OGH 2Ob138/08w

OGH2Ob138/08w14.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei H*****, vertreten durch Kaufmann & Thurnher Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. G***** GmbH, *****, vertreten durch Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, und 2. Gottfried W*****, vertreten durch Hopmeier & Wagner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung und Abgabe einer Willenserklärung (Streitinteresse insgesamt 30.885,95 EUR), über die außerordentlichen Revisionsrekurse der beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 29. April 2008, GZ 2 R 88/08w-12, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. In der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Provisorialmaßnahmen zur Sicherung von Feststellungsansprüchen, hinter denen bedingte oder künftige Leistungsansprüche stecken, anerkannt (RIS-Justiz RS0011598). In diesem Sinne wurde insbesondere im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Vereinsmitgliedern mehrfach betont, dass die Duldung der Ausübung von Mitgliedschaftsrechten (als hinter dem Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit des Ausschlusses „steckender" Leistungsanspruch) sicherungsfähig ist (9 Ob 17/02v; 7 Ob 283/02x; 2 Ob 51/05x; 10 Ob 50/06x; 4 Ob 150/07y). Nichts anderes kann gelten, wenn der Gesellschafter einer GmbH die Feststellung seiner Rechtsstellung als Gesellschafter begehrt, weil ihm diese mit der Begründung, diese sei ipso iure erloschen, streitig gemacht wird. Auch in diesem Fall steckt hinter dem Feststellungsanspruch - wie der vorliegende Fall zeigt - das Begehren auf Duldung der Ausübung der Gesellschafterrechte. Im Hinblick auf die idente Interessenlage des von der Ausübung dieser Rechte „ausgeschlossenen" Gesellschafters hält sich die Bejahung der Sicherungsfähigkeit des Feststellungsanspruchs durch das Rekursgericht im Rahmen der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur; eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

2. Das von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse wird bei Dauerrechtsverhältnissen ohne Rücksicht darauf angenommen, ob eine Leistungsklage auf aus dem Rechtsverhältnis fällig gewordene Leistungen möglich ist oder nicht (2 Ob 285/04g; RIS-Justiz RS0039110). Gerade bei Dauerrechtsverhältnissen ist das Begehren auf Feststellung geeignet, die rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien ein- für allemal klarzustellen, die objektive Ungewissheit über das Bestehen und den Umfang des Anspruchs zu beseitigen und auf diese Weise künftige Leistungsprozesse abzuschneiden (6 Ob 626/92; RIS-Justiz RS0038908).

Auch ein Gesellschaftsvertrag einer GmbH begründet ein Dauerrechtsverhältnis. Der klagenden Partei kann das Feststellungsinteresse daher nicht schon deshalb abgesprochen werden, weil ein Leistungsanspruch auf Duldung der Ausübung der Gesellschafterrechte möglich wäre.

Das Feststellungsinteresse ist ferner auch dann schon gegeben, wenn der Bestand des streitigen Rechts bestritten wird, sodass eine tatsächliche Ungewissheit oder Unsicherheit besteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Ungewissheit durch ein Verhalten des Beklagten verursacht wird (RIS-Justiz RS0038968).

Im vorliegenden Fall bestreiten beide beklagten Parteien (Gesellschaft und Mitgesellschafter bzw Geschäftsführer) die Gesellschaftereigenschaft der klagenden Partei, deren Löschung im Firmenbuch vom Zweitbeklagten veranlasst worden ist. Dem Rekursgericht ist abermals keine die Kriterien des § 528 Abs 1 ZPO erfüllende Fehlbeurteilung vorwerfbar, wenn es bei dieser Sachlage das Feststellungsinteresse der klagenden Partei hinsichtlich beider beklagter Parteien als gegeben erachtete.

3. Die seinerzeitige Anmeldung der klagenden Partei zur Eintragung in das Firmenbuch setzte gemäß § 26 Abs 1 GmbHG voraus, dass der Gesellschaft der Übergang eines Geschäftsanteils auf die klagende Partei nachgewiesen worden ist. Im Hinblick auf diese Nachweispflicht, die mit einer Überprüfungspflicht der Gesellschaft bzw des für sie handelnden Geschäftsführers korrespondiert, reicht die Tatsache der (früheren) Eintragung jedenfalls zur Bescheinigung der (damaligen) Gesellschaftereigenschaft der klagenden Partei aus. Die gegenteilige Auffassung der beklagten Parteien wirft keine Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO auf.

4. Auch wenn die strittige Satzungsbestimmung nicht nach § 914 ABGB, sondern nach den Grundsätzen der §§ 6 und 7 ABGB und daher nach objektiven Kriterien (Wortlaut, Zweck und systematischer Zusammenhang) auszulegen ist (vgl RIS-Justiz RS0108891), so ist doch zu beachten, dass unklare und eine mehrfache Deutung zulassende Bestimmungen dennoch stets in vernünftiger und billiger Weise so auszulegen sind, dass ihre Anwendung im Einzelfall brauchbare und vernünftige Ergebnisse zeitigt (vgl 2 Ob 51/05x; RIS-Justiz RS0008816; auch RS0017767, RS0017787). Folgerichtig kommt auch der objektiven Auslegung kooperativer Regelungen eines Gesellschaftsvertrags keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu (6 Ob 231/05x; 1 Ob 206/07m; je mwN).

Die vom Rekursgericht (implizit) gebilligte Auslegung durch das Erstgericht, die den Verlust der Gesellschafterstellung bei (exekutiver) Pfändung des Geschäftsanteils regelnde Satzungsbestimmung verfolge nur den Zweck, gesellschaftsfremde Einflüsse abzuwehren, ist unbedenklich; ist doch dieser Sinngehalt aus dem systematischen Zusammenhang der Punkte IX ff des Gesellschaftsvertrags durchaus ableitbar. Wenngleich die Pfändung des Geschäftsanteils noch nicht die davon umfassten Mitgliedschafts- und Verwaltungsrechte berührt (RIS-Justiz RS0087048), erfolgt die Verwertung gemäß § 76 Abs 4 GmbHG iVm § 332 Abs 2 EO doch durch Verkauf (3 Ob 249/00i), sodass ein Dritter Gesellschafter werden kann.

Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Die Auffassung der Vorinstanzen, die besagte Regelung sei - zumindest unter den konkreten Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls - bei exekutiver Pfändung des Geschäftsanteils durch einen Mitgesellschafter nicht anwendbar, beruht auf einem vertretbaren Auslegungsergebnis und erfordert keine weitere Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof.

5. Gilt nach den bisherigen Ausführungen als bescheinigt, dass die Löschung der klagenden Partei nicht der materiellen Rechtslage entsprach, ist im Provisorialverfahren auch von der Durchsetzbarkeit ihres Anspruchs auf Anmeldung zur Wiedereintragung in das Firmenbuch auszugehen. Die passive Klagslegitimation der Gesellschaft wurde zuletzt in 6 Ob 64/06i (einer Firmenbuchsache) ausdrücklich bejaht (vgl auch schon RIS-Justiz RS0059812).

6. Die Beurteilung der Anspruchsgefährdung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; sie betrifft in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO (7 Ob 102/08p; 6 Ob 52/08b; RIS-Justiz RS0005118; vgl auch RS0005103). Der Antragsteller hat die Gefährdung des Anspruchs im Sinne des § 381 Z 1 oder Z 2 EO durch Glaubhaftmachung konkreter Tatsachen darzutun (8 Ob 135/07x; RIS-Justiz RS0011600).

Die klagende Partei hat an konkreten Tatsachen bescheinigt, dass sie über Antrag des zweitbeklagten Geschäftsführers der erstbeklagten Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht und zur anschließenden außerordentlichen Generalversammlung nicht mehr zugelassen worden ist. Sie ist dadurch von der Willensbildung der Gesellschafter, aber auch von jeglicher Information und Kontrolle ausgeschlossen; auch ein Recht zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen steht ihr nicht zu (vgl RIS-Justiz RS0117624, RS0060118). Die in dieser Phase verhinderte Ausübung ihrer Gesellschafterrechte kann später nicht mehr nachgeholt werden. Insoweit ist das Rekursgericht jedenfalls vertretbar davon ausgegangen, dass die Gefahr der Vereitelung oder erheblichen Erschwerung der Durchsetzung des hinter dem Feststellungsanspruch steckenden Duldungsanspruchs (§ 381 Z 1 EO) ausreichend bescheinigt ist.

7. Da die Sicherungsmittel in § 382 EO nur beispielsweise aufgezählt sind, können zur Sicherung des Anspruchs auch andere Anordnungen als die in der EO genannten getroffen werden; die Sicherungsmittel müssen sich nach der Beschaffenheit des im Einzelfall zu erreichenden Zwecks richten (RIS-Justiz RS0004873). Die Wahl der Maßnahmen zur Erreichung des Zwecks der einstweiligen Verfügung bleibt demnach dem freien Ermessen des Gerichts überlassen, sofern nur der Rahmen des Sicherungsbegehrens nicht überschritten wird (RIS-Justiz RS0004870 [T4 und T6]). Gegen § 405 ZPO wird aber nicht verstoßen, wenn im Spruch nur verdeutlicht wird, was nach dem Vorbringen ohnehin begehrt ist (RIS-Justiz RS0004870 [T5]).

Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber lassen die in der von ihnen bekämpften einstweiligen Verfügung angeordneten Maßnahmen eine Überschreitung des Ermessensspielraums der Vorinstanzen nicht erkennen; auch ein Verstoß gegen § 405 ZPO durch das Rekursgericht liegt nicht vor.

Durch die Nennung konkreter Satzungsbestimmungen im Spruch der Entscheidung ist ausreichend klargestellt, welche besonderen „Geschäfte" den beklagten Parteien ohne die - auch bisher erforderliche - zustimmende Mitwirkung der klagenden Partei vorläufig verboten sind. Eine überschießende Sicherungsmaßnahme ist im Zustimmungserfordernis ebensowenig zu erblicken, wie in dem (auch) der erstbeklagten Gesellschaft auferlegten Verbot, „den Geschäftsanteil" entgeltlich oder unentgeltlich zu übertragen; ist doch dieser Teil des Spruchs - soweit er die Gesellschaft betrifft - im Sinne der Begründung des Rekursgerichts zu verstehen, wonach der Sicherungszweck es verlange, der Gesellschaft die Mitwirkung an der Veräußerung von Geschäftsanteilen (durch Anmeldung eines neuen Gesellschafters zur Eintragung in das Firmenbuch) zu verbieten. Schließlich erfordert auch der vom Zweitbeklagten gerügte Umstand, dass bei der Formulierung des Spruchs nicht zwischen den Geschäftsanteilen der klagenden Partei und des Zweitbeklagten unterschieden wurde, sondern nur von „dem Geschäftsanteil" die Rede ist, kein korrigierendes Eingreifen des Obersten Gerichtshofs. Abgesehen von der grundsätzlichen Einheit eines um die zusätzlich übernommene Stammeinlage erhöhten Geschäftsanteils (§ 75 Abs 2 GmbHG) geht es im Haupt- und Provisorialverfahren ausschließlich um die Gesellschafterstellung und somit den 85 %-Geschäftsanteil der klagenden Partei. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass mittels der erlassenen einstweiligen Verfügung auch nur dieser Anteil gesichert werden soll (zur Teilbarkeit des Geschäftsanteils vgl § 79 Abs 1 GmbHG iVm Punkt IX 3 des Gesellschaftsvertrags).

8. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO sind die außerordentlichen Revisionsrekurse daher zurückzuweisen.

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