OGH 7Ob127/24p

OGH7Ob127/24p23.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, 1041 Wien, Prinz‑Eugen‑Straße 20–22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W* I* GmbH, *, vertreten durch Mag. Alexander Lubich, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.064 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. April 2024, GZ 50 R 4/24f‑14, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00127.24P.0923.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1 Nach § 502 Abs 5 Z 3 ZPO gelten die Abs 2 und 3 nicht für Rechtsstreitigkeiten, in denen – wie hier – ein in § 29 KSchG genannter Verband einen ihm zur Geltendmachung abgetretenen Anspruch gegen eine Partei klageweise geltend macht. Die zivilprozessualen Sonderbestimmungen für die in § 29 KSchG genannten Verbände sind auch dann anzuwenden, wenn sie die ihnen vom Konsumenten abgetretenen Ansprüche im Rahmen ihres Verbandszwecks geltend machen (RS0124402).

[2] 1.2 Die von der Beklagten irrig mit einer Zulassungsvorstellung verbundene ordentliche Revision ist in eine außerordentliche Revision umzudeuten (RS0123405) und wäre nach Zurückweisung der Zulassungsvorstellung (vgl RS0122264) unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorzulegen gewesen (vgl 4 Ob 153/23p). Der dennoch ohne gesetzliche Grundlage vom Berufungsgericht gefasste Beschluss über die Zulassungsvorstellung ist für den Obersten Gerichtshof unbeachtlich (vgl RS0110049 [T17]; 4 Ob 153/23p).

[3] 2. In ihrer damit vorliegenden außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.

[4] 3.1 Gemäß § 6 Abs 4 Satz 1 MaklerG steht dem Makler keine Provision zu, wenn er selbst Vertragspartner des Geschäfts wird (dabei handelt es sich um ein sogenanntes Eigengeschäft im engeren Sinn). Auch wenn das mit dem Dritten geschlossene Geschäft wirtschaftlich einem Abschluss durch den Makler selbst gleichkommt, besteht kein Provisionsanspruch des Maklers (§ 6 Abs 4 Satz 2 MaklerG; Eigengeschäft im weiteren Sinn).

[5] Dadurch sollen Umgehungsversuche verhindert und wirtschaftliche Verflechtungen besser erfasst werden, wobei auf den wirtschaftlichen Zweck des jeweiligen Geschäfts für den Makler abzustellen ist (ErläutRV 2 BlgNR 20. GP  20). Der in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich betonte tragende Gedanke für den Ausschluss eines Provisionsanspruchs des Maklers nach § 6 Abs 4 Satz 1 und 2 MaklerG ist, dass es beim Eigengeschäft an einer verdienstlichen, den Vertragsabschluss fördernden Vermittlungstätigkeit des Maklers fehlen muss (RS0117826), weil in diesen Fällen der Makler selbst (tatsächlich oder wirtschaftlich betrachtet) zum Vertragspartner wird und daher „in eigener Sache“ verhandelt, nicht aber einen Vertragsabschluss vermittelt. Zu prüfen ist, ob dem wirtschaftlichen Zweck nach das vermittelte Geschäft ein Eigengeschäft des Maklers darstellt, er also unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vertragspartner ist, dabei kommt es auf die Interessenlage an (7 Ob 127/03g; 4 Ob 224/10k; 3 Ob 212/19a).

[6] 3.2 Mangels gesetzlicher Festlegung einer starren Grenze der Beteiligungsverhältnisse für die Annahme bzw den Ausschluss eines wirtschaftlichen Eigengeschäfts kommt es auf das jeweilige Gewicht der Interessen des Maklers und deren Durchsetzungsmöglichkeiten an, sodass jeweils eine Beurteilung nach den Umständen des Einzelfalls geboten ist (RS0114078). Neben allfälligen Umgehungsgeschäften wurde ein wirtschaftliches Eigengeschäft unter anderem dann bejaht, wenn bei gesellschaftsrechtlicher Verflechtung ein beherrschender Einfluss des Maklers auf die Vermieter‑ oder Verkäufergesellschaft besteht (7 Ob 127/03g; 4 Ob 224/10k; 3 Ob 212/19a). Das Vorliegen eines Eigengeschäfts wurde in der Rechtsprechung auch bejaht, wenn der Makler bzw der vermittelte Dritte (Verkäufer oder Vermieter) am Unternehmen des anderen entweder mehrheitlich beteiligt ist oder einen beherrschenden Einfluss auf die Geschäftsführung des anderen hat. Das heißt, wenn der Makler und der vermittelte Dritte zueinander in so einem starken Abhängigkeitsverhältnis stehen, dass für eine verdienstvolle, den Vertragsabschluss fördernde Vermittlungstätigkeit kein Platz bleibt (vgl 5 Ob 2175/96f; 5 Ob 233/98w; 5 Ob 199/99x [auf die das Maklergesetz noch nicht anwendbar war]; 5 Ob 49/00t).

[7] 3.2 In der – in der Revision angesprochenen – Entscheidung 3 Ob 212/19a relevierte der Oberste Gerichtshof bei der Beurteilung des Vorliegens eines Eigengeschäfts auch die Beteiligung des Verkäufers an der Maklerin und kam zum Ergebnis, dass nicht von einem Eigengeschäft auszugehen ist, wenn der Verkäufer Geschäftsführer einer Maklergesellschaft und über eine weitere Gesellschaft zu 65 % an ihr beteiligt ist. Auf eine Beherrschung durch den Verkäufer kommt es nicht an, sondern auf die Interessen der Maklerin am Liegenschaftsverkauf. Die Maklerin selbst hat aber im Fall einer 65%igen Beteiligung des Verkäufers an ihr – anders als im umgekehrten Fall (zB der Makler ist beherrschender Gesellschafter der verkaufenden GmbH), in dem der Makler beim Verkauf der Liegenschaft mittelbar vom erzielten Kaufpreis profitiert – kein wirtschaftliches Interesse am Verkauf der Liegenschaft, weil ihr der Erlös auch nicht mittelbar zu Gute kommt, sondern zur Gänze an den Verkäufer als natürliche Person geht. Der Umstand, dass der Verkäufer gleichzeitig Gesellschafter der Maklergesellschaft ist, rechtfertigt die Annahme eines relevanten wirtschaftlichen Interesses der Maklergesellschaft am Verkauf der Liegenschaft nicht, weil sein Anteil von (nur) 65 % zu gering ist, um ihn mit der Maklergesellschaft wirtschaftlich gleichzusetzen. Ihr davon zu trennendes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Maklervertrags beim Verkauf der Liegenschaft als selbständige Makler‑GmbH ist schon angesichts der nicht zu vernachlässigenden Beteiligung der beiden (selbständig zu beurteilenden, nicht dem Verkäufer zuzurechnenden) Minderheitsgesellschafter im Gesamtausmaß von 35 % legitim, weil Beteiligungen in diesem Ausmaß wegen ihrer Partizipation am Erfolg der GmbH und damit an der Maklerprovision eine bloße Scheinvermittlungstätigkeit mit dem alleinigen Zweck, dem Verkäufer einen zusätzlichen Provisionsgewinn zu verschaffen, ausschließen.

[8] 4.1 Wie ausgeführt hängt die Frage, ob dem wirtschaftlichen Zweck nach ein Eigengeschäft des Maklers vorliegt, von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Aufstellung genereller Beurteilungskriterien und Leitsätze ist in diesem Zusammenhang – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht möglich.

[9] 4.2 Das Berufungsgericht legte – insbesondere gestützt – auf die Entscheidung 3 Ob 212/19a zugrunde, dass bei Prüfung der Interessenlage des Maklers auch Verflechtungen zwischen Mutter‑Verkäuferin und Tochter‑Maklerin, wie eine (mehrheitliche) Beteiligung des Verkäufers (oder Vermieters) am Unternehmen des Maklers,Berücksichtigung finden könnten. Zu Unrecht meint die Revision, dass diese Ansicht aus der genannten Entscheidung nicht ableitbar sei. Der Oberste Gerichtshof relevierte explizit die Verflechtungen zwischen Verkäufer und Maklerin – was im Übrigen auch mit der weiters dargestellten Judikatur in Einklang steht – und verneinte aufgrund der dortigen Konstellation ein Eigengeschäft.

[10] 4.3 Hier bejahten die Vorinstanzen das Vorliegen eines einen Provisionsanspruch ausschließenden Eigengeschäfts. Die Verkäuferin der Liegenschaft (Verkäufer‑GmbH) halte 100 % der Anteile der Beklagten. An der Verkäufer‑GmbH seien N* B* zu 30 % und B* G* über eine weitere Holding‑GmbH zu 70 % beteiligt. N* B* und B* G* seien darüber hinaus Geschäftsführer der Verkäufer‑GmbH und der Beklagten. Diese Verflechtungen seien beträchtlich, würden doch sowohl auf Ebene der Entscheidungsträger (Geschäftsführer) als auch auf Ebene der (zumindest mittelbar) wirtschaftlich Beteiligten (Gesellschafter) ausschließlich dieselben natürlichen Personen auftreten. Im Übrigen sei tragender Gedanke für den Ausschluss eines Provisionsanspruchs, dass es beim Eigengeschäft an einer verdienstlichen, den Vertragsabschluss fördernden Vermittlungsfähigkeit des Maklers fehle. Dies sei hier der Fall. Besonders zu beachten sei nämlich auch der weitere Umstand, dass N* B* auf den Objektinformationen ausdrücklich als Ansprechpartner seitens der Beklagten angeführt werde. Es stehe nicht im Belieben des Geschäftsführers beider Gesellschaften, ob er bei Übermittlung der Informationen über die Kaufgelegenheit für die Beklagte tätig werde (und so einen Provisionsanspruch generiere) oder dieselbe Leistung durch dieselbe natürliche Person mit demselben Kenntnisstand für die Verkäuferin, die sämtliche Anteile an der Makler-GmbH halte – ohne Provisionsanspruch – erbracht werde. Auch wenn die Verkäufer-GmbH und die Beklagte zweifelsohne rechtlich getrennt seien, führten die hier vorliegenden engen personellen Beteiligungs- und Vertretungsverhältnissedoch dazu, dass sowohl der Verkaufs- als auch der Provisionserlös letztlich denselben natürlichen Personen zufließen, ihr Interesse sei gerade nicht auf die Provision beschränkt. Die Verkäufer-GmbH und die Beklagte stünden in einem so starken Abhängigkeitsverhältnis, dass für eine verdienstvolle, den Vertragsabschluss fördernde Vermittlungstätigkeit kein Platz bleibt.

[11] 4.4 Mit der ausführlichen Begründung des Berufungsgerichts, das bestehende oberstgerichtliche Rechtsprechung für seine Ansicht ins Treffen führen kann, setzt sich die Revision nicht auseinander, wenn sie lediglich betont, dass sie (selbst) nicht vom Verkauf der Liegenschaft profitiere und ihre Vermittlungstätigkeit nicht der Verkäuferin zuzurechnen sei. Insbesondere weil sich die von der Rechtsprechung geforderte Durchsetzungsmöglichkeit der Interessen des Maklers aus der hier vorliegenden Geschäftsführeridentität ergibt, wird eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht nicht gezeigt.

[12] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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