OGH 3Ob249/00i

OGH3Ob249/00i27.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Bernhard Kessler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die verpflichtete Partei Edgar S*****, vertreten durch Dr. Heinz Klocker, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 91.099 S (= 6.620,42 EUR) sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 12. September 2000, GZ 2 R 279/00w-6, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 21. August 2000, GZ 13 E 1880/00d-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Verpflichtete ist nach dem Aktenstand einziger Gesellschafter einer näher bezeichneten Gesellschaft mbH (GmbH). Zur Hereinbringung einer Geldforderung beantragte die betreibende Partei 1. die Pfändung des dem Verpflichteten als Gesellschafter zustehenden Rechts auf Ausfolgung des bei Auflösung dieser GmbH zukommenden Anteils am Gesellschaftsvermögen, a) weiters die Erlassung eines Verbots an den Verpflichteten, sich jeder Verfügung über das gepfändete Recht zu enthalten, und b) die Ermächtigung, das zu 1. gepfändete Recht im Namen des Verpflichteten geltend zu machen und zu diesem Zweck "nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechts, insbesondere nach "Art 126 HGB", die Teilung oder Einleitung des Auseinandersetzungsverfahrens zu begehren, Kündigungen vorzunehmen und die sonst zur Ausübung und Nutzbarmachung des gepfändeten Rechts erforderlichen Erklärungen wirksam für den Verpflichteten abzugeben. Das Erstgericht bewilligte antragsgemäß (mit Bewilligungsstampiglie) - unangefochten - die beantragte Pfändung und behielt die Entscheidung über den Verwertungsantrag vor.

Sodann entschied das Erstgericht - ohne weiteres Verfahren und im Wesentlichen erneut antragsgemäß - über den Verwertungsantrag der betreibenden Partei dahin, dass es dieser zum Zweck der Verwertung des gepfändeten, dem Verpflichteten gegen die GmbH zustehenden Rechts auf dasjenige, was ihm bei einer Auseinandersetzung zukommen werde, ermächtigte, dieses Recht im Namen des Verpflichteten geltend zu machen und zu diesem Zweck nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Teilung oder Einleitung des Auseinandersetzungsverfahrens zu begehren, Kündigungen vorzunehmen und die sonst zur Ausübung und Nutzbarmachung des gepfändeten Rechts erforderlichen Erklärungen wirksam für den Verpflichteten abzugeben. Das Rekursgericht wies den Verwertungsantrag ab. Der Geschäftsanteil des Gesellschafters einer GmbH sei die Gesamtheit der Rechte, die diesem zukämen. Die Exekution auf den Geschäftsanteil einer GmbH vinkuliere das Gesamtrecht zugunsten des betreibenden Gläubigers und schaffe ein gegenüber Dritten absolutes Recht. Der Geschäftsanteil der GmbH zähle zu den in §§ 331 ff EO behandelten Vermögensrechten. Die Exekution darauf sei ein mehrstufiges Verfahren, das aus der Pfändung, der Verwertung und der Verteilung des Erlöses bestehe. Beim Geschäftsanteil einer GmbH bestehe die gewöhnliche Verwertungsart im Verkauf des Geschäftsanteils. Eine Verwertung durch Überweisung nach § 333 EO sei nicht zulässig, weil die Pfändung des Geschäftsanteils nicht zur Ausübung von Mitgliedschaftsrechten des Gesellschafters, daher auch nicht zur Kündigung (der GmbH) berechtigte. Im vorliegenden Fall habe die betreibende Partei nicht die Pfändung des Geschäftsanteils des Verpflichteten, sondern lediglich die Pfändung eines aus seiner Gesellschafterstellung resultierenden einzelnen Rechts auf Ausfolgung des bei Auflösung dieser Gesellschaft zukommenden Anteils am Gesellschaftsvermögen beantragt. Berechtige schon die Pfändung aller Gesellschafterrechte - des Geschäftsanteils - nicht zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte, insbesondere auch nicht zur Kündigung, so gelte dies umsomehr für den Fall einer Pfändung eines einzelnen aus dem Geschäftsanteil resultierenden Rechts. Es käme einer Umgehung der zwingenden Bestimmungen über die Verwertung eines Geschäftsanteils an einer GmbH gleich, wenn durch Pfändung eines einzelnen Rechts im Rahmen der Verwertung plötzlich Mitgliedschaftsrechte, etwa auf Kündigung der Gesellschaft, eingeräumt werden könnten. Da die Wirksamkeit der Pfändung nicht davon abhänge, ob die betreibende Partei von Anfang an einen richtigen Verwertungsantrag stelle, bleibe die mit dem rechtskräftigen Beschluss des Erstgerichts ausgesprochene Pfändung aufrecht. Der damit verbundene Verwertungsantrag der betreibenden Partei entspreche aber nicht dem Gesetz.

Rechtliche Beurteilung

Der von der zweiten Instanz mit der Begründung, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Verwertung eines gepfändeten Rechts auf Ausfolgung des bei Auflösung einer Gesellschaft mbH zukommenden Anteils am Gesellschaftsvermögen, zugelassene Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Bei einem Geschäftsanteil an einer GmbH handelt es sich um eine Summe

von Rechten und Pflichten des Gesellschafters (SZ 44/125; SZ 57/30 =

EvBl 1984/78 = GesRZ 1984, 166 = NZ 1985, 71; 3 Ob 108/95 = GesRZ

1996, 45 ua; Gellis/Feil, GmbHG4 § 76 Rz 20; Koppensteiner, GmbHG §

75 Rz 4; Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5 353, 426 f). Auf

einen derartigen Geschäftsanteil greift der betreibende Gläubiger mit

Exekution auf "andere Vermögensrechte" nach §§ 330 ff EO. Diese

Exekution vinkuliert das Gesamtrecht zu Gunsten des betreibenden

Gläubigers. Wie schon das Rekursgericht zutreffend darlegte, erfasst

die Pfändung eines GmbH-Geschäftsanteils nicht die in diesem Anteil

(vor allem wie hier beim 100%-Anteil) enthaltenen Mitgliedschafts-

und Verwaltungsrechte, die beim Verpflichteten bleiben (3 Ob 186/94 =

EvBl 1996/94 = RdW 1996, 360 mwN auch aus deutschem GmbH-Recht

[Schumacher 351 mwN in FN 11]; 6 Ob 27/95 = SZ 68/185 = EvBl 1996/59

mwN; vgl auch 8 Ob 139/98v = SZ 71/176; Gellis/Feil aaO § 76 Rz 21;

Rowedder, GmbHG3, § 15 dGmbHG Rz 46 mwN zur Verpfändung). Entsprechend der Spezialbestimmung des § 76 Abs 4 GmbHG erfolgt die Verwertung des gepfändeten Geschäftsanteils demnach durch Verkauf gemäß § 332 Abs 2 EO, primär Zwangsverkauf aus freier Hand (SZ 57/30; EvBl 1996/94; Oberhammer in Angst, EO Rz 27 ff mwN; Gellis/Feil aaO § 76 Rz 21; Meyer-Landrut, GmbHG, § 15 dGmbHG Rz 53) und zwar ausschließlich (3 Ob 186/94; Winter in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz9, § 15 dGmbHG Rz 177), unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Verkauf beweglicher Sachen in der Fahrnisexekution.

Im vorliegenden Fall hat die betreibende Partei nicht den Geschäftsanteil gepfändet, sondern ein Einzelrecht, nämlich das dem Verpflichteten als Gesellschafter zustehende Recht auf Ausfolgung des bei Auflösung der GmbH zukommenden Anteils am Gesellschaftsvermögen. Die aus der Mitgliedschaft erfließenden Forderungen, etwa auf den Gewinnanteil, die Abfindung beim Ausscheiden und die Liquidationsaquote, sind als Vermögensrechte zwar grundsätzlich auch pfändbar, freilich nach den Regeln über die Pfändung von Forderungen (Winter aaO Rz 187; Rowedder aaO Rz 77; Ulmer in Hachenburg, GmbHG8 Anh § 15 dGmbHG Rz 80, 93). Oberhammer (aaO Rz 31) und Koppensteiner (aaO § 76 Rz 30 zur Verpfändung) vertreten nun die Auffassung, zulässig sei die Ermächtigung des betreibenden Gläubigers iSd § 333 EO, den Gesellschaftsvertrag zu kündigen, wenn der Verpflichtete als Gesellschafter das Recht hat, den Gesellschaftsvertrag zu kündigen. Dagegen vertritt Gellis/Feil (aaO § 76 Rz 21; vgl dazu Rowedder aaO Rz 46 zur Verpfändung) dies als unzulässig, weil die Kündigung der Gesellschaft die Ausübung eines typischen Mitgliedschaftsrechts darstellt. Torggler (Zur Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen in GesRZ 1977, 112 ff, 118) erachtet die Tragfähigkeit dieser Begründung für den Fall als zweifelhaft, dass dem Verpflichteten ein statutarisches Kündigungsrecht zusteht. Dass dies hier der Fall wäre, hat die betreibende Partei in ihrem Antrag nicht behauptet, sodass sich eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Lehrmeinung, der sich erkennbar auch Oberhammer (aaO) und Koppensteiner (aaO) anschließen, unterbleiben kann. Demnach könnte im vorliegenden Fall die betreibende Partei entweder den Geschäftsanteil an einer GmbH als Inbegriff der vermögenswerten Gesellschafterrechte nach den oben dargelegten Regeln nur als Ganzes oder aus der Mitgliedschaft erfließende vermögenswerte Einzelrechte des Verpflichteten nach den Regeln der Forderungsexekution in Exekution ziehen; dies hat sie nicht getan.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Über den im Rechtsmittel enthaltenen Eventualverwertungsantrag der betreibenden Partei durch Verkauf des Geschäftsanteils des Verpflichteten an der GmbH wird das Erstgericht zu entscheiden haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 50, 40 ZPO.

Stichworte