European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00036.24B.0910.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
[1] Mit Scheidungsvergleich vom 20. 10. 2023 verpflichtete sich der Vater, ab 1. 11. 2023 M* 532 EUR und A* 392 EUR an monatlichem Unterhalt zu leisten. Zugleich sagte er zu, rückständigen Unterhalt seit September 2023 in Höhe von 1.848 EUR in vier Raten zu je 462 EUR abzutragen, wobei die erste Rate binnen fünf Tagen und die darauffolgenden jeweils zusammen mit den regulären Unterhaltszahlungen in den nächsten drei Monaten zu überweisen seien.
[2] Am 10. 1. 2024 beantragten die Kinder, vertreten durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger, die Gewährung vonUnterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG mit der Behauptung, am 4. 1. 2024 die aus der Beilage ersichtliche Exekution nach § 295 EO beantragt zu haben (ON 1 und 2).
[3] Das Erstgericht bewilligte mit den Beschlüssen vom 11. 1. 2024 (ON 3 und 4, berichtigt durch Beschluss vom 25. 1. 2024, ON 7) Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich 532 EUR für M* und von 392 EUR für A*, jeweils für den Zeitraum von 1. 1. 2024 bis 31. 12. 2028.
[4] Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Bund erhobenen Rekurs Folge und wies die Anträge der Kinder auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen mangels tauglicher Exekutionsführung ab. Lägen die Voraussetzungen für die Vorschussgewährung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz nicht vor, sei der Antrag abzuweisen, selbst wenn absehbar sei, dass die Voraussetzungen zum nächstfolgenden Monatsersten erfüllt sein könnten. Somit werde es in der Regel notwendig sein, zur Gewährleistung einer tauglichen Exekutionsführung iSd § 3 Z 2 UVG Aufträgen des Exekutionsgerichts zur Verbesserung des Exekutionsantrags noch vor diesem Entscheidungszeitpunkt nachzukommen. Der am 4. 1. 2024 eingebrachte Antrag auf Forderungsexekution sei den Kindern am 9. 1. 2024 zur Verbesserung (zur Überprüfung der Angaben zum Unterhaltsrückstand) zurückgestellt worden. Eine Verbesserung sei vor der erstgerichtlichen Beschlussfassung über den Unterhaltsvorschuss nicht erfolgt.
[5] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob auch eine nach Gewährung von Vorschüssen erfolgte Verbesserung des Exekutionsantrags diesen zielführend erscheinen lasse.
[6] Gegen diesen Beschluss richtet sich der vom Vater beantwortete Revisionsrekurs der Kinder, mit dem diese erkennbar die Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Beschlüsse beantragen.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
[8] 1. Die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 3 UVG setzt voraus, dass das Kind zuvor gegen den Unterhaltsschuldner exekutive Schritte beantragt oder dem Exekutionsantrag gleichgestellte Schritte gesetzt hat, wie sie in § 3 Z 2 UVG angeführt sind (10 Ob 62/14m). Anderer als der genannten Schritte bedarf es nicht; es ist auch nicht erforderlich, diese Schritte immer wieder zu wiederholen, solange ein enger zeitlicher und inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem Exekutionsantrag und dem Vorschussantrag besteht (10 Ob 52/17w ErwGr 1.1.; 10 Ob 45/20w Rz 7 ua).
[9] Erhält ein Unterhaltsschuldner laufende Bezüge iSd § 290a EO, so werden Unterhaltsvorschüsse nur gewährt, wenn das Kind vorher Schritte gesetzt hat, um den gesamten laufenden Unterhalt durch eine Exekution auf die künftig fällig werdenden laufenden Bezüge des Unterhaltsschuldners hereinzubringen (10 Ob 52/17w ErwGr 1.2. ua).
[10] Seit der Neufassung des § 3 Z 2 UVG durch das FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, kommt es zwar nicht mehr auf eine erfolglose Exekutionsführung an. Durch diese Lockerung der Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 3 UVG wollte der Gesetzgeber erreichen, dass Vorschüsse zu einem früheren Zeitpunkt ausgezahlt werden können (IA 673/A 24. GP 39; 10 Ob 61/19x ErwGr 1.2.; 10 Ob 45/20w Rz 9).
[11] Da Unterhaltsvorschüsse gegenüber der zwangsweisen Hereinbringung der Geldunterhaltsleistungen weiterhin nur subsidiär zu erbringen sind, muss der Unterhaltsgläubiger aber in jedem Fall die Vollstreckung seines Unterhaltsanspruchs ernsthaft verfolgen und „taugliche“ Exekutionsmaßnahmen einleiten (IA 673/A 24. GP 39). Vor dem Vorschussantrag muss bei der Exekutionsführung der „richtige Schritt“ gesetzt werden (10 Ob 61/19x ErwGr 2.1.) und müssen in der Folge einfache Maßnahmen vorgenommen werden, um einen Erfolg der Exekution nicht von vornherein zu vereiteln (10 Ob 45/20w Rz 17; 10 Ob 4/22v Rz 13). Die bloße Tatsache einer Exekutionsführung für sich alleine führt daher noch nicht zu einer dauerhaften Möglichkeit, in Zukunft Vorschüsse auf der Grundlage von § 3 Z 2 UVG zu beantragen. Der Exekutionsantrag muss grundsätzlich erfolgversprechend (zielführend) in dem Sinn sein, dass damit die Möglichkeit besteht, den Geldunterhaltsanspruch auch zu lukrieren (RS0126246 [T1, T5]). An den Exekutionsantrag sind inhaltliche Anforderungen zu stellen, die ihn – ex ante aus Sicht des Antragstellers – zur sofortigen Geschäftsbehandlung geeignet erscheinen lassen (10 Ob 62/14m ErwGr 2.; 10 Ob 7/17b ErwGr 1. ua).
[12] In diesem Zusammenhang wird in der Rechtsprechung betont, dass für die Beurteilung, ob eine Exekutionsführung zielführend ist, nicht ausschließlich der Zeitpunkt der Antragstellung relevant, sondern die folgende Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz zu beobachten ist (10 Ob 45/20w Rz 14 mwN). Eine „taugliche“ Exekutionsführung muss jedenfalls zu diesem letztgenannten Zeitpunkt vorliegen (10 Ob 62/14m ErwGr 3.; 10 Ob 15/20h ErwGr 2. uva).
[13] Maßgeblicher Stichtag für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vorschussgewährung ist nämlich – wie allgemein – das Datum der Entscheidung erster Instanz (RS0076442 [T1]; RS0076052 [T5]). Liegen die Voraussetzungen für eine Vorschussgewährung zu diesem Zeitpunkt nicht vor, ist der Antrag abzuweisen, selbst wenn absehbar ist, dass die Voraussetzungen zum nächstfolgenden Monatsersten erfüllt sein könnten (RS0076442 [T2]). Auch die Rekursentscheidung hat auf Grundlage der Sach‑ und Rechtslage zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung zu ergehen (10 Ob 45/18t vom 13. 9. 2018, ErwGr 1.; 10 Ob 60/19z ErwGr 2.).
[14] 2. Aus diesen Überlegungen folgt unter anderem, dass der Unterhaltsgläubiger auch noch nach der Stellung des Exekutionsantrags all jene gebotenen einfachen Maßnahmen vorzunehmen hat, die erforderlich sind, um die Vereitelung der angestrebten Exekution zu verhindern. So hat er bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz über den Vorschussantrag auch Aufträgen des Exekutionsgerichts, wie etwa der Vorlage des Exekutionstitels nach § 54d EO, nachzukommen, um eine sofortige Einstellung der Exekution abzuwenden (10 Ob 45/20w Rz 17 f).
[15] Nichts anderes kann aber für sonstige gerichtliche (Verbesserungs‑)Aufträge gelten, deren Nichtbeachtung zur Abweisung des Exekutionsantrags in Ansehung der im Unterhaltsvorschussverfahren gegenständlichen Unterhaltsbeiträge führen würde.
[16] Darauf, ob diesen Aufträgen nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung über den Unterhaltsvorschussantrag nachgekommen wurde, kommt es unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze nicht an: Der Exekutionsantrag muss spätestens bis zu diesem Zeitpunkt „richtig“ eingebracht, also soweit verbessert sein, dass er einer erfolgversprechenden Geschäftsbehandlung zugänglich ist.
[17] 3. Der Revisionsrekurs führt sinngemäß ins Treffen, im vorliegenden Fall sei die Exekutionsführung trotz der bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht erfolgten Verbesserung des Exekutionsantrags erfolgversprechend gewesen, weil der Verbesserungsauftrag des Exekutionsgerichts nur den im Exekutionsantrag angeführten Unterhaltsrückstand, nicht aber den – für das Unterhaltsvorschussverfahren entscheidenden – laufenden Unterhalt betroffen habe.
[18] Dieser Argumentation ist nicht zu folgen:
[19] Der Unterhaltsgläubiger muss zwar nach ständiger Rechtsprechung gerade den (gesamten) laufenden Unterhalt in Exekution ziehen, dessentwegen der Unterhaltsvorschuss beantragt wird (vgl 10 Ob 62/14m ErwGr 2.; 10 Ob 7/17b ErwGr 1.; 10 Ob 52/17w ErwGr 1.2.; 10 Ob 45/20w Rz 8; 10 Ob 4/22v Rz 13 ua). Eine Exekutionsführung auf den bereits anerlaufenen Unterhaltsrückstand ist weder ausreichend (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 3 UVG Rz 22 mwN), noch ist diese grundsätzlich notwendig, um den in § 3 Z 2 UVG gestellten Anforderungen zu genügen (idS bereits IA 673/A 24. GP 39, unter Hinweis auf den Charakter der Vorschussleistungen als Substitut für laufende Unterhaltsleistungen).
[20] Zu beachten ist allerdings, dass nach § 8 UVG Vorschüsse (welcher Art auch immer) ab Beginn des Monats gewährt werden, in dem die Antragstellung bei Gericht erfolgt (10 Ob 355/97x). Damit kann vom Gericht ein Unterhaltsvorschuss in diesem eingeschränkten Umfang grundsätzlich auch rückwirkend für den allenfalls – wie im vorliegenden Fall – bereits fällig gewordenen Unterhaltsbeitrag für den Monat der Antragstellung gewährt werden (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 8 UVG Rz 2). Diesfalls ist es aber auch erforderlich, die Exekutionsführung iSd § 3 Z 2 UVG für diesen im Zeitpunkt des Exekutionsantrags womöglich bereits rückständigen Unterhaltsbeitrag zu initiieren. Dies folgt aus der bereits angesprochenen Subsidiarität von Unterhaltsvorschüssen gegenüber der zwangsweisen Hereinbringung der Geldunterhaltsleistungen. Die „taugliche“ Exekutionsführung muss sich aus diesem Grund auf die gesamten Unterhaltsbeiträge beziehen, für die dem Antragsteller Vorschussleistungen gewährt werden sollen.
[21] Aus dem dem Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen (ON 1) angeschlossenen ursprünglichen Exekutionsantrag der Kinder vom 4. 1. 2024 ergibt sich, dass die Exekution einerseits zur Hereinbringung des laufenden Unterhalts ab 1. 2. 2024 (von gesamt 924 EUR) beantragt wurde, andererseits zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 3.257 EUR, der im Zeitraum von 1. 11. 2023 bis 3. 1. 2024 entstanden sei. Das Exekutionsgericht trug daraufhin den Kindern am 9. 1. 2024 die Verbesserung des Exekutionsantrags auf. Die Angaben zum Unterhaltsrückstand seien zu überprüfen, da die Berechnung des Unterhalts für den angegebenen Zeitraum von 1. 11. 2023 bis 3. 1. 2024 (924 EUR x 3) einen Betrag von 2.772 EUR ergebe. Damit bezieht sich der gerichtliche Verbesserungsauftrag, dem bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz über die Vorschussanträge der Kinder nicht entsprochen wurde, auch auf den Unterhaltsbeitrag für den Monat Jänner 2024, der mit Blick auf die erwähnte Vorschrift des § 8 UVG sowie die in zeitlicher Hinsicht nicht eingeschränkten Vorschussanträge der Kinder vom Gegenstand des vorliegenden Verfahrens erfasst ist. Die Kinder hätten daher dem Verbesserungsauftrag bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz über die Gewährung der Vorschüsse nachkommen müssen, um die Voraussetzungen für einen Exekutionserfolg auch in Ansehung dieses Unterhaltsbeitrags zu gewährleisten.
[22] Der im Revisionsrekurs eingenommene Standpunkt, einer Verbesserung des Exekutionsantrags durch ein nicht zwingend vorgeschriebenes „Aufdröseln“ des Rückstands hätte es bei richtiger rechtlicher Beurteilung nicht bedurft, lässt außer Betracht, dass im Exekutionsantrag auch im vereinfachten Bewilligungsverfahren gemäß § 54b Abs 2 Z 1 iVm § 7 Abs 1 EO neben Gegenstand, Art und Umfang auch die Zeit der geschuldeten Leistung anzuführen ist. Die in sich widersprüchlichen Angaben im ursprünglichen Exekutionsantrag der Kinder, der in Exekution gezogene Unterhaltsrückstand von 3.257 EUR sei, ausgehend von einem monatlichen Unterhaltsbetrag von gesamt 924 EUR, im Zeitraum von November 2023 bis Jänner 2024 anerlaufen, sind nun aber inhaltlich nicht geeignet, das Begehren im Exekutionsantrag zu decken. Diese mangelnde Schlüssigkeit des Exekutionsantrags war vom Exekutionsgericht jedenfalls aufzugreifen (vgl § 54b Abs 2 Z 3 EO; zur Frage, ob in diesem Fall überhaupt ein verpflichtender Verbesserungsversuch zu unternehmen gewesen wäre vgl RS0106413 [T4]; Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 54 Rz 56 mwN). Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass das Exekutionsgericht den Unterhaltsgläubigern lediglich die Ergänzung ihrer ohnedies vollständigen Angaben im Exekutionsantrag aufgetragen hat.
4. Als Ergebnis ist festzuhalten:
[23] Die „taugliche“ Exekutionsführung iSd § 3 Z 2 UVG muss sich auf all jene Unterhaltsbeiträge beziehen, für die Vorschussleistungen gewährt werden sollen, also auch auf den allenfalls bereits fälligen Unterhaltsbeitrag für den Monat der Antragstellung. Einem Verbesserungsauftrag des Exekutionsgerichts, der sich auf den Antrag auf Exekution eben dieses Unterhaltsbeitrags bezieht, ist spätestens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz über den Vorschussantrag soweit nachzukommen, dass die Exekution antragsgemäß bewilligt werden kann.
[24] Das Rekursgericht hat daher die Vorschussanträge berechtigterweise mangels erfolgversprechender Exekutionsführung in Bezug auf den gesamten zu bevorschussenden Unterhalt abgewiesen.
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