OGH 4Ob200/23z

OGH4Ob200/23z20.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* GmbH, *, vertreten durch Mag. Oliver Diez, Rechtsanwalt in Lochau, gegen die beklagten Parteien 1. S*, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, und 2. D*, vertreten durch die MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in Götzis, wegen Feststellung (gegenüber beiden beklagten Parteien, Streitwert 30.000 EUR) und Erwirkung einer unvertretbaren Handlung (gegenüber der erstbeklagten Partei: Streitwert 30.000 EUR; Gesamtstreitwert gegenüber der erstbeklagten Partei: 60.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Juli 2023, GZ 1 R 47/23f‑35, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00200.23Z.0220.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagten sind Eigentümer einer Liegenschaft, die Erstbeklagte zu 3/10 und der Zweitbeklagte zu 7/10. Sie haben jeweils ein Vorkaufsrecht an den Anteilen des anderen, das im Grundbuch eingetragen ist. Als Vorkaufspreis hatten sie den von einem gerichtlich zertifizierten Sachverständigen ermittelten „Verkehrswert“ vereinbart. Die Auswahl und Bestellung des Sachverständigen sollte dem Verkäufer zustehen.

[2] Am 30. 4. 2020 verkaufte die Erstbeklagte ihre 3/10‑Anteile um 321.840 EUR an die Klägerin. Der Kaufpreis entsprach „in etwa“ 3/10 des von einem von der Erstbeklagten beauftragten Sachverständigen ermittelten Verkehrswerts der Gesamtliegenschaft.

[3] Der notariell beglaubigt unterfertigte Kaufvertrag enthielt ua die folgende Bestimmung:

„IV. Vorbehalt eines besseren Käufers

Die Vertragsteile vereinbaren den Verkauf mit Vorbehalt eines besseren Käufers gem. § 1084 ABGB. Für den Fall, dass die Verkäuferseite für die Dauer von drei Jahren ab allseitiger Unterfertigung dieses Vertrages ein rechtlich verbindliches Kaufanbot zu einem höheren Kaufpreis vorlegt, ist die Verkäuferseite berechtigt, die Aufhebung des Kaufvertrages von der Käuferseite zu verlangen. Der Käuferseite steht es diesenfalls frei, gegen Ersatz der Differenz des Kaufpreises binnen 14 Tagen ab Vorlage des rechtsverbindlichen Kaufanbotes des besseren Käufers die Aufhebung des Kaufvertrages abzuwenden. Die Käuferseite verpflichtet sich, für die Dauer der Vorbehaltsfrist von drei Jahren den Kaufgegenstand weder hypothekarisch zu belasten noch an Dritte zu veräußern, noch Veränderungen vorzunehmen, die den Wert der Kaufsache verändern. Zur grundbücherlichen Besicherung dieses Vorbehaltsrechtes räumt die Käuferseite der Verkäuferseite ein Vorkaufsrecht gem. §§ 1072 ff ABGB ein. Der Kaufpreis beträgt für den Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Käuferseite € 321.840,--. Dieses Vorkaufsrecht ist grundbücherlich sicherzustellen.

[4] Unmittelbar vor dem Termin beim Notar hatten der für die Klägerin handelnde Geschäftsführer der Klägerin und die Erstbeklagte – im Stiegenhaus des Notars – eine als „Anbot“ bezeichnete Vereinbarung unterschrieben, in der die Erstbeklagte gegen Übernahme der Vertragserrichtungskosten durch die Klägerin auf den Vorbehalt eines besseren Käufers verzichtete.

[5] Am 4. 5. 2020 ging dem Zweitbeklagten das vom Vertragserrichter verfasste Einlösungsanbot zu. Er wurde aufgefordert, innerhalb der gesetzlichen Frist mitzuteilen, ob er am Erwerb der Liegenschaft (gemeint offenbar: der Anteile der Erstbeklagten, Anm) zu denselben Bedingungen wie die Klägerin interessiert sei. Dem Einlösungsanbot waren auch der notariell beglaubigt unterfertigte Kaufvertrag und das Verkehrswertgutachten angeschlossen, nicht aber die als „Anbot“ bezeichnete Vereinbarung, die den Verzicht der Erstbeklagten auf den Vorbehalt eines besseren Käufers enthielt.

[6] Der Zweitbeklagte übte das Vorkaufsrecht bis zum 3. 6. 2020 nicht aus.

[7] Die Klägerin begehrte von beiden Beklagten die Feststellung, dass das Vorkaufsrecht des Zweitbeklagten an den 3/10‑Anteilen der Erstbeklagten erloschen sei, und von der Erstbeklagten überdies die Erwirkung der Löschung des Vorkaufsrechts im Grundbuch.

[8] Die Beklagten bestritten ua das Vorliegen eines gehörigen Einlösungsanbots.

[9] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ua mit der Begründung ab, es fehle an einem gehörigen Einlösungsanbot, weil dem Zweitbeklagten die als „Anbot“ bezeichnete Vereinbarung der Klägerin und der Erstbeklagten nicht übersendet worden sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich jeder beklagten Partei 30.000 EUR übersteige. Es begründete diese – in Ansehung des Zweitbeklagten von der Bewertung des Feststellungsbegehrens durch den Kläger abweichende – Bewertung mit der Höhe des Kaufpreises für die Anteile der Erstbeklagten. Die ordentliche Revision sei mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

[10] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Rechtliche Beurteilung

[11] 1. Das Berufungsgericht hat das Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung gegenüber dem Zweitbeklagten von der Bewertung des Streitgegenstands in der Klage abgehend mit mehr als 30.000 EUR bewertet und diese Einschätzung begründet. Seine im Ermessensbereich vorgenommene Bewertung entzieht sich der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof (vgl RS0042450 [T3]).

[12] 2. Der im Kaufvertrag enthaltene Vorbehalt eines besseren Käufers ist nach der klaren gesetzlichen Regelung eine Bedingung (iSd §§ 897 ff ABGB). Ohne Übergabe des Kaufgegenstands ist er eine aufschiebende Bedingung (§ 1083 ABGB), mit Übergabe des Kaufgegenstands eine auflösende Bedingung (§ 1084 ABGB).

[13] 3. Nach der gesicherten Rechtsprechung muss das Einlösungsanbot dem Vorkaufsberechtigten zumindest die Informationen bieten, die er braucht, um über die Ausübung des Vorkaufsrechts entscheiden zu können (vgl RS0020180; RS0020353; RS0024918). Darunter fallen auch Bedingungen (RS0020180, [insb T4]; RS0020216 [T2]). Ein unzureichendes Anbot löst die Einlösungsfrist nicht aus (vgl RS0020180; RS0020353; RS0024918).

[14] 4. Der zweitbeklagte Vorkaufsberechtigte erhielt mit dem Einlösungsanbot vom 4. 5. 2020 nur den notariell beglaubigt unterfertigten Kaufvertrag vom 30. 4. 2020, nicht aber die als „Anbot“ bezeichnete Vereinbarung, die den Verzicht der Erstbeklagten auf den Vorbehalt eines besseren Käufers enthielt. Er wurde nicht darüber informiert, dass die Kaufvertragsparteien die Bedingung des Vorbehalts eines besseren Käufers (bereits im Voraus) abbedungen hatten. Dieses Vorgehen war geeignet, bei ihm den falschen Eindruck zu erwecken, der tatsächlich nur durch die Nichtausübung des Vorkaufsrechts bedingte Kaufvertrag enthalte eine zusätzliche Bedingung, an die er gebunden sei, wenn er das Vorkaufsrecht ausübe, nämlich den Vorbehalt eines besseren Käufers für die Dauer von drei Jahren (Punkt IV. des Kaufvertrags). Wegen des Vorspiegelns einer nicht vereinbarten Bedingung erhielt der Zweitbeklagte somit nicht die Informationen, die er brauchte, um sinnvoll über die Ausübung des Vorkaufsrechts entscheiden zu können.

[15] 5. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, es liege kein gehöriges Einlösungsanbot vor, sodass das Vorkaufsrecht weiter aufrecht sei, ist vor diesem Hintergrund vertretbar. Zumindest liegt darin keine aus Gründen der Rechtssicherheit auch im Einzelfall aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung (vgl RS0043253 [T7, T8]).

[16] 6. Die weiteren in der außerordentlichen Revision aufgeworfenen und als erheblich angesehene Rechtsfragen stellen sich nicht (mehr): Ob die alternative Begründung des Berufungsgerichts, der Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten sei als Scheingeschäft gesamtnichtig (§ 916 Abs 1 S 1 ABGB), vertretbar ist, ist in Ermangelung eines gehörigen Einlösungsanbots ebenso unerheblich wie die Frage, ob der Zweitbeklagte, wenn er sein Vorkaufsrecht ausgeübt hätte, überhaupt an den Vorbehalt eines besseren Käufers gemäß Punkt IV. des Kaufvertrags vom 30. 4. 2020 gebunden gewesen wäre.

[17] 7. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen des § 502 ZPO nicht vorliegen.

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