OGH 4Ob588/71

OGH4Ob588/717.9.1971

SZ 44/125

Normen

ABGB §367
ABGB §870
ABGB §871
ABGB §875
ABGB §1393
Genossenschaftsgesetz §1
Genossenschaftsgesetz §5 Z5
Genossenschaftsgesetz §83
ABGB §367
ABGB §870
ABGB §871
ABGB §875
ABGB §1393
Genossenschaftsgesetz §1
Genossenschaftsgesetz §5 Z5
Genossenschaftsgesetz §83

 

Spruch:

Die Eintragung im Anteilbuch der Genossenschaft ist dafür, wem die Anteile tatsächlich gehören, nicht maßgeblich. Diese Eintragung begrundet keine Rechte und gibt auch keinen Publizitätsschutz wie etwa Eintragungen im Grundbuch. Maßgeblich ist vielmehr, ob ein Genossenschaftsanteil rechtsgültig erworben wurde

Der Geschäftsanteil an einer Genossenschaft ist - ebenso wie derjenige an einer GmbH - ein Inbegriff von Rechten und Pflichten des Mitgliedes gegenüber der Genossenschaft oder der Gesellschaft

Die Übertragung solcher Anteile erfolgt daher nach den Grundsätzen über die Abtretung von Forderungen und nicht nach sachenrechtlichen Bestimmungen. § 367 ABGB ist nicht anwendbar

OGH 7. 9. 1971, 4 Ob 588/71 (OLG Graz 4 R 33/71; LG Klagenfurt 18 Cg 111/70)

Text

Der Kläger behauptet, Johann O sei Inhaber von 10 Geschäftsanteilen an der E-Werks-Genossenschaft I reg Genossenschaft m b H gewesen. Dieser Genossenschaft habe ein E-Werk gehört, das später von der KELAG gegen Lieferung von Freistrom in einem bestimmt festgelegten Ausmaß an die bisherigen Genossenschaftsmitglieder übernommen worden sei. Nach dem Krieg habe Johann O durch etwa 10 Jahre als vermißt gegolten, und "deshalb" sei seine Frau Berta O im Hauptbuch der Genossenschaft als Besitzerin der Geschäftsanteile geführt worden. Die "Übertragung" der Geschäftsanteile von Johann O an Berta O sei vom Vorstand der Genossenschaft genehmigt worden. Nach dem Tod der Berta O seien die Geschäftsanteile an ihre Tochter Johanna N übergegangen. Von dieser habe der Kläger die 10 Geschäftsanteile im Jahre 1963 erworben. Dieser Kauf sei von der Genossenschaft genehmigt und im Hauptbuch vollzogen worden. Dies habe der Beklagte als Obmann der Genossenschaft gewußt. Als die Geschäftsanteile nach der Übernahme des E-Werkes durch die KELAG wegen des Rechtes zum Bezug auf Freistrom plötzlich einen großen Wert erlangt hätten, habe der Beklagte Johann O ausfindig gemacht und diesem mitgeteilt, daß er an sich noch Inhaber von 10 Geschäftsanteilen der E-Werks-Genossenschaft I sei. Der Beklagte habe Johann O veranlaßt, dies der Genossenschaft mitzuteilen. Nach Einlangen des Schreibens des Johann O (vom 3. 3. 1968) bei der Genossenschaft habe der Beklagte die 10 Geschäftsanteile von Johann O erworben. Der Kläger habe diese Anteile seinerzeit gutgläubig erworben, weil die Eintragung im Hauptbuch der unwiderlegbare Beweis für den Besitz der Geschäftsanteile gewesen sei und der Kläger darauf vertrauen durfte. Johann O habe aber nichts davon gewußt, daß seine Tochter die Geschäftsanteile bereits im Jahre 1963 dem Kläger verkaufte. Diesen Umstand habe der Beklagte dem Johann O verschwiegen, der bei Kenntnis des Sachverhaltes die Geschäftsanteile dem Beklagten nicht verkauft hätte. Wegen dieser Irreführung des Johann O habe der Beklagte die Geschäftsanteile unredlich und unrechtmäßig erworben. Tatsächlich gehörten sie dem Kläger. Obgleich die Genossenschaft schon seit November 1967 in Liquidation sei, habe der Beklagte im Hauptbuch für Geschäftsanteile Veränderungen und Streichungen vorgenommen, sodaß er als Eigentümer der strittigen Geschäftsanteile darin aufscheine. Die zuständigen Organe der Genossenschaft in Liquidation hätten den Erwerb der Geschäftsanteile durch den Beklagten nicht genehmigt. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der Kaufvertrag zwischen dem Beklagten und Johann O über diese 10 Geschäftsanteile nichtig sei, und beantragt weiters, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Eintragung im Hauptbuch dahin richtigzustellen, daß diese Geschäftsanteile dem Kläger gehören, und dies auch der KELAG mitzuteilen.

Der Beklagte behauptet, daß der Kläger zur Zeit des angeblichen Erwerbes der Geschäftsanteile bereits gewußt habe, daß Johann O noch lebt und die Anteile diesem und nicht seiner Frau oder Tochter gehörten. Der Beklagte habe Johann O anläßlich des Erwerbes der Geschäftsanteile durch ihn nicht irregeführt. Ein Recht zu verlangen, daß Eintragungen im Hauptbuch der Genossenschaft vorgenommen oder der KELAG bestimmte Mitteilungen gemacht werden, stehe dem Kläger gegenüber dem Beklagten nicht zu.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, daß die E-Werk I reg Genossenschaft m b H seit 17. 12. 1967 in Liquidation ist; Liquidatoren sind der Beklagte und weitere vier Personen. Zeichnungsberechtigt sind je zwei Liquidatoren gemeinsam. Der Beklagte war von 1961 bis zur Auflösung der Genossenschaft deren Obmann. Johann O war nach dem Krieg vermißt. Er wurde nicht für tot erklärt. Er hat über seine Anteile an der Genossenschaft bis zur Übertragung an den Beklagten im Jahre 1968 nie verfügt. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß die Geschäftsanteile des Johann O weder auf seine Frau noch auf seine Tochter übergegangen seien und er darüber durch Veräußerung an den Beklagten rechtmäßig verfügen konnte. Der Kläger habe sie dagegen nicht rechtmäßig erworben, weil er sie von jemandem gekauft habe, der zur Veräußerung der Geschäftsanteile nicht befugt war. Die Eintragung in den Büchern der Genossenschaft hätten in die Rechte des Johann O nicht eingreifen können. Daß der Beklagte anläßlich des Erwerbes der Geschäftsanteile des Johann O nichts davon sagte, daß sie seine Tochter - allerdings unberechtigterweise - bereits dem Kläger verkauft hatte, könnte der Kläger, der nicht Vertragspartner des Beklagten gewesen sei, nicht geltend machen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, S 15.000.- übersteigt. Zur Bekämpfung der Feststellung des Erstgerichtes, daß Johann O über die 10 Geschäftsanteile bis zum Verkauf an den Beklagten nicht verfügt habe, führte das Berufungsgericht aus, daß diese Feststellung unbedenklich sei und der Kläger im Verfahren erster Instanz Gegenteiliges gar nicht behauptet habe. Rechtlich vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, daß die Frage, ob die Geschäftsanteile der Genossenschafter überhaupt auf andere übertragen werden konnten (§ 83 Genossenschaftsgesetz) und ob die Übertragung als Abtretung von Forderungen oder als Überlassung einer beweglichen Sache zu beurteilen sei, offenbleiben könne. Aus dem Vorbringen des Klägers ergebe sich nämlich kein Anhaltspunkt dafür, daß Johann O die Geschäftsanteile seiner Frau oder seiner Tochter im Sinne des § 367 ABGB anvertraut habe, sodaß der Kläger sein Begehren schon deswegen nicht auf diese Gesetzesbestimmung stützen könne. Der Kläger habe die Geschäftsanteile von Johanna N nicht aus einem gültigen und tauglichen Rechtsgrund erworben, weil sie selbst nicht Eigentümerin der Geschäftsanteile gewesen sei, sodaß der Kläger auch mit einer Klage nach § 372 ABGB nicht durchdringen könne. Die Eintragung in den Büchern der Genossenschaft verschaffe kein Recht an den Geschäftsanteilen. Ob der Erwerb der Geschäftsanteile durch den Beklagten von den Organen der Genossenschaft genehmigt worden sei, sei dafür, daß der Kläger sie nicht erworben habe, ohne Bedeutung. Die Anfechtung des Vertrages wegen angeblicher Irreführung sei dem Kläger verwehrt, weil er nicht Vertragspartner des Beklagten beim Erwerb der Geschäftsanteile durch diesen gewesen sei. Umstände, welche die angebliche Unsittlichkeit des Vertrages zwischen dem Beklagten und Johann O begrunden könnten, habe der Kläger nicht behauptet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der rechtlichen Beurteilung ist davon auszugehen, daß ein Geschäftsanteil an einer Genossenschaft ebenso wie ein Geschäftsanteil an einer Gesellschaft m b H einen Inbegriff von Rechten und Pflichten des Mitgliedes gegenüber der Genossenschaft oder der Gesellschaft darstellt (SZ 36/155; ferner Graschopf Gesellschaft m b H 264, Gellis, KommzGmbhG 226). Die Übertragung solcher Anteile erfolgt daher nach den Grundsätzen über die Abtretung von Forderungen und nicht nach sachenrechtlichen Bestimmungen. Auf die Abtretung von Forderungen ist aber nach herrschender Lehre § 367 ABGB nicht anwendbar. Nur bei Inhaberpapieren kann sich der Erwerber auf diese Bestimmung berufen, sonst wirkt die Weitergabe der Urkunde über eine Forderung wie eine Zession (Klang - Klang[2] II 222, Gschnitzer Sachenrecht 98 ff insbes 100, Ehrenzweig System § 327 Anm 5 und davor, SZ 24/13). Der Kläger beruft sich somit schon deswegen zu Unrecht auf einen gutgläubigen Erwerb im Sinne des § 367 ABGB oder ein Recht nach § 372 ABGB, sodaß eine Erörterung seiner Ausführungen dazu im einzelnen entbehrlich ist. Bemerkt sei lediglich, daß eine Klage nach § 372 ABGB zwar nicht - wie das Berufungsgericht meint - deswegen erfolglos bleiben müßte, weil der Kläger keinen gültigen Titel hat, sondern weil auch der Beklagte einen gültigen und nicht einen schwächeren Titel besitzt. Nach den Grundsätzen über die Abtretung von Forderungen hätte somit der Kläger darzutun, daß ihm die strittigen Anteile von jemandem übertragen wurden, der im Namen des Johann O handelte oder auf den sie von Johann O rechtswirksam übergegangen waren. Dies wurde, wie bereits ausgeführt, nicht einmal schlüssig behauptet.

Die Eintragung im Anteilsbuch der Genossenschaft ist dafür, wem die Anteile tatsächlich gehören, nicht maßgeblich. Diese Eintragung begrundet keine Rechte und gibt auch keinen Publizitätsschutz wie etwa Eintragungen im Grundbuch. Maßgeblich ist vielmehr, ob ein Genossenschaftsanteil rechtsgültig erworben wurde (vgl für das GesmbHG Gellis a a O 97, 240).

Der Kläger stützt sein Begehren weiter darauf, daß das Vorgehen des Beklagten deswegen sittenwidrig gewesen sei, weil er Johann O verschwiegen habe, daß die Geschäftsanteile, die der Beklagte erwerben wollte und auch erworben hat, bereits von der Tochter des Johann O veräußert worden waren. Johann O hätte bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes die Anteile dem Beklagten nicht verkauft. Damit behauptet der Kläger, daß das Vorgehen des Beklagten listig im Sinne des § 870 ABGB gewesen sei und der Vertrag zwischen Johann O und dem Beklagten deswegen anfechtbar sei. Ein darauf gestütztes Anfechtungsrecht steht aber, wie bereits die Untergerichte zutreffend hervorgehoben haben, nur dem Vertragspartner, nicht auch einem außenstehenden Dritten zu. Die Worte "der andere Teil" haben in den §§ 870, 875 ABGB die gleiche Bedeutung wie im § 871 ABGB (Gschnitzer - Klang[2] IV 114, 134). Es steht daher die Befugnis, den Vertrag wegen listiger Irreführung anzufechten, auch nur dem Vertragspartner zu. Vertragspartner des Beklagten beim Erwerb der Genossenschaftsanteile war aber der Kläger nicht.

Mit Recht hat das Berufungsgericht auch darauf verwiesen, daß zusätzliche, über die angebliche Irreführung hinausgehende Umstände, die das Vorgehen des Beklagten sittenwidrig erscheinen lassen könnten, nicht dargetan wurden. Das Vorbringen des Klägers erschöpft sich inhaltlich vielmehr in der Behauptung, der Beklagte habe dem Johann O bewußt verschwiegen, daß der Kläger die Geschäftsanteile bereits gutgläubig erworben habe, und Johann O hätte bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes diese Anteile dem Beklagten nicht verkauft. Das weitere Vorbringen dazu bedeutet nur eine Darstellung, warum der Beklagte den wahren Sachverhalt kannte und welche Handlungen er setzte, um den Erwerb der Genossenschaftsanteile auch in den Büchern der Gesellschaft erkennbar zu machen. Der Behauptung, das Vorgehen des Beklagten habe sich auf wohlerworbene Rechte des Klägers ausgewirkt, ist entgegenzuhalten, daß der Kläger die von ihm behaupteten Rechte nur vermeintlich, aber nicht wirklich erworben hat, weil er sie von jemandem ableitete, der über die Anteile nicht verfügungsberechtigt war. Sein Begehren auf Feststellung der "Nichtigkeit" des Vertrages zwischen dem Beklagten und Johann O über den Erwerb der Genossenschaftsanteile und auf Vornahme von Handlungen, um dem vom Kläger behaupteten Erwerb der Genossenschaftsanteile Wirkung zu verschaffen, ist somit unbegrundet.

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