European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131979
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass es nunmehr lautet:
„1. Die Rechtshandlung der Einräumung eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbots (C‑LNr 3) ob der Liegenschaft EZ *, KG *, BG *, zugunsten der beklagten Partei wird für unwirksam erklärt.
2. Die beklagte Partei ist schuldig, zur Hereinbringung von vollstreckbaren
7.790,79 EUR samt 4 % Zinsen seit 28. 5. 2015 aus 7.790,79 EUR (BG * zu AZ 3 C 18/13s)
652,32 EUR samt 4 % Zinsen seit 3. 11. 2015 aus 652,32 EUR (LG * zu AZ 20 R 181/15f)
3.890,53 EUR (an bestimmten Kosten in den Exekutionsverfahren BG * zu AZ 13 E 329/16k und AZ 13 E 3637/16f, BG * zu AZ 13 E 452/17b, AZ 13 E 3952/17h, AZ 13 E 1599/18f und AZ 13 E 2082/18k, BG * zu AZ 13 E 4264/18i und AZ 13 E 5223/18v) die Exekution in die 1/1‑Anteile (B‑LNr 4) der Liegenschaft EZ *, KG *, BG * zu dulden.
3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.012,16 EUR (darin enthalten 709,91 EUR an USt und 747,40 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.005,02 EUR (darin enthalten 405,17 EUR an USt und 2.574 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin hat gegen ihren geschiedenen Mann, den Sohn der Beklagten, aus verschiedenen Titeln vollstreckbare Ansprüche in Höhe von insgesamt 12.423,64 EUR sA. Diverse Exekutionsversuche der Klägerin zur Hereinbringung ihrer titulierten Forderungen blieben erfolglos.
[2] Der geschiedene Mann der Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 7. 6. 2018 die Liegenschaft EZ *, KG *, BG * mit der Adresse *, um den Kaufpreis von 140.000 EUR, deren grundbücherlicher Alleineigentümer er nunmehr ist. Zum Zweck des Grundstückserwerbs nahm er im Juli 2018 einen Kredit bei der U* AG (in Folge: Kreditgeberin) auf, wobei die Darlehensnominale 172.000 EUR betrug, der tatsächliche Auszahlungsbetrag bei 163.963,14 EUR lag und eine Laufzeit von 360 Monaten vereinbart wurde.
[3] Ebenfalls am 7. 6. 2018 schloss der geschiedene Mann der Klägerin mit der Beklagten einen Vertrag über die unentgeltliche Einräumung eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbot, das im Rang nach dem Pfandrecht für die Kreditgeberin im Höchstbetrag von 206.400 EUR im Grundbuch eingetragen wurde.
[4] Der derzeitige Wert der Liegenschaft beträgt 114.255,14 EUR. Bei Ausbau des Dachbodens würde sich der Wert der Liegenschaft auf 118.044,95 EUR erhöhen. Es ist keine Wertsteigerung zu erwarten.
[5] Der geschiedene Mann der Klägerin bezieht aus seiner selbständigen Tätigkeit als Tierarzt ein monatliches Einkommen von etwa 2.000 EUR netto. Er ist unterhaltspflichtig für drei minderjährige Kinder und verfügt – abgesehen von der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft und einem PKW – über kein Vermögen.
[6] Die Klägerin begehrt mit ihrer am 23. 1. 2019 eingebrachten Klage, die Rechtshandlung der Einräumung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots zugunsten der Beklagten für unwirksam zu erklären und die Beklagte schuldig zu erkennen, zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderungen von 7.790,79 EUR sA, 652,32 EUR sA und 3.890,53 EUR die Exekution in die genannte Liegenschaft zu dulden. Trotz mehrfacher Aufforderungen habe der Sohn der Beklagten die rechtskräftigen und vollstreckbaren Kosten nicht gezahlt, sodass die Klägerin Exekutionsverfahren gegen ihn eingeleitet habe, die jedoch erfolglos geblieben seien. Ihr geschiedener Mann habe mit Kaufvertrag vom 7. 6. 2018 – und nach Vorliegen der vollstreckbaren und bereits in Exekution gezogenen Forderungen – die Liegenschaft mit der Adresse * um 140.000 EUR gekauft und sei nunmehr grundbücherlicher Alleineigentümer. Gleichzeitig habe er der Beklagten unentgeltlich ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot eingeräumt, das unter C‑LNr 3 zu ihren Gunsten einverleibt sei. Die Einräumung des Veräußerungs‑ und Belastungsverbots werde gemäß § 2 Z 1, Z 2 und Z 3 AnfO angefochten, der Beklagten sei bekannt gewesen oder habe bekannt sein müssen, dass ihr Sohn eine Rechtshandlung vornehme, um die Klägerin zu benachteiligen. Auch der Tatbestand der Anfechtung nach § 3 Z 1 AnfO liege vor, da die Einräumung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots unentgeltlich erfolgt sei. Befriedigungstauglichkeit sei gegeben, da eine Wertsteigerung der Liegenschaft sowie eine Tilgung der vorrangigen Hypothek als wahrscheinlich anzusehen sei.
[7] Die Beklagte beantragte die Klageabweisung. Die Liegenschaft sowie die Löschung des zugunsten der Beklagten bestehenden Belastungs‑ und Veräußerungsverbots seien nicht geeignet, Zahlung für die Klägerin zu bewirken. Bei Beseitigung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots und einer allfällig einzuleitenden Zwangsversteigerung durch die Klägerin werde aufgrund der unmittelbar mit dem Ankauf verbundenen Verbindlichkeiten gegenüber der Kreditgeberin – aktuell 172.000 EUR – auch in den kommenden 30 Jahren für die Klägerin keine Aussicht bestehen, auch nur eine Teilzahlung zu erlangen. Damit erweise sich sowohl eine allfällige Zwangsversteigerung als auch die Begründung eines zwangsweisen Pfandrechts nach §§ 87 ff EO als befriedigungsuntauglich.
[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagten sei der Beweis gelungen, dass die Anfechtung mangels Befriedigungstauglichkeit unzulässig sei.
[9] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Eine Wertsteigerung der Liegenschaft sei nicht zu erwarten. Der der Hypothek zugrundeliegende Kredit sei innerhalb von 30 Jahren zurückzuzahlen, sodass von einer schrittweisen Reduktion der Hypothekarschuld auszugehen sei. Die Höhe der 360 monatlichen Pauschalraten betrage derzeit 654,90 EUR und der vom Sohn der Beklagten an die Bank zurückzuzahlende Gesamtbetrag voraussichtlich 250.849,55 EUR. Selbst unter der für die Klägerin günstigsten Annahme, dass nur die vereinbarte Kreditsumme von 172.000 EUR sowie der Wert der Liegenschaft nach einem Dachbodenausbau von rund 118.000 EUR heranzuziehen seien, wäre die Befriedigungstauglichkeit erst nach 83 Ratenzahlungen erreicht, wovon noch 67 ausständig seien, die in rund 5 1/2 Jahren erfolgen würden. Erst dann wäre die Darlehensschuld auf den Liegenschaftswert reduziert, sodass bei einer Zwangsversteigerung ab diesem Zeitpunkt auch die Forderung der Klägerin teilweise befriedigt werden könne. Dies sei nicht unter „absehbarer Zeit“ zu subsumieren, sodass eine Befriedigungstauglichkeit nicht wahrscheinlich sei.
[10] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, da zur Frage, ob die Befriedigungstauglichkeit im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz als in absehbarer Zeit wahrscheinlich anzusehen sei, wenn sie voraussichtlich erst in rund 5 1/2 Jahren gegeben sein werde, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
[11] Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[12] Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch berechtigt.
[14] 1. Die Anfechtung eines vertraglichen Veräußerungs‑ und Belastungsverbots, welches den Gläubiger an der Exekutionsführung in die betreffende Liegenschaft hindert, ist gegenüber dem Berechtigten zulässig und möglich (10 Ob 1586/95; RIS‑Justiz RS0050778).
[15] 2. Die Anfechtungsvoraussetzungen nach § 2 Z 1, Z 2, Z 3 und § 3 Z 1 AnfO sind – mit Ausnahme der Befriedigungstauglichkeit – nicht mehr strittig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist damit nur die Frage der Befriedigungs(‑un‑)tauglichkeit der Beseitigung des der Beklagten eingeräumten Belastungs‑ und Veräußerungsverbots.
[16] 3.1 Die Anfechtung ist befriedigungstauglich, wenn sie die Befriedigungsaussichten des Anfechtungsklägers zu fördern imstande ist (RS0050591 [T4]), dies wegen der Eignung der Anfechtung, die Befriedigung des Gläubigers zu erreichen oder zu beschleunigen (RS0050591 [T2]). Es genügt schon, dass die damit bewirkte Verbesserung der Befriedigungsaussichten des Gläubigers wahrscheinlich ist (RS0050591 [T3]; RS0064645 [T1]). Daher ist – grundsätzlich – jede Erweiterung der Möglichkeit des Gläubigers zum Zugriff auf Vermögen des Schuldners als befriedigungstauglich zu qualifizieren (RS0050483). Im Zusammenhang mit einer Anfechtung darf nicht mit Leichtfertigkeit angenommen werden, dass eine Verbesserung der Befriedigungsaussichten nicht zu erwarten ist. Es ist zu berücksichtigen, dass der Verkehrswert einer Liegenschaft großen Schwankungen unterliegt und das derzeit überbelastete Objekt in absehbarer Zeit den Anfechtungsgläubigern noch ganz oder teilweise Deckung bieten kann. Es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die vorrangige Hypothek ganz oder teilweise getilgt wird, ohne dass ihr Rang sofort wieder ausgenutzt wird (RS0050533). Im Zweifel ist zugunsten der Anfechtung zu entscheiden (RS0050667 [T2]).
[17] 3.2 Gerade bei der Beseitigung der Wirkungen eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbots liegt der Schluss auf die Befriedigungstauglichkeit nahe, wird doch auf diese Weise der Zugriff auf das Liegenschaftseigentum des Schuldners überhaupt erst möglich. Legt der Anfechtungskläger einen solchen Sachverhalt dar, ist er damit dem ihm obliegenden Beweis der wahrscheinlichen Verbesserung seiner Befriedigungsmöglichkeit nachgekommen (RS0086614, insb 3 Ob 18/13p).
[18] 3.3 Der vorliegende Fall ist darüber hinaus dadurch gekennzeichnet, dass nur eine einzige vorrangige Hypothek, und zwar zugunsten der den Liegenschaftskauf finanzierenden Kreditgeberin, besteht. Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – bereits die grundsätzliche Befriedigungstauglichkeit dargetan.
[19] 4.1 Es liegt dann am Anfechtungsgegner, Tatsachen zu behaupten, aufgrund derer die Anfechtung aus besonderen Gründen dennoch nicht befriedigungstauglich ist und diese Tatsachen unter Beweis zu stellen (RS0050510).
[20] 4.2 Richtig ist, dass der Wert der Liegenschaft 114.255,14 EUR (ohne Dachbodenausbau) und 118.044,95 EUR (mit Dachbodenausbau) beträgt. Nach dem unstrittigen Inhalt des von der Beklagten vorgelegten Kreditvertrags beläuft sich die – in 360 Monatsraten á 654,90 EUR, beginnend mit 1. 9. 2018 – zurückzuzahlende voraussichtliche Gesamtverbindlichkeit bei der Kreditgeberin auf 250.849,25 EUR. Damit allein ist die Befriedigungsuntauglichkeit aber nicht dargetan. Die Beklagte hätte vielmehr nachweisen müssen, dass keine Wahrscheinlichkeit für die Annahme einer Befriedigungsverbesserung durch Beseitigung der Wirkungen des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots spricht. Vor dem Hintergrund, dass im Kreditvertrag ausdrücklich die Möglichkeit der gänzlichen oder teilweisen vorzeitigen Rückzahlung des Kredits vereinbart wurde, hätte die Beklagte daher behaupten und beweisen müssen, dass aus ganz konkret genannten Gründen eine vorzeitige Tilgung ausgeschlossen ist. Im Übrigen folgt bereits aus dem Umstand der monatlichen Ratenzahlungen, dass sich die Gesamtverbindlichkeit bei der Kreditgeberin – entgegen der Behauptungen der Beklagten – bereits weit vor Ablauf von 30 Jahren derart reduziert haben wird, dass die Klägerin zumindest mit einer (teilweisen) Deckung rechnen kann.
[21] Damit hat die Beklagte den ihr obliegenden Beweis der Befriedigungsuntauglichkeit nicht erbracht.
[22] 5. Davon ausgehend war der Revision Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.
[23] 6. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens gründet auf § 41 ZPO, jene hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.
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