OGH 2Ob57/24g

OGH2Ob57/24g23.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ärztekammer für Steiermark, Körperschaft öffentlichen Rechts, Kaiserfeldgasse 29, Graz, vertreten durch Gass & Sutter Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, Wienerbergstraße 15–19, Wien 10, vertreten durch Schmidt Pirker Podoschek Rechtsanwälte OG in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, Wien 1, wegen 308.769,30 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Dezember 2023, GZ 3 R 175/23m‑43, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00057.24G.0423.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wiesen den auf § 1042, hilfsweise § 1036 ABGB gestützten, von der klagenden Ärztekammer gegen die Österreichische Gesundheitskasse geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Lager- und Logistikkosten für während der COVID‑19‑Pandemie zur Verteilung georderter, letztlich aber nicht gebrauchter Schutzausrüstung ab. Nach dem am 30. 6. 2023 außer Kraft getretenen § 741 Abs 1 und Abs 3 ASVG seien die Beklagte für die Dauer der durch die WHO ausgerufenen COVID‑19‑Pandemie zur Beschaffung und Zurverfügungstellung von Schutzausrüstung unter Berücksichtigung der Bedarfsmeldungen der Interessenvertretungen sowieletztere zur Verteilung an die einzelnen Leistungserbringer verpflichtet gewesen. Aus der in § 741 Abs 5 ASVG normierten Pflicht des Bundes, der Beklagten die Lager- und Logistikkosten zu ersetzen, folge keine gesetzliche Verpflichtung der Beklagten, sämtliche, auch der Klägerin entstandene Lager- und Logistikkosten zu tragen. Die Klägerin habe daher keinen Aufwand getätigt, zu dem die Beklagte verpflichtet gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dieaußerordentliche Revison der Klägerin ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Anspruch auf Aufwandsersatz nach § 1042 ABGB

[3] 1.1 Die Klägerin leitet ihren Anspruch nicht unmittelbar aus § 741 Abs 5 ASVG ab, sondern argumentiert, aus der Bestimmung sei eine generelle Pflicht der Beklagten zur Tragung der Lager- und Logistikkosten abzuleiten. Durch die (teilweise) Tragung dieser Kosten im Rahmen der von der Klägerin wahrzunehmenden Verteilungsaufgaben habe sie nach dem Gesetz der Beklagten obliegende Aufwendungen getätigt.

[4] 1.2 Nach § 1042 ABGB ist der Aufwand zu ersetzen, den ein anderer nach dem Gesetze hätte machen müssen. Nur soweit die Pflicht des anderen reicht, kann Ersatz gefordert werden (RS0104142). Das Wesen des Anspruchs nach § 1042 ABGB ist es, dass jemand (ein anderer, der Bereicherte) aus dem Rechtsgut des Eigentümers (des Verkürzten, des Verletzten) ohne Rechtsgrund einen Vorteil zieht; der Vorteil fließt dem Berechtigten aber nicht unmittelbar, sondern durch Abnahme einer Last zu, durch eine Leistung des Verkürzten, die nach dem Gesetz der Bereicherte zu leisten hatte (RS0019908). § 1042 ABGB hat nur ergänzende Funktion (RS0028050) und ist grundsätzlich nur anzuwenden, wenn weder zwischen dem Kläger und dem Beklagten noch zwischen dem Kläger und dem Dritten, an den geleistet wurde, sondern nur zwischen dem Beklagten und dem Dritten eine Rechtsbeziehung bestand, die jenen zum Aufwand verpflichtet hätte (RS0104150).

[5] Auf die Art des Rechtsgrundes kommt es nicht an (RS0028060), dieser kann auch im öffentlichen Recht begründet sein (RS0019882). Voraussetzung einer Klage nach § 1042 ABGB ist aber die Erfüllung eines Anspruchs eines bestimmten Dritten, der gegen den Beklagten besteht, mag dieser Anspruch auch öffentlich-rechtlicher Natur sein. Die Übernahme allgemeiner öffentlicher Pflichten, bezüglich derer kein subjektives Recht einer bestimmten Person besteht, berechtigt den Leistenden hingegen nicht zu Ersatzforderungen nach § 1042 ABGB (4 Ob 119/15a Pkt 3. mwN [Straßenbaulast]; RS0130591).

[6] 1.3 Selbst wenn man daher – der Argumentation der Klägerin folgend – aus § 741 Abs 5 ASVG eine (allgemeine) Pflicht der Beklagten ableitete, sämtliche, auch bei der Klägerin aufgelaufene Lager- und Logistikkosten zu tragen, hätte dies nicht zur Folge, dass die Beklagte verpflichtet wäre, eine Leistung gegenüber einer bestimmten dritten Person zu erbringen. Es fehlt daher an einem anspruchsberechtigten Dritten. Die von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Umfang der Kostentragungsverpflichtung der Beklagten stellen sich daher nicht.

[7] 1.4 Auch eine allfällige Anwendbarkeit des § 1042 ABGB auf zweipersonale Verhältnisse (vgl dazu 8 Ob 126/22w Rz 21 ff mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstands), könnte den Ersatzanspruch nicht begründen, weil – Entsprechendes behauptet auch die Klägerin nicht – § 741 ASVG der Klägerin keinen subjektiven Anspruch gegenüber der Beklagten auf Durchführung der Lager- und Logistkleistungen einräumt.

2. Anspruch nach § 1036 ABGB

[8] 2.1 Die Klägerin bringt zur Anspruchsbegründung vor, die sachgerechte Einlagerung sei erforderlich gewesen, um die im Eigentum der Beklagten stehende Schutzausrüstung vor Beschädigungen zu schützen und sie den Leistungserbringern später zur Verfügung stellen zu können.

[9] 2.2 Die Normen über die Geschäftsführung ohne Auftrag erlauben eine Geschäftsführung im Notfall nur in den engen Grenzen des § 1036 ABGB. Eine im Notfall vorgenommene Geschäftsführung ohne Auftrag ist nur dann anzunehmen, wenn es den Geschäftsführern nicht möglich war, rechtzeitig die Zustimmung des Geschäftsherrn einzuholen (6 Ob 70/14h Pkt 6. mwN). Dass dies nicht möglich gewesen wäre, behauptet die Klägerin gar nicht. Davon kann im Zusammenhang mit der Durchführung von Lager- und Logistikleistungen über einen langen Zeitraum auch keine Rede sein.

[10] 3. Die Abweisung der – ausschließlich auf die Rechtsgründe der §§ 1036, 1042 ABGB gestützten (RS0037610 [T43]) – Klage durch die Vorinstanzen ist daher im Ergebnis nicht korrekturbedürftig.

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