OGH 10Ob62/14m

OGH10Ob62/14m21.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj E*****, geboren am 24. Juni 2012, vertreten durch das Land Wien als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung, Bezirke 1, 4‑9, 1060 Wien, Amerlingstraße 11), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. Juli 2014, GZ 43 R 405/14y‑45, womit infolge Rekurses des Bundes der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 4. Juni 2014, GZ 55 Pu 158/13p‑31, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00062.14M.1021.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die Minderjährige befindet sich in alleiniger Obsorge ihrer mütterlichen Großmutter. Die Mutter der Minderjährigen ist aufgrund einer vor dem Kinder‑ und Jugendhilfeträger abgeschlossenen Vereinbarung vom 27. 3. 2014 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 100 EUR an die Minderjährige ab 1. 2. 2014 verpflichtet.

Die Minderjährige, vertreten durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger, beantragte am 30. 5. 2014 beim Erstgericht die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG im Wesentlichen mit dem Vorbringen, die Unterhaltsschuldnerin habe nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhalt nicht zur Gänze geleistet, weshalb beim Erstgericht am 26. 5. 2014 die Exekution gegen sie beantragt worden sei.

Das Erstgericht bewilligte der Minderjährigen antragsgemäß Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich 100 EUR für den Zeitraum vom 1. 5. 2014 bis 30. 4. 2019.

Das Rekursgericht wies in Stattgebung des Rekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, den Unterhaltsvorschussantrag der Minderjährigen ab. Es sei aktenkundig, dass die Unterhaltsschuldnerin sehr häufig ihren Hauptwohnsitz geändert habe. Nach der ZMR‑Auskunft sei sie an der im Exekutionsantrag angegebenen Adresse im Sprengel des Erstgerichts nur bis 10. 4. 2014 obdachlos gemeldet gewesen, danach bis 2. 6. 2014 im Sprengel des Bezirksgerichts Hernals und nunmehr im Sprengel des Bezirksgerichts Tulln. Es sei daher der mit 26. 5. 2014 datierte Exekutionsantrag der Minderjährigen am 30. 5. 2014 beim (dafür unzuständigen) Erstgericht gestellt worden. Es wäre der Minderjährigen zumutbar gewesen, vor Einbringung eines Exekutionsantrags, insbesondere bei häufigem Wechsel des Wohnsitzes oder des Arbeitsplatzes, jene Maßnahmen zu setzen, die eine zielführende Exekution erleichtern. Der häufige Wohnsitzwechsel der Mutter ergebe sich bereits aus der ON 1 angeschlossenen Meldeauskunft. Im konkreten Fall hätte daher vor Einbringung des Exekutionsantrags eine ZMR‑Anfrage durchgeführt werden müssen, um eine Antragstellung beim unzuständigen Gericht zu vermeiden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Verhaltensobliegenheiten des Kindes bei häufig wechselndem Wohnsitz des Unterhaltsschuldners zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.

Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Im Revisionsrekurs wird nicht in Zweifel gezogen, dass der Exekutionsantrag nach § 294a EO beim unzuständigen Gericht eingebracht wurde, es wird aber die Ansicht vertreten, dass auch ein bei einem unzuständigen Gericht eingebrachter Exekutionsantrag als anspruchswahrend iSd § 8 UVG beurteilt werden müsse, da auch im Fall einer gemäß § 44 JN erfolgten Überweisung an das zuständige Gericht die bereits mit der Antragstellung beim unzuständigen Gericht eingetretene Gerichtsanhängigkeit gewahrt bleibe.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

1. Die Vorschussgewährung nach § 3 UVG setzt voraus, dass das Kind zuvor gegen den Unterhaltsschuldner exekutive Schritte beantragt oder dem Exekutionsantrag gleichgestellte Schritte gesetzt hat, wie sie in § 3 Z 2 UVG angeführt sind. Danach sind Vorschüsse insbesondere dann zu gewähren, wenn für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (Z 1) und der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbetrag nicht zur Gänze leistet sowie das Kind glaubhaft macht (§ 11 Abs 2), einen Exekutionsantrag nach § 294a EO oder, sofern der Unterhaltsschuldner offenbar keine Gehaltsforderung oder keine in fortlaufenden Bezügen bestehende Forderung hat, einen Exekutionsantrag auf bewegliche körperliche Sachen unter Berücksichtigung von § 372 EO eingebracht zu haben.

2. Unterhaltsvorschüsse iSd § 3 UVG werden daher nur dann gewährt, wenn das Kind vorher Schritte initiiert hat, um den gesamten laufenden Unterhalt durch eine zielführende Exekution auf die künftig fällig werdenden laufenden Bezüge des Unterhaltsschuldners hereinzubringen. Aufgrund der Subsidiarität der Vorschussgewährung gegenüber der zwangsweisen Hereinbringung der Geldunterhaltsleistungen muss der Exekutionsantrag grundsätzlich zielführend in dem Sinn sein, dass damit die Möglichkeit besteht, den Geldunterhaltsanspruch auch zu lukrieren. An diesen Exekutionsantrag sind daher inhaltliche Anforderungen zu stellen, die ihn ‑ ex ante aus Sicht des Antragstellers betrachtet ‑ zur sofortigen Geschäftsbehandlung geeignet erscheinen lassen. In diesem Sinn ist das Einlangen bei dem (ex ante betrachtet) zuständigen Gericht notwendig. Auch wenn das unzuständige Gericht den Antrag gemäß § 44 JN an das zuständige Gericht überweisen muss, kann die Einbringung eines Exekutionsantrags bei „irgendeinem“ Gericht kein tauglicher Antrag (im Sinne einer „Wahrung“ des Einbringungsmonats iSd § 8 UVG) sein. Maßgeblich ist vielmehr das Einlangen des Exekutionsantrags beim zuständigen Gericht, soweit dieses auch ex ante als zuständig erkennbar war ( Neumayr in Schwimann , ABGB 4 § 3 UVG Rz 20 f und 29 mwN).

3. Maßgeblicher Stichtag für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vorschussgewährung ist stets das Datum der Entscheidung erster Instanz (10 Ob 47/10z mwN). Zu diesem Zeitpunkt lag keine „taugliche“ Exekutionsführung iSd § 3 Z 2 UVG vor, weil der mit 26. 5. 2014 datierte Exekutionsantrag am 30. 5. 2014 unbestritten bei dem dafür nicht zuständigen Erstgericht gestellt worden war. Zum Zeitpunkt der Vorschussantragstellung Ende Mai 2014 wäre für das durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger vertretene Kind bereits ohne besonderen Aufwand, nämlich durch eine ZMR‑Anfrage, erkennbar gewesen, dass die Unterhaltsschuldnerin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Sprengel des Erstgerichts wohnhaft war (vgl 10 Ob 56/10y ua). Es ist dem durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger vertretenen Kind nach zutreffender Rechtsansicht des Rekursgerichts zumutbar, bei häufigem Wohnsitzwechsel ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ oder bei häufigem Wechsel des Arbeitsplatzes durch die Unterhaltsschuldnerin jene Maßnahmen (ZMR‑Anfrage, Hauptverbandsabfrage) zu setzen, die eine zielführende Exekution ermöglichen. Im konkreten Fall hätte dazu vor Einbringung des Exekutionsantrags eine ZMR‑Abfrage durchgeführt werden müssen, um eine Antragstellung beim unzuständigen Gericht zu vermeiden.

Da die Rechtsansicht des Rekursgerichts somit zutreffend ist, musste dem Revisionsrekurs der Minderjährigen ein Erfolg versagt bleiben.

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