OGH 7Ob121/23d

OGH7Ob121/23d30.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. G* H*, vertreten durch Dr. Bernhard Umfahrer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M* C*, vertreten durch Mag. Michal Slany, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 5. April 2023, GZ 22 R 12/23d‑42, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00121.23D.0830.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem – wie hier – eine Berufung wegen Nichtigkeit (nach § 477 Abs 1 Z 8 ZPO) verworfen wird, ist zufolge der Rechtsmittelbeschränkung des § 519 Abs 1 ZPO unanfechtbar (RS0042981 [T6]; RS0043405; RS0043796 [T1]).

[2] 2. Zwar wurde der Beklagten – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts (vgl RS0042963 [T28]) – das Protokoll der Tagsatzung vom 29. 9. 2022 nicht mit dem erstinstanzlichen Urteil zugestellt, jedoch vermag die Revisionswerberin nicht darzulegen, inwiefern die unterlassene Zustellung (abstrakt) geeignet gewesen wäre, einen wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Berufungsverfahrens zu nehmen. Das von ihr in dieser Tagsatzung erstattete Vorbringen zur unterlassenen Aufklärung über die Vertragskonstruktion wurde im erstinstanzlichen Urteil angeführt und zu diesem Thema wurden Feststellungen getroffen. Da die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen vermag, dass die zwar verfügte, aber unterlassene Zustellung des Verhandlungsprotokolls wesentlich für die Entscheidung des Berufungsgerichts gewesen war und sich auf diese auswirken konnte (vgl RS0043027; RS0116273), liegt die – unrichtig als Aktenwidrigkeit – behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor.

[3] 3.1. Die Beklagte hält dem auf titellose Benützung gestützten Räumungsbegehren des Klägers eine Zug‑um‑Zug‑Verknüpfung mit der von ihr geleisteten Vorauszahlung für einen erst abzuschließenden Kaufvertrag entgegen. Das Zug‑um‑Zug‑Prinzip gilt neben Tausch und Kauf auch für andere synallagmatische Verträge, sofern keine Vorleistungspflicht vereinbart oder Besonderes gesetzlich angeordnet ist. Auch auf außervertragliche Rechtsbeziehungen ist § 1052 ABGB anwendbar, sofern sie zueinander in einem Austauschverhältnis stehen bzw wenn eine konditionale Pflichtenbeziehung vorliegt, wenn also die eine Leistungspflicht nicht ohne die andere bestehen soll (1 Ob 203/08x mwN; RS0018760 [T2, T5]). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO wird mit der Frage, ob ein Gegenseitigkeitsverhältnis besteht, nicht berührt (RS0019902 [T6]; vgl RS0019923 [T1]).

[4] 3.2. Die Vorinstanzen erkannten zwar einen gewissen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem vormaligen Bestandvertrag und den Zahlungen der Beklagten von 270.000 EUR als Vorleistung auf einen künftig abzuschließenden Kaufvertrag, sahen jedoch in der geleisteten Zahlung einerseits und der Rückstellung der Liegenschaft andererseits kein Austauschverhältnis. Die Benützung der Liegenschaft habe nach dem (feststehenden) Willen der Parteien nicht in einem Austauschverhältnis mit der geleisteten Anzahlung (Teil des künftigen Kaufpreises) für die Liegenschaft stehen sollen. Ohne den zuvor bestehenden Bestandvertrag hätte die Beklagte keine Berechtigung zur Nutzung der Liegenschaft gehabt und in das Haus nicht einziehen dürfen. Die Rückstellung des Bestandobjekts nach Beendigung des Mietverhältnisses und der gescheiterte Vor- bzw Kaufvertrag seien getrennt voneinander zu beurteilen. Dass der Kläger keinen Anspruch auf die geleistete Anzahlung habe, stehe in keinem Austauschverhältnis mit dem Räumungsbegehren infolge beendeten Bestandverhältnisses.

3.3. Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig:

[5] Dass der Bestandvertrag und der Vorvertrag betreffend die Liegenschaft wirtschaftlich betrachtet einen Zusammenhang aufwiesen, bedeutet nicht, dass die von der Beklagten geleistete Zahlung auf einen erst in Zukunft abzuschließenden Kaufvertrag als „wirtschaftliches Äquivalent“ für die Nutzung der Liegenschaft gegeben worden ist. Sowohl der Vorvertrag als auch der Mietvertrag sollten nach dem festgestellten Willen der Parteien klar voneinander getrennte rechtliche Verhältnisse sein, die sich gerade nicht aufeinander auswirken sollten. Diese Vertragskonstruktion wurde gewählt, weil der Kläger vor Zahlung des gesamten Kaufpreises keinen Kaufvertrag abschließen und Sicherheit haben wollte, dass er im Fall der unterlassenen Zahlung des Kaufpreises weiterhin Eigentümer der Liegenschaft bleibt und für diese Zeit ein Nutzungsentgelt erhält. Dies wurde mit der Beklagten auch erörtert, die dennoch die Liegenschaft schon vor der vollständigen Aufbringung des besprochenen Kaufpreises nutzen wollte. Die Übergabe und Nutzung der Liegenschaft sollte nach dem Willen der Parteien ausschließlich aufgrund des Mietvertrags erfolgen. Der Bestandzins sollte auch nicht auf einen (künftigen) Kaufpreis angerechnet werden.

[6] Dagegen war die Vorauszahlung der Beklagten nur als Vorausleistung für einen in Zukunft abzuschließenden Kaufvertrag gedacht, der nicht zustande gekommen ist, weil sie den besprochenen Kaufpreis nicht aufbringen konnte. Ein Austauschverhältnis bzw eine konditionale Pflichtenbeziehung ist hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Räumung seiner Liegenschaft wegen titelloser Benützung (nach Beendigung des Bestandvertrags) und jener der Beklagten auf Rückzahlung der Vorausleistung auf den nicht zustande gekommenen Kaufvertrag nicht gegeben.

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