European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00033.24Z.0416.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,60 EUR, die beklagte Partei hingegen der klagenden Partei die mit 502,70 EUR (darin 83,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin kaufte am 21. 6. 2018 einen PKW Mercedes Benz V250 CDI mit einer Laufleistung von knapp 10.000 km als Vorführwagen um netto 56.000 EUR. Im Fahrzeug war ein Dieselmotor des Typs OM651 verbaut. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs. Dieselmotoren dieses Typs verfügen über ein Abgasrückführungssystem über das AGR‑Ventil, den AGR‑Kühler und das AGR‑Rohr. Insbesondere das AGR‑Ventil ist in seiner Funktionalität von der Temperatur des Abgases abhängig. Eine weitere Komponente der Abgasreinigung ist die Abgasnachbehandlung mit einem SCR‑Katalysator, dabei wird Harnstoff (AdBlue) eingespritzt. Ursprünglich war die Motorsteuerung so konfiguriert, dass sie für die Abgasnachbehandlung mit dem SCR‑Katalysator zwei unterschiedliche Regelstrategien (Modi) für die Eindüsung von AdBlue wählte, die eine signifikant unterschiedliche Effektivität hatten. Während unter Bedingungen, wie sie auch für die Typprüfung (NEFZ) vorgegeben sind, nach Motorstart ein vergleichsweise effektiver Modus geschaltet ist, wurde nach dem Erreichen einer bestimmten emittierten Stickstoff-Stickoxidmasse nach Ablauf des Prüfzyklus in einen weniger effektiven Modus geschaltet. Dadurch wurden die zulässigen Grenzwerte überschritten. Ein Zurückschalten in den effektiven Modus war im realen Fahrbetrieb sehr unwahrscheinlich. Das KBA bewertete dieses erschwerte „reentry“ als unzulässige Abschalteinrichtung und forderte die Beklagte zu einem Rückruf und einer Neuprogrammierung der Software auf. Bei der beanstandeten Funktion handelte es sich nicht um eine Prüfstandserkennung im engeren Sinn, sie hat mit dieser aber gemein, dass unter den Rahmenbedingungen des NEFZ die effektivste Nachbehandlungsstrategie genutzt wird.
[2] Im Oktober 2018 wurde die Klägerin aufgefordert, das Fahrzeug für ein Software-Update in die Werkstätte zu bringen. Dieses Software‑Update führte dazu, dass die AdBlue‑Eindosierung im SCR‑System erhöht und damit die aktive Abgasnachbehandlung deutlich verbessert wurde. Das KBA stellte bei einer neuerlichen Überprüfung fest, dass die beanstandete Funktion beseitigt wurde und die Abgasnachbehandlung nun korrekt arbeitet. Nach dem Aufspielen dieses Updates ist kein Minderwert des Fahrzeugs mehr gegeben. Dieselmotoren mit Abgasrückführung verwenden ein sogenanntes Thermofenster. In welchem Bereich – nach dem Update verbliebene – das Thermofenster bei diesem Motor konkret liegt, war nicht feststellbar.
[3] Der Geschäftsführer der Klägerin stellte im Herbst 2020 fest, dass sein Fahrzeug vom „Dieselskandal“ betroffen war und entschloss sich zu einen Verkauf. Die Klägerin verkaufte das Fahrzeug am 1. Dezember 2020 mit einem Kilometerstand von 34.500 um einen angemessenen Kaufpreis von netto 41.666,67 EUR an einen Gebrauchtwagenhändler. Einen Wertverlust für Fahrzeuge, die vom Abgasskandal betroffen waren, gibt es am Gebrauchtwagenmarkt nicht. Die Gefahr eines Entzugs der Typengenehmigung besteht derzeit nicht.
[4] Die Klägerin begehrt von der Beklagten zuletzt 16.800 EUR Schadenersatz. Diese habe im Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen in Form einer temperatur- und geschwindigkeitsabhängigen Reduktion der Abgasnachbehandlung (SCR) und eines Thermofensters verbaut, das angebotene Software-Update habe dies nicht behoben. Ihr Schaden liege im Erwerb eines überteuerten Fahrzeugs, der objektive Minderwert betrage 30 % des Kaufpreises. Die nachfolgende Veräußerung des Fahrzeugs sei weder zeitlich noch sachlich kongruent und daher irrelevant.
[5] Die Beklagte bestritt das Vorliegen von unzulässigen Abschalteinrichtungen und einen Schaden der Klägerin. Diese habe das Fahrzeug ohne Einschränkungen genutzt und ohne Mindererlös weiterveräußert.
[6] Das Erstgericht wies die Klage ab. Zwar sei die Beklagte ihrer Beweispflicht in Bezug auf das Thermofenster dahin, dass die Abgasrückführung unter normalen Betriebsbedingungen die meiste Zeit des Jahres funktioniere oder einen der in Art 5 der VO 715/2007/EG vorgesehenen Ausnahmetatbestände erfülle, nicht nachgekommen, sodass ihr ein haftungsbegründender Verstoß gegen EU‑Abgasnormen anzulasten sei. Allerdings fehle es an einem tatsächlichen Schaden der Klägerin.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Die Klägerin habe den Beweis des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Übergabszeitpunkt erbracht, der der Beklagten obliegende Beweis einer Klaglosstellung durch das Software-Update sei ihr nicht gelungen. Aus den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 10 Ob 27/23b und des Europäischen Gerichtshofs C‑100/21 in der Rechtssache QB gegen Mercedes‑Benz Group AG sei abzuleiten, dass dem Erwerber eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs bereits mit dem Erwerb ein ersatzfähiger Schaden entstanden sein könne. Ein – auch im Sinn des Aufhebungsbeschlusses 5 Ob 100/22z objektiv‑abstrakt zu berechnender – Schadenersatzbetrag sei in einer Bandbreite von 5 % bis 15 % nach freier Überzeugung im Sinn des § 273 Abs 1 ZPO festzusetzen. Stehe fest, dass das Fahrzeug am Gebrauchtwagenmarkt keinen Wertverlust erlitten hat und nach dem Aufspielen des Updates kein Minderwert mehr gegeben ist, sei der zu ersetzende Schadensbetrag im unteren Bereich der Bandbreite mit 5 % des Kaufpreises, also 2.800 EUR auszumitteln. Dass ein allfälliger im Kaufzeitpunkt erlittener Schaden durch den Vorteil eines angemessenen Weiterverkaufserlöses ausgeglichen werde, sei im Sinn der Aufhebungsentscheidung 5 Ob 100/22z abzulehnen, weil selbst bei Bejahung der – fraglichen – sachlichen Kongruenz des Erlöses aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs die Anrechnung im Hinblick auf die unionsrechtlichen Anforderungen einer Ersatzleistung zur unbilligen Entlastung des Schädigers führen würde. Da die Beklagte den ihr obliegenden Beweis mangelnden Verschuldens betreffend die ursprünglichen unterschiedlichen Regelungsstrategien nicht erbracht habe, komme es auf den behaupteten Verbotsirrtum in Bezug auf das verbliebene Thermofenster nicht an.
[8] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil die Frage des Zeitpunkts des Schadenseintritts bei Weiterverkauf eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbauten Fahrzeugs vom Obersten Gerichtshof nicht eindeutig beantwortet worden sei und allein aufgrund der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 10 Ob 27/23b noch nicht von einer gefestigten Rechtsprechung des Höchstgerichts ausgegangen werden könne. Der Frage der Schadensbemessung beim Weiterverkauf eines Fahrzeugs, das bei Übergabe mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet war, komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Gegen den Zuspruch von 2.800 EUR wendet sich die – beantwortete – Revision der Beklagten, mit dem Antrag, das gänzlich klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[9] Gegen die Abweisung eines Schadenersatzbetrags von weiteren 5.600 EUR wendet sich die – beantwortete –Revision der Klägerin, mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn des Zuspruchs dieses weiteren Schadenersatzbetrags, hilfsweise wird ebenfalls die Aufhebung angestrebt.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die Revisionen sind – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie können keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
I. Zur Revision der Beklagten
[11] 1.1. Die Beklagte behauptet, bei Weiterverkauf des Fahrzeugs nach zuvor jahrelanger unbeeinträchtigter Nutzung fehle es an einem Schaden der Klägerin und jeglicher Unsicherheit über die Möglichkeit, das Fahrzeug anzumelden, in Betrieb zu nehmen oder zu verkaufen. Das Berufungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu 9 Ob 33/22a ab.
[12] 1.2. Die Beklagte übersieht, dass der 9. Senat zu 9 Ob 2/23v ausdrücklich von seiner – vereinzelt gebliebenen – Entscheidung 9 Ob 33/22a abging. Er begründete dies unter Hinweis auf die Entscheidungen 10 Ob 2/23a [Rz 22] und 10 Ob 27/23b [Rz 25] sowie des EuGH [C‑100/21 , QB gegen Mercedes‑Benz Group AG, Rn 84] damit, dass im Fall des Erwerbs eines mit einer im Sinn des Art 5 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs das – den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechend einen Schaden im Sinn des § 1293 ABGB bildende – geringere rechtliche Interesse in der (objektiv) eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit liegt. Diese Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags ist nach den Vorgaben des EuGH somit als europarechtlich relevanter Schaden anzusehen, dies auch in Fällen, in denen das Fahrzeug bereits verkauft wurde. Steht dabei fest, dass kein Minderwert vorliegt oder das Fahrzeug bereits verkauft wurde, ohne dass ein daraus resultierender Schaden behauptet wird, ist dies (nur) im Rahmen der Bandbreite des zu bemessenden Ersatzbetrags zu berücksichtigen (9 Ob 2/23v [Rz 25]).
[13] 1.3. Auch der 10. Senat ging zu 10 Ob 46/23x jüngst davon aus, dass der nach den Vorgaben des EuGH objektiv‑abstrakt zu ermittelnde Schaden bereits aufgrund des Kaufvertrags eingetreten ist (unter Hinweis auf 10 Ob 27/23b [Rz 25]; Maderbacher, Angemessener Schadenersatz in Abgasfällen VbR 2023/63, 77).
[14] 1.4. Dass die Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin bis zum Weiterverkauf und der Weiterverkauf an sich nichts (mehr) an dem objektiv bereits bei Kaufvertragsabschluss eingetretenen Schaden der Klägerin ändern konnte, ist durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung somit mittlerweile geklärt. Eine erhebliche Rechtsfrage, deren Vorliegen nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen ist (RS0112769; RS0112921), liegt nicht (mehr) vor.
[15] 2.1. Vergleichbares gilt für die in der Revision angesprochene Vorteilsanrechnung wegen der Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin und/oder deren Weiterverkauf zu einem angemessenen Kaufpreis.
[16] 2.2. In der Entscheidung 3 Ob 203/23h hielt der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall, in dem der Fahrzeugkäufer ebenfalls „kleinen Schadenersatz“ in Höhe von 30 % des Kaufpreises als Minderwert begehrt hatte, dem Einwand der Vorteilsanrechnung die ständige Rechtsprechung entgegen, dass dies voraussetzen würde, dass das schädigende Ereignis nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch einen Vorteil im Vermögen des Geschädigten verursacht hat. Es muss sich um einen zeitlich und sachlich kongruenten Vorteil handeln, der durch das pflichtwidrige Handeln entsteht oder wenigstens im selben Tatsachenkomplex wurzelt (5 Ob 100/22z). Die Vorteilsanrechnung setzt im Regelfall eine subjektiv‑konkrete Schadensberechnung voraus, weil es bei der objektiv‑abstrakten Berechnung unerheblich ist, ob der Geschädigte die Sache nach Eintritt des Schadens veräußert und welchen Erlös er dadurch erzielt hat (4 Ob 3/19y mwN). Bei objektiv‑abstrakter Schadensberechnung ist ein Vorteil nur dann anrechenbar, wenn er am beschädigten Gut selbst entstanden ist (5 Ob 100/22z). Diese Voraussetzung sah der 3. Senat im dort zu beurteilenden, gleichgelagerten Fall nicht erfüllt.
[17] 2.3. Dies gilt auch hier. Warum ein Erlös aus einer Weiterveräußerung mehr als zwei Jahre nach dem Ankauf zeitlich und sachlich kongruent sein soll, lässt sich aus dem Vorbringen der Beklagten ungeachtet der sie dazu treffenden Behauptungs- und Beweislast (vgl 5 Ob 100/22z) nicht entnehmen und ist auch nicht erkennbar.
[18] 2.4. Die Entscheidung des BGH vom 20. 7. 2021, VI ZR 575/20, betraf „großen Schadenersatz“ in Form der Rückabwicklung des Kaufvertrags Zug um Zug. Dass sich in einem solchen Fall der Käufer den Verkaufserlös als Vorteil anrechnen lassen müsste, hat mit der Frage nach dem Vorteilsausgleich bei „kleinem Schadenersatz“ nichts zu tun. Auch die zitierten Entscheidungen deutscher Gerichte zum Vorteilsausgleich durch das Software-Update sind nicht einschlägig, zumal die Beklagte mit ihrem Argument, durch das Update sei ein etwaiger Schaden vollständig beseitigt worden, nicht von den Feststellungen ausgeht. Die zum Ausmaß des nach dem Update verbliebenen „Thermofensters“ getroffenen Negativfeststellungen gehen – wie sogleich im Folgenden näher erörtert – zu Lasten der Beklagten. Auch insoweit ist eine erhebliche Rechtsfrage daher nicht zu erkennen.
[19] 3. Nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung (8 Ob 88/22g mwN) trifft nämlich den Übergeber die Beweislast dafür, dass durch das Software-Update ein den Zulassungsvorschriften entsprechender Zustand hergestellt wurde (so bereits 10 Ob 2/23a; 8 Ob 97/22f). Ist im Fahrzeug ein Thermofenster verbaut, muss der Übergeber deshalb auch beweisen, dass diese Abschalteinrichtung unter die Ausnahme nach Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a der VO 715/2007/EG fällt, sodass verbleibende Unklarheiten zu seinen Lasten gehen (1 Ob 149/22a). Gelingt der Beklagten dieser Beweis nicht, kann sie sich nicht auf eine Klaglosstellung des Klägers durch das Software-Update berufen, selbst wenn sie damals noch von der Zulässigkeit eines solchen Thermofensters ausgegangen sein sollte (8 Ob 97/22f; 8 Ob 88/22g; jüngst 6 Ob 177/23g). Auch dies ist durch ständige Rechtsprechung bereits geklärt.
[20] 4. Dem Einwand des mangelnden Verschuldens der Beklagten wegen eines Verbotsirrtums ist mit dem Berufungsgericht entgegenzuhalten, dass bereits die ursprünglich gegebenen Abschalteinrichtungen den Schaden bei Vertragsabschluss auslösten und ein allfälliger Verbotsirrtum zum (verbliebenen) Thermofenster nicht geeignet sein konnte, den Schaden zu beseitigen (10 Ob 2/23a [Rz 36]).
[21] 5. Der angeregten Vorabentscheidung betreffend nähere Ausführungen zu dem in der Entscheidung des EuGH C‑100/21 angesprochenen „tatsächlichen Schaden“ bedarf es aus diesen Gründen nicht, die unionsrechtliche Rechtslage erscheint geklärt.
[22] 6. Die Revision der Beklagten war vielmehr mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.
II. Zur Revision der Klägerin
[23] 1.1. Eine erhebliche Rechtsfrage sieht die Klägerin darin, inwieweit die vom Obersten Gerichtshof auf der Basis des Unionsrechts postulierten Spanne des Schadenersatzbetrags von 5 bis 15 % auch relevant sei, wenn der Sachverständige eine Wertminderung exakt feststellen kann. Aufgrund der Entscheidung 8 Ob 70/23m sei aufgrund der Feststellungen in diesem Verfahren von einem Zuspruch von mindestens 10 % auszugehen, der aufgrund des Vorsatzes der Beklagten auf 15 % zu erhöhen sei.
[24] 1.2. Auch dies ist mittlerweile durch höchstgerichtliche Rechtsprechung mehrerer Senate geklärt, sodass keine erhebliche Rechtsfrage (mehr) vorliegt (vgl RS0112769; RS0112921). Die zu 10 Ob 27/23b postulierte Ermittlung des Ersatzanspruchs nach den primär heranzuziehenden unionsrechtlichen Anforderungen der Ersatzleistung in der Höhe von 5 bis 15 % wurde mehrfach und von verschiedenen Senaten bestätigt und herangezogen (10 Ob 46/23x [ebenfalls Weiterverkauf]; 9 Ob 2/23v; 8 Ob 88/22g; 6 Ob 197/23y [5 %]; 3 Ob 203/23h). Dass bei Feststellbarkeit des Minderwerts des angekauften Fahrzeugs im Ankaufszeitpunkt jener zu ersetzen ist, führte der 10. Senat zu 10 Ob 27/23b bereits aus. Ist dies nicht der Fall, ist auf die Ausmittlung nach § 273 Abs 1 ZPO in der Bandbreite von 5 bis 15 % zurückzugreifen. Zu 8 Ob 109/23x hielt auch der 8. Senat fest, dass der festgestellte Minderwert im Zeitpunkt des Ankaufs des Fahrzeugs zu ersetzen ist (dort 20 %). Diese gefestigte höchstgerichtliche Rechtsprechung ist daher zunächst dem – auf Maderbacher, VbR 2023/63 – gestützten Argument entgegenzuhalten, 5 % des Kaufpreises stünden als „Abschreckungsanteil“ zusätzlich zum festgestellten Minderwert zu.
[25] 1.3. Im Übrigen wirft die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0118891). Die Klägerin geht – ohne weitere Argumentation dazu – davon aus, die allgemein gehaltene Feststellung des Erstgerichts, im Falle eines Anbots zweier gleicher Fahrzeuge im Juni 2018, wovon eines mit einer verordnungskonformen Software und ein zweites mit einer vorläufigen unzulässigen Software ausgestattet war, hätte das „Zweitgenannte“ um 10 % billiger angeboten werden müssen, um gleichermaßen angenommen zu werden, sei die Feststellung eines objektiven Minderwerts des konkreten Fahrzeugs. Das Berufungsgericht teilte diese Auffassung nicht. Der 10. Senat ließ zu 10 Ob 46/23x allgemeine Feststellungen, wie sich durchschnittliche oder nicht durchschnittliche Käufer bei Kenntnis vom Vorliegen einer Abschalteinrichtung verhalten würden, nicht genügen, um daraus auf Marktwerte des (konkreten) Fahrzeugs im mangelhaften und im mangelfreien Zustand zu schließen. Die hier getroffene Feststellung ist ähnlich, die Auffassung des Berufungsgerichts, damit sei kein Minderwert des (konkreten) Fahrzeugs festgestellt, daher nicht zu beanstanden. Gegen die Ermittlung des Schadenersatzbetrags im Bereich von 5 % des Nettokaufpreises bestehen daher keine Bedenken, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wären (vgl 6 Ob 197/23y).
[26] 2. Zur Frage des Vorteilsausgleichs, die die Klägerin ebenfalls als erhebliche Rechtsfrage anspricht, ist sie darauf zu verweisen, dass das Berufungsgericht ohnedies keine Anrechnung eines Vorteils aufgrund des Weiterverkaufs (oder der Nutzung des Fahrzeugs durch sie) vornahm, sodass sich eine Auseinandersetzung mit ihrer Argumentation dazu erübrigt. Im Übrigen kann auf die Ausführungen zu dem von der Beklagten monierten Vorteilsausgleich verwiesen werden.
[27] 3. Damit war auch die Revision der Klägerin mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.
III. Kostenentscheidung
[28] Da die Parteien jeweils auf die Unzulässigkeit der Revision ihrer Gegnerin hingewiesen haben, steht ihnen gemäß §§ 41, 50 ZPO der Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen zu. Bei der Revisionsbeantwortung der Klägerin war zu berücksichtigen, dass das Revisionsinteresse der Beklagten nur 2.800 EUR beträgt. Für eine – nicht näher begründete – „50 %‑Erhöhung“ des Honorars für die Revisionsbeantwortung der Beklagten besteht kein Anlass.
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