OGH 10Ob45/20w

OGH10Ob45/20w24.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder 1. P*, geboren * 2006 und 2. A*, geboren * 2010, vertreten durch das Land Wien als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Kinder‑ und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirke 12, 23, 1230 Wien, Rößlergasse 15), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs der Kinder gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Oktober 2019, GZ 43 R 468/19w‑61, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom 23. Juli 2019, GZ 2 Pu 160/16p‑42, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130387

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Der Vater der Kinder wurde mit einstweiliger Verfügung vom 6. 7. 2018 zu monatlichen Unterhaltsleistungen für die beiden 2006 und 2008 geborenen Kinder verpflichtet (ON 2).

[2] Am 20. 8. 2018 begehrten die Kinder monatliche Titelvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG mit der Behauptung, am 13. 8. 2018 die aus Beilagen ersichtliche Exekution nach § 294a EO beantragt zu haben (ON 6 und 7). Die genannten Beilagen waren nicht angeschlossen.

[3] Die Anträge der Kinder auf Forderungsexekution nach § 294a EO wurden am 20. 8. 2018 beim zuständigen Exekutionsgericht eingebracht und am 21. 8. 2018 bewilligt. Der Vater erhob am 27. 8. 2018 Einspruch gegen die Exekution. Das Exekutionsgericht trug dem Vertreter der Kinder gemäß § 54d Abs 1 EO auf, beide Exekutionstitel innerhalb von fünf Tagen vorzulegen. Dieser Auftrag wurde nicht erfüllt. Die Exekution wurde deshalb mit Beschluss vom 2. 9. 2018 eingestellt. Alle vollzogenen Exekutionsakte wurden aufgehoben. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter der Kinder am 1. 10. 2018 zugestellt.

[4] Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 23. 7. 2019 die Anträge der Kinder vom 20. 8. 2018 auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen mangels tauglicher und zielführender Exekutionsführung ab. Seine Recherchen hätten ergeben, dass die Exekutionsführung nie rechtmäßig gewesen sei.

[5] Das Rekursgericht teilte dieseRechtsauffassung und gab dem Rekurs der Kinder nicht Folge. Es ließ (nach rechtskräftiger Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsrekursfrist) den Revisionsrekurs nachträglich zu, um die in der Zulassungsvorstellung der Kinder in Zweifel gezogene Rechtssicherheit (Gefährdung des Kindeswohls entgegen den Zielsetzungen der UVG‑Novelle 2010, Verfahren über Unterhaltsvorschüsse rasch zu bearbeiten) zu wahren.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der – nicht beantwortete – Revisionsrekurs der Kinder ist zur Klarstellung zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

[7] 1.1 Die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 3 UVG setzt voraus, dass das Kind zuvor gegen den Unterhaltsschuldner exekutive Schritte beantragt oder dem Exekutionsantrag gleichgestellte Schritte gesetzt hat, wie sie in § 3 Z 2 UVG angeführt sind (10 Ob 62/14m). Andere als die dort genannten Schritte müssen nicht gesetzt werden. Es ist auch nicht nötig, diese immer wieder zu wiederholen, solange ein enger zeitlicher und inhaltlicher Zusammenhang zwischen Exekutionsantrag und Vorschussantrag besteht (10 Ob 52/17w mwN).

[8] 1.2 Erhält ein Unterhaltsschuldner laufende Bezüge iSd § 290a EO, so werden Unterhaltsvorschüsse nur gewährt, wenn das Kind vorher Schritte gesetzt hat, um den gesamten laufenden Unterhalt durch eine zielführende Exekution auf die künftig fällig werdenden laufenden Bezüge des Unterhaltsschuldners hereinzubringen (10 Ob 52/17w mwN). Gegenüber der zwangsweisen Hereinbringung der Geldunterhaltsleistungen sind Unterhaltsvorschüsse nur subsidiär zu erbringen. Der Exekutionsantrag muss daher grundsätzlich erfolgversprechend (zielführend) in dem Sinn sein, dass damit die Möglichkeit besteht, den Geldunterhaltsanspruch auch zu lukrieren (RIS‑Justiz RS0126246).

[9] 1.3 Seit der Neufassung des § 3 Z 2 UVG durch das FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, kommt es zwar nicht mehr auf eine erfolglose Exekutionsführung an. Das Kind muss nur „taugliche“ Exekutionsmaßnahmen eingeleitet haben. Mit dieser Vereinfachung der Voraussetzungen für eine Vorschussgewährung wollte der Gesetzgeber erreichen, dass Vorschüsse zu einem früheren Zeitpunkt ausgezahlt werden können (10 Ob 61/19x; Neumayr in Schwimann/Kodek 5 § 3 UVG Rz 21). Ungeachtet dessen muss der Unterhaltsgläubiger aufgrund der Subsidiarität von Unterhaltsvorschüssen gegenüber der zwangsweisen Hereinbrinung der Unterhaltsleistungen in jedem Fall die Vollstreckung seines Unterhaltsanspruchs ernsthaft verfolgen.

[10] 1.4 Die bloße Tatsache einer Exekutionsführung für sich alleine führt daher noch nicht zu einer dauerhaften Möglichkeit, in Zukunft Vorschüsse auf der Grundlage von § 3 Z 2 UVG zu beantragen. Die Exekutionsführung muss zunächst bis zur Vorschussantragstellung grundsätzlich zielführend bleiben (10 Ob 35/10k; 10 Ob 61/19x mwN).

[11] 1.5 Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass die Voraussetzung einer tauglichen (zielführenden) Exekution noch zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz erfüllt sein muss (10 Ob 62/14m; 10 Ob 37/14k; 10 Ob 52/17w; 10 Ob 61/19x).

[12] 2.1 Es ist richtig, dass die in der bisherigen Rechtsprechung geforderte Ex‑ante‑Betrachtung zunächst auf den Zeitpunkt der Einbringung des Unterhaltsvorschussantrags abstellt:

[13] So wurde etwa die Exekutionsantragstellung bei einem (nach Wohnsitzwechsel des Schuldners) unzuständigen Exekutionsgericht nicht als taugliche Exekutionsführung angesehen (10 Ob 62/14m; 10 Ob 37/14k ua), woran die zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz über die Vorschussgewährung bereits vorliegende, allerdings noch nicht rechtskräftige Exekutionsbewilligung durch das unzuständige Gericht nichts ändern kann (10 Ob 7/15z; 10 Ob 7/17b). Ex ante betrachtet war (und blieb) die Exekutionsführung nicht zielführend. Anders entschied der Oberste Gerichtshof zu 10 Ob 61/19x in einem Fall, in dem die vom unzuständigen Gericht erlassene Exekutionsbewilligung zum Zeitpunkt der Einbringung des Vorschussantrags (und erst recht zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Vorschussantrag in erster Instanz) bereits in Rechtskraft erwachsen war. Er qualifizierte den Exekutionsantrag als zielführend, weil zum Zeitpunkt des Unterhaltsvorschussantrags die rechtskräftige Exekution weitere Exekutionsschritte zur Hereinbringung künftig fällig werdender Unterhaltsansprüche ermöglichte – und zwar auch bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz über den Vorschussantrag.

[14] 2.2 Wie bereits unter 1.5 ausgeführt, betont aber der Oberste Gerichtshof, dass für die Beurteilung, ob eine Exekutionsführung zielführend ist, nicht ausschließlich der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist, sondern auch die folgende Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in erster Instanz zu beobachten ist. So würde ein zum Zeitpunkt der Antragstellung noch untauglicher, weil beim unzuständigen Gericht eingebrachter Exekutionsantrag zielführend, wenn die Exekutionsbewilligung bis zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung über den Vorschussantrag in Rechtskraft erwachsen ist.

[15] 3.1 Im vorliegenden Fall haben die Kinder den Exekutionsantrag nach § 294a EO beim zuständigen Exekutionsgericht am 20. 8. 2018 eingebracht. Im vereinfachten Bewilligungsverfahren (§ 54b EO) musste dem Exekutionsantrag zwar keine Ausfertigung des Exekutionstitels (einstweilige Verfügung vom 6. 7. 2018) vorgelegt werden (§ 54b Abs 2 Z 2 EO) und es war nur aufgrund der Angaben im Exekutionsantrag zu entscheiden (§ 54b Abs 2 Z 3 EO). Gegen die im vereinfachten Bewilligungsverfahren ergangene Exekutionsbewilligung erhob der Vater am 27. 8. 2018 Einspruch nach § 54c EO. Aufgrund des rechtzeitigen Einspruchs wurde den Kindern als Unterhaltsgläubigern nach § 54e Abs 1 EO aufgetragen, eine Ausfertigung des im Exekutionsantrag genannten Exekutionstitels samt Bestätigung der Vollstreckbarkeit binnen fünf Tagen vorzulegen. Diesen Auftrag haben die Kinder hier nicht erfüllt.

[16] 3.2 Leitet ein Kind, das Unterhaltsvorschuss nach § 3 Z 2 UVG beantragt, das Exekutionsverfahren im vereinfachten Bewilligungsverfahren nach § 54b EO ein, muss es sich bewusst sein, dass im Fall eines fristgerechten Einspruchs des Schuldners dem Exekutionsgericht der Unterhaltstitel mit Vollstreckbarkeitsbestätigung rasch vorzulegen ist und bei Nichtbefolgung des Vorlageauftrags zeitnah die Einstellung des Exekutionsverfahrens nach § 54e Abs 1 Z 1 EO droht. Mit der Einstellung fällt die Grundlage für die Hereinbringung der Unterhaltsforderungen weg.

[17] 3.3 Nach den Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 3 UVG mit dem FamRÄG 2009 muss der Unterhaltsgläubiger in jedem Fall die Vollstreckung seines Unterhaltsanspruchs ernsthaft verfolgen, da Unterhaltsvorschüsse gegenüber der Exekution weiterhin nur subsidiär zu erbringen sind (IA 673/A 24. GP  39). Daraus ist abzuleiten, dass die Vereinfachung der Voraussetzungen für eine Vorschussgewährung nach § 3 Z 2 UVG es dem unterhaltsberechtigten Kind nicht ermöglichen soll, sich mit der Einbringung eines Exekutionsantrags zu begnügen und dann in der Folge die weitere Exekutionsführung auf sich beruhen zu lassen. Vielmehr ist zu fordern, dass eine einfache Maßnahme wie die nach § 54e Abs 1 EO geforderte Vorlage des Exekutionstitels vorgenommen wird, um einen Exekutionserfolg nicht von vornherein zu vereiteln.

[18] 4. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass für eine zielführende Exekution die bloße Exekutionsantragstellung nicht ausreicht. Vielmehr ist bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über den Vorschussantrag auch Aufträgen des Exekutionsgerichts wie etwa der Vorlage des Exekutionstitels nach § 54d EO nachzukommen, um eine sofortige Einstellung der Exekution abzuwenden.

[19] Die Vorinstanzen haben daher berechtigterweise die Vorschussanträge wegen Fehlens einer zielführenden Exekutionsführung abgewiesen.

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