OGH 6Ob282/08a

OGH6Ob282/08a15.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg zu FN ***** eingetragenen G***** Gesellschaft mbH, *****, über den Revisionsrekurs des Geschäftsführers Johann R*****, vertreten durch Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 21. Oktober 2008, GZ 6 R 180/08w-7, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 3. September 2008, GZ 24 Fr 2912/08d-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 8. 4. 2008 erinnerte das Erstgericht die Gesellschaft an die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses zum 30. 4. 2007 und ersuchte um dessen Einreichung binnen zwei Wochen, andernfalls gegen den Geschäftsführer das Zwangsstrafverfahren eingeleitet werden müsste.

Daraufhin ersuchte eine Steuerberatungsgesellschaft namens der Gesellschaft um Fristerstreckung bis zum 31. 5. 2008, da der Antrag auf Löschung der Gesellschaft in den nächsten Tagen überreicht werde. Mit Beschluss vom 11. 6. 2008 setzte das Erstgericht die angedrohte Zwangsstrafe mit 300 EUR fest und verhängte sie über den Geschäftsführer Johann R*****. Es forderte den Geschäftsführer neuerlich auf, gemäß §§ 277 ff UBG den Jahresabschluss zum 30. 4. 2007 binnen zwei Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses vorzulegen, widrigenfalls eine weitere Zwangsstrafe von 400 EUR verhängt werde. Dieser Beschluss wurde dem Geschäftsführer am 13. 6. 2008 zugestellt. Die verhängte Zwangsstrafe wurde bezahlt.

Mit Beschluss vom 3. 9. 2008 verhängte das Erstgericht über den Geschäftsführer Johann R***** die angedrohte Zwangsstrafe von 400 EUR, da der Jahresabschluss zum 30. 4. 2007 bis zum Datum der Beschlussfassung nicht eingelangt war.

Am 4. 9. 2008 langte der Jahresabschluss zum 30. 4. 2007 beim

Erstgericht ein.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Nach § 283 Abs 4 UGB idF Art 2 Z 4 PuG sei eine verhängte Zwangsstrafe auch dann zu vollstrecken, wenn die bestraften Personen ihrer Pflicht nachgekommen sind oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist. Mit dieser Bestimmung habe der Gesetzgeber in Umsetzung der Verpflichtung des Art 6 der Publizitätsrichtlinie (RL 68/151/EWG) zu einer besseren Durchsetzung der Verpflichtung zur Vorlage der Jahresabschlüsse beitragen wollen. Im vorliegenden Fall sei der Jahresabschluss im Zeitpunkt der Strafverhängung nach Ablauf der dem Geschäftsführer mit Beschluss vom 11. 6. 2008 gesetzten Frist noch nicht beim Firmenbuchgericht eingelangt gewesen. Selbst wenn der Jahresabschluss zu diesem Zeitpunkt bereits zur Post gegeben gewesen wäre, könne dies die Aufhebung der Zwangsstrafe nicht begründen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil sich die zu § 283 Abs 4 UGB vorliegende Judikatur nicht mit dem Fall auseinandersetze, dass die Offenlegung des Jahresabschlusses noch vor Zustellung des Strafbeschlusses veranlasst worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1.1. Nach § 283 Abs 4 UGB idF Art 2 Z 4 PuG ist eine verhängte Zwangsstrafe auch dann zu vollstrecken, wenn die bestraften Personen ihrer Pflicht nachgekommen sind oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist. Mit dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber in Umsetzung der Verpflichtung des Art 6 der Publizitätsrichtlinie (RL 68/151/EWG) zu einer besseren Durchsetzung der Verpflichtung zur Vorlage der Jahresabschlüsse beitragen. Der repressive Charakter der Zwangsstrafe sollte ausdrücklich im Gesetz verankert werden. Damit folgt der Gesetzgeber einer rechtspolitischen Entscheidung, die mit der EO-Novelle 2000, BGBl I 2000/59, für die Regelung der Geldstrafen zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen in § 359 EO getroffen wurde (1427 BlgNR 22. GP 6). Ausdrücklich betonte der Gesetzgeber auch, dass durch die Neufassung des § 24 FBG und des § 283 UGB Zweifel an der ordnungsgemäßen Umsetzung des Art 6 der Publizitätsrichtlinie ausgeräumt werden sollten (1427 BlgNR 22. GP 6 und 10).

1.2. Mit der Novellierung des § 24 FBG und des § 283 UGB durch das PuG kehrte der Gesetzgeber ausdrücklich zu jener Rechtsprechungslinie zurück, die den firmenbuchrechtlichen Zwangsstrafen auch repressiven Charakter, also echten Strafcharakter zugebilligt hatte (EvBl 1994/145; 6 Ob 212/99s; 6 Ob 215/99g). In dieser Rechtsprechungslinie hatte der Oberste Gerichtshof sich auch ausdrücklich auf seine Judikatur zu den Beugestrafen nach §§ 354, 355 EO (vgl SZ 66/74; SZ 68/83 = EvBl 1995/125 = JBl 1995, 734 [zustimmend Oberhammer, RdW 1994, 10]) berufen. Die Strafandrohung könne, würde man den Strafcharakter verneinen, nicht den erforderlichen psychologischen Druck erzeugen (EvBl 1994/145; 6 Ob 212/99s; 6 Ob 215/99g). Ohne Annahme eines Strafcharakters könne sich ein Geschäftsführer darauf verlassen, dass die verhängten Strafen nachgesehen werden, wenn das Versäumte nachgeholt werde (vgl auch G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 41).

2.1. In der Entscheidung 6 Ob 8/08g zu § 283 Abs 4 UGB idF Art 2 Z 4 PuG ließ der Oberste Gerichtshof die Rechtsnatur der Zwangsstrafen nach § 283 UGB ausdrücklich offen. Verstehe man die Zwangsstrafe - wie der Gesetzgeber des PuG - repressiv, also als echte Sanktion, so rechtfertige schon die nicht rechtzeitige Befolgung des seinerzeitigen Auftrags die Strafverhängung. Aber auch dann, wenn man die Zwangsstrafen als bloßes Beugemittel ansehe (so VfSlg 15.589; offengelassen zB in 6 Ob 206/01i, 6 Ob 298/01v ua), erfordere der Strafzweck, dass eine angedrohte Strafe bei nicht rechtzeitiger Befolgung des erteilten Auftrags auch tatsächlich verhängt (und in der Folge vollstreckt) werde, weil nur dann die Androhung glaubwürdig sei (vgl Oberhammer, OGH erkennt repressiven Charakter der Beugestrafen gemäß § 355 EO an, RdW 1994, 10; Burgstaller, Beugestrafen zur Durchsetzung von Zivilurteilen, ÖJZ 2000, 134 [140, 147]; G. Kodek aaO mwN). Andernfalls würde das Rekursverfahren im Ergebnis eine Art „Nachfrist" für die Erfüllung der aufgetragenen Verpflichtung bedeuten. Eine derartige Auslegung stünde jedoch mit der Intention der Reform des Zwangsstrafenrechts durch das PuG nicht im Einklang.

2.2. In der zitierten Entscheidung sprach der Oberste Gerichtshof - anknüpfend an die Vorentscheidung 6 Ob 215/99g und G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 62 - aus, die Wirksamkeit einer verhängten Zwangsstrafe wäre jedenfalls deutlich beeinträchtigt, wenn diese nicht mehr zu vollziehen wäre, sofern der Verpflichtete nur nachträglich irgend einmal dem Strafbeschluss konform gehandelt habe. Im Hinblick auf die Dauer eines allfälligen Rechtsmittelverfahrens gegen die Verhängung einer Zwangsstrafe, dem durchwegs aufschiebende Wirkung zukomme, und die zwangsläufig bis zur Einleitung eines Exekutionsverfahrens weiter vergehende Zeit stünde dann die Wahl des Zeitpunkts der Erfüllung der Offenlegungsverpflichtung weitgehend im Belieben des Vorlagepflichtigen. In einem derartigen Fall diene der Vollzug der Strafe nicht der Vergeltung für ein rechtswidriges Verhalten, sondern - rückschauend betrachtet - dessen Verhinderung (3 Ob 12/93, ecolex 1993, 686). Das gesetzliche Ziel der Beugung des Willens des Verpflichteten könne nämlich nur erreicht werden, wenn dieser weiß, dass die Strafe im Fall des Zuwiderhandelns nicht bloß verhängt, sondern auch vollzogen wird (vgl abermals 3 Ob 12/93, ecolex 1993, 686; 6 Ob 177/00y; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 62 und 64).

2.3. In der Entscheidung 6 Ob 8/08g betonte der erkennende Senat auch, dass diese Überlegungen zwar primär die nunmehr vom Gesetzgeber in § 283 Abs 4 UGB ausdrücklich beantwortete Frage der Vollstreckung der Zwangsstrafe bei nachträglicher Erfüllung der Verpflichtung beträfen, sich jedoch auch auf die Frage übertragen ließen, inwieweit eine derartige nachträgliche Erfüllung des aufgetragenen Verhaltens im Verfahren über ein Rechtsmittel gegen die Verhängung einer Zwangsstrafe durch das Firmenbuchgericht beachtlich sei. Der Einwand, dass nach Verhängung der Zwangsstrafe in erster Instanz das zu erzwingende Verhalten gesetzt worden sei, sei daher aus materiellen Erwägungen unbeachtlich.

3.1. Diese Überlegungen lassen sich auch auf die vorliegende Konstellation übertragen. Zum Zeitpunkt der Fassung des Strafbeschlusses erster Instanz war der Geschäftsführer seiner Vorlageverpflichtung unstrittig nicht nachgekommen. Damit war aber die Strafverhängung schon deshalb notwendig, um - rückschauend betrachtet - der Androhung der Strafverhängung entsprechendes Gewicht zu verleihen und dadurch einer (neuerlichen) Zuwiderhandlung des Revisionsrekurswerbers im Sinne einer Unterlassung der (rechtzeitigen) Erfüllung der Offenlegungspflicht zu verhindern.

3.2. Soweit der Revisionsrekurs die Auffassung vertritt, zum Zeitpunkt der Fassung des Strafbeschlusses erster Instanz sei der Revisionsrekurswerber bereits seiner Verpflichtung zur Vorlage des Jahresabschlusses nachgekommen, ist dies aktenwidrig. Schon die ursprüngliche Offenlegungspflicht des § 277 UGB muss innerhalb der Frist des § 277 Abs 1 bzw 2 UGB beim Firmenbuchgericht einlangen; die bloße Absendung reicht nicht aus. Gleiches gilt aber für die Zwangsstrafen nach § 283 UGB, knüpft der Wortlaut des § 283 Abs 2 UGB doch ausdrücklich (unter anderem) an die Pflicht nach § 277 UGB an. Zum rechtlich allein maßgebenden Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz (6 Ob 112/08a, 6 Ob 113/08y) war die Bilanz aber eben nicht eingereicht, sondern allenfalls abgesendet.

4. Nicht stichhältig ist auch der Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Die Entscheidung 90/15/0186 vom 22. 4. 1991, wonach die bescheidmäßige Festsetzung einer Zwangsstrafe unzulässig ist, wenn der Anordnung der Behörde (gleichgültig, ob fristgerecht oder nach Ablauf der bestimmten Frist) vor Zustellung des Festsetzungsbescheides entsprochen wurde, kann aus mehreren Gründen nicht auf das Zwangsstrafenverfahren übertragen werden: Zunächst beruht diese Entscheidung maßgeblich auf § 97 Abs 1 BAO, wonach Erledigungen durch die Zustellung wirksam werden. Daraus leitet der Verwaltungsgerichtshof ab, dass Änderungen der Sachlage bis zu diesem Zeitpunkt noch zu berücksichtigen seien. Für das Zivilverfahren gilt jedoch anderes: Zwar enthält § 416 ZPO eine vergleichbare Formulierung. Im Außerstreitverfahren findet sich keine ausdrückliche entsprechende Regelung. Vielmehr enthält § 38 AußStrG das Erfordernis der Zustellung; § 43 AußStrG regelt sodann die „Wirksamkeit" von Beschlüssen im Sinne deren „Maßgeblichkeit". Wesentlich ist jedoch, dass im Zivilverfahren der maßgebliche Zeitpunkt, auf den bei Prüfung der Sach- und Rechtslage abzustellen ist, sich niemals nach der Zustellung an die Parteien richtet, sondern regelmäßig vor der Zustellung liegt. Im Streitverfahren ist dies in der Regel der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Im Außerstreitverfahren, wo eine mündliche Verhandlung in der Regel nicht zwingend vorgeschrieben ist (§ 18 AußStrG), ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt jener der Beschlussfassung durch das Gericht (Rechberger in Rechberger, AußStrG § 37 Rz 1; vgl auch schon 6 Ob 112/08a, 6 Ob 113/08y). Dies ist dahin zu präzisieren, dass es auf den Zeitpunkt ankommt, ab dem das Gericht an seinen Beschluss gebunden ist (Rechberger aaO).

4.2. Vor allem aber fehlt in der BAO eine § 283 Abs 4 UGB idF Art 2 Z 4 PuG entsprechende Bestimmung. Aus diesem Grund kann auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 5 Abs 2 letzter Satz AVG, wonach ein angedrohtes Zwangsmittel nicht mehr zu vollziehen ist, sobald der Verpflichtung entsprochen wurde (VwGH JBl 1991, 202; vgl auch VwSlg 3.171/A), nicht auf das Zwangsstrafenverfahren nach § 283 UGB übertragen werden.

5. Die Beschlüsse der Vorinstanzen erweisen sich daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

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