European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0200DS00020.21B.0614.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *, Rechtsanwalt in * (vormals in *), der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt, weil er zumindest ab September 2019 durch irreführende Handlungen wie das Verwenden der Kontaktdaten (Adresse *), der Telefon- und Faxnummer (+43 *, +43 *), der E‑Mail-Adresse (*), der Internetadresse (www.*.at) und des Kanzleilogos der „H* Rechtsanwälte, *, auf seinem Briefpapier und in seinen E‑Mails (ES 3) sowie das Aufscheinen seiner Person auf der Homepage www.*.at der „H* Rechtsanwälte“ den Eindruck erweckte, dass eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit „H* Rechtsanwälte“ bestehe, obwohl er lediglich als Dauersubstitut für Dr. F* H*, Rechtsanwalt in *, tätig war.
[2] Rechtsanwalt * wurde hierfür zu einer Geldbuße von 1.500 Euro verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die – der Sache nach Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO („unrichtige rechtliche Beurteilung“) relevierende (vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) – Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe.
[4] Nach den Feststellungen des Disziplinarrats war * von März 2019 bis April oder Mai 2021 selbständiger Rechtsanwalt mit dem Kanzleisitz *. Die Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Form einer Gesellschaft war der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer nicht gemeldet worden. Seit April bzw Mai 2021 ist der Beschuldigte selbständiger Rechtsanwalt mit dem Kanzleisitz *. Der Beschuldigte war und ist überwiegend als Dauersubstitut für Dr. F* H*, Rechtsanwalt in *, tätig.
[5] Auf dem vom Beschuldigten im inkriminierten Zeitraum ab zumindest September 2019 verwendeten Briefpapier findet sich unter einem großen symbolisierten blauen „H“ der Schriftzug „H* Rechtsanwälte“, darunter der Name des Disziplinarbeschuldigten mit der Anschrift – in der Zeit seines Kanzleisitzes in * – *, ferner die E‑Mail-Adresse: * und der Hinweis auf die Homepage www.*.at.
[6] Die E‑Mail-Korrespondenz führte der Beschuldigte im inkriminierten Zeitraum ab zumindest September 2019 über die E-Mail-Adresse *, wobei sich in den E-Mails ebenfalls das am Briefpapier befindliche blaue „H“ mit dem Schriftzug „H* Rechtsanwälte“ findet und die Adressen * und * (Sprechstelle), die Telefonnummer +43 *, die Faxnummer +43 *, die E‑Mail-Adresse * sowie der Hinweis auf die Homepage www.*.at angeführt sind.
[7] Bei der Internetseite www.*.at handelt es sich um die Website der „H* Rechtsanwälte“, auf der unter der Rubrik „Team“ F* H*, L* H*, * (der Beschuldigte), * A*, * M* und * F* genannt werden und unter „Kontakt“ die Telefon‑ und Faxnummern +43 * und +43 *, die E‑Mail-Adresse * sowie die Adressen * und * als Sprechstelle angeführt sind. Klickt man auf „*“, so ist Folgendes zu lesen: „Rechtsanwalt, Sprachen: Deutsch und Englisch, E‑Mail: *, T: +43 *, F: +43 *“. Sodann sind der Tätigkeits-schwerpunkt des Beschuldigten, seine Familienverhältnisse und seine Publikationen angeführt. Im Impressum der Website scheint Rechtsanwalt Dr. F* H*, mit den oben angeführten Kontaktdaten auf. Der Beschuldigte hatte im Zusammenhang mit der Erstellung seines Auftritts auf dieser Website Dris. F* H* an einem entsprechenden Fototermin teilgenommen und auch die ihn betreffenden Informationen deponiert.
[8] Der Beschuldigte bildete mit Rechtsanwalt Dr. F* H* oder einer anderen Person aus dessen „Team“ zu keinem Zeitpunkt eine Gesellschaft.
[9] Betreffend den Bedeutungsinhalt des Außenauftritts des Beschuldigten ging der Disziplinarrat in tatsächlicher Hinsicht (vgl RIS‑Justiz RS0092588) davon aus, dass Rechtsanwalt * den falschen Anschein des Bestehens einer Rechtsanwalts-Gesellschaft mit „H* Rechtsanwälte“ bzw Rechtsanwalt Dr. F* H* erweckte. Dieser Außenauftritt entsprach demnach nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.
Vorweg Grundsätzliches:
[10] Gemäß § 10 Abs 2 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, durch Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit in seinem Benehmen die Ehre und Würde des Standes zu wahren. Er hat insbesondere stets richtige und klare Angaben zu machen. Bereits fahrlässig unrichtige Formulierungen können zu disziplinärer Haftung führen (Engelhart et al, RAO10 § 10 RAO Rz 30). So laufen etwa unklare Angaben zur wirtschaftlichen Stellung eines Rechtsanwalts in Bezug auf sein Handeln als Einzelunternehmer oder aber Teil einer Rechtsanwalts-Gesellschaft dem Gebot des § 10 Abs 2 RAO zuwider (vgl 20 Ds 3/20a, 20 Ds 17/21m; gänzlich anders gelagerter [weil Mitglieder einer bestehenden Gesellschaft betreffend] das von der Verteidigung ins Treffen geführte E 20 Os 6/14d, vgl auch 20 Os 9/14w).
[11] § 10 Abs 5 RAO gestattet dem Rechtsanwalt Werbung insoweit, als sie über seine berufliche Tätigkeit wahr und sachlich informiert und mit seinen Berufspflichten im Einklang steht. Auch bei Werbemaßnahmen hat sich der Rechtsanwalt stets im Rahmen des § 10 Abs 2 RAO zu bewegen (Engelhart et al, RAO10 § 10 RAO Rz 42) und die ausdrücklichen Regelungen des § 47 RL‑BA 2015 zu beachten: Danach ist Werbung zulässig, sofern sie wahr, sachlich, in Einklang mit Ehre und Ansehen des Standes, den Berufspflichten sowie der Funktion des Rechtsanwalts im Rahmen der Rechtspflege ist.
[12] Werbung ist jedes Mittel, mit welchem ein Rechtsanwalt auf sich, seine Kanzlei und seine Leistungen aufmerksam machen will (Engelhart et al, RAO10 § 47 RL‑BA 2015 Rz 3). Werbemittel sind alle Kommunikations-mittel für den Außenauftritt des Rechtsanwalts, wie etwa Websites, Folder, Printinserate, aber auch Briefpapier (Engelhart et al, RAO10 § 47 RL‑BA 2015 Rz 3, Rz 11).
[13] Der Außenauftritt eines Rechtsanwalts, somit dessen gesamte Kommunikation im Rahmen der Berufsausübung (Engelhart et al, RAO10 § 28 RL‑BA 2015 Rz 4, Rz 8), hat demnach stets dem in § 10 Abs 5 RAO und § 47 Abs 2 RL‑BA 2015 normierten Sachlichkeits- und Wahrheitsgebot zu entsprechen; der Außenauftritt darf nicht unwahr, täuschend oder irreführend sein (Engelhart et al, RAO10 § 47 RL‑BA 2015 Rz 11, § 28 RL‑BA Rz 15). Daraus ergibt sich etwa die Pflicht, bei der Anführung von Personen deren Funktion in unmissverständlicher Weise klarzustellen (Gesellschafter, angestellter Rechtsanwalt, Substitut, Rechtsanwaltsanwärter oder sonstiger Mitarbeiter). Es darf nicht der falsche Eindruck einer Leistungsfähigkeit durch eine (Mehr‑)Zahl von Anwälten entstehen, die nicht als solche in der Kanzlei tätig sind; Anwälte, welche nicht Gesellschafter sind, sollen deutlich von Gesellschaftern abgegrenzt werden (Engelhart et al, RAO10 § 47 RL‑BA 2015 Rz 3, 11).
[14] Betreffend den Außenauftritt des Rechtsanwalts normiert § 28 RL‑BA 2015, zu welchen Angaben der Anwalt jedenfalls verpflichtet ist, aber auch er zu unterlassen hat. So hat er gemäß § 28 Abs 1 erster Satz RL‑BA 2015 in Ausübung seiner anwaltlichen Berufstätigkeit stets seinen Vor- und Zunamen sowie die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt zu führen. § 28 Abs 2 und Abs 3 RL‑BA 2015 treffen die im Zusammenhang mit dem Außenauftritt von Rechtsanwalts-Gesellschaften (vgl §§ 1a, 1b RAO) notwendigen und zulässigen Angaben. Wird bei einem Außenauftritt auch eine Person genannt, die nicht Rechtsanwalt ist, ist gemäß § 28 Abs 4 RL‑BA 2015 die Berufsqualifikation dieser Person klarzustellen. Dies soll eine Täuschung der beteiligten Verkehrskreise über die Zahl der zur Gesellschaft gehörigen Rechtsanwälte verhindern (Engelhart et al, RAO10 § 28 RL‑BA 2015 Rz 13) und entspricht dem bereits erwähnten Wahrheits- und Sachlichkeitsgebot.
[15] Die einleitenden Berufungsausführungen zur Zulässigkeit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in einem Angestelltenverhältnis lassen einen Bezug zu dem dem Beschuldigten zur Last gelegten Verhalten nicht erkennen.
[16] Indem dieser die vertragliche und faktische Ausgestaltung seiner Tätigkeit als Substitut für Rechtsanwalt Dr. F* H* beschreibt und behauptet, es sei niemals der Eindruck des Bestehens einer Partnerschaft oder Gesellschaft erweckt worden, vermag er keine Bedenken gegen die eingangs referierten erstinstanzlichen Feststellungen zu seinem Außenauftritt und dessen Bedeutungsinhalt zu wecken.
[17] Das Berufungsvorbringen, es liege kein Verstoß gegen § 1a RAO, § 28 RL‑BA und § 47 RL‑BA und auch sonst kein standeswidriges Verhalten vor (inhaltlich § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO), orientiert sich nicht – wie bei Geltendmachung materieller Nichtigkeit jedoch geboten (RIS‑Justiz RS0099810) – an den im Erkenntnis getroffenen Sachverhaltsannahmen zum Bedeutungsinhalt des – durch die Verwendung der näher beschriebenen Kommunikationsmittel (Briefpapier, E‑Mail, Website) erfolgenden – Außenauftritts des Beschuldigten.
[18] Soweit der Berufungswerber unter Hinweis auf § 1a RAO vorbringt, es bestehe keine Verpflichtung eines nicht im Rahmen einer Rechtsanwalts-Gesellschaft tätigen Rechtsanwalts, die Nicht-Beteiligung an einer tatsächlich nicht existierenden Gesellschaft offenzulegen, argumentiert er nicht auf Basis der Feststellungen zum durch unklare bzw irreführende Angaben erweckten falschen Anschein des Bestehens einer Rechtsanwalts-Gesellschaft.
[19] Mit der Behauptung, der Beschuldigte habe sich niemals als Teil einer Rechtsanwalts-Gesellschaft bezeichnet, es sei weder dem Briefpapier noch der Internetseite www.*.at, in deren Impressum allein Dr. F* H* aufscheine, ein Verweis auf eine derartige Gesellschaft oder auf ihn als Gesellschafter zu entnehmen und es könne daher „in der Gesamtschau die Maßfigur bei durchschnittlicher Betrachtung jedenfalls nicht annehmen, dass eine Rechtsanwalts‑Gesellschaft unter Beteiligung des Disziplinarbeschuldigten vorliegen könnte“, zeigt die Schuldberufung keine Umstände auf, die geeignet wären, Zweifel am konstatierten Bedeutungsinhalt des Außenauftritts zu wecken.
[20] Soweit der Rechtsmittelwerber meint, die Präsentation seiner Person auf der Homepage www.*.at sei nicht Teil seines Außenauftritts gewesen, ignoriert er prozessordnungswidrig die konträren Feststellungen des Disziplinarrats. Auch das Berufungsvorbringen, es liege keine unwahre Werbung vor, orientiert sich nicht an den Sachverhaltsannahmen zu dem einen falschen Anschein erweckenden Außenauftritt.
[21] Bedenken gegen diese Feststellungen werden mit der Behauptung, durch die „Mitverwendung von Briefpapier oä, welches auf RA Dr. H* verweist, oder einer Webseite, die im Impressum Dr. H* anführt, kann denkunmöglich der fälschliche Eindruck erweckt worden sein, dass der Disziplinarbeschuldigte einer Rechtsanwalts-Gesellschaft angehört“ habe, „die tatsächlich niemals existiert hat“, und dem Vorbringen, es sei üblich, bei Internetauftritten auch (Dauer‑)Substituten als Teil des Teams anzuführen, nicht geweckt.
[22] Da der Außenauftritt des Beschuldigten – im Sinne obiger Ausführungen – gegen die Bestimmungen der § 10 Abs 2 und Abs 5 RAO, § 28 und § 47 Abs 2 RL‑BA 2015 verstieß, hat der Disziplinarrat eine Berufspflichtenverletzung sowie eine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zutreffend bejaht.
[23] Der Berufung wegen Schuld war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, aber entgegen den Gegenausführungen des Beschuldigten dazu – nicht Folge zu geben.
[24] Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ist nicht berechtigt. Die mit 1.500 Euro bemessene Geldbuße ist in Anbetracht der schon durch die erste Instanz richtig erfolgten Berücksichtigung des reumütigen Geständnisses, der Unbescholtenheit und der untergeordneten Rolle des Beschuldigten bei der Gestaltung des Außenauftritts als Milderungsgründe und der Wertung der längeren Zeit des inkriminierten Zustands (teilweise bei bereits anhängigem Disziplinarverfahren) als erschwerend (wozu noch das Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen tritt), keinesfalls überhöht, zumal der Beschuldigte zu seinen Einkommensverhältnissen keine Angaben machte und zwei Sorgepflichten hat. Bedingte Sanktionsnachsicht oder ein Verweis würden generalpräventiven Gesichtspunkten nicht ausreichend Rechnung tragen.
[25] Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.
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