European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00125.24X.0827.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Urheberrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger ist freier Journalist und dokumentiert in Form von Bild- und Tonaufzeichnungen gesellschaftspolitische Vorgänge. Er besucht in seiner beruflichen Funktion regelmäßig Demonstrationen und dokumentiert diese mit Bild- und Tonaufnahmen auf professionelle Weise. Häufig filmt er das Geschehen und schneidet die angefertigten Videos selbst.
[2] Am 11. 6. 2022 fand in Wien eine als „Marsch für die Familie“ bezeichnete Demonstration sowie eine Gegendemonstration statt. Die Teilnehmer der Gegendemonstration kamen dem Verlangen der Polizei, Abstand zur Demonstration „Marsch für die Familie“ zu halten nicht nach, worauf die Polizei gegen die Gegendemonstranten Pfefferspray einsetzte. Das wurde vom Kläger gefilmt.
[3] Der Kläger veröffentlichte einen Ausschnitt des Videos und einen Screenshot auf seinem Twitter-Account. Dies unter Verweis auf die Lizenzregeln „Creative Commons-Lizenz CC BY-NC 4.0.“, wonach das Material für nicht kommerzielle Zwecke unter Anführung des Erstellers verwendet werden dürfe.
[4] Der beklagte (öffentlich-rechtliche) Rundfunk veröffentlichte in mehreren Nachrichtensendungen in Berichten über die Demonstrationen und den Polizeieinsatz Ausschnitte des Videos und des Lichtbildes, ohne den Kläger zuvor zu kontaktieren. Der Beklagte stellte die Berichte auch auf seiner Website zum Abruf bereit. Weiters veröffentlichte der Beklagte über den Polizeieinsatz auch Artikel auf seiner Website samt Videobeitrag mit dem Video des Klägers und dessen Screenshot als Coverbild. Bei den Beiträgen wurde der Kläger als Urheber überwiegend nicht angeführt. In der Vergangenheit hatten die Streitteile bereits mehrfach Vereinbarungen über die Nutzung von Videos des Klägers getroffen, dessen Daten bei der Beklagten gespeichert sind.
[5] Der Kläger begehrte zuletzt Unterlassung und Auskunft (Stufenklage) sowie Zahlung von 2.886 EUR sA an angemessenem Entgelt gemäß § 86 UrhG und einen Ersatz in Höhe von 2.405 EUR sA als Schadenersatz nach § 87 Abs 3 UrhG.
[6] Die Beklagte vertrat den Standpunkt, dass die Nutzung des Videos und des Bildes durch die Lizenzregeln gedeckt sei, auf die der Kläger verwiesen habe. Zudem sei die Verwendung auch durch § 42c und § 42f UrhG gedeckt.
[7] Die Vorinstanzen wiesen die Stufenklage ab, gaben dem Unterlassungsbegehren zur Gänze und dem Zahlungsbegehren teilweise statt, wobei das Berufungsgericht in teilweiser Abänderung des Ersturteils dem Kläger eine Zahlung von insgesamt 2.020 EUR zusprach. Die Abweisung des Mehrbegehrens (= Stufenklage und Zahlungsbegehren im Umfang von 3.271 EUR) erwuchs in Rechtskraft.
[8] Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Beklagte die Lizenzregeln nicht erfüllt habe, weil keine nicht-kommerzielle Nutzung vorliege. Durch die Veröffentlichung der Beiträge mit dem anschaulichen Video- und Bildmaterial (des Klägers) habe der Beklagte seine Attraktivität für Zuseher erhöht, was ihn als Werbeträger fördere. Dem Beklagten müsse unterstellt werden, dass er mit der Erstellung und Gestaltung der klagsgegenständlichen Beiträge geschäftliche Vorteile (wie zB hohe Zuschauerquoten) oder eine geldwerte Vergütung durch Werbeeinnahmen erzielen möchte. Zudem sei der Kläger entgegen den Lizenzregeln teilweise nicht als Urheber bezeichnet worden.
Rechtliche Beurteilung
[9] Mit seiner außerordentlichen Revision will der Beklagte die Klagsabweisung erreichen. Das Rechtsmittel zeigt keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf.
[10] 1.1 Die Frage, ob sich der Beklagte auf die Regeln über die Lizenzgewährung berufen kann, ist von der Auslegung dieser Bedingungen abhängig und von den Umständen des Einzelfalls geprägt. Diese Prüfung wirft in aller Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0042776; zum Lizenzvertrag zB 4 Ob 22/03v; 4 Ob 238/08s; 4 Ob 16/19k), sofern nicht infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936). Letzteres vermag das Rechtsmittel nicht aufzuzeigen.
[11] 1.2 Dass die Vorinstanzen dem Beklagten – insbesondere mit Blick auf seine Stellung als größten Medieninhaber Österreichs und seiner Eigenschaft als Werbeträger – Geschäftsinteressen auch bei der Erstellung von Nachrichtensendungen unterstellten, weshalb das Video des Klägers vom Beklagten „kommerziell“ genutzt worden sei, ist jedenfalls vertretbar. Das Ergebnis der Vorinstanzen korrespondiert hier auch mit der lauterkeitsrechtlichen Rechtsprechung, wonach der beklagte Rundfunk – insbesondere wegen seiner Finanzierung durch den Verkauf von Werbezeiten und Programmentgelten – im Wettbewerb mit anderen Medienunternehmen steht (vgl zB 4 Ob 56/97g).
[12] 1.3 Abgesehen davon, dass die in den Regeln über die Lizenzgewährung geforderte Bezeichnung als Urheber im gegenständlichen Fall nur zum Teil erfolgte, bedarf die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Beklagte das Video kommerziell und deshalb nicht im Rahmen der Lizenzregeln genutzt habe, daher keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
[13] 2. Auch die Ausführungen zu § 42f UrhG können schon mangels Relevanz nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels stützen.
[14] 2.1 Die in der außerordentlichen Revision als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob – wie vom Berufungsgericht vertreten – eine mögliche Zustimmung des Urhebers (vgl RS0124069 [T3]) und/oder eine Konkurrenzsituation zwischen den Streitteilen (vgl RS0076725) (auch aus unionsrechtlicher Sicht) in die Abwägung der wechselseitigen Interessen einzubeziehen sei und ob dies einen Rückgriff auf § 42f UrhG ausschließen könne, ist für die Entscheidung nicht präjudiziell. Unabhängig vom Ergebnis einer Interessensabwägung, muss die Berufung auf § 42f UrhG nämlich schon aus folgenden Gründen scheitern:
[15] 2.2.1 Für die Zulässigkeit der Veröffentlichung eines Lichtbildes (auch eines Filmes) als Bildzitat – auch unter Berücksichtigung von Art 10 EMRK zB 4 Ob 7/19m, 4 Ob 37/22b – ist Voraussetzung, dass das in einem Bericht wiedergegebene Werk Zitat- und Belegfunktion hat (RS0124069). Ein Zitat darf nicht zu dem Zweck gebraucht werden, das Werk um seiner selbst willen der Allgemeinheit zur Kenntnis zu bringen (4 Ob 1/95). Das bloße Anführen zur Veranschaulichung oder Illustration geht über den engen Zitatbegriff hinaus (RS0124069); es reicht damit nicht aus, dass die Veröffentlichung des Werkes nur dazu diente, die Berichterstattung des Nutzers zu illustrieren, um so die Aufmerksamkeit der Leser auf den Bericht zu lenken (4 Ob 81/17s; 4 Ob 7/19m; 4 Ob 52/24m). Ein nach § 42f UrhG zulässiges Zitat muss vielmehr erkennbar der Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen (4 Ob 7/19m), etwa als Beleg oder Hilfsmittel der eigenen Darstellung (RS0131705). Es muss eine innere Verbindung zwischen dem eigenen Werk und dem fremden Werk (hier: Video) hergestellt werden (4 Ob 81/17s; RS0131705). Es reicht damit nicht aus, wenn der Nutzer eines Bildes in einem Bericht sich (nur) mit dem darauf abgebildeten Ereignis, nicht aber mit dem Werk oder mit deren Verwendung in einem bestimmten Zusammenhang auseinandersetzt (4 Ob 172/10p). Die Nutzung des zitierten Werks muss damit gegenüber den Aussagen des Nutzers akzessorischer Natur sein; das Zitat darf nicht so umfangreich sein, dass es die normale Verwertung des Lichtbildes (bzw des Videos) beeinträchtigt oder die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers ungebührlich verletzt werden (EuGH C‑516/17 , Spiegel Online, Rn 79 zu Art 5 Abs 3 lit d Richtlinie 2001/29/EG [InfoRL]). Die Zitierfreiheit darf nämlich nicht dazu führen, dass der wirtschaftliche Wert des zitierten Werks in einer ins Gewicht fallenden Weise ausgehöhlt wird (4 Ob 7/19m).
[16] 2.2.2 Die notwendige „direkte und enge Verknüpfung“ (Mitterer/G. Korn in Handig/Hofmarcher/ Kucsko, urheber.recht3 § 42f UrhG Rz 6 mwN) zwischen dem Werk und dem Zitat postuliert auch Art 5 Abs 3 lit d InfoRL. Nach dem klaren Wortlaut dieser Norm können die Mitgliedstaaten Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in Art 2 und 3 InfoRL vorgesehenen Rechte für Zitate „zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen“ vorsehen. Der Nutzer eines geschützten Werks muss damit das Ziel verfolgen, mit dem Werk zu interagieren (EuGH C‑476/17 , Pelham, Rn 71; EuGH C‑516/17 , Spiegel Online, Rn 78); das Zitat muss dazu dienen, mit dem zitierten Werk in eine Art Dialog einzutreten (Schlussanträge zu C‑476/17 , Rn 64).
[17] 2.2.3 Die Verwendung des Videos in der Berichterstattung der Beklagten erfolgte im Anlassfall nicht ansatzweise zu diesen Zwecken; eine Interaktion mit dem Werk bzw eine direkte und enge Verknüpfung zwischen dem Werk des Klägers und den Berichten der Beklagten wurde weder behauptet noch festgestellt. Schon aus diesen Gründen kann die Werknutzung durch die Beklagte nicht auf das Zitatrecht des § 42f UrhG gestützt werden.
[18] 2.2.4 Das Ergebnis hängt somit nicht davon ab, welche Kriterien die Interessensabwägung zwischen dem Urheber und Nutzer (nicht) enthalten darf. Bei dieser Sachlage käme somit der Lösung der von der Beklagten als erheblich angesehenen Rechtsfrage nur theoretische Bedeutung zu. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist aber nach § 502 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RS0088931). Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt aber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus.
[19] 2.2.5 Wegen der fehlenden Präjudizialität der aufgeworfenen Rechtsfrage erübrigt sich auch die Einholung des angeregten Vorabentscheidungsersuchens (vgl 1 Ob 164/23h; 6 Ob 215/23w; 1 Ob 29/24g).
[20] 3. Auch die Ausführungen zu § 42c UrhG zeigen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.
[21] 3.1 Der Senat hat sich zuletzt in der Entscheidung 4 Ob 120/23k (MR 2024, 35 [zust Walter]) in einer sehr vergleichbaren Konstellation mit der Frage auseinandergesetzt, ob aus § 42c UrhG eine allgemeine Rechtfertigung für die Verwertung von Lichtbildern, die Tagesereignisse zeigen oder damit in Zusammenhang stehen, abgeleitet werden kann. Dem lag zugrunde, dass der auch hier beklagte Rundfunk in einem Bericht über ein Ereignis Lichtbilder ohne Zustimmung des Urhebers verwendete. Der Senat hat die dort von den Vorinstanzen verneinte Anwendung des § 42c UrhG unter Berücksichtigung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl RS0134689), der InfoRL, der Rechtsprechung des EuGH und des Art 10bis Abs 2 der Berner Übereinkunft (Pariser Fassung) als nicht korrekturbedürftig gesehen.
[22] 3.2 Auch das Berufungsgericht hat an diese Judikatur angeknüpft. Die Argumente des Beklagten in seinem Rechtsmittel, die weitgehend seiner Argumentationslinie zu 4 Ob 120/23k entspricht, werfen keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[23] 3.3 Für die Einholung des diesbezüglich angeregten Vorabentscheidungsersuchens besteht kein Anlass, weil die Auslegung des § 42c UrhG einen den Nationalstaaten eingeräumten Spielraum betrifft. Der EuGH hat bereits klargestellt, dass Art 5 Abs 3 lit c InfoRL keine Maßnahme zur vollständigen Harmonisierung der Reichweite der in ihm aufgeführten Ausnahmen oder Beschränkungen darstellt (EuGH C‑469/17 , Funke Medien NRW, und EuGH C‑516/17 , Spiegel Online).
[24] 4. Schließlich wird auch im Zusammenhang mit §§ 86, 87 UrhG keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.
[25] 4.1 Ebenso wie bei § 1041 ABGB (vgl RS0019900) hat auch im Bereich des § 86 UrhG als Maßstab das zu gelten, was für den erlangten Vorteil sonst auf dem Markt hätte aufgewendet werden müssen (RS0021397). Die dem in seinem ausschließlichen Recht Verletzten nach § 86 Abs 1 UrhG herauszugebende Bereicherung besteht nach ständiger Rechtsprechung in dem angemessenen Entgelt, das der Benutzer für die Gestattung der Nutzung hätte bezahlen müssen (RS0021397), also das marktgerechte, im Geschäftsverkehr für vergleichbare Nutzungen übliche Lizenzentgelt (4 Ob 249/01y; RS0077086; RS0108478). Der Rechteinhaber soll so gestellt werden, als hätte er dem Verletzer die Nutzung des unbefugt verwendeten Rechts durch Vertrag eingeräumt und dafür ein Entgelt vereinbart (4 Ob 133/13g; RS0077349 [T2]). Es ist damit von jenem Entgelt auszugehen, das für die Erteilung gleichartiger, im Voraus eingeholter Bewilligungen üblicherweise verlangt und gezahlt wird (RS0077349; RS0120089: RS0108478). Richtschnur dafür hat zu sein, was redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (4 Ob 133/13g). Nach § 87 Abs 3 UrhG kann der Verletzte als Ersatz des schuldhaft zugefügten Vermögensschadens nach § 87 Abs 1 UrhG das Doppelte des ihm nach § 86 UrhG gebührenden Entgelts begehren. Für die Höhe des angemessenen Entgelts nach § 86 UrhG ist der Rechteinhaber behauptungs- und beweispflichtig; gegebenenfalls ist das angemessene Entgelt nach § 273 ZPO zu schätzen (4 Ob 133/13g; 4 Ob 219/21s ua).
[26] 4.2 Die Feststellung des üblichen Entgelts ist eine irrevisible Tatfrage (4 Ob 249/01y); ob ein Entgelt nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen angemessen ist, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (4 Ob 133/13g), der keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0110750). Die Festsetzung des angemessenen Entgelts gemäß § 273 ZPO selbst ist damit zwar als grundsätzlich revisible rechtliche Beurteilung zu qualifizieren (RS0111576, wozu auch die Frage zählt, welche maßgeblichen Faktoren zur Bemessung heranzuziehen sind, weil davon ihr Ergebnis abhängt: vgl 17 Ob 5/20i mwN). Die Anwendung des § 273 ZPO hängt allerdings ebenfalls von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und hat daher regelmäßig keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RS0121220 [T1]).
[27] 4.3 Der Anlassfall ist davon geprägt, dass der Beklagte das Video des Klägers (inkl Screenshot) in mehreren Sendungen und Artikeln mannigfaltig genutzt, die Beiträge mehrfach angekündigt und auch auf seiner Website bereitgestellt hat. Das Berufungsgericht hatte daher ua die konkrete Anzahl der Verwertungshandlungen und auch den Umstand zu klären, welches (Gesamt‑)Entgelt verständige Parteien über diese Form der Nutzung vereinbart hätten. Diese detailbelasteten Fragen sind stark einzelfallbezogen und bedürfen schon deshalb keiner näheren höchstgerichtlichen Klärung. Das Rechtsmittel zeigt bei der konkreten Betragsfestsetzung jedenfalls keine Fehlbeurteilung auf, die von den in Punkt 3 referierten Grundsätzen abweicht.
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