European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0200DS00013.22Z.1124.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte
Spruch:
Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird Folge gegeben und über * unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 21. Februar 2018, AZ D 134/13, vom 19. Februar 2020, AZ D 123/16, und vom 18. März 2021, AZ D 82/17, eine Geldbuße von 1.500 Euro und die Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von zwei Monaten als Zusatzstrafe verhängt.
Die Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft wird gemäß § 16 Abs 2 erster Satz DSt unter Setzung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen.
Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten (§ 2 Abs 2 iVm §§ 4 und 17 RL‑BA 2015 – siehe dazu 26 Ds 4/21v – vgl auch 20 Ds 3/20a; Lehner, Die disziplinäre Einordnung des sogenannten Handelns in eigener Sache, AnwBl 2021/285, 565 [567]) und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
1) bis 3) und 5) drei im Erkenntnis genannten Richtern und einer Rechtspflegerin in mehreren konkret bezeichneten, vor dem Landesgericht * und dem Bezirksgericht * geführten Verfahren in seinen Schriftsätzen vom 10. Dezember 2014, vom 13. Oktober 2015 und vom 21. April 2016 jeweils ohne sachliche Rechtfertigung willkürliches bzw amtsmissbräuchliches Vorgehen unterstellt;
4) seit zumindest 12. August 2015 fünfzehn gegen ihn bestehende und vollstreckbare Forderungen von zwei im Erkenntnis genannten Gläubigern in Höhe von 32.542,83 Euro nicht bezahlt (ES 10 f), sodass gegen ihn mehrfach Exekution geführt werden musste.
[3] Über den Beschuldigten wurde unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 19. Februar 2020, AZ D 123/16, und vom 21. Februar 2018, D 134/13, die – für eine Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehene – (Zusatz‑)Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in der Dauer von zwei Monaten und eine Geldbuße von 2.000 Euro verhängt.
[4] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die – (nominell) auch Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 1, 4, 5a sowie 9 lit a und b StPO relevierende (vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) – Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld und (gemäß § 49 letzter Satz DSt als erhoben zu betrachtend) über die Strafe.
Rechtliche Beurteilung
[5] Seine gleichzeitig erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Disziplinarrats vom 12. Juli 2021, mit dem der im Zuge der Disziplinarverhandlung gestellte Antrag des Beschuldigten auf Ablehnung der Mitglieder des Disziplinarrats abgewiesen wurde, wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 14. Februar 2023, GZ 20 Ds 14/22x‑5, zurückgewiesen.
[6] Zur in der mündlichen Berufungsverhandlung geäußerten gegenteiligen Ansicht des Beschuldigten nicht auszuführen, dass die Senatszusammensetzung (auch) in Bezug auf die Anwaltsrichter der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs entspricht.
[7] Der gegen das Erkenntnis der Rechtsanwaltskammer * vom 12. Juli 2021 erhobenen Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld kommt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zu.
[8] Unter dem Aspekt der Besetzungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO) legt der Berufungswerber mit seinem weitwendigen Vorbringen zu dem von ihm bloß (wiederholt – vgl zuletzt etwa 26 Ds 5/20i) behaupteten Bestehen einer (unter anderem auch) von den Mitgliedern des Disziplinarrats unterstützten „rechtsstaatsfeindlichen Verbindung“ in „der Richterschaft der Republik Österreich“ keine konkreten Umstände dar, die aus der Sicht eines objektiven Beobachters bei diesem den Eindruck erwecken, die Abgelehnten könnten sich aus persönlichen Gründen bei ihrer Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen (RIS‑Justiz RS0056962, RS0097082; vgl auch Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 9 ff; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 132).
[9] Die gegen die Schuldsprüche 1) bis 3) und 5) gerichtete, jeweils das Vorliegen unsachlicher Beleidigungen der Gerichtspersonen bestreitende Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) übergeht die jeweiligen dazu getroffenen Konstatierungen des Disziplinarrats (ES 6 f [zu 1], ES 7 bis 10 [zu 2 und 3] und ES 11 f [zu 5]) und verfehlt damit den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[10] Mit der weiteren Behauptung des Berufungswerbers, es lägen „sekundäre Feststellungsmängel“ zum (vermeintlich) willkürlichen bzw amtsmissbräuchlichen Vorgehen der Genannten vor, wird kein Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen (siehe dazu vielmehr ES 7 iVm ES 13 [zu 1], ES 9 f iVm ES 14 [zu 2 und 3] und ES 12 iVm ES 15 f [zu 5]) geklärten, aber indizierten Sachverhalt gegeben (RIS‑Justiz RS0118580), sondern bloß der angebliche Nichtigkeitsumstand weder deutlich noch bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) bezeichnet.
[11] Die (nominelle, inhaltlich nicht nachvollziehbare) Berufung auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO geht schon deshalb ins Leere, weil im anwaltlichen Disziplinarverfahren eine Tatsachenrüge – wie in allen Verfahrensarten, in denen eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vorgesehen ist – nicht zur Verfügung steht (RIS‑Justiz RS0132515 [T1]). Die in diesem Zusammenhang „hilfsweise“ erfolgte Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 281 Abs 1 Z 4 StPO bleibt unverständlich.
[12] Die – nicht näher ausgeführte – Berufung wegen Schuld im engeren Sinn (§ 464 Z 2 erster Fall StPO) vermag keine Bedenken an der Lösung der Schuldfrage durch den Disziplinarrat zu erwecken, weil sich dieser im Rahmen seiner empirisch nachvollziehbaren Beweiswürdigung (ES 13 bis 16) mit allen entscheidungswesentlichen Umständen der jeweiligen Taten auseinandersetzte und seine Feststellungen nachvollziehbar begründete. Zudem erklärt sie nicht, den Ersatz welcher konkreter, in den Entscheidungsgründen festgestellter und den Schuldspruch nach Maßgabe rechtsrichtiger Subsumtion tragender Tatsachen sie begehrt (Ratz, WK‑StPO § 464 Rz 6 und 8).
[13] Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – ein Erfolg zu versagen.
[14] Der (implizit – § 49 letzter Satz DSt) wegen des Ausspruchs über die Strafe erhobenen Berufung kommt insofern Berechtigung zu, als nicht nur auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 21. Februar 2018, AZ D 134/13, und vom 19. Februar 2020, AZ D 123/16, sondern auch auf das mittlerweile in Rechtskraft erwachsene (vgl 23 Ds 3/22a) Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 18. März 2021, AZ D 82/17, gemäß § 16 Abs 5 zweiter Satz DSt iVm §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen war (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 16 DSt Rz 22/2).
[15] Für die Strafbemessung sind nach ständiger Judikatur die maßgebenden Grundsätze des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) im anwaltlichen Disziplinarverfahren sinngemäß heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0054839).
[16] Der Disziplinarrat wertete disziplinäre Vorverurteilungen (§ 33 Abs 2 Z 2 StGB) und den Umstand, dass der Beschuldigte jeweils beide Fälle des § 1 Abs 1 DSt zu verantworten hat (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) als erschwerend, die lange Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB) und das längere Zurückliegen der Taten (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB) als mildernd.
[17] Nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung wirkt zusätzlich schwer, dass der Beschuldigte die Äußerungen schriftlich – und solcherart überlegt – vorgetragen hat (vgl 22 Ds 1/22z, 20 Ds 17/22p).
[18] Auf der Grundlage der Schuld (§ 32 Abs 1 StGB) sowie unter Berücksichtigung der dargestellten Strafbemessungsgründe (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) würde zusätzlich zur Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von zwei Monaten eine innerhalb des Strafrahmens von bis zu 45.000 Euro (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) zu bemessende Geldbuße in Höhe von 1.800 Euro als Zusatzstrafe dem Tatunrecht und der Täterschuld sowie Präventionserfordernissen entsprechen und den Einkommens‑ und Vermögensverhältnissen des Berufungswerbers angemessen Rechnung tragen (§ 16 Abs 6 DSt).
[19] Von der Geldbuße war zum Ausgleich der langen Verfahrensdauer ein Betrag von 300 Euro in Abzug zu bringen, woraus sich eine Geldbuße von 1.500 Euro ergibt.
[20] Die Disziplinarstrafe war hinsichtlich der befristeten Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für eine Probezeit von zwei Jahren bedingt nachzusehen. Gerade ein drohender Eingriff in die Erwerbsmöglichkeit des Beschuldigten erscheint geeignet, ihn in Zukunft vor weiteren einschlägigen Handlungen abzuhalten.
[21] Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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