OGH 9Ob70/22t

OGH9Ob70/22t18.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Mag. Schober und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. A* GmbH, *, und 2. V* AG, *, beide vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Vertragsaufhebung und 22.534,20 EUR sA in eventu Preisminderung 6.000 EUR, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. April 2019, GZ 4 R 43/19z‑28, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom 11. Jänner 2019, GZ 5 Cg 154/17t‑24, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00070.22T.1018.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

I. Das mit Beschluss vom 16. April 2020, AZ 9 Ob 39/19d, bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 17. März 2020 zu 10 Ob 44/19x gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochene Revisionsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof wird fortgesetzt.

Der Fortsetzungsantrag der klagenden Partei wird, soweit er (weitere) Ausführungen enthält, zurückgewiesen.

Die Eingaben der klagenden Partei vom 25. Februar 2020, 18. Juli 2022 und 13. September 2022 sowie der beklagten Parteien vom 6. September 2022 werden zurückgewiesen.

II. Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin schloss mit der Erstbeklagten am 26. 7. 2013 einen Kaufvertrag über einen PKW der Marke VW Tiguan 4Sports TDI BMT um 28.890 EUR. Die Zweitbeklagte ist Herstellerin dieses PKWs. DerWagen ist mit einem Dieselmotor EA 189 der Abgasklasse Euro 5 ausgestattet.

[2] Der Dieselmotor war mit einer Software ausgestattet, die bewirkte, dass das Fahrzeug am Prüfstand (NEFZ) die Stickoxid‑(NOx‑)Werte der Euro 5 Abgasnorm einhielt, während es im normalen Fahrbetrieb auf Straßen einen deutlich höheren NOx‑Ausstoß aufwies.

[3] Für den gegenständlichen Fahrzeugtyp wurde vom zuständigen deutschen Kraftfahrt-Bundesamt(künftig: KBA) die EG‑Typengenehmigung erteilt. Die „Umschaltlogik“ war der Typengenehmigungsbehörde zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.

[4] In der Folge entwickelte die Beklagte nach Einschreiten des KBA ein Software‑Update. Dieses bewirkt, dass die „Umschaltlogik“ eliminiert wird, wodurch das Fahrzeug durchgehend nach nur einem Modus betrieben wird. Das Software‑Update wurde von der KBA getestet und frei gegeben.

[5] Das sogenannte „Thermofenster“ bleibt auch nach Durchführung dieses Software‑Updates im jeweiligen Fahrzeug. Bei diesem handelt es sich um eine Abschalteinrichtung, die dazu dient, dass die volle Abgasrückführung nur in einem Temperaturbereich bei Außentemperaturen zwischen 15 Grad Celsius und 33 Grad Celsius erfolgt. Bei Temperaturen darüber oder darunter kommt es zu einer sich kontinuierlich verringernden Abgasrückführung.

[6] Die Klägerin ließ das Software‑Update im November 2016 durchführen.

[7] Eine Information der Klägerin über den Einbau der Manipulations‑Software mit Einfluss auf die NOx‑Werte hätte die Kaufentscheidung der Klägerin nicht beeinflusst.

[8] Die Klägerin begehrt, gestützt auf Gewährleistung (Wandlung), List, Irrtum und Schadenersatz, die Aufhebung des zwischen ihr und der Erstbeklagten abgeschlossenen Kaufvertrags und von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von 22.534,20 EUR sA (unter Berücksichtigung eines Nutzungsentgelts von 6.355,80 EUR) an die R* GmbH Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, in eventu Zahlung von 6.000 EUR an Preisminderung an die R* GmbH; in eventu die Feststellung, dass die Beklagten zur ungeteilten Hand für jeden Schaden haften, welcher ihr aus dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung entstehe.

[9] Sie brachte dazu vor, dass sich ihre Aktivlegitimation daraus ergebe, dass das Fahrzeug über die R* GmbH geleast worden sei. Die Leasinggeberin habe ihr bereits in den AGB's sämtliche Ansprüche abgetreten, aufgrund der Bedingungen habe sie jedoch Zahlung zu Handen der Leasinggeberin zu begehren. Sie habe darauf vertraut, ein manipulationsfreies, den gesetzlichen Bestimmungen und dem Stand der Technik entsprechendes Qualitätsprodukt zu bekommen. Hätte sie vom Einbau der Manipulations‑Software als unzulässige Abschalteinrichtung gewusst, hätte sie das Fahrzeug nicht gekauft. Das Software‑Update habe den vertragskonformen Zustand nicht hergestellt und habe zu neuen Mängeln geführt. Nach der Verordnung (EG) 715/2007 müssten die Grenzwerte unter normalen Betriebsbedingungen eingehalten werden. Dies sei auch nach dem Update nicht der Fall. Die Zweitbeklagte habe mit der Manipulation der Fahrzeuge ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten gesetzt, welches der Erstbeklagten zurechenbar sei.

[10] Die Beklagten bestritten und brachten vor, das KBA habe festgestellt, dass sämtliche Fahrzeuge mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 technisch sicher und fahrbereit seien und uneingeschränkt im Straßenverkehr benützt werden könnten. Die Typengenehmigungen der Fahrzeuge seien weiterhin aufrecht und weiterhin nach der Abgasnorm Euro 5 klassifiziert. Es sei unrichtig, dass es durch das Software‑Update zu negativen Folgen komme. Die vorhandene Abschalteinrichtung sei als zulässig eingestuft worden. Ein bestimmter Ausstoß von Stickoxyden im Prüfbetrieb habe für die Klägerin keine maßgebliche Rolle gespielt. Die vertragsgemäßen Erwartungen der Klägerin seien erfüllt worden. Die Handlungen der Zweitbeklagten seien der Erstbeklagten nicht zurechenbar. Mangels rechtswidriger und vorsätzlicher Irreführung durch die Beklagte scheide auch eine schadenersatzrechtliche Haftung nach § 874 ABGB aus. Der Klägerin fehle ein Feststellungsinteresse.

[11] Das Erstgericht wies sämtliche Begehren ab, wobei es die Zahlungsbegehren nicht als Begehren auf Zahlung an die R* GmbH, sondern an die Klägerinformulierte. Zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf es folgende – von der Klägerin in der Berufung als überschießend – bekämpfte Feststellung: „Die Klägerin übernahm das Fahrzeug als Leasingnehmerin, Leasinggeber war die R* GmbH. Ob eine Abtretung der dem Leasinggeber zustehenden Rechts an die Klägerin vorgenommen wurde, konnte nicht festgestellt werden.“

[12] Rechtlich führte es aus, es sei nicht objektiviert, ob es zu einer Abtretung der Ansprüche von der Leasinggeberin auf die Klägerin gekommen sei. Letztlich komme es darauf aber nicht an. Es liege kein wesentlicher Irrtum der Klägerin vor. Verkehrssicherheit und Verkehrsfähigkeit seien gegeben. Ein Entzug der bereits erteilten Zulassung drohe nicht. Das Einhalten bestimmter NOx‑Werte sei nicht Vertragsinhalt geworden. Schadenersatzansprüche der Klägerin würden bereits daran scheitern, dass kein Schaden eingetreten sei.

[13] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Auf die Frage der fehlenden Aktivlegitimation komme es nicht an. In der Klasse Euro 5 seien lediglich die Grenzwerte im NEFZ‑Prüfstandsbetrieb einzuhalten, nicht im realen Fahrbetrieb. Selbst wenn der NOx‑Ausstoß im realen Fahrbetrieb den Grenzwert übersteige, könne daraus keine Mangelhaftigkeit des Software‑Updates abgeleitet werden.

[14] Das „Thermofenster“ nach dem Software‑Update, also der Konstruktionsteil, der bewirkt, dass die Abgasrückführung im Außentemperaturbereich von unter 15 Grad Celsius oder mehr als 33 Grad Celsius sowie in einer Höhe über 1.000 m schrittweise zurückgenommen werde, sei zum Motorschutz nach der Verordnung (EG) 715/2007 (künftig: VO 715/2007/EG ) zulässig. Der Klägerin stehe daher kein Gewährleistungsanspruch zu. Nach den Feststellungen hätte eine Information der Klägerin über den ursprünglichen Einbau der Manipulations‑Software ihre Kaufentscheidung nicht beeinflusst. Damit fehle es schon an dem vom Geschädigten zu beweisenden Kausalzusammenhang zwischen einer allfälligen Irreführung durch die Beklagten für den Vertragsabschluss und damit den allfälligen Schaden. Zudem sei die Klägerin durch die bewirkte Verbesserung auch bezogen auf die Irrtumsanfechtung klaglos gestellt.

[15] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zu den gewährleistungs‑ und irrtumsrechtlichen Folgen von (unionsrechtswidrigen) Abschalteinrichtungen bei Kraftfahrzeugen keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

[16] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[17] Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18] Die Revision ist zulässig und berechtigt.

[19] 1.1. Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 16. 4. 2020, AZ 9 Ob 39/19d, wurde das Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über den vom Obersten Gerichtshof am 17. 3. 2020 zu 10 Ob 44/19x gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen, da von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH auszugehen sei und diese auch für andere als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden sei.

[20] Dieses Vorabentscheidungsersuchen wurde zwischenzeitig vom EuGH zu C‑145/20 entschieden, weshalb das Verfahren fortzusetzen war.

[21] 1.2. Soweit im Fortsetzungsantrag darüber hinaus auch weitere Ausführungen (Anregung zum Auftrag eines Schriftsatzwechsels „vor der nächsten Tagsatzung“) enthalten sind, verstößt dies gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, nach dem auch Nachträge oder Ergänzungen unzulässig sind (RS0041666). Aus dem gleichen Grund sind auch die übrigen Eingabe der Parteien zurückzuweisen.

2.1. Zur Haftungsgrundlage des Verkäufers:

[22] Die Klägerin stützt ihren Wandlungsanspruch auf Gewährleistung. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass durch das Aufspielen des Software‑Updates der Mangel, der aus dem Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung resultierte, beseitigt wurde.

[23] 2.2. Der Oberste Gerichtshof hat zwischenzeitig bereits unter Berufung auf diese Rechtsprechung des EuGH ausgesprochen, dass die auch beim gegenständlichen Fahrzeug zum Übergabezeitpunkt vorhandene „Umschaltlogik“ als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn der Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG zu qualifizieren ist (Teilurteil 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 47]; 10 Ob 44/19x [ErwGr 2.1.]; 10 Ob 16/23k).

[24] 2.3. Darüber hinaus wurde auch das nach dem Software-Update vorhandene „Thermofenster“, aufgrund dessen der emissionsmindernde Betriebsmodus nicht mehr nur im Prüfbetrieb, sondern auch im Fahrbetrieb zum Einsatz kommt, allerdings nur bei Außentemperaturen zwischen 15 Grad Celsius und 33 Grad Celsius voll wirksam ist, als Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG qualifiziert, die nicht nach dem Ausnahmetatbestand des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG zulässig ist (Teilurteil 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 55 ff];10 Ob 16/23k).

[25] Die Unzulässigkeit folgt daraus, dass nach Installation des Software‑Updates eine Abschalteinrichtung vorliegt, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres aktiv ist, sodass es nicht darauf ankommt, ob sie ausschließlich notwendig ist, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist. Dieser Mangel ist nach der Entscheidung des EuGH zu C‑145/20 (Rs Porsche Inter Auto und Volkswagen) auch nicht geringfügig.

[26] 2.4. Nach dem Urteil C‑145/20 des EuGH (Rs Porsche Inter Auto und Volkswagen) ist ein Kfz, das im Zeitpunkt der bedungenen Übergabe mit einer gemäß Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, nicht vertragskonform im Sinn der Verbrauchsgüterkauf‑RL (Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, Abl L 171/12 vom 7. 7. 1999), konkret deren Art 2 Abs 2 lit d, weil es nicht die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftiger Weise erwarten kann.

[27] 2.5. Nach § 932 ABGB kann der Übernehmer zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, sowohl Verbesserung als auch Austausch sind unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden (§ 932 Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1 ABGB). Nach ständiger Rechtsprechung kann der Übernehmer schon bei Misslingen des ersten Verbesserungsversuchs den Sekundärbehelf (Wandlung oder Preisminderung) in Anspruch nehmen (RS0018722 [T2]; RS0018702 [T9]).

[28] Im vorliegenden Fall lag bei Übergabe des Fahrzeugs ein Mangel vor, der darin bestand, dass eine gemäß Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotene Abschalteinrichtung – die „Umschaltlogik“ – vorhanden war. Dieser Mangel sollte durch die Durchführung eines Software-Updates behoben werden. Der angebotene Verbesserungsversuch war jedoch untauglich, weil danach immer noch eine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden war. Grundsätzlich besteht daher ein Anspruch auf Wandlung (vgl Teilurteil 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 75 f]).

3.1. Zur Haftungsgrundlage des Herstellers:

[29] Auch zu dieser Frage hat der Oberste Gerichtshof zwischenzeitig bereits mehrfach Stellung genommen (vgl dazu insb das Endurteil vom 25. 4. 2023 zu 10 Ob 2/23a).

[30] 3.2. Ein Verstoß gegen Art 5 der VO 715/2007/EG kann den Hersteller auch dann ersatzpflichtig machen, wenn er in keinem Vertragsverhältnis zum Käufer steht, sofern dem Käufer ein Schaden entstanden ist. In einem solchen Fall haben die Mitgliedstaaten einen Schadenersatzanspruch zu Gunsten des Käufers gegenüber dem Hersteller vorzusehen (EuGH C‑100/21 , Mercedes-Benz Group, Rn 91). Dabei handelt es sich somit um einen im nationalen Recht wurzelnden Schadenersatzanspruch, der am unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz zu messen ist (EuGH C‑100/21 , Mercedes‑Benz Group, Rn 93), also eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion für den Verstoß darstellen muss (vgl EuGH C‑100/21 , Mercedes‑Benz Group, Rn 90). Im Übrigen richten sich die Modalitäten dieses Schadenersatzanspruchs nach nationalem Recht (EuGH C‑100/21 , Mercedes‑Benz Group, Rn 92), hier also unstrittig nach österreichischem Recht.

[31] 3.3. Die unionsrechtlichen Bestimmungen, bezwecken (auch), das Vertrauen eines Käufers auf die Richtigkeit der vom Hersteller ausgestellten Übereinstimmungsbescheinigung zu schützen. Der EuGH betont, dass durch die Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung die Gültigkeit der EG‑Typengenehmigung und daran anschließend die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung in Frage gestellt werden können. Ein Schaden, der darin besteht, dass die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs eingeschränkt ist und sich das Vermögen des Erwerbers des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs infolge unrichtiger Übereinstimmungsbescheinigung nicht entsprechend den objektiv berechtigten Verkehrserwartungen oder einem von diesen Verkehrserwartungen abweichenden Willen des Erwerbers zusammensetzt, steht folglich im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit den hier gegenständlichen Schutzgesetzen (Art 18 Abs 1, Art 26 Abs 1, Art 46 RL 2007/46 in Verbindung mit Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG ).

[32] 3.4. Der Schadensbegriff des ABGB wird diesen unionsrechtlichen Voraussetzungen gerecht. Als Schaden im Sinn des § 1293 ABGB ist jeder Zustand zu verstehen, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht (RS0022537). Im vorliegenden Fall des Erwerbs eines mit einer im Sinn des Art 5 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs besteht dieses geringere rechtliche Interesse – den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechend – in der (objektiv) eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit.

[33] 3.5. Der Schadenersatzanspruch ist primär auf Naturalersatz gerichtet (§ 1323 ABGB). Dem Wiederherstellungsbefehl ist Genüge getan, wenn eine im Wesentlichen gleiche Lage, ein gleichartiger, wirtschaftlich gleichwertiger Zustand („Ersatzlage“) hergestellt wird (RS0030228; RS0060539). Der Geschädigte ist demnach primär so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde (RS0022818; RS0030228 [T7]). Aufgrund der unionsrechtlichen Vorgabe, dass die Sanktionen für Verstöße gegen die Vorschriften der VO 715/2007/EG wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen (EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes‑Benz Group AG, Rn 90 u 93), kann der Ersatz daher – jedenfalls in dem Fall, dass eine (geeignete) Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung durch Reparatur des Fahrzeugs nicht angeboten wird – in Form einer Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs (Zug-um-Zug-Abwicklung) verlangt werden (vgl auch RS0129706). Dies kommt der – auch nach § 1323 ABGB grundsätzlich vorrangigen – Naturalrestitution am nächsten, weil es die ungewollte Zusammensetzung des Vermögens unmittelbar beseitigt (Endurteil 10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 [Rz 35]).

[34] 3.6. Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne schädigendes Ereignis stünde, ist auch ein Vorteil des Geschädigten, der ohne die erfolgte Beschädigung nicht entstanden wäre, prinzipiell zu Gunsten des Schädigers zu buchen (RS0022834; RS0022726). Im Rahmen der Vorteilsanrechnung ist alles zu berücksichtigen, was der Geschädigte aus dem (ungewollten) Vertrag zu seinem Vorteil hat, also nicht bloß das (zurückzustellende) Fahrzeug selbst, sondern auch seine tatsächliche Nutzung (bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz). Der in der Nutzung des Fahrzeugs liegende Vorteil ist nach den in der Entscheidung 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 (Rz 92 ff) ausführlich dargelegten bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zu ermitteln.

[35] 3.7. Ein Schadenseintritt wäre lediglich dann zu verneinen, wenn das objektiven Verkehrserwartungen nicht genügende Fahrzeug dennoch konkret dem Willen des Käufers entsprach. Dabei reicht – entsprechendes Vorbringen vorausgesetzt – eine Feststellung, dass eine Information des Käufers über den Einbau der manipulierten Software die Kaufentscheidung nicht beeinflusst hätte, nicht aus, um daraus den Schluss zu ziehen, es sei kein Schaden entstanden, weil diese Feststellung nicht ausreichend erkennen lässt, auf welche von den objektiven Verkehrserwartungen abweichende Umstände sie sich bezieht:

[36] Die getroffene Feststellung gibt keine Auskunft darüber, ob der Käufer das Fahrzeug gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass es sich bei der vorhandenen Software („Umschaltlogik“) um ein verbotenes Konstruktionselement handelte, das der Typengenehmigungsbehörde verschwiegen wurde, sodass nur deshalb die EG‑Typengenehmigung erteilt wurde. Ebenso wenig lässt sich daraus ableiten, ob der Käufer die Notwendigkeit des Software‑Updates und die vom EuGH angesprochene Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs (EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes‑Benz Group AG, Rn 84) in Kauf genommen und den gegenständlichen Neuwagen dennoch erworben hätte.

[37] 3.8. Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen kann daher auch eine Haftung des Herstellers nicht von vornherein verneint werden.

[38] 4.1. Die Besonderheit des Anlassfalls besteht darin, dass es sich beim Fahrzeug der Klägerin um ein Leasingfahrzeug handelt. Die Klägerin beruft sich auf die Abtretung von Ansprüchen.

[39] 4.2. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass beim Finanzierungsleasing die aus dem Kaufvertrag über den Leasinggegenstand resultierenden Rechte gegen den Lieferanten grundsätzlich dem Leasinggeber als Käufer und Eigentümer des Leasinggegenstands zustehen (RS0018690). Grundsätzlich hat der Leasingnehmer beim Finanzierungsleasing daher keine unmittelbaren eigenen Gewährleistungsansprüche gegen den Lieferanten der Leasingsache (6 Ob 217/09v).

[40] 4.3. Zur Frage der Abtretung solcher Rechte ist zu beachten, dass die Abtretung eines Gestaltungsrechts grundsätzlich nur bei Abtretung des mit dem Gestaltungsrecht verbundenen Hauptanspruchs des Schuldverhältnisses möglich ist. Eine Ausnahme besteht nur in Fällen, in denen besondere Interessen für eine selbständige Abtretung sprechen. Eine solche Interessenlage wird in den Fällen des Finanzierungsleasings bejaht, weil die Gefahr der Unbrauchbarkeit der Sache den Leasingnehmer trifft, der Leasinggeber aber gerade deshalb und auch wegen der damit verbundenen Mühen an einer Ausübung von Gestaltungsrechten in der Regel nicht interessiert ist (vgl 6 Ob 639/88 unter Berufung auf P. Bydlinski, Die Übertragung von Gestaltungsrechten [1986] 155, und Krejci, Zur Gewährleistungspflicht des Leasinggebers, JBl 1988, 490). Dementsprechend ist anerkannt, dass Gewährleistungsansprüche an den Leasingnehmer abgetreten werden können (6 Ob 217/09v; Pesek in Schwimann/Kodek 5 § 1090 ABGB Rz 108, 114) und beim Finanzierungsleasing auch die selbständige Abtretung der zu den Gestaltungsrechten gehörenden Wandlungsansprüche des Leasinggebers an den Leistungsnehmer zulässig ist (RS0018590; 6 Ob 639/88). Aus einer solchen Zession stehen dem Leasingnehmer grundsätzlich dieselben Gewährleistungsansprüche zu, wie sie dem Leasinggeber gegenüber dem Lieferanten zukommen (RS0018590).

[41] 4.4. In der Entscheidung zu 6 Ob 639/88 hat der Oberste Gerichtshof auch zur formularmäßigen Abtretung von – vom gewährleistungsrechtlichen Wandlungsanspruch zu unterscheidenden, durch dessen erfolgreiche Geltendmachung erst ausgelösten – bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsansprüchen Stellung genommen. Dazu wurde ausgeführt, dass die formularmäßige Abtretung von Gewährleistungsrechten jedenfalls für den Wandlungsfall im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zum Ergebnis führen könne, der Leasingnehmer habe zugleich auch den erst aus einer erfolgreichen Wandlung resultierenden Kondiktionsanspruch für sich zediert bekommen. Dies widerspräche nämlich dem – beiden Parteien bewussten – Sicherungsbedürfnis des Leasinggebers, welchem daher nicht ohne Weiteres zugesonnen werden dürfe, er habe damit auch einer Kaufpreiszahlung an den Leasingnehmer zustimmen wollen. Wenn von der Abtretung der Gewährleistungsrechte (insbesondere des Wandlungsanspruchs) auch der diesbezügliche Kondiktionsanspruch mitumfasst sein sollte – wofür immerhin die Überlegung spreche, dass der Leasinggeber ersichtlich mit dem Sachmängelstreit nichts zu tun haben wolle – so (grundsätzlich) nur in der Form, dass der Leasingnehmer den Rückforderungsanspruch zu Gunsten des Leasinggebers geltend machen könne. Er dürfe daher nur Zahlung an den Leasinggeber verlangen (RS0018696).

[42] Hat also der Leasinggeber seine Gewährleistungsansprüche „formularmäßig“ an den Leasingnehmer abgetreten, so bedeutet dies demnach nicht gleichzeitig, dass der Leasingnehmer damit auch den Kondiktionsanspruch zediert erhalten hat. Den Parteien des Leasingvertrags steht es aber naturgemäß frei, im Einzelfall eine konkrete Abtretungsregelung zu vereinbaren, deren Reichweite durch Auslegung zu ermitteln ist.

[43] 4.5. Die Judikatur zur klauselrechtlichen Inhaltskontrolle beim Leasingvertrag, wonach die Überwälzung des Lieferrisikos auf den Leasingnehmer gröblich benachteiligend und die (erstmalige) Hauptverschaffungspflicht (Verschaffung der Gebrauchs-möglichkeit) des Leasinggebers unabdingbar ist (RS0016649), spricht nicht gegen das erzielte Ergebnis. Vielmehr wurde in der Entscheidung zu 2 Ob 1/09z festgehalten, dass die beurteilte Klauselnichtigkeit selbst dann gegeben ist, wenn die Käuferrechte dem Leasingnehmer abgetreten werden (6 Ob 507/95). Auch diese Entscheidung geht somit von der Abtretbarkeit der Käuferrechte an den Leasingnehmer aus. Die bereits zitierte Entscheidung zu 6 Ob 217/09v hält eine derartige Abtretung sogar für erforderlich, wenn Gewährleistungsansprüche des Leasingnehmers gegen den Leasinggeber ausgeschlossen werden sollen, weil dann dem Leasingnehmer die Rechte des Käufers und Leasinggebers gegenüber dem Lieferanten zustehen.

[44] 4.6. Demnach ist grundsätzlich eine Abtretung auch von Gestaltungsrechten im Rahmen eines Finanzierungsleasings zulässig.

[45] 4.7. Dennoch ist die Rechtssache nicht spruchreif. Im Verfahren sind sowohl das Vorbringen der Klägerin als auch die Feststellungen zum Leasing unklar geblieben. Einerseits gehen sowohl die Parteien als auch das Erstgericht davon aus, dass die Klägerin das Fahrzeug „gekauft“ hat, andererseits hat das Erstgericht unbekämpft festgestellt, dass die Klägerin das Fahrzeug als Leasingnehmerin übernahm. Käuferin (Leasinggeberin) des Fahrzeuges sei die R* GmbH gewesen.

[46] Weiters brachte die Klägerin vor, dass ihr schon in den AGB's der Leasinggeberin sämtliche Ansprüche abgetreten worden seien. Aufgrund dieser Bedingungen sei jedoch Zahlung an die Leasinggeberin zu begehren. Das Klagebegehren wurde daher auch entsprechend umgestellt, wobei allerdings weiter die Aufhebung des Kaufvertrags mit der Klägerin gefordert wird.

[47] Das Erstgericht hat jedoch (ungerügt) unter anderem das Begehren auf „Zahlung an die Klägerin“ abgewiesen. Eine Abtretung von Ansprüchen an die Klägerin konnte nicht festgestellt werden.

[48] In der Revision macht die Klägerin wie bereits in der Berufung geltend, dass diese Negativfeststellung zur Abtretung überschießend sei. Die Aktivlegitimation sei nicht ausdrücklich bestritten.

[49] 4.8. Das Gericht darf grundsätzlich die bei einer Beweisaufnahme hervorgekommenen Umstände nur soweit berücksichtigen, als sie im Parteivorbringen Deckung finden. Darüber hinausgehende „überschießende“ Feststellungen dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (RS0037972 [T9]; RS0036933 [T7]).

[50] Da die Klägerin selbst aber ihre Legitimation aus einer Abtretung von Ansprüchen ableitet, bestehen grundsätzlich keine Bedenken gegen die Berücksichtigung der entsprechenden Feststellung. Eine Außerstreitstellung erfolgte nicht, vielmehr gehen die Beklagten offenbar vom Eigentum der Klägerin aus, das diese aber selbst nicht behauptet.

[51] 4.9. Allerdings hat die Klägerin in der Berufung diese Feststellung auch mit Beweisrüge bekämpft, die das Berufungsgericht nicht behandelt hat, weil es das Klagebegehren bereits aus anderen Gründen als nicht berechtigt ansah.

[52] Die Rechtssache ist daher an das Berufungsgericht zur Behandlung der Beweisrüge zur Frage der Abtretung zurückzuverweisen. Sollte das Berufungsgericht dabei zu einem anderen Ergebnis als das Erstgericht gelangen, wird es sich auch mit der Frage des Umfangs der Abtretung und dem daraus resultierenden Klagebegehren auseinander zu setzen haben.

[53] 5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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