OGH 17Ob2/24d

OGH17Ob2/24d7.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Painsi, Dr. Stefula und MMag. Sloboda und die Hofrätin Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* GmbH *, vertreten durch Dr. Keyvan Rastegar, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R* K*, vertreten durch Mag. Nevena Shotekova‑Zöchling, Rechtsanwältin in Wien, wegen 471.745,27 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 422.105,77 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Juli 2023, GZ 3 R 60/23z‑110, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Handelsgericht vom 23. Jänner 2023, GZ 6 Cg 150/17i‑100, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0170OB00002.24D.0507.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Insolvenzrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren obliegt dem Erstgericht (§ 52 Abs 3 ZPO).

 

Entscheidungsgründe:

[1] Über das Vermögen der C* GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) wurde mit insolvenzgerichtlichem Beschluss vom 21. 10. 2016 das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Die Bezeichnung des Verfahrens wurde mit Beschluss vom 15. 2. 2017 auf Konkursverfahren abgeändert.

[2] Die Schuldnerin war im Jahr 2007 gegründet worden. Ihr alleiniger Geschäftsführer war bis 1. 9. 2009 M* K*. Dieser war während des gesamten Zeitraums zudem als Kassier vertretungsbefugtes Organ des Vereins C*, dem Mehrheitsgesellschafter der Schuldnerin seit dem Jahr 2009.

[3] Im Jahr 2008 erwarb die Schuldnerin aus einer Insolvenzmasse drei Liegenschaften in U* um einen Kaufpreis von brutto 1.316.880 EUR. Der Erwerb wurde über einen Fremdwährungskredit der N* Aktiengesellschaft (in der Folge: N-Bank) finanziert. Auf den Liegenschaften wurde im Grundbuch für die N-Bank ein Simultan-Höchstbetragspfandrecht im Betrag von 2 Mio EUR eingetragen. M* K* übernahm die persönliche Haftung für die Kreditrückführung in einem Betrag von 500.000 EUR.

[4] Die Liegenschaften wurden von der Schuldnerin vermietet. Hauptansprechpartner der Mieter bei der Schuldnerin war bis zuletzt – und somit auch nach Zurücklegung seiner Geschäftsführung – M* K*.

[5] Die Schuldnerin war selbst Mieterin einer anderen Liegenschaft. Sowohl im Zuge dieses Mietverhältnisses als auch im Zuge von dasselbe betreffenden gerichtlichen und außergerichtlichen Auseinandersetzungen trat M* K* gegenüber dem Vertreter der Vermieterin DI G* als Vertreter der Schuldnerin auf. So war er auch bei einem gemeinsam mit DI G* wahrgenommenen Termin bei der S* Bank im Jahr 2010 für die Schuldnerin alleine anwesend. M* K* teilte im Zuge seines Auftretens für die Schuldnerin nach Zurücklegung der Geschäftsführung DI G* nicht mit, dass er Geschäftsführer oder Prokurist der Schuldnerin sei, nannte ihm aber auch keine andere Funktion innerhalb der Schuldnerin. Dagegen traten die nach ihm bestellten Geschäftsführer (vom 1. 9. 2009 bis 20. 7. 2010 Mag. S* N*, danach bis 1. 4. 2011 Ing. P* V*, danach bis 1. 2. 2013 DI F* R* und schließlich bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens Ing. K* S*) gegenüber DI G* nicht rechtsgeschäftlich auf und unterbanden das Auftreten von M* K* für die Schuldnerin auch nicht. In den rund zwanzig Gerichtsverhandlungen, in denen jenes Mietverhältnis Gegenstand war, war neben dem anwaltlichen Vertreter der Schuldnerin Geschäftsführer Ing. K* S* anwesend. M* K* hielt sich regelmäßig als Zuschauer oder informierter Vertreter der Schuldnerin im Gerichtssaal auf und beteiligte sich an außergerichtlichen Anwaltsterminen. Dabei setzte er sich auch mit einem möglichen Ankauf jener Liegenschaft durch seine Gattin auseinander.

[6] Auch betreffend die Liegenschaften der Schuldnerin in U* brachte sich M* K* nach Zurücklegung seiner Geschäftsführerstellung in die Abwicklung von Geschäften und die Verwaltung ein; lediglich bei für die Schuldnerin rechtlich relevanten Entscheidungen zog er Ing. K* S*, welcher seit 1. 2. 2013 alleiniger Geschäftsführer der Schuldnerin war, formal bei. Insbesondere war er für technische Belange der Mietobjekte zuständig und verfolgte das Ziel, den Mietbestand aufrecht zu erhalten. Er beteiligte sich im Namen der Mehrheitsgesellschafterin der Schuldnerin auch an Gesprächen mit Bankenvertretern.

[7] Die N‑Bank drängte bereits seit mehreren Jahren auf die Rückführung des Kreditobligos, welches aufgrund der Entwicklung des Schweizer Franken in den Folgejahren zeitweise auf bis zu 1,9 Mio EUR angestiegen war. Weil die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin derart angespannt war, dass eine Bedienung des Kredits nicht wie vereinbart erfolgte, forderte der Kontobetreuer Dr. H* von der Schuldnerin den Verkauf der Liegenschaften in U*. In diesem Zusammenhang beteiligte sich Dr. H* an den Bemühungen, einen Käufer zu finden, und wandte sich dazu unter anderem an die Mieterin D* KG, die schließlich am 17. 6. 2013 ein Angebot über 1 Mio EUR legte. Die Kontobetreuung war in der Zwischenzeit aber an die Betreibungsabteilung der N‑Bank abgetreten worden, die für eine Bereinigung der Außenstände den Betrag von 1,1 Mio EUR verlangte. Ein Kaufvertrag mit der D* KG kam in der Folge nicht zustande; im Gegenteil kündigte diese an, das Mietobjekt in den nächsten Jahren aufzugeben. Auch ein weiterer Interessent bot lediglich 800.000 EUR.

[8] Auch M* K* versuchte, einen Liegenschaftsverkauf zu erreichen. Zu diesem Zweck trat er noch im Mai 2013 gegenüber einem möglichen Kaufinteressenten im Namen der Schuldnerin auf, dem er die Liegenschaften um 2 Mio EUR netto zum Kauf anbot. Davor hatte die von ihm vertretene Mehrheitsgesellschafterin der Schuldnerin ein Exposé erstellt, dem ein Gutachten des Sachverständigen Ing. M* vom 21. 2. 2013 zu Grunde lag und angeschlossen war. Dieses wies am Deckblatt und unter dem Abschnitt „Allgemeines“ einen Auftrag der „C* GmbH [= Schuldnerin; Anm], vertreten durch Herrn M* K*“ vom 30. 1. 2013 aus und kam zu einem Verkehrswert der Liegenschaften zum Stichtag 29. 1. 2013 von 2.560.000 EUR. M* K* übermittelte das Exposé und das Gutachten dem Kaufinteressenten unter dem Vermerk „Streng vertraulich“. Einen Verkauf konnte er nicht erreichen.

[9] Einen Kaufpreis in einer Größenordnung von 2 Mio EUR rechtfertigte auch der von der Schuldnerin für das Jahr 2013 erstellte Jahresabschluss. Darin waren auszugsweise Sachanlagen im Wert von rund 1,2 Mio EUR angegeben, womit sich ein negatives Eigenkapital von rund 500.000 EUR ergab. Erläuternd wurde im Jahresabschluss dazu ausgeführt, es liege keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor, da „der Schätzwert der Immobilien ca 1 Mio EUR mehr als der Buchwert“ betrage.

[10] R* R* führte gemeinsam mit M* H* als geschäftsführender Gesellschafter das Unternehmensberatungsunternehmen E* GmbH (in der Folge: E*). M* H*, nicht aber R* R*, war daneben auch als Steuerberater tätig. E* war bereits früher von der N-Bank unternehmerischen Kreditnehmern, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren, als Berater empfohlen worden. Auch im gegenständlichen Fall kontaktierte R* R* über Ersuchen der N-Bank im Jahr 2013 die Schuldnerin und bot die Beratung durch E* an. Es sollte eine Fälligstellung des notleidenden Kredits vermieden werden.

[11] Der Kredit bei der N-Bank haftete im Sommer 2015 mit rund 1,8 Mio EUR aus. Über Auftrag der Schuldnerin suchte E* nach einer wirtschaftlichen Lösung zur Rückführung des offenen Kreditobligos. Zunächst setzte sich R* R* dazu mit Ing. K* S* als Geschäftsführer der Schuldnerin in Verbindung. Zu persönlichen Gesprächen mit Ing. K* S* kam es nicht. Schriftlich kamen sie überein, dass E* versuchen sollte, einen Käufer für die Liegenschaft zu finden. Eine Refinanzierung oder ein Schuldennachlass konnte von E* nicht erreicht werden. E* kontaktierte zur Käufersuche mögliche Interessenten, Inserate wurden keine geschaltet, Immobilienmakler nicht beauftragt. Zu einem Verkauf an Dritte kam es nicht.

[12] Aufgrund der Misserfolge hatte R* R* die Idee, die Liegenschaften an die Beklagte, die Ehegattin von M* K*, zu verkaufen. Mit diesem Vorschlag waren diese und M* K* einverstanden. Damit sollte nicht nur die Rückführung des Obligos der Schuldnerin bei der N-Bank erreicht werden, sondern auch die Entlassung von M* K* aus seiner Bürgenhaftung und der Erhalt der Liegenschaft im Familienbesitz. Der Kaufpreis wurde von R* R* dabei so kalkuliert, dass eine Finanzierung des Ankaufs durch die E* Bank erreicht und die N-Bank als andrängende Gläubigerin befriedigt werden konnten. Die Befriedigung übriger Gläubiger floss in die Kalkulation nicht ein, die aktuellen Verkehrswerte wurden nicht fachkundig erhoben.

[13] Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 17. 7. 2015 veräußerte die Schuldnerin (vertreten durch Geschäftsführer Ing. K* S*) die drei Liegenschaften in U* an die Beklagte.

[14] Über Auftrag der Schuldnerin erstellte Ing. M* am 23. 7. 2015 neuerlich ein Verkehrswertgutachten, diesmal zum Stichtag 17. 7. 2015. Er ermittelte nur mehr einen Verkehrswert von 1,31 Mio EUR. Als Auftraggeber war auf dem Deckblatt des Gutachtens die „C* GmbH [= Schuldnerin], vertreten durch Herrn M* K*“ angeführt, auf der dritten Seite im Absatz „Allgemeines“ hingegen die „C* GmbH, vertreten durch GF Herrn K* S*“. Als Datum der Auftragserteilung war der 17. 7. 2015 genannt. Als Begründung dafür, warum die Wiederbegutachtung bloß einen Wert von 51 % der Erstbegutachtung ergab, wurden die nachhaltige Aufkündigung der Mietverträge und der stark eingeschränkte Mietermarkt genannt.

[15] Die Beklagte, die eine Ausbildung zur Tierpflegerin hatte und zuvor beruflich nur in untergeordneter Rolle bei der Schuldnerin geringfügig angestellt gewesen war, hatte sich bis dahin mit Verwaltung und/oder Verwertung von Liegenschaften nicht beschäftigt. Sie hatte auch nicht geplant, sich aus dem Erwerb von gewerblichem Liegenschaftsvermögen ein Einkommen für die Zukunft zu sichern. Dennoch stimmte sie zu, als Käuferin der Liegenschaften aufzutreten. Sie tat dies nicht mit eigenen wirtschaftlichen Zielsetzungen, sondern agierte ausschließlich über Vorschlag von R* R*, M* H* und ihrem Ehemann. Entsprechend übernahm sie den ihr vorgeschlagenen Kaufpreis, ohne dessen Kalkulation zu hinterfragen oder sich mit den laufenden Aufwänden oder den Ertragsmöglichkeiten in der Zukunft auseinanderzusetzen. Sie überprüfte die bisherigen Betriebsunterlagen nicht und veranlasste auch weder eine aktuelle Bewertung der Liegenschaften noch eine Prüfung der bisherigen und künftig zu erwartenden Gewinne aus Vermietung.

[16] Der Liegenschaftskaufvertrag sah einen umsatzsteuerpflichtigen Kaufpreis von 1.100.000 EUR netto vor. Die Umsatzsteuer sollte durch unternehmerische Überrechnung abgeführt werden. Der Kaufpreis betraf die Liegenschaften frei von allen bücherlichen Lasten, somit von dem Höchstbetragspfandrecht der N-Bank und einem für die Republik Österreich (Finanzamt) einverleibten Pfandrecht im Betrag von 33.162,40 EUR.

[17] Neben den Liegenschaften erwarb die Beklagte von der Schuldnerin auch Kühl- und Lüftungsanlagen sowie eine Lärmschutz- und eine EDV-Anlage um 234.699,60 EUR brutto, ebenso Inventar um maximal 143.570,40 EUR brutto; der genaue Bedarf sollte noch ermittelt werden. Auch hier sollte die Umsatzsteuer durch unternehmerische Überrechnung abgeführt werden.

[18] Mit diesen Verkäufen begab sich die Schuldnerin ihrer wesentlichen Vermögenswerte.

[19] Neben dem Kredit der N-Bank, der mit rund 1,4 Mio EUR aushaftete, und den Finanzamtsschulden hatte die Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt Verbindlichkeiten bei Lieferanten von rund 50.000 bis 60.000 EUR.

[20] Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm die Beklagte einen Kredit bei der E* Bank in Höhe von rund 1,8 Mio EUR auf. Aus der Darlehensvaluta wurde die mit der N-Bank zum Ausgleich des Obligos vereinbarte Abschlagszahlung, jedoch nur im Betrag von 1 Mio EUR geleistet. Dennoch erfolgte durch die N-Bank nach Einzelwertberichtigung von 375.254,73 EUR die Pfandfreilassung. Daneben wurden aus der Darlehensvaluta die Finanzamtsschulden der Schuldnerin von 32.639,50 EUR beglichen, worauf es auch diesbezüglich zur Lastenfreistellung kam. Ebenso wurden aus der Darlehensvaluta die Kaufverträge betreffend Anlagen und Inventar – jedoch in geringerer Höhe als vereinbart – bedient.

[21] E* verrechnete sowohl ihre in der Beratung der Schuldnerin als auch ihre in der Kreditvermittlung an die Beklagte liegenden Leistungen. Welche Beträge dabei wem gegenüber geltend gemacht wurden und welche Zahlungen durch wen darauf erfolgten, kann nicht festgestellt werden. Aus der Darlehensvaluta erfolgte auf die Forderungen der E* eine Zahlung von 102.250,80 EUR.

[22] Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte Investitionsrückzahlungen an die D* KG im Betrag von ca 40.000 EUR übernahm und dass die Vertragspartner dies als Teil des Kaufpreises titulierten.

[23] Der Verkehrswert der Liegenschaften betrug zum Zeitpunkt des Verkaufs 1.715.000 EUR, zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung 1.750.000 EUR und bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 4. 10. 2022 1.830.000 EUR.

[24] Nach Eröffnung des Konkurses wurden Forderungen in Höhe von 204.933,82 EUR angemeldet, die im Betrag von 204.329,78 EUR ohne Bestreitung festgestellt wurden. Die Klägerin erwarb vom Insolvenzverwalter gegen Zahlung von 5.000 EUR dessen Anfechtungsansprüche gegen die Beklagte.

[25] Die Klägerin begehrt mit ihrer am 20. 10. 2017 eingebrachten Klage die Zahlung von 471.745,27 EUR sA hilfsweise die Aufhebung des Kaufvertrags vom 17. 7. 2015 als nichtig und die Einwilligung der Beklagten in die bücherliche Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin an den drei Liegenschaften.

[26] Sie stützt ihr Klagebegehren insbesondere auf § 28 Z 3 iVm § 32 IO. Der Insolvenzverwalter habe die Anfechtungsansprüche zulässigerweise an sie zediert. Der Kaufvertrag sei zum Nachteil der übrigen Gläubiger abgeschlossen worden. Die Beklagte sei als Ehegattin des faktischen Geschäftsführers der Schuldnerin Teil der familia suspecta. Die Schuldnerin habe die Veräußerung in der Absicht vorgenommen, Gläubiger zu benachteiligen und dadurch ihr nahestehende Personen zu bereichern. Die Veräußerung der Liegenschaft sei damit rechtsunwirksam. Eine Rückabwicklung sei aufgrund der zwischenzeitig erfolgten hypothekarischen Verfügungen untunlich. Die Beklagte habe der Klägerin die Differenz zwischen dem Verkehrswert der Liegenschaften von 1.847.000 EUR zum Verkaufspreis von 1.100.000 EUR, sohin 747.000 EUR, abzüglich der erwirkten Einzelwertberichtigung von 375.254,73 EUR zuzüglich des nicht zugeflossenen Kaufpreises von 100.000 EUR, sohin 471.745,27 EUR zu leisten.

[27] Die Beklagte bestritt das Bestehen des Anfechtungsanspruchs. Darüber hinaus stellte sie die Gültigkeit der Abtretung des Anfechtungsanspruchs und damit die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede.

[28] Die Vorinstanzen wiesen im ersten Rechtsgang mit der Begründung, die Abtretung des Anfechtungsanspruchs sei nicht wirksam erfolgt, die Klage ab.

[29] Der Senat hob mit Beschluss vom 17. 6. 2019, 17 Ob 6/19k (= ON 29), die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies diese Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Er beurteilte die vorgenommene Abtretung als rechtswirksam. Es gelte daher – insofern hafteten den Urteilen der Vorinstanzen sekundäre Verfahrensmängel an – im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zur Berechtigung des Anfechtungsanspruchs zu treffen.

[30] Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang der Klage mit einem Betrag von 454.745,27 EUR samt 4 % Zinsen seit 21. 10. 2017 statt und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 17.000 EUR samt Zinsen ab. Die Kostenentscheidung behielt es bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache nach § 52 Abs 1 Satz 1 ZPO vor.

[31] Das Erstgericht traf die hier eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich beurteilte es den Sachverhalt dahin, dass der Liegenschaftsverkauf nach § 28 Z 3 iVm § 32 IO anfechtbar sei. Beim Verkauf sei es nur darum gegangen, die N-Bank zu befriedigen und die Interessen des für die Kreditrückzahlung bürgenden Ehemanns der Beklagten zu wahren, die Interessen anderer Gläubiger seien unberücksichtigt geblieben. Weil ihr Ehemann als Eigentümervertreter der Schuldnerin agiert habe, hätte die Beklagte nach § 28 Z 3 IO nachweisen müssen, dass ihr die Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin beim Liegenschaftsverkauf weder bekannt war noch bekannt sein musste, was ihr nicht gelungen sei. Die Schuldnerin habe Liegenschaften mit einem Verkehrswert von im Verkaufszeitpunkt 1.750.000 EUR um bloß 1.000.000 EUR an die Beklagte verkauft. Unter Berücksichtigung der von der N‑Bank vorgenommenen Wertberichtigung im Betrag von 375.254,23 EUR sei den Gläubigern durch den Verkauf der Differenzbetrag von 374.745,27 EUR entgangen, welcher zur Befriedigung ihrer anerkannten Insolvenzforderungen hätte verwendet werden können. Aufgrund des bestehenden Anfechtungsanspruchs müssten an sich die Liegenschaften zurückgegeben werden. Die von der Klägerin vorgebrachte Untunlichkeit einer Naturalrestitution aufgrund nachfolgend einverleibter Belastungen zu Gunsten der E* Bank habe die Beklagte nicht bestritten. Folglich habe sie der Klägerin Ersatz in Höhe des Entgangenen zu leisten, dies sei der Verkehrswert der Liegenschaften im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung von 1.830.000 EUR abzüglich des geleisteten Kaufpreises von 1.000.000 EUR und der bereits in der Klage berücksichtigten Wertberichtigung von 375.254,73 EUR. Im Mehrbegehren von 17.000 EUR bestehe das Klagebegehren nicht zu Recht. Dass die Beklagte 32.639,50 EUR an Finanzamtsschulden beglich, sei nicht zu berücksichtigen, weil sie dazu vertraglich gegenüber der Schuldnerin nicht verpflichtet gewesen sei und daher der von ihr an das Finanzamt geleistete Betrag nicht Teil des Kaufpreises gewesen sei.

[32] Das Berufungsgericht änderte das Urteil dahin ab, dass es die Beklagte zur Zahlung von 422.105,77 EUR samt 4 % Zinsen seit 21. 10. 2017 verpflichtete und das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 49.639,50 EUR samt Zinsen abwies.

[33] Bereits der Kaufvertrag vom 17. 7. 2015 sei eine die Gläubiger unmittelbar benachteiligende Rechtshandlung gewesen, habe doch die Schuldnerin Liegenschaften im Wert von 1.715.000 EUR um nur 1,1 Mio EUR veräußert. Umso mehr habe die Abwicklung des Vertrags die Gläubiger benachteiligt, unterschritten doch die der Beklagten wirtschaftlich zurechenbaren Zahlungen von 1 Mio EUR (an die N-Bank) und 32.639,50 EUR (an das Finanzamt) in Summe den vereinbarten Kaufpreis von 1,1 Mio EUR. Von seiner tatsächlichen Abwicklung ausgehend habe der Verkauf zu einem Vermögensverlust der Schuldnerin von 682.360,50 EUR (1.715.000 EUR abzüglich 1.032.639,50 EUR) geführt. Die von der N-Bank vorgenommene Einzelwertberichtigung von 375.254,73 EUR sei keine Gegenleistung der Beklagten aus dem Liegenschaftskaufvertrag, ebensowenig deren Zahlungen für den Erwerb der Anlagen und des Inventars. Der Ehegatte der Beklagten sei faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin gewesen und als solcher Mitglied des Leitungsorgans iSd § 32 Abs 2 Z 1 IO. Die Beklagte sei damit Angehörige iSd § 32 iVm § 28 Z 3 IO gewesen. Dass die Schuldnerin beim Verkauf Benachteiligungsabsicht hatte, bezweifle die Beklagte in der Berufung nicht und sei unzweifelhaft, stehe doch fest, dass die Befriedigung der „übrigen Gläubiger“ nicht in die Kalkulation des Kaufpreises einfloss und die aktuellen Verkehrswerte der Liegenschaften nicht fachkundig erhoben wurden. Dass sie schuldlos von der Benachteiligungsabsicht nicht wusste, habe die Beklagte entgegen § 28 Z 3 IO nicht nachgewiesen, habe sie doch einen Vertrag auf einem Gebiet akzeptiert, auf dem sie sich überhaupt nicht ausgekannt habe. Der Anfechtungsanspruch bestehe damit zu Recht. Die Untunlichkeit des Naturalersatzes sei weder im Verfahren erster noch zweiter Instanz bezweifelt worden. Zur Höhe des Anspruchs führte das Berufungsgericht aus, dem Wert der Liegenschaften zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von 1.830.000 EUR stünden Gegenleistungen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag in der Höhe von 1.032.639,50 EUR – somit nicht nur in der Höhe von 1 Mio EUR wie vom Erstgericht angenommen – gegenüber. Die Einzelwertberichtigung in der Höhe von 375.254,73 EUR sei zwar keine Gegenleistung der Beklagten gewesen, aber abzuziehen, weil sie die Klägerin nicht geltend gemacht habe. Die eingeklagte Differenz zu Lasten der Gläubiger betrage 422.105,77 EUR. Der Zuspruch des Erstgerichts an die Klägerin sei daher um 32.639,50 EUR (= die beglichene Finanzamtsverbindlichkeit der Schuldnerin) zu kürzen.

[34] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, zur Frage, ob ein faktischer Geschäftsführer einer GmbH ein Mitglied des Leitungsorgans iSd § 32 Abs 2 Z 1 IO sei, gebe es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

[35] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die aus dem Rechtsmittelgrund des § 503 Z 4 ZPO erhobene Revision der Beklagten mit einem auf gänzliche Klageabweisung gerichteten Abänderungs- und hilfsweise einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

[36] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung des Rechtsmittels, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

[37] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[38] Der Senat erachtet die Begründung des Berufungsgerichts für zutreffend und verweist auf diese (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). In Ergänzung der Ausführungen des Berufungsgerichts ist der Revision entgegenzuhalten:

[39] 1. Unter einem „faktischen Geschäftsführer“ wird zumeist eine Person verstanden, die – ohne wirksam zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein – das Unternehmen leitet oder (zumindest) maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob es sich um einen Angestellten, Gesellschafter, Angehörigen oder Außenstehenden handelt. Regelmäßig wird „faktische Geschäftsführung“ dann bejaht, wenn die eigentlich bestellten Geschäftsführer als Strohmänner ihre Organfunktionen nicht ausüben und stattdessen ein anderer (meist ein Mehrheitsgesellschafter) die Gesellschaft tatsächlich leitet. Zumeist wird auch ein nach außen erkennbares Gerieren wie ein Geschäftsführer als erforderlich erachtet (17 Ob 5/21s [Rz 20] mwN).

[40] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Ehemann der Beklagten sei faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin gewesen, trifft zu. Er war bis zuletzt und somit auch nach Zurücklegung der Geschäftsführung der Hauptansprechpartner der gewerblichen Mieter der Schuldnerin, brachte sich auch nach Zurücklegung seiner Geschäftsführerstellung in die Abwicklung von Geschäften und in die Verwaltung der Liegenschaften der Schuldnerin ein und zog nur bei für die Schuldnerin rechtlich relevanten Entscheidungen den bestellten Geschäftsführer „formal“ bei. Sein Auftreten für die Schuldnerin wurde von den bestellten Geschäftsführern nicht unterbunden. Auch in Bezug auf den angefochtenen Liegenschaftsverkauf agierte er wie ein Geschäftsführer. Er versuchte selbst, einen Verkauf der Liegenschaften zu erreichen, bot sie Interessenten namens der Schuldnerin zum Kauf an und beauftragte wiederholt die Erstellung von Verkehrswertgutachten über die Liegenschaften.

[41] Wenn die Beklagte in der Revision gegen die Qualifikation ihres Ehemanns als faktischer Geschäftsführer vorbringt, dieser habe „keinerlei Informationsvorsprung“ genossen, so steht dies mit dem Gesamtbild des festgestellten Sachverhalts in Widerspruch.

[42] 2. Nach § 32 Abs 2 Z 1 IO gelten die Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans, wenn der Schuldner eine juristische Person, eine Personengesellschaft oder ein sonstiges parteifähiges Gebilde ist, als nahe Angehörige des Schuldners.

[43] Die Bestimmung geht auf das GIRÄG 2003 (BGBl I 2003/92) zurück (ihr damaliger Wortlaut war: „Ist der Gemeinschuldner eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft, so gelten 1. die Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans […] als nahe Angehörige des Schuldners.“). Den Gesetzesmaterialien zum GIRÄG 2003 ist als Begründung für die Aufnahme der Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans in den Kreis der nahen Angehörigen zu entnehmen, dass auch ihnen Insiderstellung zukomme (ErläutRV 124 BlgNR 22. GP  15).

[44] Vorbild für § 32 Abs 2 Z 1 IO war erkennbar die Vorschrift des § 138 Abs 2 Z 1 der am 1. 1. 1999 in Kraft getretenen dInsO vom 5. 10. 1994 (dBGBl 1994 I S 2866), die in ihrer Stammfassung wie folgt lautete: „Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so sind nahestehende Personen: 1. die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans […]. Nach den Gesetzesmaterialien zur dInsO sind nahestehende Personen solche, „die zur Zeit der anfechtbaren Rechtshandlung aus persönlichen, gesellschaftsrechtlichen oder ähnlichen Gründen eine besondere Informationsmöglichkeit über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners hatten“ (Drucksache 12/2443 S 161 f).

[45] Aus der Erwägung, für die Qualifizierung als „nahestehende Person“ sei grundsätzlich das faktische Naheverhältnis maßgeblich, ist in Deutschland einhellige Meinung, dass es keiner wirksamen Bestellung zum Mitglied des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans bedarf, um als nahestehende Person zu gelten. Die faktische Wahrnehmung der jeweiligen Aufgaben wird als hinreichend erachtet. Folge dessen ist die Einordnung auch des sogenannten „faktischen Geschäftsführers“ unter die nahestehenden Personen (Kirchhof/Gehrlein in MünchKommInsO4 II [2019] § 138 Rz 17; Schoon in Fridgen/Geiwitz/Göpfert, BeckOK Insolvenzrecht [34. Edition 2024] § 138 InsO Rz 16; Ganter in K. Schmidt, Insolvenzordnung20 [2023] § 138 Rz 20 ua).

[46] Dem ist für das österreichische Recht beizutreten. Der faktische hat gleich dem rechtlichen Geschäftsführer „Insiderstellung“, mit anderen Worten eine „besondere Informationsmöglichkeit“ über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners. Dies rechtfertigt, auch ihn als „Mitglied des Leitungsorgans“ iSd § 32 Abs 2 Z 1 IO zu qualifizieren (so im Ergebnis bereits Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze [2021] § 32 IO Rz 20). Den faktischen Geschäftsführer in Hinsicht auf § 32 Abs 2 Z 1 IO gleich dem rechtlichen Geschäftsführer zu behandeln und damit Anfechtungsansprüche zu eröffnen, steht wertungsmäßig mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Einklang, die den faktischen Geschäftsführer in Hinsicht auf seine deliktische Haftung grundsätzlich jenen Pflichten unterwirft, die den (formal) bestellten Geschäftsführer treffen (vgl Artmann/Karollus in Artmann/Karollus, AktG I6 [2018] § 48 Rz 28; J. Reich-Rohrwig in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG [2022] § 25 Rz 17; vgl auch 6 Ob 202/11s [Pkt 4.2.]).

[47] Entgegen der Ansicht der Beklagten in der Revision führt die Subsumtion des faktischen Geschäftsführers unter den Begriff „Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans“ in § 32 Abs 2 Z 1 IO nicht dazu, dass hierdurch „Tür und Tor geöffnet“ würde und man konsequenterweise ebenso zB leitende Angestellte und letztlich alle Personen, die aus welchen Gründen auch immer in den Besitz von Informationen gelangten, erfassen müsste.

[48] Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass § 32 Abs 2 IO keinen § 138 Abs 2 Z 2 dInsO entsprechenden (Auffang‑)Tatbestand enthält (nach jener Bestimmung sind nahestehende Personen auch „eine Person oder eine Gesellschaft, die aufgrund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten.“). Der faktische Geschäftsführer wird in Deutschland nicht über § 138 Abs 2 Z 2 InsO, sondern § 138 Abs 2 Z 1 InsO als nahestehende Person eingestuft.

[49] Im Übrigen hat grundsätzlich weder ein leitender Angestellter noch eine sonstige Person, die aus anderen Gründen zu einer Information gelangt, eine dem (faktischen oder rechtlichen) Geschäftsführer (nicht bloß im Einzelfall, sondern) – was für eine Analogie erforderlich wäre – regelmäßig gleichkommende Insiderstellung und damit Informationsbeschaffungsmöglichkeit (vgl BGH IX ZR 278/96 und IX ZR 78/20 [Rz 68 f], je mwH).

[50] Der Ehemann der Beklagten war aus den dargelegten Gründen als faktischer Geschäftsführer „Mitglied des Leitungsorgans“ der Schuldnerin iSd § 32 Abs 2 Z 1 IO und damit „naher Angehöriger“ der Schuldnerin.

[51] 3. Nach § 32 Abs 2 letzter Satz IO sind auch die in § 32 Abs 1 IO aufgezählten nahen Angehörigen – hierunter die Ehegatten – der zuvor in § 32 Abs 2 IO genannten Personen nahe Angehörige. Die Beklagte war als Ehegattin (§ 32 Abs 1 IO) des faktischen Geschäftsführers und damit Mitglied des Leitungsorgans der Schuldnerin (§ 32 Abs 2 Z 1 IO) somit selbst nahe Angehörige der Schuldnerin.

[52] Damit ist der personelle Anwendungsbereich des Anfechtungstatbestands des § 28 Z 3 IO eröffnet.

[53] 4. Die Beklagte bestreitet, dass der Verkauf der Liegenschaften an sie eine benachteiligende Rechtshandlung gewesen sei, mit der Begründung, die Schuldnerin sei unmittelbar nach der Kaufvertragsabwicklung schuldenfrei gewesen. Die Rechtsrüge geht insofern nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, nach dem die Schuldnerin im Zeitpunkt des Verkaufs Schulden bei Lieferanten von rund 50.000 bis 60.000 EUR hatte.

[54] 5. Nach den Feststellungen wurde bei der Kalkulation des Kaufpreises für die drei Liegenschaften von R* R* als geschäftsführendem Gesellschafter des Unternehmensberatungsunternehmens E* auf die Befriedigung der andrängenden Bank, nicht aber die Befriedigung der übrigen Gläubiger Bedacht genommen und es unterblieb eine fachkundige Erhebung der aktuellen Verkehrswerte. Das Erstgericht rechnete das Wissen von E* der Schuldnerin zu und bejahte, dass diese Benachteiligungsabsicht gehabt habe. Letzteres wurde von der Beklagten in ihrer Berufung, wie zutreffend vom Berufungsgericht in Pkt 5.3. seines Urteils aufgezeigt, nicht bezweifelt.

[55] Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können, wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden, jedenfalls wenn es um mehrere selbstständig zu beurteilende Rechtsfragen geht (RS0043352 [T33]). Ob hier Benachteiligungsabsicht vorlag, ist eine solche. Wenn die Beklagte nunmehr in der Revision – wenngleich nur am Rand und ohne weitere Begründung – die Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin in Zweifel zieht, so geht dies folglich ins Leere. Die Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin kann im Übrigen aber auch aufgrund des eindeutigen Sachverhalts nicht ernstlich in Abrede gestellt werden.

[56] 6. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe iSv § 28 Z 3 IO fahrlässig die Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin nicht erkannt, trifft zu. Das Verschulden am Nichterkennen der Benachteiligungsabsicht ist am Maßstab eines durchschnittlich verständigen Menschen zu messen (vgl 3 Ob 240/09d [Pkt III.2.a.]). Es kommt mit anderen Worten darauf an, ob dem Anfechtungsgegner die Benachteiligungsabsicht des Schuldners wegen Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verborgen blieb (Bollenberger/Spitzer in KLS2 [2023] § 28 Rz 14 iVm Rz 16). Die Beklagte kaufte die Liegenschaften, ohne sich damit auseinanderzusetzen, ob der im Kaufvertrag vorgesehene Preis angemessen war und wie dieser – nämlich von R* R* – kalkuliert wurde. Wäre sie dem – was von einem gewöhnlichen Käufer zu erwarten gewesen wäre – nachgegangen, hätte sie wohl die Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin erkannt; zumindest aber erbrachte sie nicht den ihr bei § 28 Z 3 IO obliegenden Nachweis, dass ihr die Benachteiligungsabsicht nicht bekannt sein musste (vgl RS0050779).

[57] 7. Die Beklagte wiederholt in der Revision ihr bereits im ersten Rechtsgang vorgetragenes Argument, die Insolvenzmasse habe für die Abtretung des Anfechtungsanspruchs lediglich 5.000 EUR erhalten, sodass die Anfechtung auch nur in diesem Ausmaß befriedigungstauglich sei. Der Senat hat diesen Einwand der Beklagten bereits in seiner im ersten Rechtsgang getroffenen Entscheidung 17 Ob 6/19k (dort Pkt 3.6. ff) verworfen. Die Beklagte ist auf jene Ausführungen zu verweisen.

[58] 8. Die Beklagte verpflichtete sich im Kaufvertrag zur Zahlung von 1,1 Mio EUR, die Schuldnerin sich dazu, ihr die Liegenschaften lastenfrei zu übereignen. Die Beklagte überwies (in teilweiser Erfüllung ihrer Kaufpreiszahlungspflicht) zufolge der von ihr vorgelegten Beilage ./12 auf ein Konto der Schuldnerin bei der N‑Bank 1 Mio EUR, woraufhin diese die Liegenschaften lastenfrei stellte und eine Einzelwertberichtigung über 375.254,73 EUR vornahm. In diesem Entgegenkommen der N-Bank wäre selbst dann keine weitere Gegenleistung der Beklagten an die Schuldnerin aus dem Liegenschaftskaufvertrag im Betrag der vorgenommenen Einzelwertberichtigung zu erblicken, sollte die N-Bank durch den Vorgang konkludent auf die Zahlung des Kreditrestes verzichtet haben (§§ 863 iVm 1444 ABGB). Für die Annahme, die Schuldnerin und die Beklagte hätten vereinbart, dass im Falle eines solchen Teilschulderlasses der betreffende Betrag als weitere Gegenleistung der Beklagten aus dem Liegenschaftskaufvertrag gelten soll, gibt der festgestellte Sachverhalt keinen Anhaltspunkt.

[59] 9. Warum Zahlungen der Beklagten an E* und ihre Zahlungen für Anlagen und Inventar an die Schuldnerin weitere Gegenleistungen der Beklagten für den Erwerb der Liegenschaften darstellen sollen, vermag die Beklagte auch in ihrer Revision nicht zu begründen. Wenn sie die aus der Aufstellung Beilage ./12 ersichtlichen Zahlungen „Teilkaufpreis“ und „Restkaufpreis“ von insgesamt 270.693,30 EUR als weitere Zahlungen aus dem Liegenschaftskaufvertrag gewertet sehen möchte, ist sie darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht in tatsächlicher Hinsicht diese Zahlungen nicht dem Ankauf der Liegenschaften zuweisen konnte. Der Oberste Gerichtshof ist hieran gebunden.

[60] 10. Die Beklagte vertritt in der Revision die Ansicht, der Gesamtbetrag der im Konkursverfahren festgestellten Forderungen (= 204.329,78 EUR) begrenze ihre Zahlungspflicht. Darüber hinaus meint sie, für den von ihr zu leistenden Wertersatz sei aufgrund der langen Verfahrensdauer auf den Wert der Liegenschaften im Zeitpunkt des angefochtenen Liegenschaftskaufs und nicht bei Schluss der Verhandlung erster Instanz abzustellen.

[61] Nach § 39 Abs 1 IO muss zur Insolvenzmasse geleistet werden, was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Schuldners entgangen oder daraus veräußert oder aufgegeben worden ist, und, wenn dies nicht tunlich ist, Ersatz geleistet werden.

[62] Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Vorschrift eine Deckelung des Anfechtungsanspruchs mit der Höhe der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen nicht zu entnehmen ist. Ziel des Anfechtungsanspruchs ist die Herstellung des Zustands, in dem sich die Masse befände, wenn die anfechtbare Rechtshandlung nicht vorgenommen worden wäre (RS0050372). Im Anfechtungsprozess orientiert sich die Höhe des geschuldeten Wertersatzes mit anderen Worten an der Schmälerung des Befriedigungsfonds; zu ersetzen ist der objektive Wert, also der Erlös oder Ertrag, den der Masseverwalter hätte erzielen können, wenn sich die Sache noch in der Masse befunden hätte. Für die Wertberechnung ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der erfolgreichen Anfechtung, also auf den Schluss der Verhandlung erster Instanz abzustellen (3 Ob 204/16w [Pkt 5.1.] mwN).

[63] Für den Anfechtungsgegner bedeutet dies, dass er insoweit das Risiko einer Wertsteigerung trägt (zur vergleichbaren dt Rechtslage Schoon in Fridgen/Geiwitz/ Göpfert, BeckOK Insolvenzrecht [34. Edition 2024] § 143 InsO Rz 30 mwN).

[64] 11. Allen Anfechtungstatbeständen nach der IO liegt freilich – zum Teil unausgesprochen – das Erfordernis der Gläubigerbenachteiligung und ebenso jenes der Befriedigungstauglichkeit zugrunde (RS0064333 samt [T2]; 17 Ob 17/23h [Rz 20]). Dass der Verkauf der Liegenschaften gläubigerbenachteiligend war und das Begehren auf Erstattung der Wertdifferenz zwischen den von der Beklagten erworbenen Liegenschaften und dem von ihr dafür in Summe gezahlten Geld grundsätzlich befriedigungstauglich ist, ist im Lichte der Feststellungen nicht zu bezweifeln (vgl allgemein 17 Ob 17/23h [Rz 21]).

[65] Nicht befriedigungstauglich ist eine Anfechtung ausnahmsweise dann, wenn feststeht, dass sämtliche Gläubiger – sowohl Masse- als auch Insolvenzgläubiger – im Insolvenzverfahren auch ohne sie volle Befriedigung erlangen (König/Trenker, Die Anfechtung nach der Insolvenzordnung6 [2020] Rz 5.28 mwN; ähnlich Kayser/Freudenberg in MünchKommInsO4 II [2019] § 129 Rz 107 mwN). Steht fest, dass nicht der gesamte durch die angefochtene Rechtshandlung erlangte Vermögenswert, sondern nur ein Teilbetrag erforderlich ist, um zusammen mit der bereits vorliegenden Insolvenzmasse alle Gläubiger zu befriedigen, so steht auch nur dieser Teilbetrag dem Anfechtungskläger zu (vgl Ehrenzweig, Kommentar zur Anfechtungsordnung [1916] 66 mwH; Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht [1973] 305; für Deutschland: BGH IX ZR 147/91 = NJW 1992, 2485 [Pkt III.1.]; Kirchhof/Piekenbrock in MünchKommInsO4 II [2019] § 143 Rz 44 [in FN 232]; Bra in Braun, Insolvenzordnung9 [2022] § 129 Rz 30).

[66] Liegt – wie hier – grundsätzlich Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung vor, liegt es allgemein am Anfechtungsgegner, Tatsachen zu behaupten, aufgrund derer die Anfechtung aus besonderen Gründen nicht befriedigungstauglich ist, und diese Tatsachen unter Beweis zu stellen (17 Ob 3/21x [Rz 19]; vgl allgemein RS0050510 sowie RS0050751 [T2]). Dementsprechend muss der Anfechtungsgegner behaupten und beweisen, dass auch gänzlich ohne die Anfechtung bzw auch dann, wenn dem Anfechtungskläger nur ein geringerer als der von ihm begehrte Betrag zuerkannt würde, die Gläubiger volle Befriedigung erlangen würden (vgl 3 Ob 1041/27 = SZ 9/313; Lehmann, Kommentar zur österreichischen Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung I [1916] 205; Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht [1973] 305; für Deutschland: BGH IX ZR 147/91 = NJW 1992, 2485 [Pkt III.1.]; IX ZR 5/19 = NZI 2020, 420; Henckel in Jaeger, Insolvenzordnung – Großkommentar IV [2008] § 129 Rz 233).

[67] An dem Erfordernis der Befriedigungstauglichkeit hat – wie bereits vom Senat im ersten Rechtsgang festgehalten (17 Ob 6/19k [Pkt 3.6.3.b]) – die Abtretung des Anfechtungsanspruchs vom Insolvenzverwalter an die Klägerin nichts geändert (zust Trenker, Verkauf von Anfechtungsansprüchen – Rechtsstellung des Anfechtungsgegners als offene Gretchenfrage, in FS Konecny [2022] 661 [675]). Der Senat hielt in seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang auch fest, dass sich die Rechtsstellung der Beklagten als Anfechtungsgegnerin durch die Abtretung nicht verschlechtern darf (17 Ob 6/19k [Pkt 3.6.3.c]). Für die Frage der Befriedigungs‑(un‑)tauglichkeit ist der Fall daher nach der hypothetischen Lage zu beurteilen, dass hier der Insolvenzverwalter von der Beklagten Zahlung an die Insolvenzmasse verlangte.

[68] Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde nach § 123a IO aufgehoben. Damit ist von vornherein ausgeschlossen, dass an der Anfechtung wegen Hinreichens der Insolvenzmasse zur Befriedigung aller Gläubiger gar kein Interesse bestand.

[69] Soweit die Argumentation der Beklagten in der Revision dahin geht, dass es – in der hypothetischen Situation, dass der Insolvenzverwalter als Kläger aufgetreten wäre – nicht eines Zuspruchs von 422.105,77 EUR bedurft hätte, um die Gläubiger im Insolvenzverfahren voll zu befriedigen, ist ihr zu erwidern, dass nur der Betrag der im Insolvenzverfahren festgestellten Insolvenzforderungen feststeht (204.329,78 EUR). Es steht demgegenüber nicht fest, in welchem Ausmaß Masseforderungen unbeglichen blieben und – wovon selbstredend auszugehen ist – weitere Masseforderungen entstanden wären, wäre das Verfahren nicht nach § 123a IO beendet worden (vgl nur Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze [2021] § 27 IO Rz 19 [„dann auch höheren Verwalterentlohnung“]). Vor allem aber steht nicht fest, dass es zu keinen nachträglichen Forderungsanmeldungen gekommen wäre (vgl Petschek/Reimer/Schiemer aaO [„neue Konkursgläubiger auftreten könnten“]; Rebernig aaO [„da sich das gesamte Befriedigungsinteresse fortlaufend ändert {nachträgliche Forderungsanmeldungen, bedingte Forderungen etc}“]). Es wäre Sache der Beklagten gewesen, zu behaupten und zu beweisen, welcher geringere Betrag als 422.105,77 EUR ausgereicht hätte, um – gemeinsam mit der Insolvenzmasse – sämtliche bis zu einer regulären Insolvenzaufhebung nach § 123b oder § 139 IO auftretenden Masse- und Insolvenzforderungen zu bezahlen und damit eine Insolvenzaufhebung unter Erreichung einer Quote von 100 % zu erwirken. Die Beklagte hat dem nicht entsprochen.

[70] 12. Damit hat die Beklagte als Anfechtungsgegnerin für die – unstrittig nicht restituierbaren – Liegenschaften dem Anfechtungswerber unabhängig von der Höhe der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen Wertersatz zu leisten, und zwar ausgehend vom Wert der Liegenschaften im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz.

[71] Der Revision der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.

[72] 13. Aufgrund des erstgerichtlichen Kostenvorbehalts nach § 52 Abs 1 Satz 1 ZPO war vom Obersten Gerichtshof keine Kostenentscheidung zu treffen (§ 52 Abs 3 ZPO).

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