OGH 24Ds11/23m

OGH24Ds11/23m30.4.2024

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 30. April 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann als weitere Richterin und die Rechtsanwälte Dr. Rothner und Mag. Stangl als Anwaltsrichter in Gegenwart von Mag. Flickinger als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 30. März 2023, GZ DISZ/23‑22‑19, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföllner, des Disziplinarbeschuldigten sowie seines Verteidigers, Mag. Lehner LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0240DS00011.23M.0430.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt *, der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt) für schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt.

[2] Danach hat er dadurch, dass er in seinem Internet-Auftritt bis zum 25. Jänner 2023 unter https://b*.at/ auf der Startseite durch augenfällige Platzierung der Wortfolge „B*“ und damit einhergehend durch weitere täuschende und irreführende Hinweise zum Team von „B*“ den Eindruck erweckt, dass mehrere Rechtsanwälte/innen für die Kanzlei „B*“ tätig wären, ohne unmissverständlich und hinreichend auf der Startseite klarzustellen, dass die in der Rechtsform einer Rechtsanwalts-GmbH geführte Kanzlei „B*“ nur aus einem einzigen geschäftsführenden Rechtsanwalt, nämlich Rechtsanwalt *, besteht.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats richtet sich die Berufung des Beschuldigten gegen die Aussprüche über die Schuld, mit der er auch Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO (RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) releviert, und gegen die Strafe.

[4] Der Disziplinarrat konstatierte in seiner Entscheidung (ES 7), dass bei Besuchern der Homepage der B* (GmbH) und beim interessierten Publikum durch den Außenauftritt der Kanzlei der Eindruck entsteht, es würden mehrere Rechtsanwälte, jedenfalls aber mehr als ein Rechtsanwalt, dort tätig sein.

[5] Nach § 10 Abs 2 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, durch Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit in seinem Benehmen die Ehre und Würde des Standes zu wahren. Er hat insbesondere stets richtige und klare Angaben zu machen. So wurden in der Vergangenheit von der Rechtsprechung bereits Unklarheiten in Angaben des Rechtsanwalts zu seiner wirtschaftlichen Stellung, etwa in Bezug auf sein Handeln als Einzelunternehmer oder als Teil einer Rechtsanwalts-Gesellschaft, als diesem Gebot zuwiderlaufend angesehen (20 Ds 3/20a, 20 Ds 17/21m, 20 Ds 20/21b). Desgleichen das Erwecken des Anscheins, dem Klienten stünde eine Gesellschaft mit mehreren Rechtsanwälten gegenüber, obwohl nur ein Kooperationsverhältnis bestand, und zwar trotz aufklärender Hinweise, wenn durch sie die Unklarheiten im Außenauftritt nicht vollständig beseitigt wurden (vgl 20 Ds 17/21m). Bereits Fahrlässigkeit schadet (Rohregger in Engelhart et al, RAO11, § 10 RAO, Rz 30; 20 Ds 3/20a; 20 Ds 17/21m ua).

[6] Der Außenauftritt eines Rechtsanwalts, somit dessen gesamte Kommunikation im Rahmen der Berufsausübung (Engelhart in Engelhart et al, RAO11, § 28 RL‑BA 2015 Rz 4, 8), hat ebenfalls stets dem in § 10 Abs 5 RAO und § 47 Abs 2 RL‑BA 2015 normierten Sachlichkeits- und Wahrheitsgebot zu entsprechen; der Außenauftritt darf nicht unwahr, täuschend oder irreführend sein (Engelhart in Engelhart et al, RAO11, § 28 RL‑BA 2015 Rz 15). Daraus ergibt sich in concreto die Pflicht, den falschen Eindruck einer besonderen Leistungsfähigkeit durch das Vorhandensein einer (Mehr‑)Zahl von Anwälten zu vermeiden (Engelhart in Engelhart et al, RAO11, § 47 RL‑BA 2015, Rz 3, 11; Murko in Murko/Nunner‑Krautgasser, Berufsrecht, § 28 RL‑BA Rz 3; 20 Ds 20/21b; 20 Ds 17/21m).

[7] Die Mängelrüge erblickt in der beweismäßigen Verwertung des im Bericht des Untersuchungskommissärs vom 9. November 2022 abgebildeten Screenshots der Website des Beschuldigten einen Verstoß gegen den Grundsatz der Mündlichkeit des Disziplinarverfahrens (zum Unmittelbarkeitsgrundsatz im Disziplinarverfahren: RIS‑Justiz RS0056964). Der Bericht sei nämlich mangels Verlesung nicht zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden. Der Beschuldigte übersieht bei diesem Vorwurf jedoch, dass der Anordnung des § 37 erster Halbsatz DSt durch die in der Verhandlung erfolgte (vgl ON 17, S 4) Inaugenscheinnahme durch den Disziplinarrat Genüge getan wurde (Lehner in Engelhart et al, RAO11 § 37 DSt Rz 4; Schmoller, WK‑StPO § 12 Rz 46).

[8] Mit der Kritik, der Urteilsspruch stehe „für den Zeitraum von 9. November 2022 bis 25. Jänner 2023“ in einem inneren Widerspruch zu den Entscheidungsgründen und verlängere den zur Last gelegten Tatzeitraum um mehr als zwei Monate, spricht der Beschuldigte keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0117499).

[9] Soweit die Berufung Feststellungen des Disziplinarrats zum Bedeutungsinhalt der Präsentation des Beschuldigten im Internet vermisst (Z 9 lit a, nominell auch Z 5 erster Fall), übergeht sie – prozessordnungswidrig – die Feststellungen des Disziplinarrats auf S 7 der Entscheidung, wonach bei Besuchern der Homepage und beim interessierten Publikum der Eindruck entstanden ist, „es würden mehrere Rechtsanwälte, jedenfalls aber mehr als ein Rechtsanwalt dort [gemeint: bei der B* GmbH] tätig sein“. Der vom Disziplinarrat – aus dem Außenauftritt des Beschuldigten („B*“) – gezogene Schluss, der Beschuldigte habe damit den (falschen) Eindruck erzeugt, es läge eine Gemeinschaft von Rechtsanwälten vor, war daher naheliegend und auch inhaltlich relevant, weil die Verkehrskreise Gemeinschaften von Rechtsanwälten umfassendere Kompetenzen zutrauen als Einzelanwälten (vgl 20 Ds 17/21m). Insofern gehen die Einwände des Beschuldigten, es mangle dem Spruch an einer Tatsachenbasis und der verurteilenden Entscheidung am unerlässlichen Sachverhaltsbezug, vor allem aber habe der Disziplinarrat seiner Beurteilung nur die Startseite und nicht den Internetauftritt als Ganzes zugrunde gelegt, ins Leere.

[10] Wenn sich der Beschuldigte darauf beruft, dass „B*“ eine zulässige Kurzbezeichnung nach § 28 Abs 5 RL‑BA 2015 darstelle, so lässt er außer Acht, dass auch derartige Kurzbezeichnungen der Werberichtlinie des § 47 RL‑BA 2015 zu entsprechen haben (Engelhart in Engelhart et al, RAO11 § 28 RL‑BA 2015, Rz 15; Murko in Murko/Nunner-Krautgasser, Berufsrecht § 28 RL‑BA 2015 Rz 5).

[11] Das inhaltlich Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) relevierende Vorbringen in Bezug auf die dem Berufungswerber angelastete fahrlässige Begehung lässt außer Betracht, dass objektive Sorgfaltsverstöße grundsätzlich die subjektive Sorgfaltswidrigkeit indizieren, es sei denn, es sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Täter den objektiven Sorgfaltsanforderungen nicht hätte nachkommen können (Burgstaller/Schütz in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 6 Rz 90; RIS‑Justiz RS0088909). Die objektive Sorgfaltswidrigkeit ergibt sich aus dem Verstoß des Beschuldigten gegen § 10 Abs 2 RAO und § 47 RL‑BA 2015. Dass er die – objektiv vorliegende – Sorgfaltsverletzung subjektiv nicht zu vertreten gehabt hätte, wurde von ihm weder behauptet noch ergeben sich hiefür aus dem Akteninhalt Indizien. Überdies ergibt sich die subjektive Vorwerfbarkeit auch daraus, dass der Beschuldigte nach den Feststellungen des Disziplinarrats „[…] insbesondere nach einem entsprechenden Vorhalt im Zuge des Disziplinarverfahrens damit rechnen [musste], dass der Eindruck entsteht, es würden mehr als ein Rechtsanwalt in seiner Kanzlei tätig sein“ […] und er habe „seinen Außenauftritt dennoch nicht geändert“ (ES 7).

[12] Entgegen der Subsumtionsrüge (Z 10) ergibt sich die Erfüllung des Publizitätserfordernisses als Kriterium des zweiten Falls des § 1 Abs 1 DSt (Lehn in Engelhart et al, RAO11 § 1 DSt Rz 12 ff [14]; Gartner in Murko/Nunner-Krautgasser, Berufsrecht § 1 DSt Rz 38 ff) schon aus der Funktion der Website, die als Werbemittel an die Öffentlichkeit gerichtet ist. Dass die Website diese Funktion in concreto nicht erfüllt habe, hat der Beschuldigte weder behauptet noch ist dies nach den Feststellungen des Verfahrens naheliegend. Letztlich vermag der Beschuldigte selbst nicht anzugeben, welcher weiteren Feststellungen es neben jenen des Disziplinarrats (ES 2, 7: „Außenauftritt der Kanzlei“) bedurft hätte.

[13] Die Anwendung des § 3 DSt setzt voraus, dass der Handlungs- und Gesinnungsunwert erheblich hinter jenem typischer Fälle der jeweiligen Deliktsverwirklichung zurückbleibt (Gartner in Murko/Nunner-Krautgasser, Berufsrecht § 3 DSt Rz 7 mwN). Angesichts der offensichtlichen Verletzung standesrechtlicher Vorgaben und der Konstatierung des Disziplinarrats, wonach der Beschuldigte trotz Hinweisen im Verfahren den Außenauftritt vorerst nicht geändert hat (ES 7), versagt auch die auf die Anwendung des Strafausschließungsgrundes abzielende (Z 9 lit b) Behauptung des Beschuldigten eines deutlich reduzierten Verschuldens.

[14] Auch der Schuldberufung des Disziplinarbeschuldigten ist ein Erfolg zu versagen, hat sich der Disziplinarrat doch schon im Rahmen seiner nachvollziehbaren Schlussfolgerungen mit allen entscheidungswesentlichen Umständen der Tat auseinandergesetzt, wobei er sich auf den dokumentierten Internetauftritt, dessen Inhalt unstrittig war, stützen konnte. Dem hält der Beschuldigte lediglich seine eigenen Überlegungen zur Täuschungseignung der Ausgestaltung der Website und zur Zulässigkeit von Kurzbezeichnungen entgegen, um zu einem anderen Bedeutungsinhalt zu kommen, übersieht dabei aber, dass schon unklare Angaben bzw die Eignung zur Irreführung ausreichen, um die gesetzlichen Vorgaben zu verletzen.

[15] Nach § 16 Abs 6 DSt ist bei der Verhängung der Strafe auf die Größe des Verschuldens des Beschuldigten, aber auch auf die daraus entstandenen Nachteile, einerseits für die rechtssuchende Bevölkerung, andererseits für das Ansehen der Rechtsanwaltschaft, und – bei Ausspruch einer Geldbuße – auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse Bedacht zu nehmen (Lehner in Engelhart et al, RAO11 § 16 DSt Rz 17 mwN; 27 Ds 1/17d; 20 Ds 13/20x).

[16] Die vom Disziplinarrat ansonsten zutreffend gewürdigten Strafzumessungsgründe waren um den Erschwerungsgrund des Zusammentreffens von zwei Vergehen zu ergänzen. Da keine Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen getroffen wurden, war von durchschnittlichen Verhältnissen, also von der Abschöpfung in Höhe von rund 3.500 Euro monatlich auszugehen (26 Ds 5/21s). Wenn man bedenkt, dass aktuell die Verkehrskreise Kanzleien mit einer Mehrzahl von Rechtsanwälten erhöhte Entscheidungskompetenz attestieren, es offensichtlich war, dass der blickfangartige Hinweis auf „Rechtsanwälte“ unrichtig gewesen ist und der Beschuldigte darüber hinaus schon zu Beginn des Verfahrens auf die mögliche Bedenklichkeit hingewiesen wurde, so ist die Höhe der Geldbuße, die ohnehin am unteren Rand der Geldstrafen angesiedelt ist, nicht zu beanstanden. Ein Verweis, wie ihn der Beschuldigte anstrebt, kommt deshalb nicht in Betracht, weil aus den oben angeführten Gründen nicht mehr von einem ganz geringen Unrechts- und Schuldgehalt auszugehen gewesen ist (vgl Lehner in Engelhart et al, RAO11 § 16 DSt Rz 5).

[17] Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

[18] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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