European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00215.23W.1220.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht, Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Der Antrag der gefährdeten Partei, der Oberste Gerichtshof möge den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art 267 AEUV anrufen, wird zurückgewiesen.
II. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die gefährdete Partei ist schuldig, den gefährdenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 3.478,26 EUR (darin 579,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung nach Kopfteilen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Beklagte und Erstgegnerin der gefährdeten Partei ist eine börsennotierte Europäische Aktiengesellschaft (SE) mit Sitz in Österreich.
[2] Die Klägerin und Gefährdete (im Weiteren: Antragstellerin) ist eine Gesellschaft (Limited) mit Sitz in der Russischen Förderation. Sie ist Aktionärin der SE (im Weiteren: die Gesellschaft) und an dieser Aktiengesellschaft mit 28.500.000 Inhaberaktien und einer Namensaktie beteiligt. Damit verfügt sie über eine Sperrminorität (in Höhe von 27,78 %).
[3] Die weiteren Gegner der gefährdeten Partei (weiteren Antragsgegner) sind Vorstandsmitglieder der SE.
[4] Zwischen einer in die Liste der sanktionierten Personen gemäß der Verordnung (EU) Nr 269/2014 vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (EU‑Sanktionsverordnung 2014) aufgenommenen Person und der Antragstellerin besteht eine – im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittige – ununterbrochene (direkte) Kontrollkette.
[5] Nach der militärischen Invasion der Russischen Föderation in die Ukraineentstand in wichtigen Märkten ein politischer und geschäftlicher Druck auf die Aktiengesellschaft. Um jegliche Einflussmöglichkeiten dieser Person auf die Gesellschaft zu beenden, wurde die Antragstellerin von der Teilnahme an der außerordentlichen Hauptversammlung vom 5. Mai 2022 und an der ordentlichen Hauptversammlung am 24. Juni 2022 ausgeschlossen. An sie wurde für das Geschäftsjahr 2021 keine Dividende ausgeschüttet. Durch diese im Frühjahr/Frühsommer 2022 getroffenen Maßnahmen konnte der erfolgreiche Fortgang des Unternehmens vorerst grundsätzlich gesichert werden.
[6] Trotz dieser Maßnahmen führt die 27,78%ige Beteiligung der Antragstellerin zu Erschwernissen bei der Finanzierung und in Vergabeverfahren. Die Aktien der Gesellschaft werden aufgrund der mittelbaren Beteiligung dieser Person und deren Sperrminorität von Wertpapieranalysten als mit Rechtsunsicherheit behaftet bewertet.
[7] In der ordentlichen Hauptversammlung am 16. Juni 2023 wurden unter Tagesordnungspunkt 7. Beschlüsse folgenden Inhalts gefasst:
„Beschlussfassung über die Erhöhung des Grundkapitals der Gesellschaft aus Gesellschaftsmitteln, Beschlussfassungen über ordentliche Herabsetzungen des Grundkapitals der Gesellschaft und Beschlussfassung über die Erhöhung des Grundkapitals der Gesellschaft gegen Sacheinlagen, und zwar
a) Beschlussfassung über die Erhöhung des Grundkapitals der Gesellschaft aus Gesellschaftsmitteln durch Umwandlung eines Teilbetrags von EUR 1.900.000.000,00 der im Jahresabschluss zum 31. 12. 2022 ausgewiesenen gebundenen Rücklagen ohne Ausgabe neuer Aktien (Kapitalberichtigung gemäß §§ 1 ff Kapitalberichtigungsgesetz);
b) Beschlussfassung über die ordentliche Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft um EUR 996.620.004,30 gemäß §§ 175 ff Aktiengesetz zum Zweck der Einstellung in nicht gebundene Rücklagen mit Reduktion des auf die einzelne Stückaktie entfallenden anteiligen Betrags am Grundkapital (ohne Zusammenlegung von Aktien);
c) Beschlussfassung über die Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft um EUR 903.379.995,70 zum Zweck der Rückzahlung eines Teils des Grundkapitals nach den Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung gemäß §§ 175 ff Aktiengesetz mit Reduktion des auf die einzelne Stückaktie entfallenden anteiligen Betrags am Grundkapital (ohne Zusammenlegung von Aktien);
d) Beschlussfassung über die ordentliche Erhöhung des Grundkapitals der Gesellschaft gemäß §§ 150 ff AktG um bis zu EUR 24.955.248,00 durch Ausgabe von bis zu 24.955.248 neuen auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit Sacheinlagen aufzubringen im Wege des Verzichts von Aktionären auf Ausschüttungsforderungen aus der Kapitalherabsetzung (Punkt c).“
[8] Diese Beschlüsse umfassen als Kern eine Ausschüttung von 9,05 EUR pro ausschüttungsberechtigter Aktie an Mitteln aus einer ordentlichen Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft, wobei bei der letztlich erzielten Ausschüttung eine Wahlmöglichkeit jedes Aktionärs vorgesehen ist, diese Ausschüttung anstelle einer Geldzahlung in Form neuer Aktien zu erhalten. Zur Ausgabe der neuen Aktien soll eine Sachkapitalerhöhung durchgeführt werden. Die Sachkapitalerhöhung erfolgt mit den Ausschüttungsforderungen jener Aktionäre und Aktionärinnen, die eine Ausschüttung in Form von neuen Aktien wählen.
[9] Die Gesellschaft wird kein Angebot für neue Aktien in Bezug auf die von der Antragstellerin gehaltenen Aktien erstatten. Das von der Gesellschaft mit der EU‑Sanktionsverordnung 2014 begründete Unterbleiben eines Angebots an die Antragstellerin auf den Bezug neuer Aktien kann – wenn sämtliche anderen Aktionäre die Wahl der Ausschüttung in Aktien wählen – zu einer Reduktion der Beteiligung der Antragstellerin auf rund 23,7 % des Grundkapitals und – wenn ausschließlich die österreichischen Kernaktionäre diese Wahl treffen – auf 24,3 % des Grundkapitals der Gesellschaft führen.
[10] Mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Hauptversammlungsbeschlüsse vom 16. Juni 2023 verband die Antragstellerin den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung ihres „Anspruchs auf Aufschiebung der Ausführung“ dieser Beschlüsse, mit der den Antragsgegnern, jedem einzelnen und gemeinsam, bis zur rechtskräftigen Gerichtsentscheidung im vorliegenden Anfechtungsverfahren in Analogie zu § 42 Abs 4 GmbHG und gemäß § 381 Z 2 EO bis zur rechtskräftigen Erledigung der auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses gerichteten Klage
(i) verboten werden möge, die vorgenannten Beschlüsse umzusetzen, konkret keine einzelne der nachfolgenden Maßnahmen zu setzen:
a. die gefassten Beschlüsse zum Firmenbuch anzumelden;
b. 1.900.000.000 EUR der im Jahresabschluss zum 31. 12. 2022 ausgewiesenen gebundenen Rücklagen oder einen Teil hiervon ohne Ausgabe neuer Aktien in Eigenkapital umzuwandeln;
c. die Veröffentlichung der Eintragung gemäß § 178 AktG zu veranlassen;
d. 96.620.004,30 EUR [gemeint offenkundig: 996.620.004,30 EUR] oder einen Teil hiervon gemäß §§ 175 ff AktG in nicht gebundene Rücklagen mit Reduktion des auf die einzelne Stückaktie entfallenden anteiligen Betrags am Grundkapital einzustellen;
e. 903.379.995,70 EUR oder einen Teil hiervon an Aktionäre auszuschütten bzw ausschütten zu lassen;
f. die Durchführung von beschlossenen Kapitalmaßnahmen ins Firmenbuch anzumelden.
(ii) Für den Fall, dass die Antragsgegner eine oder mehrere der genannten Maßnahmen bereits gesetzt hätten, möge jedem einzeln und ihnen gemeinsam aufgetragen werden:
a. den/die bereits gestellte/n Antrag/Anträge an das Firmenbuch unverzüglich zurückzuziehen;
b. die vorgenommenen Umbuchungen des Kapitals zurückzustellen;
c. die Rückzahlung des ausgeschütteten Kapitals zu veranlassen.
(iii) Ergänzend hierzu beantragte sie zuletzt, dem zuständigen Firmenbuchgericht mittels „Drittverbots“:
a. eine Unterbrechung des allenfalls eingeleiteten Firmenbuchverfahrens aufzutragen bzw eine solche Unterbrechung anzuregen;
b. anzuordnen, dass allfällige zwischenzeitlich vorgenommene Firmenbucheintragungen der angefochtenen Beschlüsse und/oder deren Durchführung unverzüglich zu löschen seien.
[11] Die Antragstellerin brachte vor, die angefochtenen Beschlüsse seien wegen eines Zulassungs- und eines Inhaltsmangels im Sinn des § 195 Abs 1 AktG sowie wegen der Verfolgung unzulässiger Sondervorteile im Sinn des § 195 Abs 2 AktG für nichtig zu erklären. Einziges Ziel der Kapitalmaßnahmen sei der treuwidrige und rechtsmissbräuchliche Eingriff in die Mitgliedschafts‑ und Vermögensrechte der Antragstellerin. Ihr solle die Sperrminorität genommen und ihre Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Gesellschaft zugunsten des Ausbaus der Einflussmöglichkeiten der „österreichischen Kernaktionäre“ geschwächt werden. Aus dem erheblichen Vermögensabfluss an die Antragstellerin (als Konsequenz der angefochtenen Beschlüsse) folge auch eine massive Schädigung der Gesellschaft, der keine Vorteile gegenüberstünden.
[12] Die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung sei zur Abwendung eines der Antragstellerin und der Gesellschaft selbst drohenden unwiederbringlichen Schadens erforderlich. Die durch eine Eintragung im Firmenbuch geschaffenen Rechtstatsachen könnten im Fall der erfolgreichen Beschlussanfechtung nur mit Wirkung ex nunc beseitigt werden, womit eine Rückführung in den vorigen Stand nicht adäquat geleistet werden könne. Der Verlust von Herrschaftsrechten sei nicht in Geld bemessbar. Durch das Einfrieren des auf die Antragstellerin entfallenden Ausschüttungsbetrags werde ihr ein Teil ihres bislang in Form von Aktien gehaltenen Vermögens mit der Konsequenz entzogen, dass es dauerhaft keinen Wertzuwachs erfahre, womit es zu einer nicht nur vorübergehenden Einschränkung komme. Durch die einstweilige Verfügung werde ein Zustand hergestellt, der nicht mehr rückführbar sei. Die Gesellschaft verwehre der Antragstellerin faktisch die Ausübung sämtlicher Aktionärsrechte; die Gesellschaft werde der Antragstellerin die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts ohnehin untersagen. Daher lägen der (zusätzlichen) Verwässerung der Anteilsrechte der Antragstellerin keine von der Rechtsordnung anerkannten Interessen zugrunde, auch wenn die Verwässerung aus wirtschaftlichen Gründen und zum Schutz des Rufs der Gesellschaft erforderlich sei.Durch die Kapitalmaßnahmen komme es zu einer dauerhaften Enteignung der Aktionärin. Zumindest im Ausmaß der (in Konsequenz der angefochtenen Beschlüsse erfolgenden) Ausschüttung an die Antragstellerin werde der Gesellschaft real Vermögen entzogen.
[13] Die Antragsgegner bestritten an erster Stelle das Bestehen des zu sichernden Anspruchs und beriefen sich dafür auf die Umsetzung der EU‑Sanktionsverordnung 2014 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) 581/2022 des Rates vom 8. April 2022, wodurch das Vermögen der Antragstellerin vollständig eingefroren worden sei. Die effektive Umsetzung dieser Verordnung erfordere auch das vollständige Einfrieren des Stimmrechts der Antragstellerin. Die Gesellschaft habe aufgrund des Ausmaßes der Beteiligung der Antragstellerin Nachteile in Form des Verlusts von Aufträgen, insbesondere jener aus dem öffentlichen Bereich und in den Märkten mit Nähe zur Ukraine, zu befürchten, was sich auch negativ auf den Aktienkurs auswirke. Es bestehe daher ein wesentliches Gesellschaftsinteresse, die drohenden Nachteile zu beseitigen. Die Maßnahmen seien bereits zur Eintragung ins Firmenbuch angemeldet worden und stünden unmittelbar vor ihrer Durchführung. Ein faktischer Bezugsrechtsausschluss liege nicht schon dann vor, wenn sich einzelne Aktionäre an der Kapitalerhöhung nicht beteiligen könnten, weil ihnen etwa die erforderlichen Geldmittel fehlten bzw sie wirtschaftlich dazu nicht in der Lage seien. In diese Kategorie sei es auch einzuordnen, wenn der Ausübende des Bezugsrechts sanktionsrechtlichen Schranken unterworfen sei. Die vorliegenden Beschlüsse seien weder ein Ergebnis treuwidriger Stimmrechtsausübung noch würden damit gesellschaftsfremde Sondervorteile verfolgt. Treuepflichten umfassten nicht nur das Verhältnis der Mitgesellschafter untereinander, sondern bestünden auch zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft (vertikale Treuepflichten). Die Gesellschaft und die anderen Aktionäre hätten ein vitales Interesse an einer beteiligungsmäßigen Reduktion der Antragstellerin unter 25 %. Die übrigen Aktionäre seien daher frei, diese eigenen Interessen zu verfolgen, umso mehr, wenn sie sich mit den Interessen der Gesellschaft deckten.
[14] Der Antragstellerin sei es zudem nicht gelungen, einen unwiederbringlichen Schaden darzulegen oder zu bescheinigen. Die Vollziehung der Kapitalmaßnahmen sei sehr wohl rückführbar. Eine zwischenzeitige Firmenbucheintragung zeitige keine dauerhafte Bestandskraft. Mit der (allfälligen) Beseitigung der Kapitalerhöhung würde auch einer möglichen Verwässerung der Anteile der Antragstellerin die Grundlage entzogen. Die Rückabwicklung erfolge in analoger Anwendung der Rechtsfolgen nach §§ 192 ff AktG über die zwangsweise Einziehung eigener Aktien. Die Grundkapitalziffer ändere sich mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung, mit der der Anfechtung Folge gegeben werde, ipso iure und sei mit Einreichung der Entscheidung zum Firmenbuch zu korrigieren. Andere Maßnahmen – wie künftig theoretisch mögliche Verschmelzungen oder Spaltungen – stünden nicht an, noch seien sie beschlossen worden. Da ein Ende der EU‑Sanktionierung nicht absehbar sei, komme der Antragstellerin unabhängig von ihrer Beteiligungshöhe ohnehin kein Stimmrecht zu. Der Ausschüttungsanspruch und die Kapitalerhöhung stünden jeweils unter der auflösenden Bedingung, dass die Durchführung der Kapitalerhöhung bis spätestens 31. März 2024 in das Firmenbuch eingetragen werde. Da vernünftigerweise nicht damit zu rechnen sei, dass die Entscheidung über die Beschlussanfechtungsklage bis zum 31. März 2024 in Rechtskraft erwachsen werde, würde die Erlassung der einstweiligen Verfügung dazu führen, dass die Kapitalmaßnahmen endgültig und irreversibel gescheitert wären. Darin läge eine beträchtliche Gefahr für die Gesellschaft.
[15] Das Erstgericht wies den Provisorialantrag aus mehreren Gründen ab. Es verneinte an erster Stelle die Passivlegitimation der Zweit- bis Sechstantragsgegner, weise doch § 197 Abs 2 AktG nur der Gesellschaft selbst die Rolle der Beklagten zu. Die sanktionierte Person sei aufgrund ihrer Kontrolle wirtschaftlicher Eigentümer der Antragstellerin und indirekter wirtschaftlicher Eigentümer der Gesellschaft im Sinn des § 2 Z 1 lit a sublit bb WiEReG. Aufgrund der Sanktionierung dieser Person seien sämtliche Gelder und wirtschaftliche Ressourcen der Antragstellerin vom „asset freeze“ betroffen. Unter den Begriff der Gelder seien gemäß Art 1 lit g sublit iii EU‑Sanktionsverordnung 2014 auch Wertpapiere zu subsumieren. Der Grundsatz des „effet utile“ verlange die bestmögliche Umsetzung des Regelungsziels. Nach dem Zweck der EU‑Sanktionsverordnung 2014 verliere die sanktionierte Person durch das Einfrieren ihrer Aktien als Gelder jede Verwendungsmöglichkeit. Sämtliche von der Antragstellerin genannten Rechte (Vermögens‑, Verwaltungs- und Herrschaftsrechte) seien nicht von der Aktie trennbar.
[16] Die bekämpften Kapitalmaßnahmen führten zudem nicht zu einem drohenden unwiederbringlichen Schaden. Die von der Antragstellerin als künftig möglich dargestellten Vorgänge wie Verschmelzungen und Spaltungen seien als abstrakte Gefährdung nicht geeignet, den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung zu begründen. Aufgrund der Sanktionierung des an ihr mittelbar Beteiligten könne die Antragstellerin ihre Aktionärsrechte ohnehin nicht wahrnehmen, insbesondere weder ein allfälliges Bezugsrecht ausüben noch Aktien verkaufen. Mit den Beschlüssen werde die Antragstellerin auch nicht von den Kapitalmaßnahmen ausgeschlossen. Eine Aufschiebung der Wirksamkeit der angefochtenen Beschlüsse würde im vorliegenden Fall nach Abwägung der gegenseitigen Interessen einen überwiegenden wirtschaftlichen Nachteil für die Gesellschaft darstellen.
[17] Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
[18] Das Rekursgericht bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, die Verweigerung der Ausübung von Stimmrechten sei im Einklang mit der EU‑Sanktionsverordnung 2014 gestanden. „Einfrieren“ im Sinne dieser Bestimmungen bedeute das Aussetzen jeglicher Zugriffs‑ und Verwendungsmöglichkeit sowie die Ruhendstellung aller damit verbundenen Nutzungsrechte und nicht bloß – abhängig vom jeweils beabsichtigten Stimmverhalten – den Ausschluss von einzelnen Tagesordnungspunkten einer Hauptversammlung. Die Antragstellerin behalte im vorliegenden Fall ihre Aktien, ihr solle aber darüber keine Verfügungsgewalt zukommen und die auf sie entfallenden Ausschüttungsbeträge seien einzufrieren. Dies habe sie angesichts der Sanktionierung hinzunehmen. Dagegen sei die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft, deren indirekter wirtschaftlicher Eigentümer (im Wege der Kontrolle über die Antragstellerin) die von den Sanktionen betroffene Person im Sinn des § 2 Z 1 lit a sublit bb WiEReG sei, faktisch belastet und entsprechenden Risiken ausgesetzt. Die von allen anwesenden Aktionären einstimmig beschlossenen Kapitalmaßnahmen lägen daher zweifelsfrei im Interesse der Gesellschaft.
Rechtliche Beurteilung
[19] Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Zu I.:
[20] Eine Partei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union durch das Gericht zu beantragen. Der darauf gerichtete Antrag der Antragstellerin, der auch keine konkreten Vorlagefragen enthält, ist damit zurückzuweisen (RS0058452 [T12, T14, T21]; RS0056514 [T14]).
Zu II.:
[21] 1. Die Antragstellerin wendet sich in ihrem Revisionsrekurs gegen die Auslegung des „Einfriergebots“ gemäß Art 2 der EU‑Sanktionsverordnung 2014 dahin, dass sämtliche Aktionärsrechte der Antragstellerin umfassend ausgesetzt seien, gegen die Beurteilung, sie habe keinen unwiederbringlichen Schaden behauptet und bescheinigt und gegen die Billigung der Interessenabwägung zugunsten der Gesellschaft. Die Ausübung von Aktionärsrechten sei (wie die OeNB in Version 5 ihres Leitfadens festhalte) im Rahmen der von der Europäischen Kommission in ihren FAQs [detto] dargelegten Kriterien zulässig. Stimmrechte eines sanktionsunterworfenen Aktionärs seien nicht gänzlich ausgesetzt, sondern lediglich in den Grenzen des Relativsatzes von Art 1 lit f der EU‑Sanktionsverordnung 2014. Die Zweit- bis Sechstantragsgegner seien passivlegitimiert.
[22] Zum Vorliegen eines drohenden unwiederbringlichen Schadens wiederholt sie im Wesentlichen ihre schon im Verfahren erster Instanz vorgetragenen Argumente. Es könne nicht darauf ankommen, ob Folgebeschlüsse konkret in Aussicht genommen seien. Die Gefährdung der Antragstellerin entstehe bereits durch die Änderung der Kapitalstruktur und durch die Möglichkeit, dass auf dieser Grundlage Folgebeschlüsse zu ihrem Nachteil gefasst werden könnten, zumal eine Rückführung nur mit Wirkung ex nunc erfolgen würde.
[23] Auch die Antragsgegner befassen sich in der Revisionsrekursbeantwortung (mit gegenteiligem Ergebnis) mit der Auslegung des Einfrierens von „Geldern“ unter Auseinandersetzung mit dem FAQ‑Dokument der Europäischen Kommission und dem Leitfaden der OeNB zu den Russland/Belarus-Sanktionen 2022. Der einstweiligen Verfügung stehe schon das Fehlen eines drohenden unwiederbringlichen Schadens entgegen. Die Entscheidung in der Hauptsache dürfe nicht durch die Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung vorweggenommen werden. Eine Interessensabwägung schlage eindeutig zugunsten der Gesellschaft aus.
Dazu war Folgendes zu erwägen:
[24] 2. Art 9 der Verordnung (EG) Nr 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE‑VO) verweist (in dieser Rangfolge) unter Abs 1 lit b auf – sofern die Verordnung dies ausdrücklich zulässt – die Bestimmungen der Satzung, in Abs 1 lit c sublit i auf das Statut der Europäischen Gesellschaft, das ist in Österreich das SE‑Gesetz, in lit c sublit ii auf die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die auf eine nach dem Recht des Sitzstaats der SE gegründete Aktiengesellschaft Anwendung finden würden, sowie danach in lit c sublit iii auf die Bestimmungen ihrer Satzung unter den gleichen Voraussetzungen wie im Falle einer nach dem Recht des Sitzstaats der SE gegründeten Aktiengesellschaft.
[25] Die Anfechtung von Beschlüssen der Erstantragsgegnerin richtet sich daher nach §§ 195 ff AktG.
[26] 3. Die Antragstellerin beantragt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 42 Abs 2 GmbHG, § 381 Z 2 EO. Nach beiden Bestimmungen bedarf es als Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eines drohenden unwiederbringlichen (nicht wiedergutzumachenden) Schadens, und zwar des Antragstellers gemäß § 381 Z 2 EO oder der Gesellschaft gemäß § 42 Abs 4 GmbHG (2 Ob 138/08w [ErwGr 6.]; 6 Ob 230/10g).
[27] Unwiederbringlich ist ein Schaden nach der Rechtsprechung dann, wenn ein Nachteil an Vermögen, Rechten oder Personen eingetreten und die Zurückversetzung in den vorigen Zustand nicht tunlich ist und Schadenersatz entweder nicht geleistet werden kann (Zahlungsunfähigkeit des Beschädigers) oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (RS0005270). Der Begriff des unwiederbringlichen Schadens darf nicht zu weit ausgelegt werden (RS0005275 [T4]). Zudem stellt nicht schon jede abstrakte oder theoretische Möglichkeit der Herbeiführung eines unwiederbringlichen Schadens eine Anspruchsgefährdung im Sinn des § 381 Z 2 EO dar (so schon 1 Ob 554/90; s auch 8 Ob 633/91 ua; RS0005295 [T3]).
[28] Die Behauptungslast für das Vorliegen konkreter Umstände, die diese Voraussetzungen begründen, liegt ausschließlich bei der gefährdeten Partei (RS0005311; RS0005295 [T4]). Sie muss konkrete Tatsachen behaupten oder bescheinigen, die die drohende Gewalt oder den drohenden Eintritt eines unwiederbringlichen Schadens als wahrscheinlich erscheinen lassen (RS0005118 [T6]). Abstrakt gehaltene Befürchtungen reichen nicht aus (RS0005369 [T9]).
[29] Diese (strengen) Voraussetzungen sind erforderlich, weil mit jeder einstweiligen Verfügung – noch vor Abklärung der jeweiligen Rechtsposition im Hauptverfahren – ein Eingriff in die Rechtssphäre des Gegners verbunden ist. Eine Beschränkung des Gegners der gefährdeten Partei kann – wiewohl noch keine rechtskräftige Sachentscheidung über die (naturgemäß) diametralen Standpunkte im Hauptverfahren vorliegt – damit nur dann gerechtfertigt sein, wenn es aus Gründen des (vorläufigen) Rechtsschutzes notwendig scheint, einen in seinen Auswirkungen auch beurteilbaren Schaden, der ohne Erlassung der einstweiligen Verfügung ansonsten wahrscheinlich eintritt und nicht mehr mit Geld ausgeglichen werden könnte, abzuwenden. Dagegen reicht nach ständiger Rechtsprechung die bloß theoretisch abstrakte Möglichkeit des Eintritts von solchen Schäden für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht aus (vgl RS0005275 [T21]).
[30] 4.1 Diesen Anforderungen kommt die Antragstellerin nicht nach.
4.2. Schaden der Gesellschaft
[31] Der drohende unwiederbringliche Schaden der Gesellschaft soll darin liegen, dass als Folge der Kapitalherabsetzung zumindest der an die Antragstellerin als Gesellschafterin (weil vom „asset freeze“ betroffen) auf ein gesperrtes Konto auszuschüttende Betrag von rund 260.000 EUR der Gesellschaft entzogen werde. Eine solche Ausschüttung mag zwar wahrscheinlich gemacht sein (also „drohen“), es fehlt aber an einem Anhaltspunkt dafür, eine Ausschüttung im Zuge einer ordentlichen Kapitalherabsetzung gemäß §§ 175 ff AktG als Schaden zu qualifizieren. Nicht jeder Vermögensabfluss aus der Gesellschaft ist auch ihr Schaden, wäre doch jede Auszahlung einer Dividende nach diesem Verständnis ein Schaden der Gesellschaft. Die Antragstellerin spricht demgemäß schon im Antrag nur mehr von einem „offensichtlichen und erheblichen Nachteil“ und legt insbesondere nicht dar, aus welchem Grund ein solcher „Nachteil“ im Fall der Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse nicht durch Rückzahlung oder Schadenersatz ausgeglichen werden könnte.
[32] Mangels nachvollziehbar behauptetem drohenden unwiederbringlichen Schaden der Gesellschaft ist eine analoge Anwendung von § 42 Abs 4 GmbHG im Aktienrecht nicht weiter zu prüfen.
4.3. Schaden der Antragstellerin
[33] 4.3.1. Die Antragstellerin erkennt selbst, dass ihr die Sperrminorität bei Erfolg der Klage wieder zukommen wird. Die Erlassung der einstweiligen Verfügung rechtfertigende Schäden sollen in einem vermeintlich dauerhaften Verlust des Werts ihrer Aktien sowie des Wertzuwachses, vor allem aber darin liegen, dass bis zur Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse auf den (umgesetzten) Kapitalmaßnahmen aufbauende mögliche Folgebeschlüsse mangels Sperrminorität von ihr nicht mehr verhindert werden könnten. Sie steht auf dem Standpunkt, es könne „für den Verlust der Sperrminorität bis zur Rechtskraft der Entscheidung“ kein adäquater Geldersatz geleistet werden.
[34] Durch die Umsetzung der angefochtenen Kapitalmaßnahmen wird es zu nachstehenden (insoweit als wahrscheinlich bescheinigten) Folgen kommen: Die Anzahl der Aktien der Antragstellerin bleibt zwar gleich, die Antragstellerin kann aber an der Ausgabe von neuen Aktien und an der Kapitalerhöhung durch Sacheinlage aufgrund der Sanktionierung (Art 1 lit f und g iVm Art 2 Abs 1 EU‑Sanktionsverordnung 2014) nicht teilnehmen. Damit ist eine Verwässerung ihres Anteils am Grundkapital und im konkreten Fall auch der Verlust der Sperrminorität verbunden.
[35] Unter Verweis auf die überwiegende Lehre (vgl Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG III6 § 198 Rz 12 [Stand 1. 4. 2019, rdb.at]; Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 § 198 Rz 13 [Stand 1. 6. 2021, rdb.at] je mwN) geht die Antragstellerin allerdings selbst davon aus, dass die aus den bekämpften Beschlüssen resultierenden Kapitalmaßnahmen rückführbar sind (zur Rückführung vgl Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 § 156 Rz 29 ff; Nagele/Lux in Artmann/Karollus, AktG III6 § 156 Rz 15 ff [Stand 1. 4. 2019, rdb.at]).
[36] Nach Obsiegen im Hauptverfahren und Rückführung der Kapitalmaßnahmen würde die Antragstellerin also (wiederum) über einen Anteil von über 25 % (27,78 %) und damit über die Sperrminorität verfügen.
[37] 4.3.2. Mit dem von ihr als unwiederbringlich qualifizierten Schaden in Form des „dauerhaften Wertverlusts“ ihres (Gesamt‑)Aktienpakets spricht die Antragstellerin den Verlust der sogenannten „Kontrollprämie“ an. Auch wenn der (auch der Antragstellerin [eingefroren] zukommende) Ausschüttungsbetrag pro Aktie gleich hoch ist, wird ihre (Gesamt-)Beteiligung von über 25 % im Zuge der Kapitalerhöhung auf unter 25 % verwässert, womit sie die Sperrminoriät (jedenfalls vorerst) verliert. Der Wert eines Aktienpakets, das Sperrminoriät vermittelt, ist insgesamt mehr wert als die Summe des Werts der einzelnen Aktien. Diese Wertdifferenz (zur Summe des Werts der einzelnen Aktien und des Ausschüttungsbetrags) stellt sich aber im Fall der Rückgängigmachung wiederum als bloß zeitweiliger und vor allem als in Geld ausgleichbarer und daher nicht als unwiederbringlicher Schaden dar. Werden die Maßnahmen (ex nunc) rückgeführt, verfügt die Antragstellerin – wie von ihr selbst zugestanden – wiederum über die Sperrminorität und damit wertmäßig auch erneut über die Kontrollprämie.
[38] 4.3.3. Gleiches gilt für den behaupteten dauerhaften Verlust einer Erwerbsmöglichkeit, der darin bestehen soll, mit den ausgeschütteten (und eingefrorenen) Barmitteln nicht an einer allfälligen Wertsteigerung der Gesellschaftsanteile zu partizipieren. Werden die Kapitalmaßnahmen in Folge eines klagestattgebenden Urteils rückgeführt, handelt es sich auch dabei (nur) um einen vorübergehenden Verlust. Der Ausschüttungsbetrag fließt dann wieder in das Unternehmen ein. Der (wiederhergestellte) Aktienanteil repräsentiert wiederum den Anteil am Wert des Unternehmens im vorherigen Ausmaß, womit (ex post) kein Verlust des „Lukrierens eines während des Einfrierens entstehenden Wertzuwachses“ entstehen kann. Auch dann kommt der Antragstellerin nämlich – anders als behauptet – eine bis zum Ende der Sanktionen eintretende Wertsteigerung der Aktien zu Gute, nimmt sie doch an der (von der Unternehmensentwicklung abhängigen) Wertsteigerung der Aktien wiederum im bisherigen Umfang teil.
[39] Auch die Antragstellerin sieht einen solchen Schaden jedenfalls als einen in Geld bemessbarenund damit nicht als einen unwiederbringlichenan.
[40] 4.3.4. Der Schwerpunkt des Rechtsmittels liegt darauf, ob im Umstand, dass die Antragstellerin bis zur Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse auf den (umgesetzten) Kapitalmaßnahmen aufbauende mögliche Folgebeschlüsse mangels Sperrminorität nicht mehr verhindern könnte, ein drohender unwiederbringlicher Schaden liegt.
[41] Die Antragstellerin trug dazu vor, wegen der nur ex nunc wirkenden (allfälligen) Rückabwicklung könnten aufgrund der bis zur Entscheidung im Hauptverfahren wirksamen Kapitalerhöhung weitere Mitgliedschaftsrechte entstehen und ausgeübt werden. Darauf aufbauende Beschlüsse wie zB inzwischen vorgenommene Änderungen der Satzung und/oder weitere Kapital‑ und/oder Umgründungsmaßnahmen wären stets wirksam. Deren erfolgreiche Anfechtung durch die Antragstellerin würde daran scheitern, dass sie die Relevanz der Mängel solcher Folgebeschlüsse mangels Sperrminorität nicht mehr aufzeigen könnte.Sie könnte eine Beschlussfassung über Strukturmaßnahmen wie insbesondere Verschmelzungen, Umgründungen und Spaltungen nach Durchführung der angefochtenen Kapitalmaßnahmen nicht mehr verhindern, zumal der Eintragung von solchen Umstrukturierungsmaßnahmen und Spaltungen im Firmenbuch absoluter Bestandsschutz zukomme.
[42] Zwar trifft es zu, dass der überwiegende Teil der Lehre Kapitalmaßnahmen mangels vergleichbarer gesetzlicher Anordnung zu § 230 Abs 2 Satz 1 AktG unter Beachtung der Lehre vom fehlerhaften Verband rückabwickeln will und insofern im Falle einer Kapitalerhöhung die Mitgliedschaftsrechte und -pflichten wirksam entstehen und ausgeübt werden können (vgl Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG III6 § 198 Rz 12 [Stand 1. 4. 2019, rdb.at]; Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 § 198 Rz 13 [Stand 1. 6. 2021, rdb.at] je mwN; so auch Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 § 156 Rz 19, 27 für den Regelfall einer fehlerhaften Kapitalerhöhung, Nichtigkeit ex tunc lediglich bei sittenwidrigen und mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht vereinbaren Beschlüssen und bei Fehlen jeglicher Einberufung, Winner aaO § 156 AktG Rz 22; allgemein zur Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Verband auf eine Kapitalgesellschaft [GmbH] RS0059097 = 1 Ob 82/58 NZ 1959, 107).
[43] Die Antragstellerin zeigt mit ihrem Verweis auf grundsätzlich mögliche, aber nicht näher umschriebene Satzungsänderungen nicht auf, inwieweit ihr durch die von ihr bloß abstrakt als möglich angesprochenen Maßnahmen überhaupt und gegebenenfalls ein nicht in Geld ausgleichbarer Schaden entstehen sollte. Auch mit der Aufzählung der theoretisch möglichen Strukturmaßnahmen ohne konkret dargelegte Veränderungen lassen sich die Auswirkungen und damit die „Schädlichkeit“ allfälliger Maßnahmen für die Antragstellerin nicht ermessen. Ganz abgesehen davon hat die Antragstellerin keine Tatsachen vorgetragen, die es wahrscheinlich machen, dass es nach Durchführung der bekämpften Beschlüsse in weiterer Folge konkret absehbar (und drohend) überhaupt zu (sie schädigenden) Strukturmaßnahmen kommen wird.
[44] Da die Antragstellerin derartige (unkonkret gebliebene) Strukturmaßnahmen ganz allgemein und als bloß objektiv abstrakt möglich („könnten“) dargestellt hat („Vielzahl der genannten Folgebeschlüsse“), fehlt es schon an der – für einen Erfolg des Rechtsmittels notwendigen – Glaubhaftmachung konkreter Tatsachen (vgl RS0011600),aus denen sich ein drohender unwiederbringlicher Schaden ableiten ließe.
[45] 4.3.5. Die Antragstellerin vertritt den Standpunkt, selbst wenn der von ihr angeführte Schaden in Geld bemessen werden könne, könne der mit den Kapitalmaßnahmen verbundene „Entzug von Herrschaftsrechten“ per se nicht mit Geld ausgeglichen werden.
[46] Der Antragstellerin werden mit Durchführung der Beschlüsse aber keine Aktien entzogen. Sie wird auch danach über dieselbe Anzahl an Aktien verfügen, über die ihr das (durch die Sanktionsmaßnahmen eingeschränkte) Herrschaftsrecht zukommt und die ihr wie bisher die Stellung als Aktionärin vermitteln. Allerdings ist die Stellung einer Aktionärin – vergleicht man sie mit der einer Gesellschafterin einer GmbH – mangels Weisungsbefugnis stark auf die Vermögenskomponente und viel weniger auf die Unternehmenslenkung fokussiert (vgl zur Grundfunktion der Aktionäre als zahlreiche haftungsmäßig auf die Einlage beschränkte Geldgeber ohne direkten Einfluss auf die Geschäftsführung 6 Ob 178/22b [ErwGr II.3.2.]).
[47] Der von ihr relevierte Schaden, den sie „Entzug der Herrschaftsrechte“ tituliert, kann sich nur auf den zuvor schon erörterten (zwischenzeitigen) „Verlust der Sperrminoriät“ bei Ausübung der mit den Aktien verbundenen Herrschaftsrechten nach Durchführung der bekämpften Beschlüsse beziehen.
[48] Folgte man ihrer Ansicht,es könnte ein Eingriff in Herrschaftsrechte per se nicht mit Geld ausgeglichen werden, wäre bei jedem „bloßen Eingriff“ in mit Aktien verbundene Herrschaftsrechte (also etwa bei jedem Stimmrechts- oder Bezugsrechtsausschluss) über Antrag des anfechtenden Aktionärs stets eine einstweilige Verfügung wegen des Eingriffs in das Herrschaftsrecht als solches zu erlassen und die Ausführung von Beschlüssen vorläufig zu unterbinden. Die Gesellschaft wäre in der Umsetzung der Beschlüsse regelmäßig blockiert; ihre Beschlüsse blieben wirkungslos. Nach dem vom Gesetz vorgegebenen Beschlussmängelrecht sollen aber mangelhafte und später für nichtig erklärte Beschlüsse bis zur rechtskräftigen Nichtigerklärung wirksam bleiben. Diese im Gesetz verankerte (vorläufige) Wirksamkeit als Grundregel würde bei Sichtweise der Antragstellerin unterlaufen und faktisch außer Kraft gesetzt.
[49] Soweit daher mit dem Eingriff in (Herrschafts‑)Rechte der Antragstellerinals Aktionärin nicht gleichzeitig ein über den bloßen Rechtseingriff hinausgehender drohender unwiederbringlicher Schaden verbunden ist, kann der Provisorialantrag auch auf diese Argumentation gestützt keinen Erfolg haben.
[50] 5. Auf die weiteren im Revisionsrekurs aufgeworfenen Fragen der Passivlegitimation der Vorstandsmitglieder muss mangels Bescheinigung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens im Sinn des § 381 Z 2 EO ebenso wenigeingegangen werden, wie darauf, ob dem Interesse einer gefährdeten Partei an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht die dem Gegner drohenden unwiederbringlichen Nachteile bei deren Erlassung gegenüberzustellen und abzuwägen wären (vgl König/Weber, Einstweilige Verfügungen6 Rz 2.54, 3.88 ff). Dass die von den Vorinstanzen zugunsten der Gesellschaft vorgenommene Abwägung der Folgen des zwischenzeitigen Verlusts der Sperrminorität gegen die Nachteile, die diese Gesellschaft bei Erlassung der einstweiligen Verfügung erleiden würde, unrichtig wäre, vermag die Antragstellerin ohnehin nicht darzulegen. Der Geschäftsgang der Gesellschaft wäre wegen der Erschwernisse bei der Finanzierung und in Vergabeverfahren sowie der Bewertung von Aktien durch Analysten als mit Rechtsunsicherheit behaftet (zumal die sanktionierte Person dann ihr indirekter wirtschaftlicher Eigentümer im Sinn des § 2 Z 1 lit a sublit bb WiEReG bliebe) erheblich erschwert. Von einer markant zugunsten der Antragstellerin als gefährdete Partei (vgl König/Weber, Einstweilige Verfügungen6 Rz 3.89) ausfallenden Interessensabwägung könnte angesichts des bescheinigten Sachverhalts nicht gesprochen werden.
[51] 6. Ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung der EU‑Sanktionsverordnung 2014 ist mangels Präjudizialität für die Entscheidung über den Provisorialantrag nicht zu stellen.
[52] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 41 und 50 ZPO. Die gefährdenden Parteien sind weiterhin durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten, sodass ihnen die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung nach Kopfteilen zu ersetzen sind.
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