European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00113.23P.0817.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 2.382,67 EUR (darin 397,11 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin erwarb im März 2021 durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren eine Liegenschaft samt Haus mit 20 Bestandobjekten. Der Zweitbeklagte war der Liegenschaftseigentümer und Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die als Bauberechtigte bis zum Erlöschen des Baurechts am 1. 12. 2018 Bestandgeberin gewesen war. Die Erstbeklagte war bis zum Zuschlag die Verwalterin der Liegenschaft. Als solche übernahm sie von den Mietern für die Vermieterin Barkautionen in Höhe des Klagebetrags und zahlte diese auf ein nicht vom sonstigen Vermögen abgegrenztes Konto der Vermieterin ein. Da diese ihre Bankverbindlichkeiten nicht mehr erfüllen konnte, schöpfte die Bank das Kontoguthaben (einschließlich der Kautionen) ab. Die Verpflichtung zur fruchtbringenden Anlegung der von den Mietern erlegten Kautionen auf einem Sparbuch fand sich auch in den zwischen der Vermieterin und den jeweiligen Mietern abgeschlossenen Mietverträgen. Im Zwangsversteigerungsverfahren waren Kautionen nicht erwähnt worden.
[2] Die Klägerin begehrt von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand Zahlung in Höhe der erlegten Barkautionen aus dem Titel des Schadenersatzes und der Bereicherung. Hilfsweise begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagten ihr zur ungeteilten Hand für künftige Schäden aus den fehlenden Kautionen der noch nicht ausgezogenen Mieter hafte.
[3] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, der Schutzzweck des § 16b Abs 1 2. Satz MRG beschränke sich auf die Mieter; ein Schutz des späteren Erwerbers des Objekts sei weder dem Gesetz noch den Materialien zu entnehmen. Die von der Klägerin ins Treffen geführte Schadensverlagerung setze voraus, dass der unmittelbar Verletzte keinen Vermögensnachteil erleide, weil im Schädigungszeitpunkt bereits ein Dritter aufgrund besonderer Rechtsbeziehungen zu ihm das wirtschaftliche Risiko der Rechtsgutverletzung zu tragen habe. Hier sei den Mietern aber nie ein Schaden entstanden. Der unmittelbar im Vermögen der Klägerin eingetretene Schaden stehe nicht im Schutzzweckzusammenhang mit der verletzten Norm. Ein Herausgabeanspruch bestehe bei der Barkaution nach der Entscheidung 8 Ob 76/20i gegenüber beiden Beklagten nicht, zumal sich die §§ 1120, 1121 ABGB und § 2 MRG nur auf das Verhältnis des neuen Vermieters zu den Mietern beziehen. Ein Bereicherungsanspruch scheide aus, weil mit Beendigung des Baurechtsvertrags die Vermietereigenschaft zwar an den Zweitbeklagten als Erwerber der Objekte übergegangen sei und er verpflichtet gewesen wäre, im Fall der Beendigung von Mietverhältnissen Barkautionen (verzinst) zurückzuzahlen. Eine Rückzahlungsverpflichtung des Zweitbeklagten schon vor dem Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren sei aber nicht behauptet worden. Da die Klägerin aufgrund der auf sie übergegangenen Bestandverträge vertraglich verpflichtet sei, den Mietern bei Beendigung des Mietverhältnisses die Barkautionen zurückzuzahlen, scheide ein Bereicherungsanspruch aus. In mehrpersonalen Verhältnissen dürfe die Vermögensverschiebung weder durch einen Vertrag zwischen dem Verkürzten und dem Bereicherten noch demVerkürzten und einem Dritten gerechtfertigt sein.
[5] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Schutzzweck des § 16b Abs 1 2. Satz MRG und zur Frage fehle, ob es sich bei der Rückzahlungsverpflichtung der Erwerberin des Mietobjekts an die Mieter nach Inanspruchnahme der nicht abgesondert verwahrten Barkaution durch eine Gläubigerin der vormaligen Vermieterin um den Fall einer Schadensverlagerung handle und ob dadurch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch bestehe.
[6] In ihrer Revision strebt die Klägerin eine Abänderung im Sinn einer Stattgebung des Haupt-, hilfsweise des Eventualfeststellungsbegehrens an und stellt auch einen Eventualaufhebungsantrag.
[7] Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[9] 1.1. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene Schäden zu haften, welche die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindern sollten (Rechtswidrigkeitszusammenhang). Dieser Schutzzweck der Norm ergibt sich aus ihrem Inhalt. Das Gericht hat das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die übertretene Vorschrift den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten wollte (RIS‑Justiz RS0008775). Es reicht, dass die Verhinderung des Schadens bloß mitbezweckt ist, die Norm muss aber die Verhinderung eines Schadens wie später eingetreten intendiert haben (2 Ob 135/13m; 6 Ob 118/18y). Wie weit der Normzweck (Rechtswidrigkeitszusammenhang) reicht, ist typischerweise Auslegungsfrage im Einzelfall (RS0082346). Trifft das Gesetz dazu eine eindeutige Regelung oder lässt sich im Weg einfacher Auslegung ein eindeutiges Ergebnis erzielen, begründet der Umstand, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur konkreten Fallgestaltung fehlt, für sich allein noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (1 Ob 232/11s; RS0042656 [T32]). Ein solcher Fall liegt hier vor.
[10] 1.2. Gemäß dem mit der WRN 2009 eingeführten und am 1. 4. 2009 in Kraft getretenen § 16b Abs 1 2. Satz MRG hat der Vermieter die Verpflichtung, eine Barkaution auf einem Sparbuch fruchtbringend und von seinem Vermögen getrennt zu veranlagen. Andere Veranlagungsformen sind bei gleich guter Verzinsung und gleich hoher Sicherheit zulässig, wenn sie eine eindeutige Abgrenzung vom Vermögen des Vermieters und bei dessen Insolvenz eine Absonderung ermöglichen. Gemäß § 16b Abs 3 MRG darf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kaution nicht für andere Ansprüche, die nicht im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis stehen, herangezogen werden. Wird der Mietvertrag während des Insolvenzverfahrens beendet, hat der Mieter das Recht auf Absonderung der Kaution, soweit dem nicht berechtigte Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis entgegenstehen (IA 513/A XIV. GP 4; Riss in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 16b MRG Rz 69).
[11] 1.3. Die übereinstimmende Auffassung der Vorinstanzen, die Verpflichtung des Vermieters zur sicheren Veranlagung könne nur mit dem Schutz des Mieters erklärt werden (während die Verpflichtung zur fruchtbringenden Anlegung im Interesse von Vermieter und Mieter liege – Schinnagl in GeKo Wohnrecht I § 16b MRG Rz 23), lässt sich unmittelbar aus dem Gesetz ableiten und entspricht der Lehre (Schinnagl in Illedits, Wohnrecht Taschenkommentar4 § 16b MRG Rz 4; vgl auch Stabentheiner, Die Wohnrechtsnovelle 2009, wobl 2009, 97 [101]). Zu 6 Ob 234/19h (betreffend den Rechnungslegungsanspruch des Mieters gegenüber dem Vermieter aufgrund § 16b MRG) ging auch der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf die Materialien ausdrücklich davon aus, die erlegte Kaution solle zugunsten des Mieters insolvenzfest sein. Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine nicht § 16b Abs 1 2. und 3. Satz MRG entsprechende Veranlagung der Kaution sei nur gegenüber den Mietern rechtswidrig, nicht aber gegenüber einem potentiellen Erwerber der Liegenschaft, ist daher nicht zu beanstanden.
[12] 2.1. Unterlässt es der Revisionswerber darzulegen, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht unrichtig erscheint, ist eine Rechtsrüge, die sich auf die nicht weiter ausgeführte Behauptung beschränkt, das Berufungsgericht habe die Sache rechtlich unrichtig beurteilt, nicht gesetzesgemäß ausgeführt (RS0043605). Dies gilt auch für die nicht gehörige Ausführung der Rechtsrüge für eine von mehreren Anspruchsgrundlagen (RS0043605 [T2]). Ein solcher Fall liegt in Bezug auf die behauptete Schadensverlagerung vor.
[13] 2.2. Die Klägerin beschränkt sich dazu auf Ausführungen, den Mietern sei kein Schaden erwachsen, weil dieser aufgrund einer Risiko‑ bzw Schadensverlagerung bei ihr eingetreten sei. Sie setzt sich aber nicht mit der ausführlichen Begründung des Berufungsgerichts inhaltlich auseinander, das eine Schadensverlagerung verneinte, weil den Mietern nie ein Schaden entstanden sei, zumal sich die Gefahr, im Insolvenzfall ihre Kaution zu verlieren, nie verwirklicht habe. Selbst wenn man mit der Klägerin von einer Schädigung durch Vermengung der Barkautionen mit dem sonstigen Vermögen der damaligen Vermieterin ausgeht, könnte im Übrigen ein daraus abgeleiteter Schaden der Mieter schon deshalb nicht unmittelbar zum Zeitpunkt seiner Entstehung auf die Klägerin verlagert werden, weil diese damals nicht Vermieterin und daher auch nicht für die Kautionen rückzahlungspflichtig gewesen war.
[14] 3. Es trifft zwar zu, dass die Einzahlung auf das Konto der ehemaligen Vermieterin durch die Erstbeklagte keine den Mietverträgen entsprechende Veranlagung der Barkautionen war. Die Veranlagungspflicht traf allerdings die GmbH als damalige Vermieterin. Weshalb dieses Verhalten der Erstbeklagten sittenwidrig sein soll, legt die Revision nicht dar. Eine Zurechnung ihres Verhaltens an den Zweitbeklagten scheidet aus, weil dieser zum Zeitpunkt der Vermengung der Barkautionen mit dem übrigen Vermögen der GmbH (als damaliger Vermieterin) seinerseits (noch) nicht Vermieter war. Aus welchen Gründen die Gesellschafter-/Geschäftsführerstellung des Zweitbeklagten in der Vermieter‑GmbH unmittelbare Ansprüche der Klägerin gegen ihn begründen sollte, ist nicht ersichtlich, dazu enthält die Revision keine Ausführungen.
[15] 4.1. Auch zur Anspruchsgrundlage Bereicherung ist keine erhebliche Rechtsfrage zu erkennen, zumal die Revision die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts dazu nur ganz pauschal aufgreift.
[16] 4.2. Nach der vom Berufungsgericht berücksichtigten ständigen Rechtsprechung (RS0028050) hat der Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB nur ergänzende Funktion und ist dann nicht berechtigt, wenn die Vermögensverschiebung in einem Rechtsverhältnis zwischen dem Verkürzten und dem Bereicherten einen ausreichenden Rechtsgrund hat oder sonst durch das Gesetz gerechtfertigt oder geregelt ist. Er scheidet aus, wenn der Aufwand durch ein Vertragsverhältnis zwischen dem Aufwendenden und dem Empfänger (10 Ob 8/15x) gerechtfertigt war, so wenn der Kläger infolge einer eigenen Rechtspflicht an den Dritten zu leisten hatte (RS0028050 [T3]). § 1042 ABGB kommt daher nur dann in Betracht, wenn weder zwischen dem Kläger und dem Beklagten noch zwischen dem Kläger und dem Dritten, an den geleistet wurde, sondern nur zwischen dem Beklagten und dem Dritten eine Rechtsbeziehung, die jenen zum Aufwand verpflichtet hätte, bestand (10 Ob 8/15x).
[17] 4.3. Der Erwerber einer Liegenschaft tritt gemäß § 1120 ABGB grundsätzlich in den gesamten Mietvertrag ein, dies unabhängig von der Kenntnis oder Üblichkeit einzelner Bestandteile (Riss in ABGB‑ON1.02 § 1120 Rz 1). Nach Lehre und Rechtsprechung trifft den Erwerber eines Mietobjekts die Verpflichtung, den Mietern bei Beendigung des Mietverhältnisses die jeweilige Kaution zurückzuzahlen (RS0105724; RS0021158 [T1]; Riss in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 16b MRG Rz 52), dies unabhängig davon, ob der Erwerber die Kaution im Voraus erhalten hat oder nicht (8 Ob 76/20i).
[18] 4.4. Der auf diese Judikaturgrundsätze gestützten Auffassung, zwischen der Klägerin als Erwerberin der Liegenschaft und Eintretende in die Mietverträge und den Dritten (den Mietern) bestehe eine Verpflichtung zur Kautionsrückzahlung durch die Klägerin, weshalb ein Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB ausscheide, setzt diese inhaltlich nichts entgegen. Der Hinweis auf einen „aus ihrer Sicht gegebenen bereicherungsrechtlichen Anwendungsfall“ reicht dafür nicht aus.
[19] 5. Letztlich behauptet die Klägerin eine planwidrige Lücke betreffend das Schicksal von Kautionen beim Erwerb von Liegenschaften im Zwangsversteigerungsverfahren, führt aber nicht aus, welche Bestimmung des österreichischen Rechts sie analog angewendet wissen will. Der Verweis auf § 566a BGB, wonach der Erwerber in die dadurch begründeten Rechte und Pflichten eintritt und der Vermieter weiterhin zur Rückgewähr verpflichtet bleibt, wenn der Mieter des veräußerten Wohnraums dem Vermieter für die Erfüllung seiner Pflichten Sicherheit geleistet hat, und bei Beendigung des Mietverhältnisses der Mieter die Sicherheit vom Erwerber nicht erlangen kann, bleibt unklar. Mit der ausführlichen Begründung des Berufungsgerichts betreffend die Verneinung eines Herausgabeanspruchs bezüglich der Barkautionen nach deren Vermengung setzt sie sich nicht auseinander. Auch insoweit ist daher eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu erkennen.
[20] 6. Damit war die Revision zurückzuweisen.
[21] 7. Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat die Klägerin dem Beklagten die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, in der auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen wurde.
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