldung, eine Zeichnung der Namensunterschrift oder eine Einreichung von Schriftstücken zum Firmenbuch vorzunehmen, oder wer eine ihm nicht zustehende Firma gebraucht, ist vom Gericht durch Zwangsstrafen bis zu 3 600 Euro anzuhalten, seine Verpflichtung zu erfüllen bzw. den Gebrauch der Firma zu unterlassen.

(2) Kommt der Betroffene einer gerichtlichen Anordnung nach Abs1 innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses über die Verhängung der Zwangsstrafe nicht nach, so ist eine weitere Zwangsstrafe bis zu 3 600 Euro zu verhängen und – wurde zuvor bereits einmal nach diesem Absatz vorgegangen – der Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe zu veröffentlichen. Eine wiederholte Verhängung von Zwangsstrafen ist zulässig.

(3) Vor Verhängung der ersten Zwangsstrafe ist der Betroffene aufzufordern, die Verpflichtung zu erfüllen bzw. den Gebrauch der Firma zu unterlassen oder darzutun, dass die Verpflichtung nicht besteht bzw. der Gebrauch der Firma rechtmäßig ist, und eine konkrete Zwangsstrafe für den Fall der Nichtbefolgung anzudrohen. Diese Aufforderung ist wie eine Klage zuzustellen.

(4) Das Gericht kann anstelle der Androhung einer Zwangsstrafe (Abs3) mit Zwangsstrafverfügung im Bereich des für den Pflichtverstoß vorgesehenen Strafrahmens vorgehen, wenn der Pflichtverstoß anhand der Umstände naheliegt; diesfalls sind die Bestimmungen des §283 Abs2 und 3 UGB sinngemäß anzuwenden.

(5) Kommen die gesetzlichen Vertreter einer mittelgroßen (§221 Abs2 UGB) Kapitalgesellschaft ihren Verpflichtungen auch nach Verhängung einer weiteren Zwangsstrafe nicht nach, so beträgt der Höchstbetrag nach Abs2 das Dreifache, kommen die gesetzlichen Vertreter einer großen (§221 Abs3 UGB) Kapitalgesellschaft ihren Verpflichtungen auch nach Verhängung einer weiteren Zwangsstrafe nicht nach, beträgt dieser Höchstbetrag das Sechsfache. Als Grundlage für die Größenklasse kann der zuletzt vorgelegte Jahresabschluss herangezogen werden. Eine verhängte Zwangsstrafe ist auch dann zu vollstrecken, wenn der gerichtlichen Anordnung nachgekommen wurde oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist.

3. §§8 bis 12, §16 und §22 Rechtspflegergesetz, BGBl 560/1985, idF BGBl I 111/2010, lauten (die angefochtene Bestimmung in der Fassung BGBl I 72/2007 ist hervorgehoben):

"Weisungsrecht des Richters

§8. (1) Der Rechtspfleger ist bei Besorgung der in seinen Wirkungskreis fallenden Geschäfte nur an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richters gebunden.

(2) Eine allgemeine Weisung über die Behandlung von Rechtsfragen hat der Richter schriftlich zu erteilen. Der Rechtspfleger hat solche Weisungen in ein Verzeichnis einzutragen und diese aufzubewahren. Bei einem Richterwechsel oder einer Stellvertretung hat der Rechtspfleger vor der Bearbeitung eines Geschäftsstückes, für das eine allgemeine Weisung vorliegt, die schriftliche Weisung des neuen Richters einzuholen.

(3) Wenn der Richter für eine einzelne Rechtssache eine mündliche Weisung erteilt, hat der Rechtspfleger dies im Akt zu vermerken und den Vermerk dem Richter zur Kenntnisnahme vorzulegen; eine schriftliche Weisung ist zum Akt zu nehmen.

Erledigung durch den Richter

§9. (1) Der Richter kann sich die Erledigung einzelner Geschäftsstücke vorbehalten oder die Erledigung an sich ziehen, wenn dies nach seiner Ansicht im Hinblick auf die tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Sache oder die Wichtigkeit und die Tragweite der Entscheidung zweckmäßig ist. Eine solche Maßnahme ist im Akt zu vermerken.

(2) Der Richter kann ein Geschäftsstück durch einen entsprechenden Vermerk dem Rechtspfleger zuweisen, wenn es nach seiner Ansicht in den Wirkungskreis des Rechtspflegers fällt.

Vorlagepflicht

§10. (1) Der Rechtspfleger hat ein Geschäftsstück, auch wenn es in seinen Wirkungskreis fällt, dem Richter vorzulegen, wenn

1. der Richter die Erledigung des Geschäftsstückes sich vorbehalten oder an sich gezogen hat;

2. der Rechtspfleger von der ihm bekannten Rechtsansicht des Richters abweichen will;

3. sich bei der Bearbeitung Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art ergeben.

(2) Der Rechtspfleger hat gegen seine Entscheidungen erhobene Rechtsmittel, vorbehaltlich des §11 Abs2, dem Richter ohne Aufschub mit allen für die Beurteilung des Rechtsmittels erforderlichen Akten und mit einem Vorlagebericht vorzulegen. Sind für die Entscheidung über das Rechtsmittel Zwischenerhebungen erforderlich, so hat sie der Rechtspfleger durchzuführen.

Anfechtbarkeit der Entscheidungen des Rechtspflegers

§11. (1) Die Entscheidungen des Rechtspflegers können wie die des Richters angefochten werden.

(1a) Die in Verfahrensbestimmungen einem Richter eingeräumte Befugnis, einem Rechtsmittel gegen seine Entscheidung selbst stattzugeben, steht sinngemäß auch dem Rechtspfleger zu.

(2) Über Rechtsbehelfe und nicht aufsteigende Rechtsmittel, mit Ausnahme der Vorstellung nach §12, kann der Rechtspfleger entscheiden.

Vorstellung an den Richter

§12. (1) Gegen eine nach sonstigen Verfahrensvorschriften wegen des Streitwertes nicht oder nur beschränkt anfechtbare Entscheidung des Rechtspflegers kann Vorstellung an den Richter erhoben werden.

(2) Die Vorstellung ist binnen vierzehn Tagen beim erkennenden Gericht mündlich zu Protokoll zu erklären oder schriftlich einzubringen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung; sie kann nicht verlängert werden.

(3) Die Vorstellung hat auf die Ausführung der angefochtenen Entscheidung und deren Vollstreckbarkeit keine aufschiebende Wirkung. Der Richter kann jedoch der Vorstellung auf Antrag aufschiebende Wirkung zuerkennen und etwa notwendige Sicherungsmaßnahmen anordnen, wenn aus der Hemmung der Ausführung der Entscheidung oder der auf Grund derselben einzuleitenden Exekution dem Gegner kein unverhältnismäßiger Nachteil erwächst und ohne solche Aufschiebung der Zweck der Vorstellung vereitelt würde. Gegen diesen Beschluß ist kein Rechtsmittel zulässig.

(4) Der Richter hat über die Vorstellung mit Beschluß in der Sache selbst zu entscheiden, soweit die Vorstellung nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist.

(5) Wird zugleich mit der Vorstellung ein Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel erhoben, so ist zuerst über die Vorstellung zu entscheiden.

[...]

Wirkungskreis des Rechtspflegers

Gemeinsame Bestimmungen

§16. (1) Jeder Wirkungskreis (§§17 bis 22) umfaßt:

1. die Durchführung

a) des Mahnverfahrens (§§244 bis 251, §448 ZPO), einschließlich der Zurückweisung der Klage, bis die Anordnung einer Tagsatzung erforderlich wird, sowie

b) von Kraftloserklärungsverfahren bis zur Erhebung eines Widerspruchs oder einer vergleichbaren Verfahrenshandlung;

2. die Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit der gerichtlichen Entscheidungen im jeweiligen Wirkungskreis sowie von richterlichen Entscheidungen im jeweiligen Arbeitsgebiet;

3. die Aufhebung einer von einem Rechtspfleger erteilten Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit;

4. die Entscheidung über Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, wenn sie für ein Verfahren vor dem Rechtspfleger begehrt wird;

5. die Vornahme von Amtshandlungen auf Grund eines Rechtshilfeersuchens eines inländischen Gerichtes oder einer inländischen Behörde;

6. die Verhängung von Ordnungsstrafen bis zum Betrag von 200 Euro;

7. die Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel im jeweiligen Wirkungskreis sowie die Berichtigung und der Widerruf der von einem Rechtspfleger erteilten solchen Bestätigung.

(2) Dem Richter bleiben stets vorbehalten:

1. die Berichte an vorgesetzte Behörden;

2. (Anm.: aufgehoben durch BGBl I Nr 30/2009)

3. die Erledigung von Beschwerden;

4. die Anordnung und die Abnahme eines Eides;

5. die Anordnung der Haft sowie die Umwandlung von Geldstrafen in Haft;

6. Entscheidungen, bei denen ausländisches Recht anzuwenden ist.

[...]

Wirkungskreis in Sachen des Firmenbuchs

§22. (1) Der Wirkungskreis in Sachen des Firmenbuchs umfaßt alle mit seiner Führung zusammenhängenden Geschäfte.

(2) Dem Richter bleiben vorbehalten:

1. der Beschluß über die erste Eintragung

a) der im §2 Z4, 6, 7, 8 und 9 FBG genannten Rechtsträger, soweit sich die Eintragung nicht auf die Zweigniederlassung des Rechtsträgers bezieht;

b) einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital ab 70 000 Euro;

c) einer Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung;

d) (Anm.: aufgehoben durch BGBl I Nr 72/2007)

2. Beschlüsse über die Eintragungen

a) von Änderungen einer Satzung, eines Gesellschaftsvertrags, eines Genossenschaftsvertrags und einer Stiftungsurkunde, mit Ausnahme von Änderungen eines Gesellschaftsvertrags einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von weniger als 70 000 Euro,

b) der Auflösung von Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und Privatstiftungen, ausgenommen die Fälle, in denen die Auflösung schon auf Grund gesetzlicher Vorschriften erfolgt ist,

c) der Nichtigkeit von Hauptversammlungs-, Generalversammlungs- und Gesellschafterbeschlüssen sowie von Beschlüssen des obersten Organs eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit;

3. die Entscheidung über die gerichtliche Bestellung und Abberufung von

a) gesetzlichen Vertretern, besonderen Vertretern und Aufsichtsratsmitgliedern;

b) Gründungs-, Stiftungs-, Sonder- oder Abschlußprüfern, Stiftungskuratoren, Revisoren und Abwicklern (Liquidatoren), wenn die Entscheidung nicht ausschließlich die Auswahl einer bestimmten Person betrifft;

4. Maßnahmen auf Grund von Anmeldungen auf Eintragung in das Firmenbuch im Zusammenhang mit

a) Verschmelzungen und Vermögensübertragungen nach dem neunten und zehnten Teil des AktG, nach §96 GmbHG, nach dem Genossenschaftsverschmelzungsgesetz, nach den §§59, 60, 61f VAG, nach §27c SpG und nach dem EU-VerschG,

b) Umwandlungen nach dem elften Teil des AktG, nach dem Bundesgesetz über die Umwandlung von Handelsgesellschaften, nach §§61, 61e VAG und nach §27a SpG,

c) Angelegenheiten nach dem Artikel I (SpaltG) und Artikel V Z1 litb (§3 Z15 FBG) des GesRÄG 1993;

5. Angelegenheiten nach dem EWIVG;

6. Angelegenheiten nach dem SEG und dem SCEG, ausgenommen Beschlüsse über Eintragungen nach §3 Z8 und §5a Z3 FBG;

7. Angelegenheiten nach dem GesAusG."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellenden Parteien erheben den – beim Verfassungsgerichtshof am 13. Mai 2015 elektronisch eingebrachten – auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten (Partei-)Antrag aus Anlass eines Rekurses gegen vier Beschlüsse des Landesgerichts Feldkirch vom 24. April 2015, mit denen das Landesgericht Feldkirch durch einen Rechtspfleger

– über den Zweitantragsteller "wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.1999" bis 31. Oktober 2014 gemäß §283 Abs3 UGB eine Zwangsstrafe in der Höhe von € 8.400,–,

– über den Zweitantragsteller "wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.2005" bis 31. Oktober 2014 gemäß §283 Abs3 UGB eine Zwangsstrafe in der Höhe von € 1.800,–,

– über den Zweitantragsteller "wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.2013" bis 30. November 2014 gemäß §283 Abs3 UGB eine Zwangsstrafe in der Höhe von € 1.800,– sowie

– über die erstantragstellende Gesellschaft "wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.2013" bis 30. November 2014 gemäß §283 Abs3 UGB eine Zwangsstrafe in der Höhe von € 1.800,–

verhängte.

2. Die antragstellenden Parteien bringen in ihrem Antrag im Wesentlichen Folgendes vor:

2.1. Der Zweitantragsteller sei Geschäftsführer der erstantragstellenden Gesellschaft, bei der es sich um ein Textilunternehmen in Familienbesitz handle. Auf Grund der Eigentümerstruktur ließen die Bilanzen Rückschlüsse auf persönliche Daten der Gesellschafter und Geschäftsführer des Unternehmens, u.a. auf ihre Löhne und ihre Familienzugehörigkeit zu. Aus den Daten, deren Offenlegung gefordert werde, ließe sich nicht nur die Finanzierungsstruktur der antragstellenden Gesellschaft ableiten, sondern auch "ihre Produktionsspanne, die Gesamtspanne, der Jahresumsatz, der Wareneinsatz, die Zahlungsart, Rohgewinnaufschläge, Zahlungsziele, Investmentschwerpunkte, die Lohnstruktur, der Personalaufwand, der Stand der Investitionen, die Abschreibungen, etc.". Weiters könnten Rückschlüsse auf Einkaufskonditionen, das durchschnittliche Zahlungsziel und auf das Potential für Expansion bzw. Unternehmenskäufe gezogen werden. Es sei den antragstellenden Parteien die Offenlegung daher nicht zumutbar, "zumal bis heute die beiden einzig dafür kompetenten Gerichte, nämlich der Europäische Gerichtshof und der Verfassungsgerichtshof, noch nicht über die relevanten Unions- und Grundrechtsfragen entschieden haben".

2.2. Die Ausführungen der antragstellenden Parteien in ihrem Antrag erschöpfen sich großteils in allgemeinen rechtlichen Erörterungen ohne konkrete Bezugnahme auf die einzelnen angefochtenen Gesetzesbestimmungen. Darüber hinaus betreffen die zum Teil weitschweifigen Ausführungen nicht die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen, sondern deren Vollziehung durch Gerichtsorgane. Im Wesentlichen bringen die antragstellenden Parteien zusammengefasst Folgendes vor:

2.2.1. Zunächst meinen die antragstellenden Parteien, dass die über den Zweitantragsteller verhängten Zwangsstrafen unverhältnismäßig seien und "eine Rechtslage, die solche Strafen zulässt, [...] nur verfassungswidrig und daher beim Verfassungsgerichtshof anzufechten sein" könne. Da die entsprechenden Gesetzesbestimmungen offenbar die Kumulation von Strafen zuließen, seien sie verfassungswidrig (Art6 EMRK, Art1 des 1. ZPEMRK, Art4 des 7. ZPEMRK und Art1 des 12. ZPEMRK). Welche konkreten Gesetzesbestimmungen als verfassungswidrig zu qualifizieren seien, führen die antragstellenden Parteien nicht an.

2.2.2. Des Weiteren führen die antragstellenden Parteien aus, der Oberste Gerichtshof habe sich seit Einführung der Offenlegungspflicht trotz ausdrücklicher Anträge pflichtwidrig geweigert, die maßgeblichen Rechtsfragen dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen.

2.2.3. Die Frage der Zulässigkeit und Eignung der Unterscheidung zwischen Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften in Bezug auf die Offenlegungspflicht habe auch Berka in seinem Gutachten für den 18. Österreichischen Juristentag (Berka, Das Grundrecht auf Datenschutz im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit, 2012, 84 f.) aufgeworfen. Im Zusammenhang mit dem Grundrechtsschutz juristischer Personen habe Berka auch auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. Mai 2003, Rs. C-465/00 ua., Österreichischer Rundfunk, hingewiesen.

2.2.4. Weiters habe der Gerichtshof der Europäischen Union in den Rechtssachen Volker und Markus Schecke GbR und Eifert (EuGH 9.11.2010, Rs. C-92/09 ua.) die Veröffentlichung von Subventionsberichten der Agrarmarktförderung im Internet für unionsrechtswidrig erklärt. Die in diesem Urteil enthaltenen Ausführungen seien auch für den vorliegenden Fall maßgeblich.

2.2.5. Mit Urteil vom 26. September 2013 habe der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-418/11 , Texdata Software GmbH, über ein Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Vereinbarkeit der Offenlegungspflicht mit dem Unionsrecht entschieden.

2.2.6. Aus dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache Compass-Datenbank GmbH (EuGH 12.7.2012, Rs. C-138/11 ) sei abzuleiten, dass alle Firmenbuchdaten der Amtsverschwiegenheit unterliegen müssten.

2.2.7. Als gelinderes Mittel, um die Erstellung von Bilanzen sicherzustellen, könnten Bilanzen etwa bei Wirtschaftsprüfern oder Notaren hinterlegt werden. Diese könnten verpflichtet werden, dem Firmenbuch bei Vorliegen bestimmter Risikoparameter Mitteilung zu machen. Weiters könne vorgesehen werden, dass die handelsrechtliche Bilanz gemeinsam mit der steuerrechtlichen Bilanz beim Finanzamt abzugeben sei und von diesem verwaltet werde.

2.2.8. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe in seinem Urteil vom 20. Mai 2003, Rs. C-465/00 ua., Österreichischer Rundfunk, entschieden, dass auch bei der Offenlegungspflicht von juristischen Personen Datenschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen seien.

2.2.9. In seinem Urteil in den Rechtssachen Volker und Markus Schecke GbR und Eifert (EuGH 9.11.2010, Rs. C-92/09 ua.) habe der Gerichtshof der Europäischen Union in einem obiter dictum in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten zwischen natürlichen und juristischen Personen unterschieden; diese Grenzziehung halte einer Prüfung anhand des Gleichheitsgrundsatzes nicht stand. Es sei unsachlich, börsenotierte Kapitalgesellschaften, deren Aktionäre anonym seien, einerseits und Kapitalgesellschaften, deren Gesellschafter aus einer Familie kämen und die wie eine Personengesellschaft tätig seien, andererseits gleichzustellen.

2.2.10. Das Landesgericht Feldkirch habe gleichzeitig bis zu drei Zeiträume der Nichtvorlage sanktioniert; weiters seien gleichzeitig die Gesellschaft und der Geschäftsführer bestraft worden und die Vorlage von Bilanzen gefordert worden, die nicht mehr aufbewahrt werden müssten und zudem aus der Zeit vor der Geschäftsführertätigkeit des Zweitantragstellers stammten. Damit sei gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit und das Verbot der Doppelbestrafung verstoßen worden.

2.2.11. §283 Abs3 UGB, wonach mit der rechtzeitigen Erhebung des begründeten Einspruchs die Zwangsstrafverfügung außer Kraft trete und im ordentlichen Verfahren eine Zwangsstrafe von € 700,– bis € 3.600,– zu verhängen sei, verstoße gegen das Verbot der reformatio in peius.

2.2.12. Der zuständige Rechtspfleger habe sich "nicht ernsthaft damit auseinandergesetzt", dass die Aufbewahrungsfristen des Unternehmensgesetzbuches und des Steuerrechts für die Jahre 1999 bis 2005 bereits abgelaufen seien und der Zweitbeschwerdeführer erst seit Ende Februar 2011 Geschäftsführer der erstantragstellenden Gesellschaft sei.

2.2.13. Sollte die Mehrfachverhängung von Zwangsstrafen, die nicht nur den Grundsätzen des österreichischen Strafrechts, sondern auch Art6 EMRK widerspreche, vom Gesetzeswortlaut gedeckt sein, sei §283 Abs4 UGB vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufzuheben.

2.2.14. In einigen der Beschlüsse, mit welchen über die antragstellenden Parteien Zwangsstrafen verhängt worden seien, werde den antragstellenden Parteien vorgeworfen, sie hätten "gegen die Verpflichtung gemäß §277 ff UGB verstoßen, die Unterlagen für die Bilanz [...] bis zum 31.8.2011" einzureichen, "es wird daher eine Zwangsstrafe [...] für den Zeitraum vom 1.7.2011 bis zum 31.8.2011 [...] verhängt." Dieser "Strafvorwurf" sei denkunmöglich, weil die Verpflichtung zur Vorlage der Unterlagen bis zum 31. August 2011 bestanden habe und daher für den davor liegenden Zeitraum keine Zwangsstrafe verhängt werden hätte können.

2.2.15. In den Stenographischen Protokollen zur Beschlussfassung des Rechtspflegergesetzes (gemeint: in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, RV 675 BlgNR 26. GP , 16 f.) sei festgehalten worden, dass die Anordnung von Zwangsmaßnahmen nach §19 Außerstreitgesetz dem Richter vorbehalten bleiben müsse, weil diesen Zwangsmaßnahmen wiederholt auch ein Strafcharakter zukomme.

2.2.16. Nach den Angaben der antragstellenden Parteien habe das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst in einer Stellungnahme vom 11. Oktober 2012 zum Gesetz über das Verwaltungsgericht Wien (VGWG) ausgeführt, aus den Materialien (RV 655 BlgNR 9. GP , 3) zu Art87a Abs1 B‑VG gehe hervor, dass die Besorgung von Geschäften der Gerichtsbarkeit durch nichtrichterliche Organe nur einen Ausnahmefall darstelle und die Besorgung der Geschäfte der Gerichtsbarkeit durch Richter als Grundsatz zu gelten habe; nichts anderes gelte für Art135a Abs1 B‑VG. Angesichts des Umfangs der im Entwurf zum VGWG den Rechtspflegern zugewiesenen Aufgaben stelle sich die Frage, ob das im Bundes-Verfassungsgesetz zugrunde gelegte Verhältnis von Regel und Ausnahme nicht bereits in ihr Gegenteil verkehrt werde; die Verfassungsmäßigkeit des §23 (entspricht §26 in der kundgemachten Fassung) VGWG sei daher zweifelhaft.

Die antragstellenden Parteien führen dazu aus, dass nichts anderes für "Firmenbuchrechtspfleger" gelte. §22 Abs1 Rechtspflegergesetz, wonach der Wirkungskreis des Rechtspflegers in Sachen des Firmenbuchs alle mit seiner Führung zusammenhängenden Geschäfte umfasst, bewirke eine Umkehrung von Regel und Ausnahme, wie sie auch das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst für verfassungswidrig gehalten habe. Weiters bestehe damit ein Widerspruch zu §2 Rechtspflegergesetz, wonach Strafsachen nicht zum Aufgabenbereich der Rechtspfleger gehören dürften.

2.2.17. In dem beim Verfassungsgerichtshof zu G46/2013 protokollierten Antrag auf Aufhebung des §26 VGWG, der nicht zur Aufhebung dieser Bestimmung geführt habe (VfGH 10.12.2013, G46/2013), hätten die antragstellenden Wiener Landtagsabgeordneten nicht auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall De Cubber (EGMR 26.10.1984, Appl. 9186/80) hingewiesen, wonach ein Rechtszug von einem Rechtspfleger zu einem Richter nicht dessen Unmittelbarkeit ersetzen könne und im Kernbereich des Strafrechts nicht ausreiche, um Art6 EMRK zu genügen.

2.2.18. Die Offenlegungspflicht sei in vielen Fällen zwecklos, wie auch der Rechtsvertreter der antragstellenden Parteien in einer Entscheidungsanmerkung mit vielen Hinweisen nachgewiesen habe (Weh, Vom Erzwingungsverfahren zum Selbstzweck, Entscheidungsanmerkung, GesRZ2012, 137).

2.2.19. Das Verfahren vor den Rechtspflegern erfülle die Anforderungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall De Cubber nicht. Weiters handle es sich bei den Rechtspflegern nicht um richterliches Personal mit entsprechender Qualifikation und Ausbildung.

2.2.20. Mit §16 Abs2 Z6 Rechtspflegergesetz, wonach jene Entscheidungen, in denen ausländisches Recht anzuwenden sei, stets dem Richter vorbehalten seien, sei gemeint, dass die schwierigeren Rechtsfragen der Anwendung internationalen Rechts entsprechend ausgebildeten Juristen und Richtern vorbehalten sein müssten.

2.2.21. Auch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union in den Rechtssachen Lutz GmbH ua. (EuGH 15.1.2002, Rs. C-182/00 ) und Hermann Pfanner Getränke GmbH ua. (EuGH 14.6.2002, Rs. C-248/01 ), wonach "Firmenbuchbeamte wie Rechtspfleger keine Organe der Justiz sein können und keine justiziellen Aufgaben im Sinne des Unionsrechts erfüllen können", zeige, dass Strafen nicht außerhalb von Strafverfahren und nicht durch nicht ausreichend als "Vollrichter" qualifiziertes Personal verhängt werden dürften. Wenn ein Rechtspfleger nicht einmal das Recht habe, eine Rechtsfrage dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen, könne er auch aus diesem Grund nicht in der Lage sein, einen Fall sachgerecht in jede Richtung zu prüfen.

2.2.22. Gemäß Art6 EMRK habe jedermann das Recht auf Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht. Gerichte hätten in gerichtlichen Verfahren ihre Entscheidungen stets durch unabhängige und unparteiliche Richter zu erlassen.

2.2.23. Der Verfassungsgerichtshof habe Individualanträge auf Aufhebung der Bestimmungen betreffend die Offenlegungspflicht hinsichtlich der Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften zurückgewiesen, weil der Weg über ein Zwangsstrafverfahren zumutbar sei, zumal die Möglichkeit bestehe, den Vollzug der angedrohten Zwangsstrafe so lange hinauszuschieben, bis über die Verfassungsmäßigkeit der zu erzwingenden Verpflichtung entschieden sei (VfSlg 15.589/1999).

2.2.24. Gemäß §24 Firmenbuchgesetz sei eine verhängte Zwangsstrafe auch dann zu vollstrecken, wenn der gerichtlichen Anordnung nachgekommen worden oder ihre Erfüllung unmöglich geworden sei. Dies stelle im Vergleich zu der vor dem 1. Juli 2006 geltenden Rechtslage eine wesentliche Verschärfung und einen Systembruch dar. Die verhängte Zwangsstrafe sei nunmehr als "eindeutige Kriminalstrafe" geregelt.

In diesem Zusammenhang geben die antragstellenden Parteien im Antrag mit dem Hinweis, dass die "kundgemachte Fassung des §24 Firmenbuchgesetz nunmehr folgenden Wortlaut" habe, §24 Abs2 und 3 Firmenbuchgesetz in der Fassung BGBl I 103/2006 wieder; §24 Abs3 Firmenbuchgesetz hat jedoch seit der Novelle BGBl I 111/2010 einen anderen, im Zusammenhang mit dem Anfechtungsumfang im Antrag richtig wiedergegebenen Wortlaut.

2.2.25. Der Oberste Gerichtshof habe in einer Stellungnahme vom 15. März 2006 im Begutachtungsverfahren zum Publizitätsrichtlinie-Gesetz, BGBl I 103/2006, die Rechtspflegerzuständigkeit (§16 und §22 Rechtspflegergesetz) infolge der Weisungsgebundenheit des Rechtspflegers im Hinblick auf das Erfordernis eines "unabhängigen" Gerichts im Sinne des Art6 Abs1 EMRK als "problematisch" erachtet und angesichts der "gesetzlichen Verankerung des repressiven Charakters der Zwangsstrafen" in §24 Firmenbuchgesetz und §283 UGB Zweifel an der Verfassungs- und Europarechtskonformität im Hinblick auf Art6 EMRK geäußert. Die antragstellenden Parteien würden die Bedenken des Obersten Gerichtshofes teilen, "dass die präjudiziellen Verfahrensbestimmungen glatt unionsgrundrechts- und flagrant verfassungswidrig sind". Die antragstellenden Parteien geben nicht an, auf welche der in der Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes genannten Bestimmungen (§16 und §22 Rechtspflegergesetz, §24 Firmenbuchgesetz und §283 UGB) sie sich dabei beziehen.

3. Der Verfassungsgerichtshof forderte die antragstellenden Parteien mit Mängelbehebungsauftrag vom 22. Mai 2015 auf, zur Erfüllung der Formvoraussetzungen in §62 und §62a VfGG

- darzulegen, welche Auswirkungen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auf die beim Gericht anhängige Rechtssache hätte,

- die Entscheidungen, gegen die die antragstellenden Parteien ein Rechtsmittel erheben, genau zu bezeichnen,

- die erforderlichen Angaben zur Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels zu tätigen, sowie

- eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie der Entscheidung, gegen die die Antragsteller ein Rechtsmittel erheben, sowie eine Abschrift oder Kopie dieses Rechtsmittels zu übermitteln.

Diesem Mängelbehebungsauftrag kamen die antragstellenden Parteien mit Schriftsatz vom 29. Mai 2015 nach und erstatteten in diesem Zusammenhang über den Antrag hinausgehende bzw. vom Antrag abweichende Ausführungen.

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung des Antrags, in eventu die Ablehnung der Behandlung des Antrags und den Ausspruch beantragt, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Darin bringt sie vor:

"1. Die auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Anträge begehren, §277 Abs1, 4, 6 bis 8, §278 Abs1 und 2, die Wortfolge 'und mittelgroßer Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§221 Abs2)' in §279 und §283 Abs1 bis 6 des Unternehmensgesetzbuches UGB, dRGBI. S 219/1897, §15 Abs1 des Firmenbuchgesetzes (FBG), BGBl Nr 10/1991 idF BGBl I Nr 112/2003, sowie §22 Abs1 des Rechtspflegergesetzes — RPfIG, BGBl Nr 560/1985 idF BGBl Nr 10/1991, als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die §§277281 UGB enthalten die Bestimmungen über die Verpflichtung zur Einreichung des Jahresabschlusses und bestimmter weiterer Unterlagen zum Firmenbuch sowie deren Veröffentlichung in Abhängigkeit von der Größe und Rechtsform der Gesellschaft. Der Zweck der Offenlegungspflichten liegt im Rechtsschutz im Geschäftsverkehr mit Kapitalgesellschaften (Fellinger in Straube, UGB II/RLG3 [2011] §277 Rz 2). Die §§277 ff UGB regeln somit die Vorlagepflicht.

Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften haben nach §277 Abs1 UGB den Jahresabschluss (bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang), den Lagebericht und gegebenenfalls den Corporate Governance-Bericht (seit URÄG 2008 BGBl I Nr 2008/70) nach seiner Behandlung in der Hauptversammlung (Generalversammlung), jedoch spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag, mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Kapitalgesellschaft einzureichen.

Gemäß §227 Abs4 UGB hat die Angabe, in welche Größenklasse die Kapitalgesellschaft einzuordnen ist, spätestens mit der Einreichung der Unterlagen oder auf dem Jahresabschluss selbst zu erfolgen.

§277 Abs6 bis 8 UGB regelt die elektronische Einreichung der Jahresabschlüsse und die Verpflichtung zur Aufnahme in die Datenbank des Firmenbuchs.

3. §279 UGB gewährt 'kleinen' und 'mittelgroßen' AG (§221 Abs1 und 2) sowie 'mittelgroßen' GmbH (§221 Abs2) bestimmte Erleichterungen hinsichtlich des Inhalts des offenzulegenden Jahresabschlusses. §278 UGB sieht für 'kleine' GmbH (§221 Abs1) weitere wesentliche Erleichterungen hinsichtlich Umfang und Inhalt der einzureichenden Unterlagen vor.

4. §283 UGB regelt die Durchsetzung der Verpflichtung zur Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen mittels amtswegiger Verhängung von Zwangsstrafen. Insofern dient die Vorschrift (auch) der Umsetzung der Publizitäts-RL (nunmehr RL 2009/101/EG , die die erste gesellschaftsrechtliche Richtlinie 68/151/EWG kodifiziert), deren Art7 die Mitgliedstaaten verpflichtet, 'geeignete Maßregeln' für den Fall vorzusehen, dass die dort vorgeschriebene Offenlegung der Rechnungslegungs-unterlagen unterbleibt (Schuster in Straube, UGB II/RLG3 [2012] §283 Rz 1).

Gegen die Zwangsstrafverfügung kann das jeweilige Organ bzw. die Gesellschaft binnen 14 Tagen Einspruch erheben. Mit rechtzeitiger Erhebung des (begründeten) Einspruchs tritt die Zwangsstrafverfügung automatisch außer Kraft. Über die Zwangsstrafe ist sodann im ordentlichen Verfahren zu entscheiden (§283 Abs3 UGB).

Weitere Zwangsstrafverfügungen sind nach je zwei Monaten zu verhängen, soweit die Offenlegung weiterhin unterbleibt (§283 Abs4 UGB).

Gemäß (dem nicht angefochtenen) §283 Abs7 UGB treffen die den gesetzlichen Vertretern ua. in den §§277 bis 280a auferlegten Pflichten auch die Gesellschaft. Kommt die Gesellschaft diesen Pflichten durch ihre Organe nicht nach, so ist gleichzeitig auch mit der Verhängung von Zwangsstrafen unter sinngemäßer Anwendung der Abs1 bis 6 auch gegen die Gesellschaft vorzugehen.

Die Erläuterungen zu §283 UGB idF BGBl I Nr 111/2010 lauten auszugsweise (ErläutRV 981 BIgNR 24. GP, 70 ff):

'In der Praxis hat sich gezeigt, dass nicht einmal die Hälfte aller vorlagepflichtigen Unternehmen ihre im Gemeinschaftsrecht grundgelegten Offenlegungspflichten fristgerecht erfüllt. Daraus könnten sich Zweifel ergeben, ob Österreich seinen Verpflichtungen aus dem Unionsrecht, geeignete Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Vorlagepflichten vorzusehen, ausreichend nachkommt. Deswegen soll mit den vorgeschlagenen Regelungen eine effizientere und raschere Durchsetzung der Pflichten zur Vorlage der Jahresabschlüsse bewirkt werden. Im §283 UGB soll daher zu diesem Zweck sowohl die Festlegung einer Mindeststrafe als auch deren automationsunterstützte Verhängung im Wege einer Zwangsstrafverfügung erfolgen. Die Schaffung einer Zwangsstrafverfügung anstelle der bisher meist wirkungslosen bloßen Strafandrohung dient gleichzeitig auch einer den Sach- und Personalaufwand optimierenden Verbesserung der Verfahrensabläufe sowie der Vermeidung der bislang durchaus üblichen Rechtsmittelverfahren über die Strafhöhe, was in Zeiten einer besonders angespannten Personalsituation von großer Bedeutung ist. Einen weiteren Effekt der sofort automationsunterstützt ergehenden Zwangsstrafverfügungen bei nicht fristgerechter Offenlegung stellen die zu erwartenden Mehreinnahmen dar, weil bei Verstößen gegen die Offenlegungspflicht mehr und schneller Zwangsstrafen verhängt werden können als im aufwändigeren und schwerfälligeren ordentlichen Verfahren.

Im §283 Abs1 soll daher der bestehende Strafrahmen für eine Zwangsstrafe von bis zu 3 600 Euro dahingehend modifiziert werden, dass die Untergrenze dieses Strafrahmens auf 700 Euro angehoben wird. Berücksichtigt man, dass sich die derzeit für den Erstverstoß verhängten Strafen im Durchschnitt auf etwa 750 Euro belaufen, scheint eine Festlegung mit 700 Euro sachgerecht (§283 Abs1 erster Satz). Die Zwangsstrafe soll ohne vorausgehende Erhebungen automationsunterstützt mit einem festgesetzten Betrag verhängt werden, wenn die Offenlegung nicht bis zum letzten Tag der Offenlegungsfrist erfolgt ist. Unverändert zur bislang geltenden Regelung soll sich die Strafdrohung gegen die jeweils handlungspflichtigen Personen richten, sodass ein Zwangsstrafenverfahren auch gegen mehrere Offenlegungspflichtige nebeneinander eingeleitet werden kann. Schon bisher war die wiederholte Verhängung von Zwangsstrafen zulässig. Nunmehr soll vom Gericht eine weitere Zwangsstrafe zu verhängen sein, soweit die offenlegungspflichtigen Personen ihrer Pflicht auch binnen weiterer zwei Monate nicht nachgekommen sind (§283 Abs1 dritter Satz). Auch die Verhängung einer weiteren Zwangsstrafe soll automationsunterstützt erfolgen.

(…)

Bei fortgesetztem Zuwiderhandeln und Nichtbefolgung der Pflichten nach Abs1 soll gemäß Abs4 im Abstand von jeweils zwei Monaten eine weitere Zwangsstrafverfügung automationsunterstützt erlassen werden, wobei die Zwangsstrafe grundsätzlich betragsmäßig unverändert bleibt. Nützt der Vorlagepflichtige den ihm zur Erfüllung seiner Pflicht zugestandenen zweimonatigen Zeitraum nicht, so soll neuerlich eine Zwangsstrafverfügung verhängt werden, um die Vorlagepflichtigen in stärkerem Ausmaß zur fristgerechten 'Pflichtbefolgung zu veranlassen. Eine schematisierte Vorgehensweise mit Aufwandsoptimierung durch Verhängung von Zwangsstrafverfügungen mit im Gesetz festgelegten Strafbeträgen bietet sich gerade beim Verstoß gegen die Offenlegungsfristen, die von einem Gutteil der Vorlagepflichtigen nicht eingehalten werden, an, weil meist keinerlei Rechtfertigung für die Verspätung besteht und der Verfahrensmehraufwand für das ordentliche Verfahren lediglich der Verzögerung der Pflichterfüllung dient. Im Hinblick auf die unionsrechtlichen Vorgaben und Rechtsprechung des EuGH (vgl. Gruber, Bilanzpublizität für jedermann, Überlegungen zum 'Daihatsu'-Urteil des EuGH, RdW 1998, 525 [526 mwN]), die Sanktion einer Zwangsstrafe könne nur dann als geeignete Maßregel und damit als entsprechende Umsetzung der Publizitätsrichtlinie angesehen werden, wenn sie auch abschreckend sei und unter Berücksichtigung, dass die vorgesehenen Strafen deutlich milder als die Mittel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche – beispielsweise sieht §359 Abs1 EO vor, dass eine Geldstrafe je Antrag 100 000 Euro nicht übersteigen darf – sind, sind die vorgeschlagene Einführung eines Mindestbetrages und die bei fortgesetztem Zuwiderhandeln wiederholt verhängte Zwangsstrafe jedenfalls sachgerecht und verhältnismäßig.

Die für Organe mittelgroßer (§221 Abs2) und großer (§221 Abs3) Kapitalgesellschaften in Abs5 vorgeschlagenen höheren Zwangsstrafen im Fall weiteren Zuwiderhandelns in Ansehung der Strafuntergrenze (wie bereits im geltenden Recht in Ansehung der Strafobergrenze vorgesehen) gründen sich auf deren stärkere finanzielle Leistungsfähigkeit bzw. deren üblicherweise höhere Honorierung, deren größere gesamtwirtschaftliche Bedeutung im Hinblick auf die Erfüllung der Vorlagepflicht im Vergleich zu kleinen Gesellschaften und die damit verbundene Notwendigkeit, eine Zwangsstrafe spürbar zu gestalten. Die Offenlegungspflichtigen sollen mit empfindlichen Mitteln zur Befolgung angehalten und die Zwangsstrafe in einer Höhe festgesetzt werden, dass die Erzwingung der Offenlegung wahrscheinlich erscheint.

(…)

Derzeit richtet sich die Zwangsstrafe nur gegen die jeweiligen Organe, die zur Offenlegung verpflichtet sind. In Abs7 wird vorgeschlagen, nun auch die Gesellschaft zur Pflichterfüllung durch Verhängung von Zwangsstrafen anzuhalten. Dies scheint vor allem deshalb zweckmäßig, weil sich die vorlegungspflichtigen Organe vermehrt erfolglos darauf berufen, durch Weisung der Gesellschafter an der Erfüllung ihrer Pflichten gehindert zu sein. Da die Gesellschaft nur durch ihre Organe handeln kann, wird die Entscheidung über die Zwangsstrafe deren gesetzlichem Vertreter zuzustellen sein.'

5. Die gegenständlichen Vorlage- und Veröffentlichungspflichten resultieren aus unionsrechtlichen Vorgaben:

Die Verpflichtung zur Offenlegung von Jahresabschlüssen ergibt sich aus Art47 der Vierten Richtlinie 78/660/EWG vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABI. L 222 vom 14. August 1978, S. 11) iVm Art3 der Richtlinie 68/151/EWG (Erste Richtlinie, jetzt Richtlinie 2009/101/EG ). Nach Art60a der Vierten Richtlinie legen die Mitgliedstaaten Sanktionen für Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften fest und treffen alle zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Die Richtlinie 2009/101/EG vom 16. September 2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABI. L 258 vom 1. Oktober 2009, S. 11), wiederholt diese Verpflichtung in Art2 litf durch Verweis ua. auf die Richtlinie 78/660/EWG . Das Verfahren nach Art3 der Richtlinie 2009/101/EG sieht einerseits vor, dass jedermann auf Antrag eine vollständige oder auszugsweise Kopie der beim Firmenbuchgericht offengelegten Urkunden und Angaben bekommen kann (Abs4) und dass dieser Abruf ('Anträge beim Register') in elektronischer Form geschehen kann. Andererseits müssen die Urkunden und Angaben in einem Amtsblatt oder über eine zentrale elektronische Plattform bekannt gemacht werden (Abs5).

Die Richtlinie 78/660/EWG wurde mit der Bilanz-Richtlinie 2013/34/EU über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen (ABI. L 182 vom 29. Juni 2013, S. 19) aufgehoben; sie enthält aber inhaltsgleiche Verpflichtungen zur Offenlegung der Jahresabschlüsse (Art30 Bilanz-Richtlinie) und zu den Sanktionen (Art51 Bilanz-Richtlinie).

Richtlinie 2012/6/EU (ABI. L 81 vom 21. März 2012, S. 3) können die Antragsteller in den Verfahren 47 Fr 82/15g-127 und 47 Fr 88/15s-128 nicht für sich ins Treffen führen (S. 23), da sie zum Zeitpunkt des Entstehens der Vorlagepflichten noch gar nicht in Geltung war.

6. Gemäß §15 Abs1 FBG sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Verfahren nach dem Firmenbuchgesetz die allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes anzuwenden.

§24 FBG regelt die Verhängung von Zwangsstrafen für Verstöße gegen die Verpflichtung, eine Anmeldung, eine Zeichnung der Namensunterschrift oder eine Einreichung von Schriftstücken zum Firmenbuch vorzunehmen. §283 UGB ist gegenüber §24 FBG die Spezialbestimmung zur Durchsetzung der Pflicht für die Vorlage der Jahresabschlüsse (vgl. ErläutRV 1427 BIgNR 22. GP, 7).

7. Gemäß §2 Z4 RPfIG können Gerichtsbeamte ua. für Sachen des Firmenbuches zum Rechtspfleger bestellt werden. §22 RPfIG regelt den Wirkungskreis des Rechtspflegers in Sachen des Firmenbuches. Abs1 leg. cit. bestimmt, dass der Wirkungskreis in Sachen des Firmenbuchs alle mit seiner Führung zusammenhängenden Geschäfte umfasst. Abs2 leg. cit. sieht davon eine Reihe von Ausnahmen für Geschäfte, die dem Richter vorbehalten sind, vor.

II.

Zum Anlassverfahren und zu den Prozessvoraussetzungen:

1. Die Antragsteller sind eine im Firmenbuch des Landesgerichtes Feldkirch eingetragene GmbH sowie deren Geschäftsführer. Gegen die Gesellschaft sowie gegen den Geschäftsführer wurden (nach eigenen Angaben) 1.170 Zwangstrafen mit einer Gesamtstrafsumme von EUR 3.059.617,28 wegen Nichteinreichung von Jahresabschlüssen gemäß §283 Abs3 UGB verhängt. Nach Einsprüchen durch die Antragsteller gegen vier dieser Beschlüsse wurden diese Beschlüsse durch den Rechtspfleger beim Landesgericht Feldkirch durch Beschlüsse vom 24. April 2015 (GZ 47 Fr 96/15b-130, 47 Fr 82/15g-127, 47 Fr 88/15s-128, 47 Fr 96/15b‑129) bestätigt. Anlässlich des Rekurses gegen diese Beschlüsse haben die Antragsteller den gegenständlichen Parteiantrag auf Normenkontrolle erhoben.

2. Der Antrag enthält kein bestimmtes Begehren iSd. §15 Abs2 VfGG; unklar ist auch, die Aufhebung welcher Bestimmungen beantragt wird:

2.1. Die Antragsteller beantragen unter der Überschrift 'Schlussanträge' (S. 95 f) mit ihrem Hauptantrag, 'die oben im Abschnitt 19 (unterstrichen) wiedergegebenen Normen bzw. Normteile zur Gänze aufzuheben' und stellen vier Individualanträge. In dem mit 'Normaufhebungsanträge' überschriebenen Abschnitt 19 des Antrages heißt es zunächst (S. 88):

'Die Antragsteller beantragen die Normprüfung und Aufhebung nachstehender unterstrichener Teile der nachfolgenden Bestimmungen, aus den nachstehenden Gründen:'

In der Folge werden die §§277, 278 und 279 UGB (teilweise unterstrichen) wiedergegeben, sodann wird ausgeführt (Antrag S. 90):

'Die wie oben näher analysiert verfassungswidrigen Offenlegungspflichten und ihre Rechtsfolgen sind unteilbar und bilden ein einheitliches Paket. Andererseits ist die Antragstellerin keine Aktiengesellschaft, sodass diesbezügliche Regelungen teilweise (je nach Formulierung im Gesetz) nach dem vo[m] Verfassungsgerichtshof ständig praktizierten Grundsatz Minimal-invasiver Normaufhebung in der Rechtsordnung verbleiben können.'

Es ist bleibt damit aber unklar, ob oder unter welchen Umständen nun die Aufhebung der §§277, 278 und 279 UGB beantragt wird oder nicht, sodass es dem Antrag an einem bestimmten Begehren iSd. §15 Abs2 VfGG mangelt. Dasselbe gilt hinsichtlich des Antrages auf Aufhebung des §283 Abs1 UGB, hinsichtlich dessen ausgeführt wird: 'Es gilt das oben Gesagte zur Minimalaufhebung.' (Antrag S. 90).

2.2. Im unmittelbaren Anschluss an die zuvor wiedergegebenen Ausführungen heißt es im Antrag (S. 90):

'Auch das Kriminalstrafsystem ist als Ganzes verfassungswidrig. Das wird als Hauptantrag geltend gemacht. Subsidiär gelten nachfolgende Bedenken.'

Daran anschließend werden die einzelnen Absätze des §283 UGB wiedergegeben. In dem als 'Verbesserung' bezeichneten Schriftsatz der Antragsteller wird auf S. 5 unter der Überschrift 'Eventualantrag auf Aufhebung des §283 Abs6 UGB' (Hervorhebung hinzugefügt) ausgeführt:

'Subsidiär machen sie daher die Verfassungswidrigkeit des §283 Abs6 UGB geltend.'

Es bleibt damit letztlich unklar, ob §283 UGB Teil des Hauptantrages ist oder lediglich eventualiter angefochten werden soll.

2.3. Die Antragsteller beantragen auch die Aufhebung von Teilen des Abs4 und des ganzen Abs5 des §24 FBG (Antrag S. 93 und 95). In dem als 'Verbesserung' bezeichneten Schriftsatz der Antragsteller wird auf alle mit dem Antrag angefochtenen Bestimmungen – darunter auch §15 Abs1 FBG – eingegangen und die Behauptung ihrer Verfassungswidrigkeit wiederholt, nicht jedoch auf §24 Abs4 und 5 FBG. Es ist daher unklar, ob die Antragsteller die Anfechtung dieser Bestimmungen dadurch nicht implizit zurückgezogen haben. Aus dem Gesamtbild des Antragsvorbringens geht letztlich nicht klar hervor, ob auch §24 Abs4 und 5 FBG aufgehoben werden soll.

3. Die angefochtenen Abs4 und 6 bis 8 des §277 UGB sind nicht präjudiziell, da sie die Modalitäten der Einreichung von Jahresabschlüssen und die Verwendung dieser Daten betreffen und dann nicht zur Anwendung kommen, wenn überhaupt kein Jahresabschluss offengelegt wurde, was im Anlassfall unstrittig der Fall ist. Diese Bestimmungen sind auch tatsächlich nicht angewendet worden.

Auch die angefochtenen §§278 und 279 UGB sind nicht präjudiziell, da sie den Inhalt des Jahresabschlusses betreffen. Da unstrittig überhaupt keine Jahresabschlüsse offengelegt wurden, kommen diese Bestimmungen auch zur Überprüfung, ob die darin enthaltenen Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen zu Recht in Anspruch genommen wurden, nicht zur Anwendung. Diese Bestimmungen sind auch im Anlassverfahren nicht angewendet worden.

§283 UGB über Zwangsstrafen wegen der Nichtbefolgung der Offenlegungsbestimmungen der §§277 ff UGB ist gegenüber §24 FBG, der eine allgemeine Regelung über Zwangsstrafen zur Erzwingung jeglicher Art von Eingaben zum Firmenbuch enthält, die speziellere Regelung. Der angefochtene §24 Abs4 und 5 FBG ist im Anlassverfahren auch nicht angewendet worden und ist nicht präjudiziell.

Die Bundesregierung geht daher zusammenfassend davon aus, dass §277 Abs4 und 6 bis 8, §278 und §279 UGB sowie §24 Abs4 und 5 FBG nicht präjudiziell sind.

4.1. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist gemäß §62a Abs3 VfGG auch bei Anträgen nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG einzuhalten. Es ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit — in überprüfbarer Art— präzise ausgebreitet werden, dh. dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. zB VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994 und 14.802/1997). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und so — gleichsam stellvertretend — das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (zB VfSlg 17.099/2003, 17.102/2004, jeweils mwN).

4.2. Die Ausführungen der Antragsteller zu den angefochtenen Bestimmungen des UGB beschränken sich auf pauschale Behauptungen eines Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot und der 'Verfassungswidrigkeit' 'aus den oben dargestellten Gründen' (Antrag S. 90-92). Nicht erkennbar ist, mit jeweils welcher Verfassungsbestimmung die bekämpften Normen im Einzelnen in Widerspruch stehen sollen. Hinzu kommt, dass die Antragsteller eine Fülle an Bedenken in den Raum stellen ('Art6 EMRK (Fairness), Artikel 1 1. ZPEMRK (Schutz des Eigentums), Artikel 4 7. ZPEMRK (Doppelbestrafungsverbot) und Artikel 1 12. ZPEMRK (allgemeines Diskriminierungsverbot)') (etwa S. 7), ohne diese näher auszuführen (wobei nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen wird, dass die Republik Österreich das 12. ZPEMRK noch nicht ratifiziert hat). Den Anträgen ist somit nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpften Gesetzesstellen in Widerspruch stehen und welche Gründe für diese Annahme sprechen.

4.3. Ähnliches gilt hinsichtlich der angefochtenen Bestimmungen des FBG:

Die Ausführungen der Antragsteller zum angefochtenen §15 FBG beschränken sich auf die Behauptung, dass 'die Abwicklung von Strafverfahren nach dem Außerstreitgesetz [...] verfassungswidrig [ist]' (Antrag S. 93). Hinsichtlich des angefochtenen §24 Abs, 4 und 5 FBG beschränkt sich der Antrag auf die Behauptung, diese würden 'das Verhältnismäßigkeitsgebot und das Sachlichkeitsgebot' verletzen (Antrag S. 93), ohne dies näher auszuführen. Damit werden aber keine Bedenken im Einzelnen dargelegt.

5. Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass der Antrag insgesamt unzulässig ist und daher zurückzuweisen wäre.

III.

In der Sache:

1. Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl. zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung geht davon aus, dass diese Rechtsprechung auch auf den Parteiantrag auf Normenkontrolle gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG übertragbar ist und beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

2. Die Antragsteller bringen vor, dass die verhängten Strafen seine Existenz und die seiner Familie vernichten würden, und diese mit 'Art6 EMRK (Fairness), Art1 1. ZPEMRK (Schutz des Eigentums), Art4 7. ZPEMRK (Doppelbestrafungsverbot) und Art1 12. ZPEMRK (allgemeines Diskriminierungsverbot) unvereinbar' seien (S. 7). An anderer Stelle scheint ein Verstoß gegen Art8 EMRK releviert zu werden (S. 36ff), ein Verstoß gegen Art13 EMRK (S. 49), sowie ein Verstoß gegen Art47 Grundrechtecharta (GRC) (S. 53). Weiters wird vorgebracht, dass eine derart drakonische und wirtschaftsfeindliche Gesetzgebung zur Erfüllung der Vorgaben des Unionsrechts gar nicht geboten sei. Geltend gemacht wird auch die Unionsgrundrechtswidrigkeit von Richtlinien der EU. Weiters sei Artikel 49 GRC verletzt, wonach das Strafmaß gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein dürfe. Die Antragsteller behaupten an mehreren Stellen, die Kumulierung von Strafbeschlüssen an sich sei verfassungswidrig (S. 47ff). Das gesamte System hätte außerdem den Charakter eines Zwangsstrafensystems und würde gegen Art6 EMRK verstoßen (S. 31). Nach 'dem menschenrechtlichen Doppelverfolgungsverbot' dürfe nur eine Strafe verhängt werden, entweder gegen die Gesellschaft oder gegen deren Geschäftsführer. Die Sanktionierung der Nichtvorlage von Bilanzen bis zurück ins Jahr 1999, die gar nicht mehr aufbewahrt werden müssten und daher gar nicht mehr vorhanden seien, würde gegen das Verbot rückwirkender Strafverhängung in Art7 EMRK verstoßen (S. 46).

3. Zu den behaupteten Verstößen gegen die EMRK

3.1. Nach Auffassung der Bundesregierung liegt kein Verstoß gegen Art6 EMRK vor. Zwangsstrafen nach §283 UGB sind auf die Erzwingung eines rechtlich gebotenen Verhaltens gerichtet und daher keine Strafen im Sinn des Art6 Abs1 EMRK (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl., 2012, §24 Rz. 19 mw1-1; sh. auch OGH 29.11.2001,6 Ob 18/12h ua.).

3.2. Aus demselben Grund ist auch Art4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK nicht anwendbar, welcher an den Strafrechtsbegriff des Art6 EMRK anknüpft (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl., 2012, §24 Rz. 147 mwH).

Zu einer Verhängung von Zwangsstrafen sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen deren Geschäftsführer kann es nur dann kommen, wenn mehrere handlungspflichtige Rechtssubjekte den sie jeweils nach dem Gesetz treffenden Pflichten nicht nachkommen (OGH 18.7.2011, 6 Ob 129/11f; 15.3.2012, 6 Ob 32/12t). Die Gesellschaft wird nicht wegen des Verstoßes ihrer Geschäftsführer, sondern wegen eines eigenen Verstoßes bestraft, treffen doch die den gesetzlichen Vertretern in §277 UGB auferlegten Pflichten nach der ausdrücklichen Anordnung des §283 Abs7 erster Satz UGB auch die Gesellschaft. Dass mehrere Personen wegen derselben Handlung nachteilige Rechtsfolgen erleiden, ist im Übrigen auch aus dem allgemeinen Strafrecht (Fälle der Mit- oder Beitragstäterschaft) bekannt.

4. Zu den behaupteten Verstößen gegen das Rückwirkungsverbot

4.1. Die Antragsteller behaupten einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot deshalb, weil sich 'der Rechtspfleger [...] nicht ernsthaft damit auseinandergesetzt [hat], dass die Aufbewahrungsfristen des UGB und des Steuerrechtes für die Jahre 1999 bis 2005 bereits abgelaufen sind und [der Zweitantragsteller] erst seit 25. Februar 2011 Geschäftsführer der Gesellschaft ist' (Antrag S 49 f).

Damit werden aber keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, sondern lediglich Vollzugsmängel und somit keine zulässigen Bedenken im Verfahren nach §Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG geltend gemacht.

4.2. Der Vollständigkeit halber weist die Bundesregierung aber auf Folgendes hin:

Gemäß §212 UGB hat der Unternehmer ua. Jahresabschlüsse sieben Jahre lang gesondert aufzubewahren; darüber hinaus noch solange, als sie für ein anhängiges gerichtliches oder behördliches Verfahren, in dem der Unternehmer Parteistellung hat, von Bedeutung sind.

Wenn länger als sieben Jahre zurückliegende Jahresabschlüsse ausständig sind, die vom Erstgericht niemals eingemahnt wurden und nach §212 UGB nicht mehr aufbewahrt werden müssen, während die nachfolgenden Jahresabschlüsse offen gelegt und unbeanstandet eingetragen worden sind, ist in verfassungskonformer Auslegung des §283 UGB sowie der Übergangsbestimmung des §906 Abs23 UGB von der Verhängung einer Zwangsstrafe abzusehen (OLG Wien 14.6.2011, 4 R 221/11 s; 21.6.2011,4 R261/11 y).

5. Zu den behaupteten Verstößen gegen den Gleichheitssatz

Sollte mit dem Vorbringen zur behaupteten Verletzung des Verhältnismäßigkeits-grundsatzes (S. 7, siehe auch den wiederholten und unsubstantiierten Vorwurf der Unsachlichkeit auf den S. 88ff) eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gemeint sein, so weist die Bundesregierung auf die bereits oben Pkt. 1.4. wiedergegebenen Erläuterungen zu §283 UGB hin, in denen ua. Folgendes ausgeführt wird:

'Im Hinblick auf die unionsrechtlichen Vorgaben und Rechtsprechung des EuGH (vgl. Gruber, Bilanzpublizität für jedermann, Überlegungen zum 'Daihatsu'-Urteil des EuGH, RdW 1998, 525 [526 mwN]), die Sanktion einer Zwangsstrafe könne nur dann als geeignete Maßregel und damit als entsprechende Umsetzung der Publizitätsrichtlinie angesehen werden, wenn sie auch abschreckend sei und unter Berücksichtigung, dass die vorgesehenen Strafen deutlich milder als die Mittel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche — beispielsweise sieht §359 Abs1 EO vor, dass eine Geldstrafe je Antrag 100 000 Euro nicht übersteigen darf— sind, sind die vorgeschlagene Einführung eines Mindestbetrages und die bei fortgesetztem Zuwiderhandeln wiederholt verhängte Zwangsstrafe jedenfalls sachgerecht und verhältnismäßig.'

Die Bundesregierung weist überdies darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gegen die Verfassungsmäßigkeit des Zwangsstrafenverfahrens nach §283 UGB keine Bedenken bestehen (OGH 18.7.2011, 6 Ob 129/11f mwN).

6. Zur 'Rechtspflegerproblematik'

6.1. Die Antragsteller behaupten zwar nicht ausdrücklich, aber wohl der Sache nach einen Verstoß des §22 Abs1 RPfIG gegen Art87a B‑VG auf das Wesentliche zusammengefasst deshalb, weil in Firmenbuchsachen die Zuständigkeit von Rechtspflegern die Regel, jene der Richter aber die Ausnahme sei. Auch sei die Ausbildung der Rechtspfleger nicht sachgerecht (Antrag S. 57 ff).

6.2. Gemäß Art87a B‑VG kann durch Bundesgesetz die Besorgung einzelner, genau zu bezeichnender Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit erster Instanz besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bundesbediensteten (Rechtspflegern) übertragen werden. Der nach der Geschäftsverteilung zuständige Richter kann jedoch jederzeit die Erledigung solcher Geschäfte sich vorbehalten oder an sich ziehen. Bei der Besorgung der dem Rechtspfleger übertragenen Geschäfte sind diese nur an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richters gebunden.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 3. März 2015, G181/2014 ua., im Zusammenhang mit der Übertragung von Aufgaben in Verwaltungsstrafsachen an Rechtspfleger beim Landesverwaltungsgericht Wien mit dem — dem Art87a B‑VG nachgebildeten — Art135a B‑VG auseinandergesetzt. Aus diesem Erkenntnis ergibt sich für den vorliegenden Antrag Folgendes:

6.2.1. An Rechtspfleger kann nur die Besorgung jener Arten von Geschäften übertragen werden, die sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen. Die wesensmäßige Eignung einer Art von Geschäften zur Besorgung durch Rechtspfleger kann insbesondere ihr geringer Schwierigkeitsgrad oder ihr hohes Maß an Standardisierbarkeit begründen (VfGH 3.3.2015, G181/2014 ua., 2.6.4.). Die Verhängung von Zwangsstrafen gemäß §283 UGB erfüllt diese Voraussetzungen: Solche Zwangsstrafen werden zunächst ohne vorausgehendes Verfahren durch Strafverfügung automationsunterstützt verhängt, bei rechtzeitiger Erhebung eines begründeten Einspruches wird über die Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren entschieden. Es handelt sich dabei um weitgehend standardisierte Entscheidungen, in denen vom Rechtspfleger im Wesentlichen nur zu prüfen ist, ob das vorlagepflichtige Organ offenkundig durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert war (§283 Abs2 UGB; vgl. auch die oben Pkt. 1.4. wiedergegebenen Erläuterungen zu §283 UGB). Es handelt sich somit auch um Geschäfte, die einen geringen Schwierigkeitsgrad aufweisen.

6.2.2. Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller ist für die Beurteilung, ob sich eine Art von Geschäften ihrem Wesen nach für die Besorgung durch Rechtspfleger eignet, nicht maßgeblich, welchen Grad an 'besonderer Ausbildung' Rechtspfleger im Einzelfall aufweisen (VfGH 3.3.2015, G181/2014 ua., 2.6.4.).

6.2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis ausgesprochen, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren über Beschwerden gegen Straferkenntnisse ihrem Wesen nach im Regelfall nicht geeignet ist, zur Gänze durch Rechtspfleger besorgt zu werden. Im Unterschied dazu handelt es sich bei Zwangsstrafen nach §283 UGB, wie oben (Pkt. III.3.1.) ausgeführt, nicht um Strafen im Sinn des Art6 Abs1 EMRK.

Maßgeblich für die Unzulässigkeit der Übertragung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über Beschwerden gegen Straferkenntnisse auf Rechtspfleger bei einem Landesverwaltungsgericht war für den Verfassungsgerichtshof insbesondere, dass Rechtspfleger bei den Verwaltungsgerichten – im Unterschied zu jenen bei den ordentlichen Gerichten – in Verfahren tätig werden, die funktionell als Rechtsmittelverfahren zu betrachten sind. Wörtlich führte der Verfassungsgerichtshof dazu aus:

'2.6.5. [...] Verwaltungsgerichte entscheiden insbesondere (und die bekämpfte Bestimmung betrifft ausschließlich diesen Fall) über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Die – viele Fälle des Einsatzes von Rechtspflegern in der ordentlichen Gerichtsbarkeit kennzeichnende – Konstellation, dass Verfahrensgegenstand die Fällung einer Erstentscheidung ist, liegt bei der Tätigkeit von Rechtspflegern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz typischerweise (und im vorliegenden Fall zur Gänze) nicht vor. Vielmehr geht es vor dem Verwaltungsgericht der Sache nach um die Kontrolle von Entscheidungen der Verwaltung, also – wiederum verglichen mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit – materiell gesehen um eine Tätigkeit, die für ein Instanzgericht charakteristisch ist. Der Rechtspfleger in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz ist damit wie der Verwaltungsrichter typischerweise (und im vorliegenden Fall durchwegs) in Fällen zuständig, in denen ein Betroffener gegen eine Entscheidung der Verwaltung Rechtsschutz sucht [...].

Nun eröffnet Art135a B‑VG (anders als Art87a B‑VG, der den Einsatz von Rechtspflegern nur bei Gerichten erster Instanz zulässt) im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz zwar grundsätzlich die Möglichkeit, die Besorgung solcher — der Nachprüfung verwaltungsbehördlicher Entscheidungen dienender — Verfahren an Rechtspfleger zu übertragen (vgl. VfSlg 19.825/2013). Bei der Beurteilung, ob diese Verfahren ihrem Wesen nach geeignet sind, zur Gänze durch Rechtspfleger besorgt zu werden, ist aber die Stellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im System des Verwaltungsrechtsschutzes in besonderer Weise zu berücksichtigen.'

Bei der Verhängung von Zwangsstrafen nach §283 UGB durch Rechtspfleger handelt es sich aber um solche erstinstanzlichen Zuständigkeiten, wie sie der Verfassungsgerichtshof den Entscheidungen von Rechtspflegern bei Landes-verwaltungsgerichten gegenüber gestellt hat:

Zwangsstrafen werden zunächst ohne vorausgehendes Verfahren durch Strafverfügung automationsunterstützt verhängt (§283 Abs2 UGB). Mit der rechtzeitigen Erhebung eines begründeten Einspruchs tritt die Zwangsstrafverfügung außer Kraft. Über die Verhängung der Zwangsstrafe ist sodann im ordentlichen Verfahren wiederum durch Rechtspfleger mit Beschluss zu entscheiden (§283 Abs3 UGB; vgl. §11 Abs2 RPfIG). Ein solcher Einspruch ist ein bloß remonstrative Rechtsmittel; auch bei der Entscheidung des Rechtspflegers im ordentlichen Verfahren handelt es sich daher – funktionell betrachtet – um eine erstinstanzliche Entscheidung (andernfalls wäre der vorliegende Parteiantrag auf Normenkontrolle auch gar nicht zulässig, weil er nicht aus Anlass der Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung eines ordentlichen Gerichtes in erster Instanz erhoben wäre). Gegen die Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren steht sodann das Rechtsmittel des Rekurses zu, worüber das Gericht zweiter Instanz und somit Richter iSd. B‑VG entscheiden (§283 Abs3 letzter Satz UGB iVm. §45 AußStrG).

Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass die im zitierten Erkenntnis festgestellten Grenzen der Übertragung von Geschäften betreffend Beschwerden gegen Straferkenntnisse auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sind, und dass die sich aus §22 Abs1 RPfIG ergebenden Zuständigkeiten der Rechtspfleger zur Entscheidung über die Verhängung von Zwangsstrafen nach §283 UGB mit Art87a Abs1 B‑VG vereinbar sind.

7. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtenen Bestimmungen nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind."

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG idF BGBl I 114/2013 erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels".

1.1.1. Ein Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen gemäß Art140 Abs1 Z1 lita oder litd B‑VG kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw. wenn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht der Antragsteller wäre. Ein Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG ist demnach mangels Präjudizialität zurückzuweisen, wenn die angefochtene Gesetzesbestimmung keine Voraussetzung der Entscheidung über das Rechtsmittel, aus Anlass dessen der Antrag gestellt wurde, bildet.

1.1.2. Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", somit eines (gemäß §62a Abs1 erster Satz VfGG rechtzeitigen und auch sonst zulässigen) Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz. Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden, was §62a Abs1 erster Satz VfGG dahin präzisiert, dass der Parteiantrag "gleichzeitig" mit dem Rechtsmittel gestellt werden muss.

1.1.3. Gemäß §62 Abs1 erster Satz VfGG muss ein Gesetzesprüfungsantrag das Begehren enthalten, das – nach Auffassung des Antragstellers verfassungswidrige – Gesetz seinem gesamten Inhalt oder in bestimmten Stellen aufzuheben. Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §62 Abs1 VfGG zu erfüllen, muss – wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach (zB VfSlg 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990, 14.040/1995, 14.634/1996) ausgesprochen hat – die bekämpfte Gesetzesstelle genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich aufgehoben werden soll (vgl. dazu mwN VfSlg 15.775/2000, 16.340/2001, 18.175/2007, 19.583/2011).

Ein Antrag, der die konkrete Fassung der zur Aufhebung begehrten Norm nicht deutlich erkennen lässt, erfüllt das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §62 Abs1 VfGG nicht. Es ist dem Verfassungsgerichtshof nämlich verwehrt, Gesetzesbestimmungen auf Grund bloßer Vermutungen, in welcher Fassung ihre Aufhebung begehrt wird, zu prüfen und im Fall des Zutreffens der geltend gemachten Bedenken aufzuheben (vgl. dazu VfSlg 11.802/1988, 14.261/1995, 14.634/1996, 15.962/2000 und VfGH 9.12.2014, G136/2014 ua.).

1.1.4. Weiters hat gemäß §62 Abs1 VfGG der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen das Gesetz sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit sind präzise zu umschreiben, die Bedenken sind schlüssig und überprüfbar darzulegen (VfSlg 11.888/1988, 12.223/1989). Dem Antrag muss mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar sein, zu welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Norm in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (VfSlg 14.802/1997, 17.752/2006). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (VfSlg 17.099/2003, 17.102/2003, 19.825/2013, 19.832/2013, vgl. auch VfGH 13.6.2014, G10/2014; 10.12.2014, G57/2013).

1.1.5. Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (vgl. VfSlg 13.965/1994, 16.542/2002, 16.911/2003). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass im Normenprüfungsverfahren nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl. VfSlg 17.220/2004; VfGH 9.12.2014, G136/2014 ua.).

Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrags nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011; VfGH 9.12.2014, G136/2014 ua.).

Eine zu weite Fassung des Antrags macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 19.746/2013; VfGH 8.10.2014, G83/2014 ua.). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im gerichtlichen Verfahren nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrags (siehe VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007; VfGH 9.12.2014, G136/2014 ua.; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl. noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrags).

Unzulässig ist ein Antrag auch dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 19.824/2013 mwN; VfGH 9.12.2014, G136/2014 ua.).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Gesetzesbestimmung die verbleibenden Bestimmungen unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letztes liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003; VfGH 9.12.2014, G136/2014 ua. mwN).

1.2. Der Antrag ist zum Teil unzulässig:

1.2.1. Die antragstellenden Parteien haben die Anforderung erfüllt, dass der Parteiantrag "aus Anlass der Erhebung eines Rechtsmittels" gestellt wird. Die antragstellenden Parteien haben den vorliegenden Parteiantrag und die Rekurse gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Feldkirch vom 29. April 2015 am selben Tag erhoben und eingebracht (vgl. VfGH 3.7.2015, G46/2015).

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass die antragstellenden Parteien zulässigerweise Rekurs gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Feldkirch erhoben haben, mit denen wegen Nichteinreichung von näher genannten Jahresabschlüssen Zwangsstrafen über die erstantragstellende Gesellschaft und über den Zweitantragsteller verhängt wurden.

1.2.2. Der Antrag ist zulässig, soweit damit die Aufhebung des §283 Abs3 UGB und des §22 Abs1 Rechtspflegergesetz begehrt wird. Insoweit legen die antragstellenden Parteien auch in ausreichend bestimmter Weise dar, zu welchen Verfassungsbestimmungen die angefochtenen Rechtsvorschriften nach ihrer Auffassung im Widerspruch stehen:

Die antragstellenden Parteien hegen gegen §283 Abs3 UGB das Bedenken, dass das mit der rechtzeitigen Erhebung des begründeten Einspruchs gesetzlich vorgesehene Außerkrafttreten der Zwangsstrafverfügung und die Möglichkeit, im anschließenden ordentlichen Verfahren eine höhere Strafe als in der Zwangsstrafverfügung zu verhängen, gegen das Verbot der reformatio in peius verstoße. Die in §283 Abs4 UGB vorgesehene Möglichkeit der mehrfachen Verhängung von Zwangsstrafen verstoße gegen Art6 EMRK.

Im Hinblick auf §22 Abs1 Rechtspflegergesetz geht aus dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit das Bedenken der antragstellenden Parteien hervor, dass die in §22 Abs1 Rechtspflegergesetz normierte Zuständigkeit des Rechtspflegers die verfassungsrechtlichen Grenzen des Art87a B‑VG überschreite, weil die Rechtspflegerzuständigkeit in Firmenbuchsachen als Regelfall vorgesehen sei und auch die Verhängung von Zwangsstrafen – wie sie Gegenstand in den Anlassverfahren seien – umfasse.

1.2.3. Im Übrigen ist der Antrag zurückzuweisen, weil es den antragstellenden Parteien zum einen nicht gelungen ist, in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Bedenken im Einzelnen und mit hinreichender Deutlichkeit darzulegen, zu welcher Rechtsvorschrift die jeweils zur Aufhebung beantragte Gesetzesbestimmung im Widerspruch stehen soll. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für die antragstellenden Parteien zu präzisieren (vgl. VfGH 10.12.2014, G57/2013 mwN). Zum anderen sind die angefochtenen Bestimmungen nicht präjudiziell (§24 Firmenbuchgesetz, §283 Abs2, 5 und 6 sowie die Wortfolge "277 bis 280a" in §283 Abs7 UGB) bzw. würde durch die begehrte Aufhebung (des §283 Abs4 UGB) die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt (vgl. dazu allgemein VfGH 9.12.2014, G136/2014 ua.).

1.2.4. Soweit die antragstellenden Parteien in ihrem Schriftsatz vom 29. Mai 2015, mit welchem sie einem Mängelbehebungsauftrag des Verfassungsgerichtshofes nachkamen, über ihren (Partei-)Antrag hinausgehende bzw. von diesem abweichende Ausführungen tätigen, ist es dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, darauf einzugehen. Es ist Aufgabe der antragstellenden Parteien, sämtliche angefochtene Gesetzesbestimmungen sowie sämtliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit derselben (bereits) im Antrag anzuführen; dies kann nicht zu einem späteren Zeitpunkt in einem Schriftsatz nachgeholt werden (zB VfSlg 17.516/2005).

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Die von den antragstellenden Parteien im Hinblick auf §22 Abs1 Rechtspflegergesetz geltend gemachten Bedenken, dass damit die Grenzen des Art87a B‑VG überschritten würden, weil die Zuständigkeit des Rechtspflegers in Firmenbuchsachen als Regelfall vorgesehen sei und auch die Verhängung von Zwangsstrafen umfasse, und ein Widerspruch zu §2 Rechtspflegergesetz, wonach Strafsachen nicht zum Aufgabenbereich der Rechtspfleger gehören dürften, bestehe, treffen nicht zu.

2.2.1. Gemäß Art87a Abs1 B‑VG kann durch Bundesgesetz "die Besorgung einzelner, genau zu bezeichnender Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit erster Instanz besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bundesbediensteten übertragen werden". Art87a B‑VG wurde mit der Novelle BGBl 162/1962 eingefügt, um für die Einrichtung des erweiterten Wirkungskreises der richterlichen Geschäftsstelle und damit für die Funktion des Rechtspflegers, dem zum damaligen Zeitpunkt bereits ein umfangreiches Tätigkeitsfeld bei Geschäften der Gerichtsbarkeit zukam, eine verfassungsrechtlich einwandfreie Grundlage zu schaffen (RV 655 BlgNR 9. GP ).

2.2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. März 2015, G181/2014 ua., zum gleich lautenden Art135a B‑VG ausgeführt hat, sind der Ermächtigung zur Übertragung der Besorgung "einzelner" Arten von Geschäften an Rechtspfleger sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht Grenzen gesetzt. Insbesondere kann an Rechtspfleger nur die Besorgung jener Arten von Geschäften übertragen werden, die sich ihrem Wesen nach für die Übertragung eignen; die wesensmäßige Eignung einer Art von Geschäften zur Besorgung durch Rechtspfleger kann insbesondere ihr geringer Schwierigkeitsgrad oder ihr hohes Maß an Standardisierbarkeit begründen (vgl. auch die Erläuterungen zur RV 167 BlgNR 6. GP , 2: "einfache und oft wiederkehrende, gleichartige Geschäfte"). Zudem ist nicht jedes Verfahren, das seinem Wesen nach zur Besorgung bestimmter Verfahrensschritte und Erledigungsarten durch Rechtspfleger geeignet ist, auch zur Besorgung durch Rechtspfleger zur Gänze, das heißt zur Führung und Erledigung durch Rechtspfleger schlechthin geeignet.

2.2.3. Der angefochtene §22 Abs1 Rechtspflegergesetz normiert, dass der Wirkungskreis des Rechtspflegers in Sachen des Firmenbuchs "alle mit seiner Führung zusammenhängenden Geschäfte" umfasst. Jene Agenden, die dem Richter vorbehalten sind, werden in §22 Abs2 Rechtspflegergesetz aufgezählt. Da sich dort keine Regelungen zur Verhängung von Zwangsstrafen finden, fällt nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH 28.6.2000, 6 Ob 100/00z) auch die Verhängung von Zwangsstrafen in die Zuständigkeit des Rechtspflegers. "Wertungsmäßig" spreche dafür auch, dass es sich bei der Einforderung der Vorlage von Unterlagen nach den §277 HGB (nunmehr: UGB) um die Besorgung laufender und keineswegs ungewöhnlicher Agenden handle (OGH 28.6.2000, 6 Ob 100/00z).

2.2.4. Zwangsstrafen nach §283 UGB sind keine Strafen im Sinne des Art6 EMRK und des Art92 B‑VG (vgl. etwa auch VfSlg 10.840/1986 zur fehlenden Qualifikation von Zwangsstrafen als strafrechtliche Anklagen im Sinne des Art6 EMRK); vielmehr handelt es sich um Vollstreckungsmaßnahmen, dh. um Maßnahmen zur effektiven Durchsetzung der (auch unionsrechtlich gebotenen) Pflicht zur Vorlage von Jahresabschlüssen. Daran ändert auch die Regelung des §283 Abs6 UGB nichts, wonach die Zwangsstrafen auch dann zu vollstrecken sind, wenn die Bestraften ihrer Pflicht nachgekommen sind oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist (so schon OGH 8.5.2008, 6 Ob 41/08k mwN). Die regelmäßig rechtzeitige Vorlage unter anderem des Jahresabschlusses liegt wesentlich im Interesse des geregelten Geschäftsverkehrs. Die Vollstreckung der Zwangsstrafe auch in den in §283 Abs6 UGB genannten Fällen führt daher nicht dazu, dass diese zu einer (vom Rechtspfleger verhängten) "Kriminalstrafe" wird, sondern vielmehr dazu, dass sie als Beugemittel nicht völlig ins Leere läuft.

2.2.5. Die Zuständigkeit des Rechtspflegers in Firmenbuchsachen ist in §22 Rechtspflegergesetz entsprechend Art87a B‑VG genau bezeichnet (vgl. Storr, Art87a, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, Rz 5). Entgegen der Auffassung der antragstellenden Parteien betreffen die Aufgaben, die den Rechtspflegern in Firmenbuchsachen zukommen, ein begrenztes Rechtsgebiet, in dem der Rechtspfleger überwiegend auf standardisierte Verfahrensabläufe zurückgreifen kann (so auch OGH 28.6.2000, 6 Ob 100/00z).

Darüber hinaus kann sich der Richter gemäß §9 Abs1 Rechtspflegergesetz die Erledigung einzelner Geschäftsstücke vorbehalten oder die Erledigung an sich ziehen, wenn dies nach seiner Ansicht im Hinblick auf die tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Sache oder die Wichtigkeit und die Tragweite der Entscheidung zweckmäßig ist. Korrespondierend ist auch der Rechtspfleger gemäß §10 Abs1 Rechtspflegergesetz verpflichtet, ein in seinen Wirkungskreis fallendes Geschäftsstück dem Richter vorzulegen, wenn sich der Richter die Erledigung des Geschäftsstückes vorbehalten oder an sich gezogen hat (Z1), der Rechtspfleger von der ihm bekannten Rechtsansicht des Richters abweichen will (Z2) oder sich bei der Bearbeitung Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art ergeben (Z3). Damit ist die Tätigkeit des Rechtspflegers stets untrennbar mit der Verantwortung des zuständigen Richters zur angemessenen fachlichen Aufsicht verbunden (vgl. VfSlg 19.825/2013).

Der Verfassungsgerichtshof kann auch den Bedenken der antragstellenden Parteien nicht beipflichten, dass §22 Abs1 Rechtspflegergesetz das von Art87a B‑VG festgelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehre. Damit bringen die antragstellenden Parteien sinngemäß vor, dass den Rechtspflegern im angefochtenen §22 Abs1 Rechtspflegergesetz in Firmenbuchsachen mehr als die "Besorgung einzelner, genau zu bezeichnender Arten der Geschäfte" im Sinne des Art87a Abs1 B‑VG übertragen werde. Die antragstellenden Parteien verkennen dabei, dass die Frage, ob die mit §22 Rechtspflegergesetz in die Zuständigkeit des Rechtspfleger übertragenen Geschäfte eine "einzelne Art" im Sinne des Art87a Abs1 B‑VG darstellen, nicht nur im Hinblick auf die Angelegenheiten des Firmenbuchs, sondern allgemein vor dem Hintergrund der Zuständigkeit der (Richter und) Rechtspfleger in Zivilrechtssachen zu beurteilen ist. Ein Vergleich sämtlicher Zuständigkeiten des Rechtspflegers in der Zivilgerichtsbarkeit mit den (von vornherein) dem Richter vorbehaltenen Tätigkeiten erweist, dass dem Rechtspfleger mit dem ihm in §22 Abs1 Rechtspflegergesetz übertragenen Firmenbuchsachen gemäß Art87a Abs1 B‑VG nur die Besorgung einzelner Arten der Geschäfte der Gerichtsbarkeit erster Instanz übertragen worden ist.

2.2.6. Zu dem Bedenken der antragstellenden Parteien, ein Rechtspfleger habe "nicht einmal das Recht [...], eine Rechtsfrage in Luxemburg [gemeint: dem Gerichtshof der Europäischen Union] zur Vorabentscheidung vorzulegen", ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (vgl. EuGH 19.10.1995, C‑111/94, Job Centre I) die Entscheidung über die Eintragung in ein Register keinen Rechtsprechungscharakter im Sinne des Unionsrechts hat; aus diesem Grund hat der Gerichtshof der Europäischen Union auch Vorabentscheidungsersuchen zurückgewiesen, die erstinstanzliche Firmenbuchgerichte durch Richter gestellt haben. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass über aufsteigende Rechtsmittel gegen die Beschlüsse eines Rechtspflegers (unter anderem in Firmenbuchsachen) jedenfalls ein vorlageberechtigtes Gericht im Sinne des Art267 AEUV entscheidet.

2.2.7. Soweit die antragstellenden Parteien vorbringen, §22 Abs1 Rechtspflegergesetz stehe im Widerspruch zu §2 Rechtspflegergesetz, machen sie keine Verfassungswidrigkeit, sondern einen (vermeintlichen) Widerspruch auf (einfach)gesetzlicher Ebene geltend.

2.3. Mit ihrem Vorbringen, §283 Abs3 UGB verstoße gegen das (nach Auffassung der antragstellendenden Parteien offenbar verfassungsrechtliche) Verbot der reformatio in peius, sind die antragstellenden Parteien nicht im Recht: Bei den in §283 UGB vorgesehenen "Zwangsstrafen" handelt es sich nicht um Strafen im Sinne des Art92 B‑VG und des Art6 EMRK (vgl. Punkt 2.2.). Vor diesem Hintergrund kann es der Verfassungsgerichtshof dahingestellt lassen, ob sich für den Bereich des Strafrechts das Verbot der reformatio in peius aus einer Verfassungsbestimmung ergibt.

Der Antrag auf Aufhebung des §283 Abs3 UGB ist schon deshalb abzuweisen.

V. Ergebnis

1. Die von den antragstellenden Parteien ob der Verfassungsmäßigkeit des §283 Abs3 UGB und des §22 Abs1 Rechtspflegergesetz erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher insoweit abzuweisen.

Im Übrigen, also hinsichtlich des §277 Abs1, Abs4, Abs6 bis 8, des §278, der Wortfolge "und mittelgroßer Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§221 Abs2)" in §279, des Worts "(Geschäftsführer)" und der Wortfolge "277 bis 280" in §283 Abs1, des §283 Abs2, 4, 5 und 6 und der Wortfolge "277 bis 280a" in §283 Abs7 UGB sowie §15 und der Wortfolge "diesfalls sind die Bestimmungen des §283 Abs2 und 3 UGB sinngemäß anzuwenden" in §24 Abs 4 und §24 Abs5 Firmenbuchgesetz, ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte